Herders Conversations-Lexikon. Bd. 2. Freiburg im Breisgau, 1854.1831 bis 18. Mai 1832 Minister gewesen) die Regierung persönlich und wurde durch die Kraft, mit welcher er die Unruhen in F. niederschlug u. den allgemeinen Frieden aufrecht erhielt, bei den Conservativen in ganz Europa ein gefeierter, bei den Revolutionären ein verfluchter Name; die geheimen Gesellschaften jedoch, welche sich damals in F., der Schweiz und Deutschland verbreiteten und eine vollständige Organisation erhielten, konnte er nicht unterdrücken, obwohl er in Verbindung mit den deutschen Staaten 1838 die Schweiz nöthigte, die Flüchtlinge und fremden Arbeiter, deren Theilnahme an der allgemeinen Verschwörung offenkundig war, auszuweisen. Die Selbstregierung des Königs war den ehrgeizigen Kammernobilitäten unerwünscht, weil ihre eigenen Personen etwas unscheinbar wurden; eine derselben, Thiers, Journalist und lobpreisender Geschichtschreiber der ersten Revolution, erfand das Schlagwort "le roi regne, il ne gouverne pas", eine Coalition der Linken, der Doctrinärs (s. d.) und der sog. Tiersparti (3. Partei, der Hemmschuh für die Regierung, ohne daß sie mit der Linken gehen wollte) stürzte 1839 das Ministerium Mole, die Verweigerung der Apanage für den 2. Sohn des Königs, den Herzog von Nemours, 1840 das Ministerium Soult und brachte endlich Thiers als Minister des Auswärtigen an das Ruder. Damals hatte Mehemed Ali von Aegypten durch den Sieg von Nisib die erste oriental. Krisis herbeigeführt; Rußland, England, Oesterreich und Preußen verbürgten sich zur Aufrechthaltung der Integrität des osman. Reichs, d. h. zur Einschränkung des übermächtig gewordenen ägypt. Satrapen, F. aber nahm dessen Partei. Anfangs führte Thiers mit den Kabineten, besonders dem zu London, einen lebhaften Notenkrieg und als er nichts ausrichtete, begann er gewaltige Kriegsrüstungen. Zum entscheidenden Handeln fehlte ihm jedoch der Muth (der Admiral Lalande verlangte vergebens die Erlaubniß, mit der überlegenen französ. Flotte die engl. in den Gewässern der Levante angreifen zu dürfen), der König selbst war einem Kriege grundsätzlich abgeneigt, die Bourgeoisie ballte zwar die Faust, aber bedachte, daß ein Krieg F.s gegen ganz Europa ohne Aussicht auf Erfolg sei und nur die revolutionären Elemente entfesseln müsse. Der König ließ daher das Ministerium Thiers fallen und da Mehemed Ali gegen alle Erwartung schnell unterlag, so ging die Krise vorüber, der König er nannte das Ministerium Soult-Guizot, mit dem er bis 1848 regierte. Die Majorität in den Kammern blieb der Regierung während der ganzen Zeit u. wurde immer stärker, aber ein schwerer Schlag traf den alternden König durch den unglücklichen Tod seines ältesten Sohnes, des kräftigen und populären Herzogs von Orleans (13. Juli 1842), die Aussicht auf eine lange Regentschaft des wenig beliebten Herzogs von Nemours für den Thronerben, den erst 4 Jahre alten Grafen von Paris, belebte die gesunkenen Hoffnungen der Revolutionäre und spornte sie zu neuer Thätigkeit. Da weder die äußere Politik des Königs, noch die von Thiers und Soult bei der Kammer durchgesetzte Befestigung von Paris hingereicht hatten, dem König seinen Credit bei den Mittelklassen zu rauben, so wurde ein neues System des Angriffs gegen ihn eröffnet. Sein ganzes Regierungssystem, wurde wetteifernd verbreitet, beruhe auf nichts anderem als auf dem krassesten Materialismus. Die Rentiers ködere er dadurch, daß er die 5% Rente nicht herabsetzen lasse, Fabrikanten, Kaufleute u. große Grundbesitzer durch den Schutz ihrer privilegirten Interessen, den Capitalisten überlasse er Unternehmungen (Lieferungen für die Armee, Eisenbahnbauten etc.), bei welchen die selben auf Kosten des Staates ungeheuren Gewinn