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Herders Conversations-Lexikon. Bd. 4. Freiburg im Breisgau, 1856.

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nach sind etwa 9/11 Deutsche oder germanisirte Slaven, die anderen Slaven, nämlich: Kuren, Lithauer, Polen (weitaus die zahlreichsten), Kassuben, Wenden, Czechen. Die östl. Hälfte bildet der größeren Strecke nach ein Flachland, das sich vom Riesengebirge, Erzgebirge, Thüringer Wald u. Harz gegen die Ostsee ausbreitet; der westl. u. südl. Theil Schlesiens ist von den Bergen der Sudeten und des Riesengebirges erfüllt, die Provinz Sachsen wird von dem Thüringer Walde durchzogen u. enthält einen Theil des Harzes. In den westl. Provinzen erheben sich zwischen Weser und Rhein der Teutoburger Wald, das Sauerländische-, das Weser- u. Siebengebirge, jenseits des Rheins Hundsrück, Eifel und Hohe Veen. Hauptflüsse sind: Memel, Weichsel, Oder, Elbe, Weser, Ems u. Rhein; durch Kanäle verbunden sind Elbe u. Oder, Oder u. Weichsel. Die Fruchtbarkeit des Bodens ist sehr ungleich, somit auch der Ertrag der Landwirthschaft und Viehzucht; diese werden im Allgemeinen mit großer Umsicht betrieben u. heben sich fortwährend. Der Bergbau liefert Silber (etwa 40000 Mark jährlich), hauptsächlich aber Eisen, Steinkohlen u. Zink u. hat in neuester Zeit einen großen Aufschwung genommen; Salz findet sich im Ueberfluß, Bernstein in Ostpreußen und Pommern; Mineralquellen zählt man 108. Die Industrie ist besonders in Schlesien, Sachsen, Westfalen und der Rheinprovinz einheimisch; sie erzeugt namentlich: Wolletuch, Seidezeuge u. Seidesammt, Baumwollestoffe aller Art, Metallwaaren, Leinwand, Rübenzucker, Branntweine, chemische Fabrikate. Der Seehandel beschäftigt mit Einschluß der Küstenfahrer etwa 1560 Fahrzeuge mit 270000 Tonnen Gehalt. Die Staatsverfassung P.s ist die constitutionell-monarchische; der Thron erbt nach der Erstgeburt in der Ordnung der Linien mit Vorzug des Mannsstammes; die Verfassungsurkunde vom 31. Jan. 1850 (sie ist seitdem Jahr für Jahr abgeändert worden, welche Praxis auch 1856 nicht aufgehört hat) bestimmt 2 Kammern: das Herrenhaus, dessen Mitglieder von dem Könige auf Lebensdauer ernannt werden, u. die Kammer der Abgeordneten, welche aus den Wahlen der nach einem Klassencensus eingetheilten Staatsbürger hervorgehen. Neben dem Staatsministerium besteht als höchste berathende Behörde ein Staatsrath, in welchem die volljährigen königl. Prinzen sowie die durch ihr Amt od. durch das Vertrauen des Königs berufenen Staatsdiener Sitz u. Stimme haben. An der Spitze der Verwaltung einer Provinz steht ein Oberpräsident, dem die Consistorien, Schulcollegien, Medicinalcollegien, Archive, Landarmendirectionen etc. unmittelbar untergeordnet sind. Die nähere Verwaltung der Provinz geht von der Regierung aus, deßhalb ist jede Provinz in 2-4 Regierungsbezirke (der ganze Staat in 27) getheilt; ein solches Regierungscollegium besteht aus einem Präsidenten, aus Oberregierungsräthen, Regierungsräthen, Assessoren, Referenten, Sekretären, Kanzleidirector u. zerfällt in 4 Abtheilungen: für Kirchen- u. Schulwesen, das Innere, Domänen, directe Steuern und Forsten, indirecte