Herders Conversations-Lexikon. Bd. 1. Freiburg im Breisgau, 1857.der Athener, die 12 Phratriä und die 360 Geschlechter, die Unterabtheilungen der Stämme bei ihren Einrichtungen bestehen, ebenso die örtliche Eintheilung Attikas in 174 Demen (Localgemeinden); auch die Eintheilung in 12 Trithyes und 48 Naukraria zum Zwecke der Dienstbelastung und Besteuerung. In Beziehungen auf die politischen Rechte theilte er die Athener nach Maßgabe ihres Vermögens in 4 Klassen; die 3 ersten Klassen waren zu allen Aemtern wählbar, die vierte nicht, sondern hatte nur das Wahlrecht. Die höchste Gewalt ruhte in der Volksversammlung, d. h. bei der Bürgergemeinde A. s. Die vorberathende Behörde war die Bule (Rath), 400 Mitglieder stark, was sie verwarf durfte nicht mehr vor die Volksversammlung gebracht werden. Die eigentliche Regierungsgewalt übte das aus fünfzig Mitgliedern bestehende Collegium der Prytanen. Die Gerichte wurden aus den Bürgern besetzt; oftmals trat aber die ganze versammelte Gemeinde als Richter auf. Ein eigenes Gericht war der Areopag, der auch durch andere Befugnisse großen Einfluß übte (vergl. Areopag). Die solonische Gesetzgebung wachte strenge über die Heiligkeit der Ehe, über die Pflichten der Eltern und Kinder, schützte die niedergelassenen Fremden vor Willkür und die Sklaven vor grausamer Härte. Mit der solonischen Verfassung beginnt die dritte Periode A.s, der Uebergang zur vollständigen Demokratie. Diese geschah nicht ohne große Kämpfe; schon 561 v. Chr. bemächtigte sich ein Verwandter des Solon, der junge Pisistratus, der Obergewalt (der Tyrannis), indem er sich auf den mißtrauischen Haß der armen Bürger gegen die vornehmen und reichen stützte, und die Liebe des gemeinen Volkes erlaubte sogar die Vererbung der Tyrannis auf seine Söhne. Diese verloren sie jedoch durch die Anstrengungen der vornehmen Bürger, als die gemeinen Bürger durch eine Gewerbsteuer und einzelne Grausamkeiten mißstimmt waren; doch gelang die Befreiung A.s nur durch spartanische Unterstützung. Nun verwandelte Klisthenes A. in eine vollständige Demokratie, indem er die alten Abtheilungen und Unterabtheilungen der Stämme durcheinander warf, den Rath vergrößerte und die Prytanie, d. h. die Regierung, unter den 10 Stämmen durch einen Ausschuß je 36 Tage wechseln und während dieser Zeit 4 Volksversammlungen halten ließ. Eine aristokratische von Sparta unterstützte Gegenrevolution mißlang und A. strafte die Chalcidier auf Euböa, welche die Aristokratie ebenfalls unterstützt hatten, durch die Hinwegnahme eines Theils seines Gebietes, das in 4000 Stücken unter athenische Bürger vertheilt wurde. Mit dieser Demokratisirung A.s beginnt auch dessen Ausbreitung, die Periode einer unglaublichen Machtentfaltung; denn das unüberlegte, reizbare und kecke Volk ließ sich in Unternehmungen ein, welche die besonnene, für ihren Güterbesitz besorgte Aristokratie nie gewagt hätte, und diese Unternehmungen glückten längere Zeit nach dem Sprichworte, daß das Glück mit dem Wagenden ist. Die Einmischung in den jonischen Aufstand (502-496 v. Chr.) gegen den Perserkönig führte zu dem großen Perserkriege, zu der Schlacht von Marathon (490 v. Chr.), zu den Triumphen von Salamis (480 v. Chr.), Platää und Mykale (479 v. Chr.); alle Athener aber ohne Unterschied hatten in Wahrheit "Gut und Blut" eingesetzt für die Vaterstadt und die Freiheit Griechenlands. Darum fiel durch Aristides das letzte Vorrecht des Besitzes, die vierte Klasse wurde zu allen Aemtern wählbar, die Bundesgenossen aber übertrugen A. den Oberbefehl im Bundeskriege gegen Persien (477 v. Chr.); A. hat seine glänzendste Periode, die Hegemonie der Bundesgenossen; Cimon verherrlichte es durch neue Siege und athenische Bürger gewannen auf den Inseln, auf der macedonischen, thracischen und asiatischen Küste großen Landbesitz; A. war die herrschende Seemacht, sein