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Herders Conversations-Lexikon. Bd. 3. Freiburg im Breisgau, 1855.

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Einweisung in den Besitz eines Grundstückes (vestitura als Folge der Salung, Auflassung), dann thatsächl. Herrschaft über ein Grundstück, zuweilen auch das Grundstück selbst, endlich auch angewendet auf fahrende Habe. Die Arten der G. sind so mannigfaltig als die rechtl. Herrschaftsverhältnisse des Menschen an einer Sache, es gibt also eine Eigen-G. (eigentliche, ledigliche, ledige), Lehens-, Leibzucht-, hofrechtliche, Pacht-, Faustpfands-G. u. s. w. Unterschieden wird die reelle (leibliche, hebbende, saisine de fait) von der ideellen G. (juristischen, saisine de droit). Wer die G. hat, darf sie selber schützen und nur durch Urtheil daraus verdrängt, entwert werden. Die einfache G. wird durch Fortdauer ohne Widerspruch binnen Jahr und Tag (d. h. innerhalb der Gerichtsfrist von 1 Jahr 6 Wochen und 3 Tagen) zur rechten G., welche gegen alle dinglichen Klagen sichert. Während des 16. Jahrh. drang die röm. und canonische Besitzeslehre in Deutschland ein und es verschwand sogar der Ausdruck G. aus der Volkssprache. - Verschieden von G. ist die Gewähr, jene gehört ins Sachen-, diese ins Obligationsrecht.


Gewerk, Handwerk, alle die zu einem Handwerke gehörigen Meister.


Gewerkschaften, im Bergbau eine Genossenschaft zum gemeinschaftl. Betrieb einer Grube etc.


Gewicht, s. Maß und Gewicht, die G.sangaben bei einzelnen Ländern; Arroba, As etc.


Gewissen (lat. conscientia, Bewußtsein), das von Gott in jedes Menschenherz geschriebene Gesetz (Röm. 2, 12 bis 17), woraus das Innewerden des Werthes oder Unwerthes unserer Gedanken, Worte und Werke sowie des Verhältnisses der Seele zu Gott fließt. Das G. setzt vor allem einen freien Willen voraus und muß durch religiöse Erziehung geweckt, gebildet und geleitet werden. Gleich der Erkenntnißkraft des Menschen überhaupt ist sein G. Irrthümern, Selbsttäuschungen und Abschwächungen bis zum Verstummen unterworfen; wie selten die G.haftigkeit, d. h. die Achtsamkeit auf die Stimme des G.s und das rücksichtslose Handeln darnach, wie häufig dagegen die G.losigkeit sei, lehren die Geschichte und das tägliche Leben. Insofern der Einzelne sich als Glied eines Volkes fühlt, in dessen Geschichte die seiner Familie und Person verwoben ist, läßt sich auch von einem Völker-G. sprechen. - G.sfall, Ungewißheit, was wir in einer bestimmten wichtigern Angelegenheit thun sollen, fast immer mit einem Widerstreit der Pflichten verbunden. G.sscrupel, Aengstlichkeit des G.s in unwichtigen Angelegenheiten.


Gewissensehe, die lediglich auf Einwilligung der Zusammenlebenden mit Umgehung jeder bürgerl. (Civilehe) u. kirchl. (heimliche Ehe) Rechtsförmlichkeit beruhende Geschlechtsverbindung, mit der Absicht, die Verpflichtungen der ehelichen Verbindung zu erfüllen.


Gewissensfreiheit, s. Glaubensfreiheit.


Gewissensrath, der vertraute Rathgeber in Gewissensfällen, bei Katholiken gewöhnlich der Beichtvater oder ein anderer Geistlicher.


Gewissensvertretung (probatio pro exoneranda conscientia), die Erklärung des Delaten, dem der Haupteid überbunden war, den Schwörsatz an der Stelle des Eides vorerst durch andere Beweismittel darthun zu wollen.


Gewißheit, s. Beweis.


Gewitter, s. Blitz, Donner.


Gewölbe, die aus keilförmigen Steinen im Bogen gebauten Decken über von Mauern umgebene Räume. Der erste auf der Tragmauer liegende Stein heißt der Anfänger, der die höchste Spitze einnehmende der Schlußstein. Ueber die verschiedenen Arten der G. s. Horn-, Kappen-, Kreuz-, Kuppel-, Mulden-, Nischen-, Schnecken-, Spiegel-, Stern-, Tonnen-, Topf-G.


