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Herders Conversations-Lexikon. Bd. 4. Freiburg im Breisgau, 1856.

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ausgearteten Berufung auf ein künftiges allgemeines Concil gesteuert. Er hinterließ höchst interessante Schriften über das Baselerconcil, eine umfassende Beschreibung der Zustände des deutschen Reiches zu seiner Zeit, eine Geschichte seiner Zeit, des Kaisers Friedrichs III. u. a. m., namentlich auch 432 Briefe. Daß bei seinem Parteiwechsel P. II. Charakter von den Lebensbeschreibern noch heute sehr verschieden beurtheilt wird, versteht sich von selbst. Neueste Schriften über P. II. von Nik. Beets (Harl. 1839), Hagenbach (Basel 1840) u. Ch. Verdiere (Paris 1843). - P. III., ein Neffe des Vorigen und anerkannt frommer Mann, wurde 1503 Papst, st. aber schon 26 Tage nach seiner Wahl. - P. IV., Sohn eines Zolleinnehmers in Mailand, regierte 1559-65 vortrefflich, namentlich erneuerte u. schloß er das Tridentinerconcil. - P. V., Michael Ghisleri, 1504 im Dorfe Bosca bei Alexandrien von armen Leuten geboren, wurde Dominikaner, 1557 Cardinal und Generalinquisitor, 1566 namentlich auf den Vorschlag des Karl von Borromeo Papst. Er bewies bedeutende Energie gegen den Protestantismus, bedrohte Kaiser Max II., falls er dem Protestantismus volle Freiheit ließe, suchte die Maria Stuart vergeblich zu retten, hatte Antheil am Seesiege von Lepanto, st. 1572 und wurde 1712 heilig gesprochen.


Pius VI., vorher Giovanni Angelo de Braschi, geb. 1717 zu Cesena, aus gräfl. Geschlechte, den 15. Febr. 1775 zum Nachfolger Clemens XIV. erwählt, ein ebenso wohlwollender als tugendhafter Greis, der die Administration des Kirchenstaats verbesserte, die Austrocknung der pontinischen Sümpfe unternahm, das Museum Pio-Clementinum gründete, aber in seinem Pontificate viel zu erdulden hatte. Zuerst betrübten ihn die Neuerungen Josephs II., denen er vergeblich durch eine Reise nach Wien Einhalt thun wollte, das ähnliche Vorgehen Leopolds II. in Toscana, die Emser Punctation (s. d.), und endlich brachen über ihn die Stürme der franz. Revolution herein. P. VI. erregte den Zorn der revolutionären Machthaber schon im Anfange, indem er den franz. Geistlichen verbot, die 1790 erlassene unkirchliche Constitution des Klerus zu beschwören; als er sich vollends 1792 in die Coalition gegen Frankreich verwickeln ließ und die franz. Waffen in Italien durch Napoleon Bonaparte den Sieg errangen, mußte er im Frieden zu Tolentino 1797 die Legationen Ferrara, Bologna und Romagna abtreten und die schon früher geschehene Einverleibung Avignons und Venaissins in die franz. Republik anerkennen. Diese Opfer retteten jedoch den Kirchenstaat nicht; die franz. Regierung revolutionirte die Städte und als bei einem solchen Versuche General Duphot in Rom den Tod fand, wurde Rom am 10. Febr. 1798 von den Franzosen besetzt, der Papst am 20. Febr. aus Rom gewaltsam weggeführt, zuerst 3 Monate in Siena gefangen gehalten, endlich nach Frankreich geschleppt, wo er zu Valence am 29. Aug. 1799 st. - Nach seiner letzten Anordnung wurde das Conclave da gehalten, wo sich die meisten Cardinäle befanden, zu Venedig, und die Wahl traf (14. März 1800) den Cardinal Barnabas Chiaramonti, geb. 1742 zu Cesena, aus gräfl. Familie, der sich:


