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Herders Conversations-Lexikon. Bd. 1. Freiburg im Breisgau, 1857.

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Langeweile, Thorheit, Eitelkeit und Ueppigkeit, vor Ausschweifung und Faulheit. Die Armenschulen erwarten in katholischen Ländern den religiösen Orden, der ihre Pflege zu seiner Hauptregel macht.


Armentaxe, in England der Name der Steuer, die zur Unterhaltung der Armen auferlegt wird. Sie stammt bereits aus den Zeiten der Königin Elisabeth und ist mit der Eintheilung in die Kirchspiele verbunden. Seit 1834 hat man eine Reform mit derselben vorgenommen, die hauptsächlich in der Centralisirung der Leitung der Armenpflege, in der Herstellung von Arbeitshäusern und in größerer Strenge gegen die Armen besteht. Die A. betrug jedoch in England im Jahre 1849 die ungeheure Summe von 5792963 Pfd. Sterl.


Armentieres, Stadt im franz. Departement du Nord, an der Lys, mit 7000 E., wie alle französisch-niederländischen Städte sehr gewerbfleißig; Fabriken in Tuch, Leinwand, Leder, Seide, Seife, Runkelrübenzucker, bedeutender Handelsverkehr.


Armenwesen. Die Armuth ist so alt als ein anderes großes Uebel des menschlichen Geschlechtes, der Krieg, und begleitet uns durch die ganze Geschichte der Vergangenheit, wie sie der weitreisende Wanderer von Lappland bis zum Kaffern- und Hottentottenland, von Portugal bis China oder Chili trifft. Der Zustand der Armuth und ihre Bedeutung bei einem Volke ist jedoch nach dem Maße seiner Cultur ein sehr verschiedener. Bei den klassischen Völkern, den Griechen und Römern, gab es einen rechtlichen, zahlreichen, sich fortpflanzenden Stand der Armuth, die Sklaven, die als Eigenthum ihrer Herren kein anderes Eigenthum haben konnten, als was ihnen diese zu schenken so gnädig waren. Gegen Trägheit, Flucht, gegen Verschwörung und Aufstand dieser Gattung der Armen half die Peitsche, Geißel, das Beil, das Kreuz, die massenhafte Niedermetzelung. Bürgerliche Arme fehlten indessen neben den Sklaven nirgends, und sie waren in allen den beinahe unzähligen Staaten und Städten Griechenlands als eine große Gefahr für die Sicherheit des Staates angesehen; so lange kriegerische Tüchtigkeit vorhanden war und es die Weltlage erlaubte, entledigte man sich der armen Bürger in Eroberungskriegen, indem der besiegte Gegner einen Theil seines Landes abtreten mußte, so daß den Armen von Staatswegen ein Eigenthum angewiesen wurde; diese Colonialpolitik wurde von Athen, Carthago und Rom am vollkommensten und von jeder dieser Städte auf eigenthümliche Weise ausgebildet. Wie aber in Folge des Glückes bei den höheren und niederen Volksklassen Uebermuth und Luxus einriß, mit der alten Sitte auch die alte Kraft schwand und namentlich die Liebe zur Arbeit eine seltene Sache wurde, hörte zum Theil auch die Möglichkeit der Eroberungen auf, und wenn sie noch fortgesetzt wurden, so wanderte der arme, verdorbene Bürger nicht aus, weil er als "freier" Bürger sich zu vornehm dünkte, um gleich einem Sklaven (oder einem seiner wackeren Vorfahren) die Erde zu bauen (vergl. die 4te Clausel zu dem grachischen Ackergesetze), er wollte "Staatsunterstützung", ließ sich wirklich vom Staate beschenken, von den reichen Ehrgeizigen bestechen, gemeinen und vornehmen Ehrgeizigen zu Aufständen und Ungesetzlichkeiten verleiten, richtete damit die Staatsverfassung zu Grunde und durch die moralische Fäulniß die Existenz des Staates selbst. Bei den andern heidnischen Culturvölkern des Alterthums, von denen sich Indier und Chinesen bis in unsere Zeit herein erhalten haben, bei denen sich die bürgerliche Freiheit nie ausbildete, war und ist gegen die Ueberhandnahme der Armen durch den Gang der Naturereignisse gesorgt; mißlingt in China oder Indien die Reisärnte einmal vollständig, so verhungern einige Millionen Arme und damit ist der Ueberhandnahme der armen Bevölkerung für manches Jahr vorgebeugt. Anders war die Armuth bei den Hebräern gestellt; der arme Jude war kein Sklave des Reichen, war Sohn Abrahams wie der Reiche und aller Verheißungen theilhaftig, hatte den Sabath wie jener und alle Feste nicht minder; das Gesetz sorgte für den Schuldner, daß er nicht erdrückt werden konnte, gab dem

Langeweile, Thorheit, Eitelkeit und Ueppigkeit, vor Ausschweifung und Faulheit. Die Armenschulen erwarten in katholischen Ländern den religiösen Orden, der ihre Pflege zu seiner Hauptregel macht.