Gewohnheitsrecht (consuetudo), die älteste Form, in welcher das Recht erkennbar zu Tage tritt, natürl. Quelle und Fortbildung des Privatrechtes, namentlich bei fast allen jungen Völkern. Es erwächst gleichsam aus den thatsächlichen Verhältnissen, in welche Personen zu den Sachen u. zu einander kommen und bestimmt so eine sittlich feste Ordnung. Das G. ist erkennbar aus Rechtssprichwörtern,

Einweisung in den Besitz eines Grundstückes (vestitura als Folge der Salung, Auflassung), dann thatsächl. Herrschaft über ein Grundstück, zuweilen auch das Grundstück selbst, endlich auch angewendet auf fahrende Habe. Die Arten der G. sind so mannigfaltig als die rechtl. Herrschaftsverhältnisse des Menschen an einer Sache, es gibt also eine Eigen-G. (eigentliche, ledigliche, ledige), Lehens-, Leibzucht-, hofrechtliche, Pacht-, Faustpfands-G. u. s. w. Unterschieden wird die reelle (leibliche, hebbende, saisine de fait) von der ideellen G. (juristischen, saisine de droit). Wer die G. hat, darf sie selber schützen und nur durch Urtheil daraus verdrängt, entwert werden. Die einfache G. wird durch Fortdauer ohne Widerspruch binnen Jahr und Tag (d. h. innerhalb der Gerichtsfrist von 1 Jahr 6 Wochen und 3 Tagen) zur rechten G., welche gegen alle dinglichen Klagen sichert. Während des 16. Jahrh. drang die röm. und canonische Besitzeslehre in Deutschland ein und es verschwand sogar der Ausdruck G. aus der Volkssprache. – Verschieden von G. ist die Gewähr, jene gehört ins Sachen-, diese ins Obligationsrecht.


Gewerk, Handwerk, alle die zu einem Handwerke gehörigen Meister.


Gewerkschaften, im Bergbau eine Genossenschaft zum gemeinschaftl. Betrieb einer Grube etc.


Gewicht, s. Maß und Gewicht, die G.sangaben bei einzelnen Ländern; Arroba, As etc.


Gewissen (lat. conscientia, Bewußtsein), das von Gott in jedes Menschenherz geschriebene Gesetz (Röm. 2, 12 bis 17), woraus das Innewerden des Werthes oder Unwerthes unserer Gedanken, Worte und Werke sowie des Verhältnisses der Seele zu Gott fließt. Das G. setzt vor allem einen freien Willen voraus und muß durch religiöse Erziehung geweckt, gebildet und geleitet werden. Gleich der Erkenntnißkraft des Menschen überhaupt ist sein G. Irrthümern, Selbsttäuschungen und Abschwächungen bis zum Verstummen unterworfen; wie selten die G.haftigkeit, d. h. die Achtsamkeit auf die Stimme des G.s und das rücksichtslose Handeln darnach, wie häufig dagegen die G.losigkeit sei, lehren die Geschichte und das tägliche Leben. Insofern der Einzelne sich als Glied eines Volkes fühlt, in dessen Geschichte die seiner Familie und Person verwoben ist, läßt sich auch von einem Völker-G. sprechen. – G.sfall, Ungewißheit, was wir in einer bestimmten wichtigern Angelegenheit thun sollen, fast immer mit einem Widerstreit der Pflichten verbunden. G.sscrupel, Aengstlichkeit des G.s in unwichtigen Angelegenheiten.


Gewissensehe, die lediglich auf Einwilligung der Zusammenlebenden mit Umgehung jeder bürgerl. (Civilehe) u. kirchl. (heimliche Ehe) Rechtsförmlichkeit beruhende Geschlechtsverbindung, mit der Absicht, die Verpflichtungen der ehelichen Verbindung zu erfüllen.


Gewissensfreiheit, s. Glaubensfreiheit.


Gewissensrath, der vertraute Rathgeber in Gewissensfällen, bei Katholiken gewöhnlich der Beichtvater oder ein anderer Geistlicher.


Gewissensvertretung (probatio pro exoneranda conscientia), die Erklärung des Delaten, dem der Haupteid überbunden war, den Schwörsatz an der Stelle des Eides vorerst durch andere Beweismittel darthun zu wollen.


Gewißheit, s. Beweis.


Gewitter, s. Blitz, Donner.


Gewölbe, die aus keilförmigen Steinen im Bogen gebauten Decken über von Mauern umgebene Räume. Der erste auf der Tragmauer liegende Stein heißt der Anfänger, der die höchste Spitze einnehmende der Schlußstein. Ueber die verschiedenen Arten der G. s. Horn-, Kappen-, Kreuz-, Kuppel-, Mulden-, Nischen-, Schnecken-, Spiegel-, Stern-, Tonnen-, Topf-G.