Pius VII. nannte u. am 3. Juli 1800 in das von den Franzosen 1794 geräumte Rom einzog. Die Verhältnisse schienen sich überhaupt günstiger zu gestalten; Napoleon I. haßte den cynischen Unglauben der Revolutionäre, denn er kannte die Anhänglichkeit der Volksmasse in Frankreich an die kath. Religion u. war überzeugt, daß er ohne die Kirche keine dauernde Staatsordnung in Frankreich herzustellen vermöge. Deßwegen schloß er 1801 mit P. VII. ein Concordat und wenn er auch die Bestimmungen desselben vielfach umging, so erblickte doch der Papst in ihm die einzige Bürgschaft gegen die Wiederkehr der Revolution u. vollzog auf dessen dringenden Wunsch am 2. Decbr. 1804 die Salbung des franz. Imperator zum Kaiser. Doch der Uebermuth Napoleons I. brach schon bei diesem Anlasse durch; nur durch die Hinweisung auf seine für bestimmte Fälle in Sicilien niedergelegte Abdankungsurkunde entging der Papst einer gewaltsamen Zurückhaltung in Frankreich, und als er ebensowenig

ausgearteten Berufung auf ein künftiges allgemeines Concil gesteuert. Er hinterließ höchst interessante Schriften über das Baselerconcil, eine umfassende Beschreibung der Zustände des deutschen Reiches zu seiner Zeit, eine Geschichte seiner Zeit, des Kaisers Friedrichs III. u. a. m., namentlich auch 432 Briefe. Daß bei seinem Parteiwechsel P. II. Charakter von den Lebensbeschreibern noch heute sehr verschieden beurtheilt wird, versteht sich von selbst. Neueste Schriften über P. II. von Nik. Beets (Harl. 1839), Hagenbach (Basel 1840) u. Ch. Verdière (Paris 1843). – P. III., ein Neffe des Vorigen und anerkannt frommer Mann, wurde 1503 Papst, st. aber schon 26 Tage nach seiner Wahl. – P. IV., Sohn eines Zolleinnehmers in Mailand, regierte 1559–65 vortrefflich, namentlich erneuerte u. schloß er das Tridentinerconcil. – P. V., Michael Ghisleri, 1504 im Dorfe Bosca bei Alexandrien von armen Leuten geboren, wurde Dominikaner, 1557 Cardinal und Generalinquisitor, 1566 namentlich auf den Vorschlag des Karl von Borromeo Papst. Er bewies bedeutende Energie gegen den Protestantismus, bedrohte Kaiser Max II., falls er dem Protestantismus volle Freiheit ließe, suchte die Maria Stuart vergeblich zu retten, hatte Antheil am Seesiege von Lepanto, st. 1572 und wurde 1712 heilig gesprochen.


Pius VI., vorher Giovanni Angelo de Braschi, geb. 1717 zu Cesena, aus gräfl. Geschlechte, den 15. Febr. 1775 zum Nachfolger Clemens XIV. erwählt, ein ebenso wohlwollender als tugendhafter Greis, der die Administration des Kirchenstaats verbesserte, die Austrocknung der pontinischen Sümpfe unternahm, das Museum Pio-Clementinum gründete, aber in seinem Pontificate viel zu erdulden hatte. Zuerst betrübten ihn die Neuerungen Josephs II., denen er vergeblich durch eine Reise nach Wien Einhalt thun wollte, das ähnliche Vorgehen Leopolds II. in Toscana, die Emser Punctation (s. d.), und endlich brachen über ihn die Stürme der franz. Revolution herein. P. VI. erregte den Zorn der revolutionären Machthaber schon im Anfange, indem er den franz. Geistlichen verbot, die 1790 erlassene unkirchliche Constitution des Klerus zu beschwören; als er sich vollends 1792 in die Coalition gegen Frankreich verwickeln ließ und die franz. Waffen in Italien durch Napoleon Bonaparte den Sieg errangen, mußte er im Frieden zu Tolentino 1797 die Legationen Ferrara, Bologna und Romagna abtreten und die schon früher geschehene Einverleibung Avignons und Venaissins in die franz. Republik anerkennen. Diese Opfer retteten jedoch den Kirchenstaat nicht; die franz. Regierung revolutionirte die Städte und als bei einem solchen Versuche General Duphot in Rom den Tod fand, wurde Rom am 10. Febr. 1798 von den Franzosen besetzt, der Papst am 20. Febr. aus Rom gewaltsam weggeführt, zuerst 3 Monate in Siena gefangen gehalten, endlich nach Frankreich geschleppt, wo er zu Valence am 29. Aug. 1799 st. – Nach seiner letzten Anordnung wurde das Conclave da gehalten, wo sich die meisten Cardinäle befanden, zu Venedig, und die Wahl traf (14. März 1800) den Cardinal Barnabas Chiaramonti, geb. 1742 zu Cesena, aus gräfl. Familie, der sich:


Pius VII. nannte u. am 3. Juli 1800 in das von den Franzosen 1794 geräumte Rom einzog. Die Verhältnisse schienen sich überhaupt günstiger zu gestalten; Napoleon I. haßte den cynischen Unglauben der Revolutionäre, denn er kannte die Anhänglichkeit der Volksmasse in Frankreich an die kath. Religion u. war überzeugt, daß er ohne die Kirche keine dauernde Staatsordnung in Frankreich herzustellen vermöge. Deßwegen schloß er 1801 mit P. VII. ein Concordat und wenn er auch die Bestimmungen desselben vielfach umging, so erblickte doch der Papst in ihm die einzige Bürgschaft gegen die Wiederkehr der Revolution u. vollzog auf dessen dringenden Wunsch am 2. Decbr. 1804 die Salbung des franz. Imperator zum Kaiser. Doch der Uebermuth Napoleons I. brach schon bei diesem Anlasse durch; nur durch die Hinweisung auf seine für bestimmte Fälle in Sicilien niedergelegte Abdankungsurkunde entging der Papst einer gewaltsamen Zurückhaltung in Frankreich, und als er ebensowenig

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ausgearteten Berufung auf ein künftiges allgemeines Concil gesteuert. Er hinterließ höchst interessante Schriften über das Baselerconcil, eine umfassende Beschreibung der Zustände des deutschen Reiches zu seiner Zeit, eine Geschichte seiner Zeit, des Kaisers Friedrichs III. u. a. m., namentlich auch 432 Briefe. Daß bei seinem Parteiwechsel P. II. Charakter von den Lebensbeschreibern noch heute sehr verschieden beurtheilt wird, versteht sich von selbst. Neueste Schriften über P. II. von Nik. Beets (Harl. 1839), Hagenbach (Basel 1840) u. Ch. Verdière (Paris 1843). &#x2013; P. III., ein Neffe des Vorigen und anerkannt frommer Mann, wurde 1503 Papst, st. aber schon 26 Tage nach seiner Wahl. &#x2013; P. IV., Sohn eines Zolleinnehmers in Mailand, regierte 1559&#x2013;65 vortrefflich, namentlich erneuerte u. schloß er das Tridentinerconcil. &#x2013; P. V., Michael Ghisleri, 1504 im Dorfe Bosca bei Alexandrien von armen Leuten geboren, wurde Dominikaner, 1557 Cardinal und Generalinquisitor, 1566 namentlich auf den Vorschlag des Karl von Borromeo Papst. Er bewies bedeutende Energie gegen den Protestantismus, bedrohte Kaiser Max II., falls er dem Protestantismus volle Freiheit ließe, suchte die Maria Stuart vergeblich zu retten, hatte Antheil am Seesiege von Lepanto, st. 1572 und wurde 1712 heilig gesprochen.</p><lb/>
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[553/0554] ausgearteten Berufung auf ein künftiges allgemeines Concil gesteuert. Er hinterließ höchst interessante Schriften über das Baselerconcil, eine umfassende Beschreibung der Zustände des deutschen Reiches zu seiner Zeit, eine Geschichte seiner Zeit, des Kaisers Friedrichs III. u. a. m., namentlich auch 432 Briefe. Daß bei seinem Parteiwechsel P. II. Charakter von den Lebensbeschreibern noch heute sehr verschieden beurtheilt wird, versteht sich von selbst. Neueste Schriften über P. II. von Nik. Beets (Harl. 1839), Hagenbach (Basel 1840) u. Ch. Verdière (Paris 1843). – P. III., ein Neffe des Vorigen und anerkannt frommer Mann, wurde 1503 Papst, st. aber schon 26 Tage nach seiner Wahl. – P. IV., Sohn eines Zolleinnehmers in Mailand, regierte 1559–65 vortrefflich, namentlich erneuerte u. schloß er das Tridentinerconcil. – P. V., Michael Ghisleri, 1504 im Dorfe Bosca bei Alexandrien von armen Leuten geboren, wurde Dominikaner, 1557 Cardinal