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Herders Conversations-Lexikon. Bd. 3. Freiburg im Breisgau, 1855.

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und nach Sibirien geschleppt; den 1 jährigen Aufenthalt daselbst beschrieb er sentimental u. frivol zugleich in der Schrift: "Das merkwürdigste Jahr meines Lebens". Ein kleines Stück "Der Leibkutscher Peters d. Gr." machte ihn plötzlich zum Günstling des russ. Hofes u. zum Director des deutschen Theaters zu Petersburg. Nach Kaiser Pauls I. Ermordung lebte K. in Weimar, dann in Berlin als ein Publicist, dessen hervorstechendste Eigenschaften unverschämte Anmaßung und Niederträchtigkeit waren, mußte nach der Schlacht bei Jena vor den Franzosen fliehen, lebte 1806-13 wiederum in Rußland, kam 1813 als Staatsrath zurück, wurde am 23. März 1819 als russ. Spion und Verspotter der Burschenschaft zu Mannheim von dem Schwärmer Sand erdolcht. Daß K. ein leichtschaffendes Talent voll Erfindungsgabe und Witz war, ist so gewiß, als daß er jedes sittlich-religiösen Haltes und jeder ernsten Männlichkeit baar blieb; anderseits trifft das große Publikum, dem er entsprach, mindestens der Vorwurf, K.s Eitelkeit und Anmaßung ins Fabelhafte gesteigert zu haben. Von seinen 211 Schauspielen sind die bekanntesten: Menschenhaß und Reue, die Indianer in England, die Hussiten vor Naumburg, Johanna von Montfaucon und einige andere; seine Lustspiele sind zahlreich und diejenigen Stücke, in denen K.s Wesen am besten sich offenbarte. Die Sündfluth von Romanen, womit er die Welt überschwemmte ("Leiden der Ortenbergischen Familie" u. s. f.) ist vergessen. Als Polemiker (Bahrdt mit der eisernen Stirn 1789, der hyperboräische Esel, der Freimüthige u. s. f.) hat K. sich selber eine Schandsäule bei der Nachwelt errichtet, in seinen sog. historischen Werken bewiesen, daß der Beruf des Geschichtschreibers der letzte sei, für den ein K. taugt. Sämmtliche dramatische Werke Leipzig 1827-29, 44 Bde. - Von seinen 3 Söhnen starben 2 als russ. Oberoffiziere, der zweite:


Kotzebue, Otto von, geb. 1787 zu Reval, gest. 1846, russ. Flottenoffizier, machte 1815-18 und 1823-26 eine Reise um die Welt und sich um die Kenntniß der Südsee u. Behringsstraße verdient; nach ihm heißt ein Meerbusen der letztern K.sund.


Kowno, Kauen, russ. Gouvernement in Lithauen, 758 #M. groß, mit 92000 E.; die Hauptstadt K., am Einfluß der Wilia in den Niemen, hat 16000 E., zur Hälfte Juden.


Kraal, bei den Holländern der Name eines hottentott. Dorfes.


Krabben, Familie der Krebse, mit sehr kurzem Schwanz ohne Endflossen, mit einigen Afterfüßen zur Befestigung der Eier; das erste Fußpaar mit Scheeren. Nur die Erd-K. (s. d.) leben auf dem Lande, alle andern im Wasser u. zwar die meisten im Meere. Die Taschen-K., Taschenkrebs (Cancer Pagurus), gegen 1' lang und fast ebenso breit, röthlichgelb, sehr schmackhaft; in allen europ. Meeren. Die gemeinen K. (Carcinus Maenas), in der Nordsee, im Mittelmeer, bilden als beliebte Speise einen wichtigen Handelsartikel. Im süßen Wasser leben die Fluß-K. (Potamophilus fluviatilis), gelblich, gemein in den Seen des südl. Italiens, in Griechenland, geschätzte Speise.


Krähe, s. Rabe; Krähenaugen, s. Brechnußbaum.


Krähwinkel, heißt ein bad. und ein preuß. Dorf; die Stadt K., der Typus kleinstädtischer Lächerlichkeit, existirt geographisch nicht.


Krämpeln, Kardetschen: die gereinigte und gelockerte Wolle, Baumwolle, Floretseide zum Spinnen zurichten; geschah früher durch die sog. Handkardetschen, seit 1775 (Akwright) durch Maschinen.