Gewohnheitsrecht (consuetudo), die älteste Form, in welcher das Recht erkennbar zu Tage tritt, natürl. Quelle und Fortbildung des Privatrechtes, namentlich bei fast allen jungen Völkern. Es erwächst gleichsam aus den thatsächlichen Verhältnissen, in welche Personen zu den Sachen u. zu einander kommen und bestimmt so eine sittlich feste Ordnung. Das G. ist erkennbar aus Rechtssprichwörtern,

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[76/0077] Einweisung in den Besitz eines Grundstückes (vestitura als Folge der Salung, Auflassung), dann thatsächl. Herrschaft über ein Grundstück, zuweilen auch das Grundstück selbst, endlich auch angewendet auf fahrende Habe. Die Arten der G. sind so mannigfaltig als die rechtl. Herrschaftsverhältnisse des Menschen an einer Sache, es gibt also eine Eigen-G. (eigentliche, ledigliche, ledige), Lehens-, Leibzucht-, hofrechtliche, Pacht-, Faustpfands-G. u. s. w. Unterschieden wird die reelle (leibliche, hebbende, saisine de fait) von der ideellen G. (juristischen, saisine de droit). Wer die G. hat, darf sie selber schützen und nur durch Urtheil daraus verdrängt, entwert werden. Die einfache G. wird durch Fortdauer ohne Widerspruch binnen Jahr und Tag (d. h. innerhalb der Gerichtsfrist von 1 Jahr 6 Wochen und 3 Tagen) zur rechten G., welche gegen alle dinglichen Klagen sichert. Während des 16. Jahrh. drang die röm. und canonische Besitzeslehre in Deutschland ein und es verschwand sogar der Ausdruck G. aus der Volkssprache. – Verschieden von G. ist die Gewähr, jene gehört ins Sachen-, diese ins Obligationsrecht. Gewerk, Handwerk, alle die zu einem Handwerke gehörigen Meister. Gewerkschaften, im Bergbau eine Genossenschaft zum gemeinschaftl. Betrieb einer Grube etc. Gewicht, s. Maß und Gewicht, die G.sangaben bei einzelnen Ländern; Arroba, As etc. Gewissen (lat. conscientia, Bewußtsein), das von Gott in jedes Menschenherz geschriebene Gesetz (Röm. 2, 12 bis 17), woraus das Innewerden des Werthes oder Unwerthes unserer Gedanken, Worte und Werke sowie des Verhältnisses der Seele zu Gott fließt. Das G. setzt vor allem einen freien Willen voraus und muß durch religiöse Erziehung geweckt, gebildet und geleitet werden. Gleich der Erkenntnißkraft des Menschen überhaupt ist sein G. Irrthümern, Selbsttäuschungen und Abschwächungen bis zum Verstummen unterworfen; wie selten die G.haftigkeit, d. h. die Achtsamkeit auf die Stimme des G.s und das rücksichtslose Handeln darnach, wie häufig dagegen die G.losigkeit sei, lehren die Geschichte und das tägliche Leben. Insofern der Einzelne sich als Glied eines Volkes fühlt, in dessen Geschichte die seiner Familie und Person verwoben ist, läßt sich auch von einem Völker-G. sprechen. – G.sfall, Ungewißheit, was wir in einer bestimmten wichtigern Angelegenheit thun sollen, fast immer mit einem Widerstreit der Pflichten verbunden. G.sscrupel, Aengstlichkeit des G.s in unwichtigen Angelegenheiten. Gewissensehe, die lediglich auf Einwilligung der Zusammenlebenden mit Umgehung jeder bürgerl. (Civilehe) u. kirchl. (heimliche Ehe) Rechtsförmlichkeit beruhende Geschlechtsverbindung, mit der Absicht, die Verpflichtungen der ehelichen Verbindung zu erfüllen. Gewissensfreiheit, s. Glaubensfreiheit. Gewissensrath, der vertraute Rathgeber in Gewissensfällen, bei Katholiken gewöhnlich der Beichtvater oder ein anderer Geistlicher. Gewissensvertretung (probatio pro exoneranda conscientia), die Erklärung des Delaten, dem der Haupteid überbunden war, den Schwörsatz an der Stelle des Eides vorerst durch andere Beweismittel darthun zu wollen. Gewißheit, s. Beweis. Gewitter, s. Blitz, Donner. Gewölbe, die aus keilförmigen Steinen im Bogen gebauten Decken über von Mauern umgebene Räume. Der erste auf der Tragmauer liegende Stein heißt der Anfänger, der die höchste Spitze einnehmende der Schlußstein. Ueber die verschiedenen Arten der G. s. Horn-, Kappen-, Kreuz-, Kuppel-, Mulden-, Nischen-, Schnecken-, Spiegel-, Stern-, Tonnen-, Topf-G. Gewohnheitsrecht (consuetudo), die älteste Form, in welcher das Recht erkennbar zu Tage tritt, natürl. Quelle und Fortbildung des Privatrechtes, namentlich bei fast allen jungen Völkern. Es erwächst gleichsam aus den thatsächlichen Verhältnissen, in welche Personen zu den Sachen u. zu einander kommen und bestimmt so eine sittlich feste Ordnung. Das G. ist erkennbar aus Rechtssprichwörtern,

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Zitationshilfe: Herders Conversations-Lexikon. Bd. 3. Freiburg im Breisgau, 1855, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon03_1855/77>, abgerufen am 23.11.2024.