Hafen der Stapelort des asiatischen und ägyptischen Handels. Da fiel durch Perikles die letzte Schranke des Volkswillens, indem er dem Areopag alle Befugnisse außer dem Blutgerichte entriß; zugleich wurde der Athener, die 12 Phratriä und die 360 Geschlechter, die Unterabtheilungen der Stämme bei ihren Einrichtungen bestehen, ebenso die örtliche Eintheilung Attikas in 174 Demen (Localgemeinden); auch die Eintheilung in 12 Trithyes und 48 Naukraria zum Zwecke der Dienstbelastung und Besteuerung. In Beziehungen auf die politischen Rechte theilte er die Athener nach Maßgabe ihres Vermögens in 4 Klassen; die 3 ersten Klassen waren zu allen Aemtern wählbar, die vierte nicht, sondern hatte nur das Wahlrecht. Die höchste Gewalt ruhte in der Volksversammlung, d. h. bei der Bürgergemeinde A. s. Die vorberathende Behörde war die Bule (Rath), 400 Mitglieder stark, was sie verwarf durfte nicht mehr vor die Volksversammlung gebracht werden. Die eigentliche Regierungsgewalt übte das aus fünfzig Mitgliedern bestehende Collegium der Prytanen. Die Gerichte wurden aus den Bürgern besetzt; oftmals trat aber die ganze versammelte Gemeinde als Richter auf. Ein eigenes Gericht war der Areopag, der auch durch andere Befugnisse großen Einfluß übte (vergl. Areopag). Die solonische Gesetzgebung wachte strenge über die Heiligkeit der Ehe, über die Pflichten der Eltern und Kinder, schützte die niedergelassenen Fremden vor Willkür und die Sklaven vor grausamer Härte. Mit der solonischen Verfassung beginnt die dritte Periode A.s, der Uebergang zur vollständigen Demokratie. Diese geschah nicht ohne große Kämpfe; schon 561 v. Chr. bemächtigte sich ein Verwandter des Solon, der junge Pisistratus, der Obergewalt (der Tyrannis), indem er sich auf den mißtrauischen Haß der armen Bürger gegen die vornehmen und reichen stützte, und die Liebe des gemeinen Volkes erlaubte sogar die Vererbung der Tyrannis auf seine Söhne. Diese verloren sie jedoch durch die Anstrengungen der vornehmen Bürger, als die gemeinen Bürger durch eine Gewerbsteuer und einzelne Grausamkeiten mißstimmt waren; doch gelang die Befreiung A.s nur durch spartanische Unterstützung. Nun verwandelte Klisthenes A. in eine vollständige Demokratie, indem er die alten Abtheilungen und Unterabtheilungen der Stämme durcheinander warf, den Rath vergrößerte und die Prytanie, d. h. die Regierung, unter den 10 Stämmen durch einen Ausschuß je 36 Tage wechseln und während dieser Zeit 4 Volksversammlungen halten ließ. Eine aristokratische von Sparta unterstützte Gegenrevolution mißlang und A. strafte die Chalcidier auf Euböa, welche die Aristokratie ebenfalls unterstützt hatten, durch die Hinwegnahme eines Theils seines Gebietes, das in 4000 Stücken unter athenische Bürger vertheilt wurde. Mit dieser Demokratisirung A.s beginnt auch dessen Ausbreitung, die Periode einer unglaublichen Machtentfaltung; denn das unüberlegte, reizbare und kecke Volk ließ sich in Unternehmungen ein, welche die besonnene, für ihren Güterbesitz besorgte Aristokratie nie gewagt hätte, und diese Unternehmungen glückten längere Zeit nach dem Sprichworte, daß das Glück mit dem Wagenden ist. Die Einmischung in den jonischen Aufstand (502–496 v. Chr.) gegen den Perserkönig führte zu dem großen Perserkriege, zu der Schlacht von Marathon (490 v. Chr.), zu den Triumphen von Salamis (480 v. Chr.), Platää und Mykale (479 v. Chr.); alle Athener aber ohne Unterschied hatten in Wahrheit „Gut und Blut“ eingesetzt für die Vaterstadt und die Freiheit Griechenlands. Darum fiel durch Aristides das letzte Vorrecht des Besitzes, die vierte Klasse wurde zu allen Aemtern wählbar, die Bundesgenossen aber übertrugen A. den Oberbefehl im Bundeskriege gegen Persien (477 v. Chr.); A. hat seine glänzendste Periode, die Hegemonie der Bundesgenossen; Cimon verherrlichte es durch neue Siege und athenische Bürger gewannen auf den Inseln, auf der macedonischen, thracischen und asiatischen Küste großen Landbesitz; A. war die herrschende Seemacht, sein Hafen der Stapelort des asiatischen und ägyptischen Handels. 