machten, an welchen die Minister, Generale u. hohen Beamten ihren Antheil hätten; der scandalöse Prozeß des Ministers Teste u. des General Cubieres, ehemaligen Kriegsministers, die Ermordung der Herzogin von Praslin durch ihren eigenen Mann, der Selbstmord, durch welchen er dem Gerichte u. Schafote entgehen durfte, schienen die Behauptung zu bestätigen, daß die Corruption 1831 bis 18. Mai 1832 Minister gewesen) die Regierung persönlich und wurde durch die Kraft, mit welcher er die Unruhen in F. niederschlug u. den allgemeinen Frieden aufrecht erhielt, bei den Conservativen in ganz Europa ein gefeierter, bei den Revolutionären ein verfluchter Name; die geheimen Gesellschaften jedoch, welche sich damals in F., der Schweiz und Deutschland verbreiteten und eine vollständige Organisation erhielten, konnte er nicht unterdrücken, obwohl er in Verbindung mit den deutschen Staaten 1838 die Schweiz nöthigte, die Flüchtlinge und fremden Arbeiter, deren Theilnahme an der allgemeinen Verschwörung offenkundig war, auszuweisen. Die Selbstregierung des Königs war den ehrgeizigen Kammernobilitäten unerwünscht, weil ihre eigenen Personen etwas unscheinbar wurden; eine derselben, Thiers, Journalist und lobpreisender Geschichtschreiber der ersten Revolution, erfand das Schlagwort „le roi règne, il ne gouverne pas“, eine Coalition der Linken, der Doctrinärs (s. d.) und der sog. Tiersparti (3. Partei, der Hemmschuh für die Regierung, ohne daß sie mit der Linken gehen wollte) stürzte 1839 das Ministerium Molé, die Verweigerung der Apanage für den 2. Sohn des Königs, den Herzog von Nemours, 1840 das Ministerium Soult und brachte endlich Thiers als Minister des Auswärtigen an das Ruder. Damals hatte Mehemed Ali von Aegypten durch den Sieg von Nisib die erste oriental. Krisis herbeigeführt; Rußland, England, Oesterreich und Preußen verbürgten sich zur Aufrechthaltung der Integrität des osman. Reichs, d. h. zur Einschränkung des übermächtig gewordenen ägypt. Satrapen, F. aber nahm dessen Partei. Anfangs führte Thiers mit den Kabineten, besonders dem zu London, einen lebhaften Notenkrieg und als er nichts ausrichtete, begann er gewaltige Kriegsrüstungen. Zum entscheidenden Handeln fehlte ihm jedoch der Muth (der Admiral Lalande verlangte vergebens die Erlaubniß, mit der überlegenen französ. Flotte die engl. in den Gewässern der Levante angreifen zu dürfen), der König selbst war einem Kriege grundsätzlich abgeneigt, die Bourgeoisie ballte zwar die Faust, aber bedachte, daß ein Krieg F.s gegen ganz Europa ohne Aussicht auf Erfolg sei und nur die revolutionären Elemente entfesseln müsse. Der König ließ daher das Ministerium Thiers fallen und da Mehemed Ali gegen alle Erwartung schnell unterlag, so ging die Krise vorüber, der König er nannte das Ministerium Soult-Guizot, mit dem er bis 1848 regierte. Die Majorität in den Kammern blieb der Regierung während der ganzen Zeit u. wurde immer stärker, aber ein schwerer Schlag traf den alternden König durch den unglücklichen Tod seines ältesten Sohnes, des kräftigen und populären Herzogs von Orleans (13. Juli 1842), die Aussicht auf eine lange Regentschaft des wenig beliebten Herzogs von Nemours für den Thronerben, den erst 4 Jahre alten Grafen von Paris, belebte die gesunkenen Hoffnungen der Revolutionäre und spornte sie zu neuer Thätigkeit. Da weder die äußere Politik des Königs, noch die von Thiers und Soult bei der Kammer durchgesetzte Befestigung von Paris hingereicht hatten, dem König seinen Credit bei den Mittelklassen zu rauben, so wurde ein neues System des Angriffs gegen ihn eröffnet. Sein ganzes Regierungssystem, wurde wetteifernd verbreitet, beruhe auf nichts anderem als auf dem krassesten Materialismus. Die Rentiers ködere er