Herders Conversations-Lexikon. Bd. 4. Freiburg im Breisgau, 1856.geb. 1745 zu Montpellier, frz. Dichter, Lyriker und Satiriker, war mit Chenier unter den letzten Opfern der Schreckensherrschaft (26. Juli 1794). Roue (rueh), frz., gerädert, Name eines Lüderlichen seit dem Regenten Orleans, der die Genossen seiner Ausschweifungen so nannte. Rouen (Ruang), das gallisch-röm. Rotomagus, an der Seine, ehemalige Hauptstadt der Normandie, jetzt des Departem. der Niederseine, eine Stadt, welche noch die Bauart des Mittelalters wie wenige andere zeigt, reich an schönen goth. Gebäuden (Kathedrale, St. Ouen, St. Maclou, St. Madeleine etc.), ist Sitz eines Erzbischofs, hat eine Universitätsakademie und viele andere Anstalten, reiche Sammlungen, eine großartige Industrie, namentlich in Baumwolle, ausgedehnten Handel, der durch Eisenbahnen und die Seine begünstigt ist, auf welcher die gewöhnlichen Handels schiffe bis an die Stadt herauskommen können; die Einwohnerzahl übersteigt 100000. Auf dem Platze aux Veaux steht ein Denkmal der hier 1431 von den Engländern als Zauberin verbrannten Jungfrau von Orleans. Rouge (ruhsch), frz., roth; r. et noir (- e noahr), Roth u. Schwarz, Glücksspiel mit Kugeln (Roulette) od. Karten. Rouget de l' Isle (Rusche dö lihl), s. Marseillaise. Rouladen, in der Musik, namentlich im Gesange: rollende Läufer. Rouleau (rulo), Fenstervorhang, oben um einen beweglichen Stab aufgewickelt, an dem einen Ende mit einer Rolle, um die eine Schnur gewunden ist; wird diese losgemacht, so wickelt sich das R. ab und verhängt das Fenster. Roulette (rulett), frz., Rollscheibe, Rollrädchen, Werkzeug der Kupferstecher; Scheibe, mit rouge et noir und Nummern (Stern) bezeichnet, auf die der Spielende setzt; eine Kugel, die von dem Bankier von dem Vorsprung des innern Scheibenrands auf den drehenden Stern hinuntergelassen wird, bestimmt je nachdem sie nach mehren Umläufen auf einer Farbe oder Nummer stehen bleibt, Gewinn oder Verlust. Rousseau (Russo), Jean Baptiste, französ. Dichter, geb. 1670 zu Paris, Angestellter bei dem Finanzfache, wurde 1712 verbannt, weil er schändliche Satiren verfaßt haben sollte, lebte dann längere Zeit zu Wien und st. 1741 in Brüssel. R. gilt noch heute bei Vielen als der größte Lyriker Frankreichs; jedenfalls hatten seine Oden bedeutende Vorzüge, vor allem die didactisch-philosophischen; die Cantate wurde von ihm zuerst bearbeitet. Oeuvres durch Amar-Durivier, Paris 1820, 5 Bde. Rousseau, Jean Jacques, immer neben Voltaire genannt, wenn von der zerstörenden Literatur des vorigen Jahrh. die Rede ist, wurde 29. Juni 1712 zu Genf geb., der Sohn eines Uhrenmachers, entlief in seinem 16. Jahre als Lehrling eines Graveurs nach Savoyen und wurde nach längerem Umherirren von einer Dame (Madame de Warens) aufgenommen, die ihn aber zugleich als Galan gebrauchte. Sie verschaffte ihm einen Platz in Turin, wo er sich eine ehrenvolle Laufbahn hätte öffnen können, allein R. hielt es auch hier nicht aus und versuchte mancherlei, kehrte indessen immer wieder zu seiner Dame zurück. Während dieser Zeit (13 Jahre) verschaffte sich R. hauptsächlich seine eigenthümliche Bildung; begabt mit einer glühenden Phantasie hatte er diese schon als Knabe durch Romanenleserei überreizt und verdorben, machte jetzt einige Streifzüge in die alten Autoren, beschäftigte sich mit Botanik, Physik und Chemie u. mit den neueren franz. Schriftstellern, welche das Christenthum u. die Staatsordnung befehdeten, vorzugsweise aber mit der Musik. Seine Kenntnisse