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Die eigentliche Regierungsgewalt übte das aus fünfzig Mitgliedern bestehende Collegium der Prytanen. Die Gerichte wurden aus den Bürgern besetzt; oftmals trat aber die ganze versammelte Gemeinde als Richter auf. Ein eigenes Gericht war der Areopag, der auch durch andere Befugnisse großen Einfluß übte (vergl. Areopag). Die solonische Gesetzgebung wachte strenge über die Heiligkeit der Ehe, über die Pflichten der Eltern und Kinder, schützte die niedergelassenen Fremden vor Willkür und die Sklaven vor grausamer Härte. Mit der solonischen Verfassung beginnt die dritte Periode A.s, <hi rendition="#g">der Uebergang zur vollständigen Demokratie</hi>. Diese geschah nicht ohne große Kämpfe; schon 561 v. Chr. bemächtigte sich ein Verwandter des Solon, der junge Pisistratus, der Obergewalt (der Tyrannis), indem er sich auf den mißtrauischen Haß der armen Bürger gegen die vornehmen und reichen stützte, und die Liebe des gemeinen Volkes erlaubte sogar die Vererbung der Tyrannis auf seine Söhne. Diese verloren sie jedoch durch die Anstrengungen der vornehmen Bürger, als die gemeinen Bürger durch eine Gewerbsteuer und einzelne Grausamkeiten mißstimmt waren; doch gelang die Befreiung A.s nur durch spartanische Unterstützung. Nun verwandelte Klisthenes A. in eine vollständige Demokratie, indem er die alten Abtheilungen und Unterabtheilungen der Stämme durcheinander warf, den Rath vergrößerte und die Prytanie, d. h. die Regierung, unter den 10 Stämmen durch einen Ausschuß je 36 Tage wechseln und während dieser Zeit 4 Volksversammlungen halten ließ. Eine aristokratische von Sparta unterstützte Gegenrevolution mißlang und A. strafte die Chalcidier auf Euböa, welche die Aristokratie ebenfalls unterstützt hatten, durch die Hinwegnahme eines Theils seines Gebietes, das in 4000 Stücken unter athenische Bürger vertheilt wurde. <hi rendition="#g">Mit dieser Demokratisirung A.s beginnt auch dessen Ausbreitung</hi>, die Periode einer unglaublichen Machtentfaltung; denn das unüberlegte, reizbare und kecke Volk ließ sich in Unternehmungen ein, welche die besonnene, für ihren Güterbesitz besorgte Aristokratie nie gewagt hätte, und diese Unternehmungen glückten längere Zeit nach dem Sprichworte, daß das Glück mit dem Wagenden ist. Die Einmischung in den jonischen Aufstand (502–496 v. Chr.) gegen den Perserkönig führte zu dem großen Perserkriege, zu der Schlacht von Marathon (490 v. Chr.), zu den Triumphen von Salamis (480 v. Chr.), Platää und Mykale (479 v. Chr.); alle Athener aber ohne Unterschied hatten in Wahrheit „Gut und Blut“ eingesetzt für die Vaterstadt und die Freiheit Griechenlands. Darum fiel durch Aristides das letzte Vorrecht des Besitzes, die vierte Klasse wurde zu allen Aemtern wählbar, die Bundesgenossen aber übertrugen A. den Oberbefehl im Bundeskriege gegen Persien (477 v. Chr.); <hi rendition="#g">A. hat seine glänzendste Periode, die Hegemonie der Bundesgenossen</hi>; Cimon verherrlichte es durch neue Siege und athenische Bürger gewannen auf den Inseln, auf der macedonischen, thracischen und asiatischen Küste großen Landbesitz; A. war die herrschende Seemacht, sein Hafen der Stapelort des asiatischen und ägyptischen Handels. Da fiel durch Perikles die letzte Schranke des Volkswillens, indem er dem Areopag alle Befugnisse außer dem Blutgerichte entriß; zugleich wurde </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [307/0308]