Steuern. Unter diesen Regierungen stehen die Landräthe d. h. die Vorsteher der Kreise, die Kreiskassen, Rentämter, Domänenpachtämter, die Polizeibehörden, Aerzte etc. Die 1851 wieder hergestellten Provinzialstände haben, wenn sie die Regierung dazu auffordert, über Einführung oder Aufhebung von Provinzialgesetzen ihr Gutachten abzugeben und die auf die Provinz fallenden Abgaben zu vertheilen. Das Justizwesen hat seit 1848 eine neue Organisation erhalten; die Gerichte erster Instanz bestehen aus collegialisch eingerichteten Kreis- und Stadtgerichten; in zweiter Instanz urtheilen 22 Appellationsgerichte; die dritte Instanz bildet für die gesammte Monarchie das Obertribunal zu Berlin. Die Rheinprovinz hat frz. Recht u. Friedensgerichte als erste Instanz. Für die Criminaljustiz bestehen Geschwornengerichte; seit 1847 gibt es Handelsgerichte, welche aus 1 rechtskundigen Director, 2 rechtskundigen Mitgliedern u. wenigstens 4 Geschäftsmännern bestehen. Gesetzbuch ist das allgemeine preuß. Landrecht; seit dem 1. Juli 1851 ist für alle Theile der Monarchie

nach sind etwa 9/11 Deutsche oder germanisirte Slaven, die anderen Slaven, nämlich: Kuren, Lithauer, Polen (weitaus die zahlreichsten), Kassuben, Wenden, Czechen. Die östl. Hälfte bildet der größeren Strecke nach ein Flachland, das sich vom Riesengebirge, Erzgebirge, Thüringer Wald u. Harz gegen die Ostsee ausbreitet; der westl. u. südl. Theil Schlesiens ist von den Bergen der Sudeten und des Riesengebirges erfüllt, die Provinz Sachsen wird von dem Thüringer Walde durchzogen u. enthält einen Theil des Harzes. In den westl. Provinzen erheben sich zwischen Weser und Rhein der Teutoburger Wald, das Sauerländische-, das Weser- u. Siebengebirge, jenseits des Rheins Hundsrück, Eifel und Hohe Veen. Hauptflüsse sind: Memel, Weichsel, Oder, Elbe, Weser, Ems u. Rhein; durch Kanäle verbunden sind Elbe u. Oder, Oder u. Weichsel. Die Fruchtbarkeit des Bodens ist sehr ungleich, somit auch der Ertrag der Landwirthschaft und Viehzucht; diese werden im Allgemeinen mit großer Umsicht betrieben u. heben sich fortwährend. Der Bergbau liefert Silber (etwa 40000 Mark jährlich), hauptsächlich aber Eisen, Steinkohlen u. Zink u. hat in neuester Zeit einen großen Aufschwung genommen; Salz findet sich im Ueberfluß, Bernstein in Ostpreußen und Pommern; Mineralquellen zählt man 108. Die Industrie ist besonders in Schlesien, Sachsen, Westfalen und der Rheinprovinz einheimisch; sie erzeugt namentlich: Wolletuch, Seidezeuge u. Seidesammt, Baumwollestoffe aller Art, Metallwaaren, Leinwand, Rübenzucker, Branntweine, chemische Fabrikate. Der Seehandel beschäftigt mit Einschluß der Küstenfahrer etwa 1560 Fahrzeuge mit 270000 Tonnen Gehalt. Die Staatsverfassung P.s ist die constitutionell-monarchische; der Thron erbt nach der Erstgeburt in der Ordnung der Linien mit Vorzug des Mannsstammes; die Verfassungsurkunde vom 31. Jan. 1850 (sie ist seitdem Jahr für Jahr abgeändert worden, welche Praxis auch 1856 nicht aufgehört hat) bestimmt 2 Kammern: das Herrenhaus, dessen Mitglieder von dem Könige auf Lebensdauer ernannt werden, u. die Kammer der Abgeordneten, welche aus den Wahlen der nach einem