Krätze (scabies, psora), eine ansteckende, chronische Hautkrankheit, entstehend durch das Einnisten einer Milbenart (der Krätzmilbe, Acarus scabiei, Sarcoptes hominis) in der menschlichen Haut. Der Ausschlag besteht aus einzeln stehenden, mit heller Lymphe gefüllten Bläschen oder Knötchen, die aber manchmal in wirkliche Eiterbläschen, K.pusteln, übergehen. Zwischen ihnen bemerkt man die seinen, geschlängelten Gänge der Milbe. Der Ausschlag erscheint besonders an den zartern Hautstellen, gerne zuerst zwischen den Fingern u. am Handgelenke, dann an den Beugeflächen

und nach Sibirien geschleppt; den 1 jährigen Aufenthalt daselbst beschrieb er sentimental u. frivol zugleich in der Schrift: „Das merkwürdigste Jahr meines Lebens“. Ein kleines Stück „Der Leibkutscher Peters d. Gr.“ machte ihn plötzlich zum Günstling des russ. Hofes u. zum Director des deutschen Theaters zu Petersburg. Nach Kaiser Pauls I. Ermordung lebte K. in Weimar, dann in Berlin als ein Publicist, dessen hervorstechendste Eigenschaften unverschämte Anmaßung und Niederträchtigkeit waren, mußte nach der Schlacht bei Jena vor den Franzosen fliehen, lebte 1806–13 wiederum in Rußland, kam 1813 als Staatsrath zurück, wurde am 23. März 1819 als russ. Spion und Verspotter der Burschenschaft zu Mannheim von dem Schwärmer Sand erdolcht. Daß K. ein leichtschaffendes Talent voll Erfindungsgabe und Witz war, ist so gewiß, als daß er jedes sittlich-religiösen Haltes und jeder ernsten Männlichkeit baar blieb; anderseits trifft das große Publikum, dem er entsprach, mindestens der Vorwurf, K.s Eitelkeit und Anmaßung ins Fabelhafte gesteigert zu haben. Von seinen 211 Schauspielen sind die bekanntesten: Menschenhaß und Reue, die Indianer in England, die Hussiten vor Naumburg, Johanna von Montfaucon und einige andere; seine Lustspiele sind zahlreich und diejenigen Stücke, in denen K.s Wesen am besten sich offenbarte. Die Sündfluth von Romanen, womit er die Welt überschwemmte („Leiden der Ortenbergischen Familie“ u. s. f.) ist vergessen. Als Polemiker (Bahrdt mit der eisernen Stirn 1789, der hyperboräische Esel, der Freimüthige u. s. f.) hat K. sich selber eine Schandsäule bei der Nachwelt errichtet, in seinen sog. historischen Werken bewiesen, daß der Beruf des Geschichtschreibers der letzte sei, für den ein K. taugt. Sämmtliche dramatische Werke Leipzig 1827–29, 44 Bde. – Von seinen 3 Söhnen starben 2 als russ. Oberoffiziere, der zweite:


Kotzebue, Otto von, geb. 1787 zu Reval, gest. 1846, russ. Flottenoffizier, machte 1815–18 und 1823–26 eine Reise um die Welt und sich um die Kenntniß der Südsee u. Behringsstraße verdient; nach ihm heißt ein Meerbusen der letztern K.sund.


Kowno, Kauen, russ. Gouvernement in Lithauen, 758 □M. groß, mit 92000 E.; die Hauptstadt K., am Einfluß der Wilia in den Niemen, hat 16000 E., zur Hälfte Juden.


Kraal, bei den Holländern der Name eines hottentott. Dorfes.


Krabben, Familie der Krebse, mit sehr kurzem Schwanz ohne Endflossen, mit einigen Afterfüßen zur Befestigung der Eier; das erste Fußpaar mit Scheeren. Nur die Erd-K. (s. d.) leben auf dem Lande, alle andern im Wasser u. zwar die meisten im Meere. Die Taschen-K., Taschenkrebs (Cancer Pagurus), gegen 1' lang und fast ebenso breit, röthlichgelb, sehr schmackhaft; in allen europ. Meeren. Die gemeinen K. (Carcinus Maenas), in der Nordsee, im Mittelmeer, bilden als beliebte Speise einen wichtigen Handelsartikel. Im süßen Wasser leben die Fluß-K. (Potamophilus fluviatilis), gelblich, gemein in den Seen des südl. Italiens, in Griechenland, geschätzte Speise.


Krähe, s. Rabe; Krähenaugen, s. Brechnußbaum.


Krähwinkel, heißt ein bad. und ein preuß. Dorf; die Stadt K., der Typus kleinstädtischer Lächerlichkeit, existirt geographisch nicht.


Krämpeln, Kardetschen: die gereinigte und gelockerte Wolle, Baumwolle, Floretseide zum Spinnen zurichten; geschah früher durch die sog. Handkardetschen, seit 1775 (Akwright) durch Maschinen.


Krätze (scabies, psora), eine ansteckende, chronische Hautkrankheit, entstehend durch das Einnisten einer Milbenart (der Krätzmilbe, Acarus scabiei, Sarcoptes hominis) in der menschlichen Haut. Der Ausschlag besteht aus einzeln stehenden, mit heller Lymphe gefüllten Bläschen oder Knötchen, die aber manchmal in wirkliche Eiterbläschen, K.pusteln, übergehen. Zwischen ihnen bemerkt man die seinen, geschlängelten Gänge der Milbe. Der Ausschlag erscheint besonders an den zartern Hautstellen, gerne zuerst zwischen den Fingern u. am Handgelenke, dann an den Beugeflächen