der Athener, die 12 Phratriä und die 360 Geschlechter, die Unterabtheilungen der Stämme bei ihren Einrichtungen bestehen, ebenso die örtliche Eintheilung Attikas in 174 Demen (Localgemeinden); auch die Eintheilung in 12 Trithyes und 48 Naukraria zum Zwecke der Dienstbelastung und Besteuerung. In Beziehungen auf die politischen Rechte theilte er die Athener nach Maßgabe ihres Vermögens in 4 Klassen; die 3 ersten Klassen waren zu allen Aemtern wählbar, die vierte nicht, sondern hatte nur das Wahlrecht. Die höchste Gewalt ruhte in der Volksversammlung, d. h. bei der Bürgergemeinde A. s. Die vorberathende Behörde war die Bule (Rath), 400 Mitglieder stark, was sie verwarf durfte nicht mehr vor die Volksversammlung gebracht werden. Die eigentliche Regierungsgewalt übte das aus fünfzig Mitgliedern bestehende Collegium der Prytanen. Die Gerichte wurden aus den Bürgern besetzt; oftmals trat aber die ganze versammelte Gemeinde als Richter auf. Ein eigenes Gericht war der Areopag, der auch durch andere Befugnisse großen Einfluß übte (vergl. Areopag). Die solonische Gesetzgebung wachte strenge über die Heiligkeit der Ehe, über die Pflichten der Eltern und Kinder, schützte die niedergelassenen Fremden vor Willkür und die Sklaven vor grausamer Härte. Mit der solonischen Verfassung beginnt die dritte Periode A.s, der Uebergang zur vollständigen Demokratie. Diese geschah nicht ohne große Kämpfe; schon 561 v. Chr. bemächtigte sich ein Verwandter des Solon, der junge Pisistratus, der Obergewalt (der Tyrannis), indem er sich auf den mißtrauischen Haß der armen Bürger gegen die vornehmen und reichen stützte, und die Liebe des gemeinen Volkes erlaubte sogar die Vererbung der Tyrannis auf seine Söhne. Diese verloren sie jedoch durch die Anstrengungen der vornehmen Bürger, als die gemeinen Bürger durch eine Gewerbsteuer und einzelne Grausamkeiten mißstimmt waren; doch gelang die Befreiung A.s nur durch spartanische Unterstützung. Nun verwandelte Klisthenes A. in eine vollständige Demokratie, indem er die alten Abtheilungen und Unterabtheilungen der Stämme durcheinander warf, den Rath vergrößerte und die Prytanie, d. h. die Regierung, unter den 10 Stämmen durch einen Ausschuß je 36 Tage wechseln und während dieser Zeit 4 Volksversammlungen halten ließ. Eine aristokratische von Sparta unterstützte Gegenrevolution mißlang und A. strafte die Chalcidier auf Euböa, welche die Aristokratie ebenfalls unterstützt hatten, durch die Hinwegnahme eines Theils seines Gebietes, das in 4000 Stücken unter athenische Bürger vertheilt wurde. Mit dieser Demokratisirung A.s beginnt auch dessen Ausbreitung, die Periode einer unglaublichen Machtentfaltung; denn das unüberlegte, reizbare und kecke Volk ließ sich in Unternehmungen ein, welche die besonnene, für ihren Güterbesitz besorgte Aristokratie nie gewagt hätte, und diese Unternehmungen glückten längere Zeit nach dem Sprichworte, daß das Glück mit dem Wagenden ist. Die Einmischung in den jonischen Aufstand (502–496 v. Chr.) gegen den Perserkönig führte zu dem großen Perserkriege, zu der Schlacht von Marathon (490 v. Chr.), zu den Triumphen von Salamis (480 v. Chr.), Platää und Mykale (479 v. Chr.); alle Athener aber ohne Unterschied hatten in Wahrheit „Gut und Blut“ eingesetzt für die Vaterstadt und die Freiheit Griechenlands. Darum fiel durch Aristides das letzte Vorrecht des Besitzes, die vierte Klasse wurde zu allen Aemtern wählbar, die Bundesgenossen aber übertrugen A. den Oberbefehl im Bundeskriege gegen Persien (477 v. Chr.); A. hat seine glänzendste Periode, die Hegemonie der Bundesgenossen; Cimon verherrlichte es durch neue Siege und athenische Bürger gewannen auf den Inseln, auf der macedonischen, thracischen und asiatischen Küste großen Landbesitz; A. war die herrschende Seemacht, sein Hafen der Stapelort des asiatischen und ägyptischen Handels. Da fiel durch Perikles die letzte Schranke des Volkswillens, indem er dem Areopag alle Befugnisse außer dem Blutgerichte entriß; zugleich wurde
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