Klassencensus eingetheilten Staatsbürger hervorgehen. Neben dem Staatsministerium besteht als höchste berathende Behörde ein Staatsrath, in welchem die volljährigen königl. Prinzen sowie die durch ihr Amt od. durch das Vertrauen des Königs berufenen Staatsdiener Sitz u. Stimme haben. An der Spitze der Verwaltung einer Provinz steht ein Oberpräsident, dem die Consistorien, Schulcollegien, Medicinalcollegien, Archive, Landarmendirectionen etc. unmittelbar untergeordnet sind. Die nähere Verwaltung der Provinz geht von der Regierung aus, deßhalb ist jede Provinz in 2–4 Regierungsbezirke (der ganze Staat in 27) getheilt; ein solches Regierungscollegium besteht aus einem Präsidenten, aus Oberregierungsräthen, Regierungsräthen, Assessoren, Referenten, Sekretären, Kanzleidirector u. zerfällt in 4 Abtheilungen: für Kirchen- u. Schulwesen, das Innere, Domänen, directe Steuern und Forsten, indirecte Steuern. Unter diesen Regierungen stehen die Landräthe d. h. die Vorsteher der Kreise, die Kreiskassen, Rentämter, Domänenpachtämter, die Polizeibehörden, Aerzte etc. Die 1851 wieder hergestellten Provinzialstände haben, wenn sie die Regierung dazu auffordert, über Einführung oder Aufhebung von Provinzialgesetzen ihr Gutachten abzugeben und die auf die Provinz fallenden Abgaben zu vertheilen. Das Justizwesen hat seit 1848 eine neue Organisation erhalten; die Gerichte erster Instanz bestehen aus collegialisch eingerichteten Kreis- und Stadtgerichten; in zweiter Instanz urtheilen 22 Appellationsgerichte; die dritte Instanz bildet für die gesammte Monarchie das Obertribunal zu Berlin. Die Rheinprovinz hat frz. Recht u. Friedensgerichte als erste Instanz. Für die Criminaljustiz bestehen Geschwornengerichte; seit 1847 gibt es Handelsgerichte, welche aus 1 rechtskundigen Director, 2 rechtskundigen Mitgliedern u. wenigstens 4 Geschäftsmännern bestehen. Gesetzbuch ist das allgemeine preuß. Landrecht; seit dem 1. Juli 1851 ist für alle Theile der Monarchie

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[609/0610] nach sind etwa 9/11 Deutsche oder germanisirte Slaven, die anderen Slaven, nämlich: Kuren, Lithauer, Polen (weitaus die zahlreichsten), Kassuben, Wenden, Czechen. Die östl. Hälfte bildet der größeren Strecke nach ein Flachland, das sich vom Riesengebirge, Erzgebirge, Thüringer Wald u. Harz gegen die Ostsee ausbreitet; der westl. u. südl. Theil Schlesiens ist von den Bergen der Sudeten und des Riesengebirges erfüllt, die Provinz Sachsen wird von dem Thüringer Walde durchzogen u. enthält einen Theil des Harzes. In den westl. Provinzen erheben sich zwischen Weser und Rhein der Teutoburger Wald, das Sauerländische-, das Weser- u. Siebengebirge, jenseits des Rheins Hundsrück, Eifel und Hohe Veen. Hauptflüsse sind: Memel, Weichsel, Oder, Elbe, Weser, Ems u. Rhein; durch Kanäle verbunden sind Elbe u. Oder, Oder u. Weichsel. Die Fruchtbarkeit des Bodens ist sehr ungleich, somit auch der Ertrag der Landwirthschaft und Viehzucht; diese werden im Allgemeinen mit großer Umsicht betrieben u. heben sich fortwährend. Der Bergbau liefert Silber (etwa 40000 Mark jährlich), hauptsächlich aber Eisen, Steinkohlen u. Zink u. hat