waren daher eben so mannigfaltig als oberflächlich; solche Studien vermochten auch nicht seine Phantasie zu bändigen, gaben ihr vielmehr immer frische Nahrung und erfüllten ihn mit Stolz und Ehrgeiz, so daß er schon sehr frühe von schriftstellerischem Ruhme träumte. Die Entwicklung seines Charakters wurde dadurch nicht zum Besseren gewendet; R.s Mutter war frühe gestorben, sein Vater hatte ihn fremden Händen zur Erziehung übergeben u. sich zuletzt nichts mehr um ihn bekümmert; der entlaufene geb. 1745 zu Montpellier, frz. Dichter, Lyriker und Satiriker, war mit Chenier unter den letzten Opfern der Schreckensherrschaft (26. Juli 1794). Roué (rueh), frz., gerädert, Name eines Lüderlichen seit dem Regenten Orleans, der die Genossen seiner Ausschweifungen so nannte. Rouen (Ruang), das gallisch-röm. Rotomagus, an der Seine, ehemalige Hauptstadt der Normandie, jetzt des Departem. der Niederseine, eine Stadt, welche noch die Bauart des Mittelalters wie wenige andere zeigt, reich an schönen goth. Gebäuden (Kathedrale, St. Ouen, St. Maclou, St. Madeleine etc.), ist Sitz eines Erzbischofs, hat eine Universitätsakademie und viele andere Anstalten, reiche Sammlungen, eine großartige Industrie, namentlich in Baumwolle, ausgedehnten Handel, der durch Eisenbahnen und die Seine begünstigt ist, auf welcher die gewöhnlichen Handels schiffe bis an die Stadt herauskommen können; die Einwohnerzahl übersteigt 100000. Auf dem Platze aux Veaux steht ein Denkmal der hier 1431 von den Engländern als Zauberin verbrannten Jungfrau von Orleans. Rouge (ruhsch), frz., roth; r. et noir (– e noahr), Roth u. Schwarz, Glücksspiel mit Kugeln (Roulette) od. Karten. Rouget de l' Isle (Rusche dö lihl), s. Marseillaise. Rouladen, in der Musik, namentlich im Gesange: rollende Läufer. Rouleau (rulo), Fenstervorhang, oben um einen beweglichen Stab aufgewickelt, an dem einen Ende mit einer Rolle, um die eine Schnur gewunden ist; wird diese losgemacht, so wickelt sich das R. ab und verhängt das Fenster. Roulette (rulett), frz., Rollscheibe, Rollrädchen, Werkzeug der Kupferstecher; Scheibe, mit rouge et noir und Nummern (Stern) bezeichnet, auf die der Spielende setzt; eine Kugel, die von dem Bankier von dem Vorsprung des innern Scheibenrands auf den drehenden Stern hinuntergelassen wird, bestimmt je nachdem sie nach mehren Umläufen auf einer Farbe oder Nummer stehen bleibt, Gewinn oder Verlust. Rousseau (Russo), Jean Baptiste, französ. Dichter, geb. 1670 zu Paris, Angestellter bei dem Finanzfache, wurde 1712 verbannt, weil er schändliche Satiren verfaßt haben sollte, lebte dann längere Zeit zu Wien und st. 1741 in Brüssel. R. gilt noch heute bei Vielen als der größte Lyriker Frankreichs; jedenfalls hatten seine Oden bedeutende Vorzüge, vor allem die didactisch-philosophischen; die Cantate wurde von ihm zuerst bearbeitet. Oeuvres durch Amar-Durivier, Paris 1820, 5 Bde. Rousseau, Jean Jacques, immer neben Voltaire genannt, wenn von der zerstörenden Literatur des vorigen Jahrh. die Rede ist, wurde 29. Juni 1712 zu Genf geb., der Sohn eines Uhrenmachers, entlief in seinem 16. Jahre als Lehrling eines Graveurs nach Savoyen und wurde nach längerem Umherirren von einer Dame (Madame de Warens) aufgenommen, die ihn aber zugleich als Galan gebrauchte. Sie verschaffte ihm einen Platz in Turin, wo er sich eine ehrenvolle Laufbahn hätte öffnen können, allein R. hielt es auch hier nicht aus und versuchte mancherlei, kehrte indessen immer wieder zu seiner Dame zurück. Während dieser Zeit (13 Jahre) verschaffte