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[649/0650] und nach Sibirien geschleppt; den 1 jährigen Aufenthalt daselbst beschrieb er sentimental u. frivol zugleich in der Schrift: „Das merkwürdigste Jahr meines Lebens“. Ein kleines Stück „Der Leibkutscher Peters d. Gr.“ machte ihn plötzlich zum Günstling des russ. Hofes u. zum Director des deutschen Theaters zu Petersburg. Nach Kaiser Pauls I. Ermordung lebte K. in Weimar, dann in Berlin als ein Publicist, dessen hervorstechendste Eigenschaften unverschämte Anmaßung und Niederträchtigkeit waren, mußte nach der Schlacht bei Jena vor den Franzosen fliehen, lebte 1806–13 wiederum in Rußland, kam 1813 als Staatsrath zurück, wurde am 23. März 1819 als russ. Spion und Verspotter der Burschenschaft zu Mannheim von dem Schwärmer Sand erdolcht. Daß K. ein leichtschaffendes Talent voll Erfindungsgabe und Witz war, ist so gewiß, als daß er jedes sittlich-religiösen Haltes und jeder ernsten Männlichkeit baar blieb; anderseits trifft das große Publikum, dem er entsprach, mindestens der Vorwurf, K.s Eitelkeit und Anmaßung ins Fabelhafte gesteigert zu haben. Von seinen 211 Schauspielen sind die bekanntesten: Menschenhaß und Reue, die Indianer in England, die Hussiten vor Naumburg, Johanna von Montfaucon und einige andere; seine Lustspiele sind zahlreich und diejenigen Stücke, in denen K.s Wesen am besten sich offenbarte. Die Sündfluth von Romanen, womit er die Welt überschwemmte („Leiden der Ortenbergischen Familie“ u. s. f.) ist vergessen. Als Polemiker (Bahrdt mit der eisernen Stirn 1789, der hyperboräische Esel, der Freimüthige u. s. f.) hat K. sich selber eine Schandsäule bei der Nachwelt errichtet, in seinen sog. historischen Werken bewiesen, daß der Beruf des Geschichtschreibers der letzte sei, für den ein K. taugt. Sämmtliche dramatische Werke Leipzig 1827–29, 44 Bde. – Von seinen 3 Söhnen starben 2 als russ. Oberoffiziere, der zweite: Kotzebue, Otto von, geb. 1787 zu Reval, gest. 1846, russ. Flottenoffizier, machte 1815–18 und 1823–26 eine Reise um die Welt und sich um die Kenntniß der Südsee u. Behringsstraße verdient; nach ihm heißt ein Meerbusen der letztern K.sund. Kowno, Kauen, russ. Gouvernement in Lithauen, 758 □M. groß, mit 92000 E.; die Hauptstadt K., am Einfluß der Wilia in den Niemen, hat 16000 E., zur Hälfte Juden. Kraal, bei den Holländern der Name eines hottentott. Dorfes. Krabben, Familie der Krebse, mit sehr kurzem Schwanz ohne Endflossen, mit einigen Afterfüßen zur Befestigung der Eier; das erste Fußpaar mit Scheeren. Nur die Erd-K. (s. d.) leben auf dem Lande, alle andern im Wasser u. zwar die meisten im Meere. Die Taschen-K., Taschenkrebs (Cancer Pagurus), gegen 1' lang und fast ebenso breit, röthlichgelb, sehr schmackhaft; in allen europ. Meeren. Die gemeinen K. (Carcinus Maenas), in der Nordsee, im Mittelmeer, bilden als beliebte Speise einen wichtigen Handelsartikel. Im süßen Wasser leben die Fluß-K. (Potamophilus fluviatilis), gelblich, gemein in den Seen des südl. Italiens, in Griechenland, geschätzte Speise. Krähe, s. Rabe; Krähenaugen, s. Brechnußbaum. Krähwinkel, heißt ein bad. und ein preuß. Dorf; die Stadt K., der Typus kleinstädtischer Lächerlichkeit, existirt geographisch nicht. Krämpeln, Kardetschen: die gereinigte und gelockerte Wolle, Baumwolle, Floretseide zum Spinnen zurichten; geschah früher durch die sog. Handkardetschen, seit 1775 (Akwright) durch Maschinen. Krätze (scabies, psora), eine ansteckende, chronische Hautkrankheit, entstehend durch das Einnisten einer Milbenart (der Krätzmilbe, Acarus scabiei, Sarcoptes hominis) in der menschlichen Haut. Der Ausschlag besteht aus einzeln stehenden, mit heller Lymphe gefüllten Bläschen oder Knötchen, die aber manchmal in wirkliche Eiterbläschen, K.pusteln, übergehen. Zwischen ihnen bemerkt man die seinen, geschlängelten Gänge der Milbe. Der Ausschlag erscheint besonders an den zartern Hautstellen, gerne zuerst zwischen den Fingern u. am Handgelenke, dann an den Beugeflächen

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Zitationshilfe: Herders Conversations-Lexikon. Bd. 3. Freiburg im Breisgau, 1855, S. 649. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon03_1855/650>, abgerufen am 24.11.2024.