in neuester Zeit einen großen Aufschwung genommen; Salz findet sich im Ueberfluß, Bernstein in Ostpreußen und Pommern; Mineralquellen zählt man 108. Die Industrie ist besonders in Schlesien, Sachsen, Westfalen und der Rheinprovinz einheimisch; sie erzeugt namentlich: Wolletuch, Seidezeuge u. Seidesammt, Baumwollestoffe aller Art, Metallwaaren, Leinwand, Rübenzucker, Branntweine, chemische Fabrikate. Der Seehandel beschäftigt mit Einschluß der Küstenfahrer etwa 1560 Fahrzeuge mit 270000 Tonnen Gehalt. Die Staatsverfassung P.s ist die constitutionell-monarchische; der Thron erbt nach der Erstgeburt in der Ordnung der Linien mit Vorzug des Mannsstammes; die Verfassungsurkunde vom 31. Jan. 1850 (sie ist seitdem Jahr für Jahr abgeändert worden, welche Praxis auch 1856 nicht aufgehört hat) bestimmt 2 Kammern: das Herrenhaus, dessen Mitglieder von dem Könige auf Lebensdauer ernannt werden, u. die Kammer der Abgeordneten, welche aus den Wahlen der nach einem Klassencensus eingetheilten Staatsbürger hervorgehen. Neben dem Staatsministerium besteht als höchste berathende Behörde ein Staatsrath, in welchem die volljährigen königl. Prinzen sowie die durch ihr Amt od. durch das Vertrauen des Königs berufenen Staatsdiener Sitz u. Stimme haben. An der Spitze der Verwaltung einer Provinz steht ein Oberpräsident, dem die Consistorien, Schulcollegien, Medicinalcollegien, Archive, Landarmendirectionen etc. unmittelbar untergeordnet sind. Die nähere Verwaltung der Provinz geht von der Regierung aus, deßhalb ist jede Provinz in 2–4 Regierungsbezirke (der ganze Staat in 27) getheilt; ein solches Regierungscollegium besteht aus einem Präsidenten, aus Oberregierungsräthen, Regierungsräthen, Assessoren, Referenten, Sekretären, Kanzleidirector u. zerfällt in 4 Abtheilungen: für Kirchen- u. Schulwesen, das Innere, Domänen, directe Steuern und Forsten, indirecte Steuern. Unter diesen Regierungen stehen die Landräthe d. h. die Vorsteher der Kreise, die Kreiskassen, Rentämter, Domänenpachtämter, die Polizeibehörden, Aerzte etc. Die 1851 wieder hergestellten Provinzialstände haben, wenn sie die Regierung dazu auffordert, über Einführung oder Aufhebung von Provinzialgesetzen ihr Gutachten abzugeben und die auf die Provinz fallenden Abgaben zu vertheilen. Das Justizwesen hat seit 1848 eine neue Organisation erhalten; die Gerichte erster Instanz bestehen aus collegialisch eingerichteten Kreis- und Stadtgerichten; in zweiter Instanz urtheilen 22 Appellationsgerichte; die dritte Instanz bildet für die gesammte Monarchie das Obertribunal zu Berlin. Die Rheinprovinz hat frz. Recht u. Friedensgerichte als erste Instanz. Für die Criminaljustiz bestehen Geschwornengerichte; seit 1847 gibt es Handelsgerichte, welche aus 1 rechtskundigen Director, 2 rechtskundigen Mitgliedern u. wenigstens 4 Geschäftsmännern bestehen. Gesetzbuch ist das allgemeine preuß. Landrecht; seit dem 1. Juli 1851 ist für alle Theile der Monarchie

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Zitationshilfe: Herders Conversations-Lexikon. Bd. 4. Freiburg im Breisgau, 1856, S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon04_1856/610>, abgerufen am 23.11.2024.