sich R. hauptsächlich seine eigenthümliche Bildung; begabt mit einer glühenden Phantasie hatte er diese schon als Knabe durch Romanenleserei überreizt und verdorben, machte jetzt einige Streifzüge in die alten Autoren, beschäftigte sich mit Botanik, Physik und Chemie u. mit den neueren franz. Schriftstellern, welche das Christenthum u. die Staatsordnung befehdeten, vorzugsweise aber mit der Musik. Seine Kenntnisse waren daher eben so mannigfaltig als oberflächlich; solche Studien vermochten auch nicht seine Phantasie zu bändigen, gaben ihr vielmehr immer frische Nahrung und erfüllten ihn mit Stolz und Ehrgeiz, so daß er schon sehr frühe von schriftstellerischem Ruhme träumte. Die Entwicklung seines Charakters wurde dadurch nicht zum Besseren gewendet; R.s Mutter war frühe gestorben, sein Vater hatte ihn fremden Händen zur Erziehung übergeben u. sich zuletzt nichts mehr um ihn bekümmert; der entlaufene <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="lexiconEntry" n="2"> <p><pb facs="#f0777" n="776"/> geb. 1745 zu Montpellier, frz. Dichter, Lyriker und Satiriker, war mit Chenier unter den letzten Opfern der Schreckensherrschaft (26. 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Sie verschaffte ihm einen Platz in Turin, wo er sich eine ehrenvolle Laufbahn hätte öffnen können, allein R. hielt es auch hier nicht aus und versuchte mancherlei, kehrte indessen immer wieder zu seiner Dame zurück. Während dieser Zeit (13 Jahre) verschaffte sich R. hauptsächlich seine eigenthümliche Bildung; begabt mit einer glühenden Phantasie hatte er diese schon als Knabe durch Romanenleserei überreizt und verdorben, machte jetzt einige Streifzüge in die alten Autoren, beschäftigte sich mit Botanik, Physik und Chemie u. mit den neueren franz. Schriftstellern, welche das Christenthum u. die Staatsordnung befehdeten, vorzugsweise aber mit der Musik. Seine Kenntnisse waren daher eben so mannigfaltig als oberflächlich; solche Studien vermochten auch nicht seine Phantasie zu bändigen, gaben ihr vielmehr immer frische Nahrung und erfüllten ihn mit Stolz und Ehrgeiz, so daß er schon sehr frühe von schriftstellerischem Ruhme träumte. Die Entwicklung seines Charakters wurde dadurch nicht zum Besseren gewendet; R.s Mutter war frühe gestorben, sein Vater hatte ihn fremden Händen zur Erziehung übergeben u. sich zuletzt nichts mehr um ihn bekümmert; der entlaufene </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [776/0777]
geb. 1745 zu Montpellier, frz. Dichter, Lyriker und Satiriker, war mit Chenier unter den letzten Opfern der Schreckensherrschaft (26. Juli 1794).
Roué (rueh), frz., gerädert, Name eines Lüderlichen seit dem Regenten Orleans, der die Genossen seiner Ausschweifungen so nannte.
Rouen (Ruang), das gallisch-röm. Rotomagus, an der Seine, ehemalige Hauptstadt der Normandie, jetzt des Departem. der Niederseine, eine Stadt, welche noch die Bauart des Mittelalters wie wenige andere zeigt, reich an schönen goth. Gebäuden (Kathedrale, St. Ouen, St. Maclou, St. Madeleine etc.), ist Sitz eines Erzbischofs, hat eine Universitätsakademie und viele andere Anstalten, reiche Sammlungen, eine großartige Industrie, namentlich in Baumwolle, ausgedehnten Handel, der durch Eisenbahnen und die Seine begünstigt ist, auf welcher die gewöhnlichen Handels schiffe bis an die Stadt herauskommen können; die Einwohnerzahl übersteigt 100000. Auf dem Platze aux Veaux steht ein Denkmal der hier 1431 von den Engländern als Zauberin verbrannten Jungfrau von Orleans.