Armentaxe, in England der Name der Steuer, die zur Unterhaltung der Armen auferlegt wird. Sie stammt bereits aus den Zeiten der Königin Elisabeth und ist mit der Eintheilung in die Kirchspiele verbunden. Seit 1834 hat man eine Reform mit derselben vorgenommen, die hauptsächlich in der Centralisirung der Leitung der Armenpflege, in der Herstellung von Arbeitshäusern und in größerer Strenge gegen die Armen besteht. Die A. betrug jedoch in England im Jahre 1849 die ungeheure Summe von 5792963 Pfd. Sterl.


Armentières, Stadt im franz. Departement du Nord, an der Lys, mit 7000 E., wie alle französisch-niederländischen Städte sehr gewerbfleißig; Fabriken in Tuch, Leinwand, Leder, Seide, Seife, Runkelrübenzucker, bedeutender Handelsverkehr.


Armenwesen. Die Armuth ist so alt als ein anderes großes Uebel des menschlichen Geschlechtes, der Krieg, und begleitet uns durch die ganze Geschichte der Vergangenheit, wie sie der weitreisende Wanderer von Lappland bis zum Kaffern- und Hottentottenland, von Portugal bis China oder Chili trifft. Der Zustand der Armuth und ihre Bedeutung bei einem Volke ist jedoch nach dem Maße seiner Cultur ein sehr verschiedener. Bei den klassischen Völkern, den Griechen und Römern, gab es einen rechtlichen, zahlreichen, sich fortpflanzenden Stand der Armuth, die Sklaven, die als Eigenthum ihrer Herren kein anderes Eigenthum haben konnten, als was ihnen diese zu schenken so gnädig waren. Gegen Trägheit, Flucht, gegen Verschwörung und Aufstand dieser Gattung der Armen half die Peitsche, Geißel, das Beil, das Kreuz, die massenhafte Niedermetzelung. Bürgerliche Arme fehlten indessen neben den Sklaven nirgends, und sie waren in allen den beinahe unzähligen Staaten und Städten Griechenlands als eine große Gefahr für die Sicherheit des Staates angesehen; so lange kriegerische Tüchtigkeit vorhanden war und es die Weltlage erlaubte, entledigte man sich der armen Bürger in Eroberungskriegen, indem der besiegte Gegner einen Theil seines Landes abtreten mußte, so daß den Armen von Staatswegen ein Eigenthum angewiesen wurde; diese Colonialpolitik wurde von Athen, Carthago und Rom am vollkommensten und von jeder dieser Städte auf eigenthümliche Weise ausgebildet. Wie aber in Folge des Glückes bei den höheren und niederen Volksklassen Uebermuth und Luxus einriß, mit der alten Sitte auch die alte Kraft schwand und namentlich die Liebe zur Arbeit eine seltene Sache wurde, hörte zum Theil auch die Möglichkeit der Eroberungen auf, und wenn sie noch fortgesetzt wurden, so wanderte der arme, verdorbene Bürger nicht aus, weil er als „freier“ Bürger sich zu vornehm dünkte, um gleich einem Sklaven (oder einem seiner wackeren Vorfahren) die Erde zu bauen (vergl. die 4te Clausel zu dem grachischen Ackergesetze), er wollte „Staatsunterstützung“, ließ sich wirklich vom Staate beschenken, von den reichen Ehrgeizigen bestechen, gemeinen und vornehmen Ehrgeizigen zu Aufständen und Ungesetzlichkeiten verleiten, richtete damit die Staatsverfassung zu Grunde und durch die moralische Fäulniß die Existenz des Staates selbst. Bei den andern heidnischen Culturvölkern des Alterthums, von denen sich Indier und Chinesen bis in unsere Zeit herein erhalten haben, bei denen sich die bürgerliche Freiheit nie ausbildete, war und ist gegen die Ueberhandnahme der Armen durch den Gang der Naturereignisse gesorgt; mißlingt in China oder Indien die Reisärnte einmal vollständig, so verhungern einige Millionen Arme und damit ist der Ueberhandnahme der armen Bevölkerung für manches Jahr vorgebeugt. Anders war die Armuth bei den Hebräern gestellt; der arme Jude war kein Sklave des Reichen, war Sohn Abrahams wie der Reiche und aller Verheißungen theilhaftig, hatte den Sabath wie jener und alle Feste nicht minder; das Gesetz sorgte für den Schuldner, daß er nicht erdrückt werden konnte, gab dem