und Generalinquisitor, 1566 namentlich auf den Vorschlag des Karl von Borromeo Papst. Er bewies bedeutende Energie gegen den Protestantismus, bedrohte Kaiser Max II., falls er dem Protestantismus volle Freiheit ließe, suchte die Maria Stuart vergeblich zu retten, hatte Antheil am Seesiege von Lepanto, st. 1572 und wurde 1712 heilig gesprochen. Pius VI., vorher Giovanni Angelo de Braschi, geb. 1717 zu Cesena, aus gräfl. Geschlechte, den 15. Febr. 1775 zum Nachfolger Clemens XIV. erwählt, ein ebenso wohlwollender als tugendhafter Greis, der die Administration des Kirchenstaats verbesserte, die Austrocknung der pontinischen Sümpfe unternahm, das Museum Pio-Clementinum gründete, aber in seinem Pontificate viel zu erdulden hatte. Zuerst betrübten ihn die Neuerungen Josephs II., denen er vergeblich durch eine Reise nach Wien Einhalt thun wollte, das ähnliche Vorgehen Leopolds II. in Toscana, die Emser Punctation (s. d.), und endlich brachen über ihn die Stürme der franz. Revolution herein. P. VI. erregte den Zorn der revolutionären Machthaber schon im Anfange, indem er den franz. Geistlichen verbot, die 1790 erlassene unkirchliche Constitution des Klerus zu beschwören; als er sich vollends 1792 in die Coalition gegen Frankreich verwickeln ließ und die franz. Waffen in Italien durch Napoleon Bonaparte den Sieg errangen, mußte er im Frieden zu Tolentino 1797 die Legationen Ferrara, Bologna und Romagna abtreten und die schon früher geschehene Einverleibung Avignons und Venaissins in die franz. Republik anerkennen. Diese Opfer retteten jedoch den Kirchenstaat nicht; die franz. Regierung revolutionirte die Städte und als bei einem solchen Versuche General Duphot in Rom den Tod fand, wurde Rom am 10. Febr. 1798 von den Franzosen besetzt, der Papst am 20. Febr. aus Rom gewaltsam weggeführt, zuerst 3 Monate in Siena gefangen gehalten, endlich nach Frankreich geschleppt, wo er zu Valence am 29. Aug. 1799 st. – Nach seiner letzten Anordnung wurde das Conclave da gehalten, wo sich die meisten Cardinäle befanden, zu Venedig, und die Wahl traf (14. März 1800) den Cardinal Barnabas Chiaramonti, geb. 1742 zu Cesena, aus gräfl. Familie, der sich: Pius VII. nannte u. am 3. Juli 1800 in das von den Franzosen 1794 geräumte Rom einzog. Die Verhältnisse schienen sich überhaupt günstiger zu gestalten; Napoleon I. haßte den cynischen Unglauben der Revolutionäre, denn er kannte die Anhänglichkeit der Volksmasse in Frankreich an die kath. Religion u. war überzeugt, daß er ohne die Kirche keine dauernde Staatsordnung in Frankreich herzustellen vermöge. Deßwegen schloß er 1801 mit P. VII. ein Concordat und wenn er auch die Bestimmungen desselben vielfach umging, so erblickte doch der Papst in ihm die einzige Bürgschaft gegen die Wiederkehr der Revolution u. vollzog auf dessen dringenden Wunsch am 2. Decbr. 1804 die Salbung des franz. Imperator zum Kaiser. Doch der Uebermuth Napoleons I. brach schon bei diesem Anlasse durch; nur durch die Hinweisung auf seine für bestimmte Fälle in Sicilien niedergelegte Abdankungsurkunde entging der Papst einer gewaltsamen Zurückhaltung in Frankreich, und als er ebensowenig

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Zitationshilfe: Herders Conversations-Lexikon. Bd. 4. Freiburg im Breisgau, 1856, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon04_1856/554>, abgerufen am 22.11.2024.