Rouge (ruhsch), frz., roth; r. et noir (– e noahr), Roth u. Schwarz, Glücksspiel mit Kugeln (Roulette) od. Karten.
Rouget de l' Isle (Rusche dö lihl), s. Marseillaise.
Rouladen, in der Musik, namentlich im Gesange: rollende Läufer.
Rouleau (rulo), Fenstervorhang, oben um einen beweglichen Stab aufgewickelt, an dem einen Ende mit einer Rolle, um die eine Schnur gewunden ist; wird diese losgemacht, so wickelt sich das R. ab und verhängt das Fenster.
Roulette (rulett), frz., Rollscheibe, Rollrädchen, Werkzeug der Kupferstecher; Scheibe, mit rouge et noir und Nummern (Stern) bezeichnet, auf die der Spielende setzt; eine Kugel, die von dem Bankier von dem Vorsprung des innern Scheibenrands auf den drehenden Stern hinuntergelassen wird, bestimmt je nachdem sie nach mehren Umläufen auf einer Farbe oder Nummer stehen bleibt, Gewinn oder Verlust.
Rousseau (Russo), Jean Baptiste, französ. Dichter, geb. 1670 zu Paris, Angestellter bei dem Finanzfache, wurde 1712 verbannt, weil er schändliche Satiren verfaßt haben sollte, lebte dann längere Zeit zu Wien und st. 1741 in Brüssel. R. gilt noch heute bei Vielen als der größte Lyriker Frankreichs; jedenfalls hatten seine Oden bedeutende Vorzüge, vor allem die didactisch-philosophischen; die Cantate wurde von ihm zuerst bearbeitet. Oeuvres durch Amar-Durivier, Paris 1820, 5 Bde.
Rousseau, Jean Jacques, immer neben Voltaire genannt, wenn von der zerstörenden Literatur des vorigen Jahrh. die Rede ist, wurde 29. Juni 1712 zu Genf geb., der Sohn eines Uhrenmachers, entlief in seinem 16. Jahre als Lehrling eines Graveurs nach Savoyen und wurde nach längerem Umherirren von einer Dame (Madame de Warens) aufgenommen, die ihn aber zugleich als Galan gebrauchte. Sie verschaffte ihm einen Platz in Turin, wo er sich eine ehrenvolle Laufbahn hätte öffnen können, allein R. hielt es auch hier nicht aus und versuchte mancherlei, kehrte indessen immer wieder zu seiner Dame zurück. Während dieser Zeit (13 Jahre) verschaffte sich R. hauptsächlich seine eigenthümliche Bildung; begabt mit einer glühenden Phantasie hatte er diese schon als Knabe durch Romanenleserei überreizt und verdorben, machte jetzt einige Streifzüge in die alten Autoren, beschäftigte sich mit Botanik, Physik und Chemie u. mit den neueren franz. Schriftstellern, welche das Christenthum u. die Staatsordnung befehdeten, vorzugsweise aber mit der Musik. Seine Kenntnisse waren daher eben so mannigfaltig als oberflächlich; solche Studien vermochten auch nicht seine Phantasie zu bändigen, gaben ihr vielmehr immer frische Nahrung und erfüllten ihn mit Stolz und Ehrgeiz, so daß er schon sehr frühe von schriftstellerischem Ruhme träumte. Die Entwicklung seines Charakters wurde dadurch nicht zum Besseren gewendet; R.s Mutter war frühe gestorben, sein Vater hatte ihn fremden Händen zur Erziehung übergeben u. sich zuletzt nichts mehr um ihn bekümmert; der entlaufene
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Zitationshilfe: | Herders Conversations-Lexikon. Bd. 4. Freiburg im Breisgau, 1856, S. 776. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon04_1856/777>, abgerufen am 16.06.2024. |