dadurch, daß er die 5% Rente nicht herabsetzen lasse, Fabrikanten, Kaufleute u. große Grundbesitzer durch den Schutz ihrer privilegirten Interessen, den Capitalisten überlasse er Unternehmungen (Lieferungen für die Armee, Eisenbahnbauten etc.), bei welchen die selben auf Kosten des Staates ungeheuren Gewinn machten, an welchen die Minister, Generale u. hohen Beamten ihren Antheil hätten; der scandalöse Prozeß des Ministers Teste u. des General Cubières, ehemaligen Kriegsministers, die Ermordung der Herzogin von Praslin durch ihren eigenen Mann, der Selbstmord, durch welchen er dem Gerichte u. Schafote entgehen durfte, schienen die Behauptung zu bestätigen, daß die Corruption <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="lexiconEntry" n="2"> <p><pb facs="#f0772" n="771"/> 1831 bis 18. 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Satrapen, F. aber nahm dessen Partei. Anfangs führte Thiers mit den Kabineten, besonders dem zu London, einen lebhaften Notenkrieg und als er nichts ausrichtete, begann er gewaltige Kriegsrüstungen. Zum entscheidenden Handeln fehlte ihm jedoch der Muth (der Admiral Lalande verlangte vergebens die Erlaubniß, mit der überlegenen französ. Flotte die engl. in den Gewässern der Levante angreifen zu dürfen), der König selbst war einem Kriege grundsätzlich abgeneigt, die Bourgeoisie ballte zwar die Faust, aber bedachte, daß ein Krieg F.s gegen ganz Europa ohne Aussicht auf Erfolg sei und nur die revolutionären Elemente entfesseln müsse. Der König ließ daher das Ministerium Thiers fallen und da Mehemed Ali gegen alle Erwartung schnell unterlag, so ging die Krise vorüber, der König er nannte das Ministerium Soult-Guizot, mit dem er bis 1848 regierte. Die Majorität in den Kammern blieb der Regierung während der ganzen Zeit u. wurde immer stärker, aber ein schwerer Schlag traf den alternden König durch den unglücklichen Tod seines ältesten Sohnes, des kräftigen und populären Herzogs von Orleans (13. Juli 1842), die Aussicht auf eine lange Regentschaft des wenig beliebten Herzogs von Nemours für den Thronerben, den erst 4 Jahre alten Grafen von Paris, belebte die gesunkenen Hoffnungen der Revolutionäre und spornte sie zu neuer Thätigkeit. Da weder die äußere Politik des Königs, noch die von Thiers und Soult bei der Kammer durchgesetzte Befestigung von Paris hingereicht hatten, dem König seinen Credit bei den Mittelklassen zu rauben, so wurde ein neues System des Angriffs gegen ihn eröffnet. Sein ganzes Regierungssystem, wurde wetteifernd verbreitet, beruhe auf nichts anderem als auf dem krassesten Materialismus. Die Rentiers ködere er dadurch, daß er die 5% Rente nicht herabsetzen lasse, Fabrikanten, Kaufleute u. große Grundbesitzer durch den Schutz ihrer privilegirten Interessen, den Capitalisten überlasse er Unternehmungen (Lieferungen für die Armee, Eisenbahnbauten etc.), bei welchen die selben auf Kosten des Staates ungeheuren Gewinn machten, an welchen die Minister, Generale u. hohen Beamten ihren Antheil hätten; der scandalöse Prozeß des Ministers Teste u. des General Cubières, ehemaligen Kriegsministers, die Ermordung der Herzogin von Praslin durch ihren eigenen Mann, der Selbstmord, durch welchen er dem Gerichte u. Schafote entgehen durfte, schienen die Behauptung zu bestätigen, daß die Corruption </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [771/0772]