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[259/0260] Langeweile, Thorheit, Eitelkeit und Ueppigkeit, vor Ausschweifung und Faulheit. Die Armenschulen erwarten in katholischen Ländern den religiösen Orden, der ihre Pflege zu seiner Hauptregel macht. Armentaxe, in England der Name der Steuer, die zur Unterhaltung der Armen auferlegt wird. Sie stammt bereits aus den Zeiten der Königin Elisabeth und ist mit der Eintheilung in die Kirchspiele verbunden. Seit 1834 hat man eine Reform mit derselben vorgenommen, die hauptsächlich in der Centralisirung der Leitung der Armenpflege, in der Herstellung von Arbeitshäusern und in größerer Strenge gegen die Armen besteht. Die A. betrug jedoch in England im Jahre 1849 die ungeheure Summe von 5792963 Pfd. Sterl. Armentières, Stadt im franz. Departement du Nord, an der Lys, mit 7000 E., wie alle französisch-niederländischen Städte sehr gewerbfleißig; Fabriken in Tuch, Leinwand, Leder, Seide, Seife, Runkelrübenzucker, bedeutender Handelsverkehr. Armenwesen. Die Armuth ist so alt als ein anderes großes Uebel des menschlichen Geschlechtes, der Krieg, und begleitet uns durch die ganze Geschichte der Vergangenheit, wie sie der weitreisende Wanderer von Lappland bis zum Kaffern- und Hottentottenland, von Portugal bis China oder Chili trifft. Der Zustand der Armuth und ihre Bedeutung bei einem Volke ist jedoch nach dem Maße seiner Cultur ein sehr verschiedener. Bei den klassischen Völkern, den Griechen und Römern, gab es einen rechtlichen, zahlreichen, sich fortpflanzenden Stand der Armuth, die Sklaven, die als Eigenthum ihrer Herren kein anderes Eigenthum haben konnten, als was ihnen diese zu schenken so gnädig waren. Gegen Trägheit, Flucht, gegen Verschwörung und Aufstand dieser Gattung der Armen half die Peitsche, Geißel, das Beil, das Kreuz, die massenhafte Niedermetzelung. Bürgerliche Arme fehlten indessen neben den Sklaven nirgends, und sie waren in allen den beinahe unzähligen Staaten und Städten Griechenlands als eine große Gefahr für die Sicherheit des Staates angesehen; so lange kriegerische Tüchtigkeit vorhanden war und es die Weltlage erlaubte, entledigte man sich der armen Bürger in Eroberungskriegen, indem der besiegte Gegner einen Theil seines Landes abtreten mußte, so daß den Armen von Staatswegen ein Eigenthum angewiesen wurde; diese Colonialpolitik wurde von Athen, Carthago und Rom am vollkommensten und von jeder dieser Städte auf eigenthümliche Weise ausgebildet. Wie aber in Folge des Glückes bei den höheren und niederen Volksklassen Uebermuth und Luxus einriß, mit der alten Sitte auch die alte Kraft schwand und namentlich die Liebe zur Arbeit eine seltene Sache wurde, hörte zum Theil auch die Möglichkeit der Eroberungen auf, und wenn sie noch fortgesetzt wurden, so wanderte der arme, verdorbene Bürger nicht aus, weil er als „freier“ Bürger sich zu vornehm dünkte, um gleich einem Sklaven (oder einem seiner wackeren Vorfahren) die Erde zu bauen (vergl. die 4te Clausel zu dem grachischen Ackergesetze), er wollte „Staatsunterstützung“, ließ sich wirklich vom Staate beschenken, von den reichen Ehrgeizigen bestechen, gemeinen und vornehmen Ehrgeizigen zu Aufständen und Ungesetzlichkeiten verleiten, richtete damit die Staatsverfassung zu Grunde und durch die moralische Fäulniß die Existenz des Staates selbst. Bei den andern heidnischen Culturvölkern des Alterthums, von denen sich Indier und Chinesen bis in unsere Zeit herein erhalten haben, bei denen sich die bürgerliche Freiheit nie ausbildete, war und ist gegen die Ueberhandnahme der Armen durch den Gang der Naturereignisse gesorgt; mißlingt in China oder Indien die Reisärnte einmal vollständig, so verhungern einige Millionen Arme und damit ist der Ueberhandnahme der armen Bevölkerung für manches Jahr vorgebeugt. Anders war die Armuth bei den Hebräern gestellt; der arme Jude war kein Sklave des Reichen, war Sohn Abrahams wie der Reiche und aller Verheißungen theilhaftig, hatte den Sabath wie jener und alle Feste nicht minder; das Gesetz sorgte für den Schuldner, daß er nicht erdrückt werden konnte, gab dem

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Zitationshilfe: Herders Conversations-Lexikon. Bd. 1. Freiburg im Breisgau, 1857, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon01_1857/260>, abgerufen am 22.11.2024.