1831 bis 18. Mai 1832 Minister gewesen) die Regierung persönlich und wurde durch die Kraft, mit welcher er die Unruhen in F. niederschlug u. den allgemeinen Frieden aufrecht erhielt, bei den Conservativen in ganz Europa ein gefeierter, bei den Revolutionären ein verfluchter Name; die geheimen Gesellschaften jedoch, welche sich damals in F., der Schweiz und Deutschland verbreiteten und eine vollständige Organisation erhielten, konnte er nicht unterdrücken, obwohl er in Verbindung mit den deutschen Staaten 1838 die Schweiz nöthigte, die Flüchtlinge und fremden Arbeiter, deren Theilnahme an der allgemeinen Verschwörung offenkundig war, auszuweisen. Die Selbstregierung des Königs war den ehrgeizigen Kammernobilitäten unerwünscht, weil ihre eigenen Personen etwas unscheinbar wurden; eine derselben, Thiers, Journalist und lobpreisender Geschichtschreiber der ersten Revolution, erfand das Schlagwort „le roi règne, il ne gouverne pas“, eine Coalition der Linken, der Doctrinärs (s. d.) und der sog. Tiersparti (3. Partei, der Hemmschuh für die Regierung, ohne daß sie mit der Linken gehen wollte) stürzte 1839 das Ministerium Molé, die Verweigerung der Apanage für den 2. Sohn des Königs, den Herzog von Nemours, 1840 das Ministerium Soult und brachte endlich Thiers als Minister des Auswärtigen an das Ruder. Damals hatte Mehemed Ali von Aegypten durch den Sieg von Nisib die erste oriental. Krisis herbeigeführt; Rußland, England, Oesterreich und Preußen verbürgten sich zur Aufrechthaltung der Integrität des osman. Reichs, d. h. zur Einschränkung des übermächtig gewordenen ägypt. Satrapen, F. aber nahm dessen Partei. Anfangs führte Thiers mit den Kabineten, besonders dem zu London, einen lebhaften Notenkrieg und als er nichts ausrichtete, begann er gewaltige Kriegsrüstungen. Zum entscheidenden Handeln fehlte ihm jedoch der Muth (der Admiral Lalande verlangte vergebens die Erlaubniß, mit der überlegenen französ. Flotte die engl. in den Gewässern der Levante angreifen zu dürfen), der König selbst war einem Kriege grundsätzlich abgeneigt, die Bourgeoisie ballte zwar die Faust, aber bedachte, daß ein Krieg F.s gegen ganz Europa ohne Aussicht auf Erfolg sei und nur die revolutionären Elemente entfesseln müsse. Der König ließ daher das Ministerium Thiers fallen und da Mehemed Ali gegen alle Erwartung schnell unterlag, so ging die Krise vorüber, der König er nannte das Ministerium Soult-Guizot, mit dem er bis 1848 regierte. Die Majorität in den Kammern blieb der Regierung während der ganzen Zeit u. wurde immer stärker, aber ein schwerer Schlag traf den alternden König durch den unglücklichen Tod seines ältesten Sohnes, des kräftigen und populären Herzogs von Orleans (13. Juli 1842), die Aussicht auf eine lange Regentschaft des wenig beliebten Herzogs von Nemours für den Thronerben, den erst 4 Jahre alten Grafen von Paris, belebte die gesunkenen Hoffnungen der Revolutionäre und spornte sie zu neuer Thätigkeit. Da weder die äußere Politik des Königs, noch die von Thiers und Soult bei der Kammer durchgesetzte Befestigung von Paris hingereicht hatten, dem König seinen Credit bei den Mittelklassen zu rauben, so wurde ein neues System des Angriffs gegen ihn eröffnet. Sein ganzes Regierungssystem, wurde wetteifernd verbreitet, beruhe auf nichts anderem als auf dem krassesten Materialismus. Die Rentiers ködere er dadurch, daß er die 5% Rente nicht herabsetzen lasse, Fabrikanten, Kaufleute u. große Grundbesitzer durch den Schutz ihrer privilegirten Interessen, den Capitalisten überlasse er Unternehmungen (Lieferungen für die Armee, Eisenbahnbauten etc.), bei welchen die selben auf Kosten des Staates ungeheuren Gewinn machten, an welchen die Minister, Generale u. hohen Beamten ihren Antheil hätten; der scandalöse Prozeß des Ministers Teste u. des General Cubières, ehemaligen Kriegsministers, die Ermordung der Herzogin von Praslin durch ihren eigenen Mann, der Selbstmord, durch welchen er dem Gerichte u. Schafote entgehen durfte, schienen die Behauptung zu bestätigen, daß die Corruption
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