Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 47. Burg/Berlin, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

739 Conversationsblatt. 740
[Beginn Spaltensatz] Auf welche Weise dieß geschah, so wie die Veranlassung
zur Zerstörung des kühn und festgebauten, den Stür-
men der Natur und Kunst trotzenden Schlosses, dieß be-
zeugt der vor dessen äußerer Pforte und seit beinahe
dreihundert Jahren Wache haltende steinerne Mönch.
Als Herrin, so berichten alle Chroniken, hatte Ritter
Lahar seine kinderlose Wittwe auf Hrisco hinterlassen,
welche in gänzlicher Abgeschiedenheit drei Jahre hindurch
den Vorangegangenen beweinte. Als dann nach dieser
Zeit der Zutritt in die Burg wieder gestattet war, mel-
deten sich der Freier viele, die das reiche Erbe lockte.
Unter ihnen auch Franz Thurzo, seit kurzem Wittwer,
und durch seine ausgedehnten Besitzungen, worunter
auch das anliegende Lintawa gehörte, nächster Grenz-
nachbar mit den Besitzungen Hrisco's. Jhre Vereini-
gung oder Arrondirung mit der seinen wäre ihm dop-
pelt erwünscht gewesen. Fest widerstand die Burgfrau
lange Zeit hindurch allen Andringen auf ihre Hand;
doch Thurzo's Andringen auf ihr Herz, diesem zu wider-
stehen, vermochte sie nicht, und bald war es kein Ge-
heimniß mehr, wem die Vasallen bald als Herrn hul-
digen würden. Aber so laut ihre Neigung für den
Nachbar auch sprach, konnte sie sich doch nicht entschlie-
ßen, ihn zu ihrem Gemahl zu erheben. Denn älter
als er, in freudenloser Einsamkeit frühe verbleicht, be-
sorgte sie nicht mit Unrecht, der sichere Besitz werde
den Geliebten zum Herrn umwandeln, und das Herz,
das nur für sie zu leben vorgab, von aufblühenden
Reizen hingerissen, bald auch für Andere und nur für
Jene leben. Bei diesem innern Kampfe zwischen Ge-
fühl und Ueberlegung, verfiel sie auf einen Mittelweg,
der, wie sie meinte, Alles vergleichen sollte, aber sie
ins Verderben führte. Mit Bewilligung des Landes-
herrn nahm sie Thurzo an Sohnes Statt an, und er-
nannte ihn zum Erben des nach ihrem Ableben ihm
verbleibenden Besitzthums. Dieß war das nach langer Mit-
sichselbstberathung mühsam ausgesonnene Mittel, durch
das sie sich des jüngern Mannes stets gleiche heiße Zu-
neigung und Liebe zu sichern hoffte. Die arme Ver-
blendete! wie schmerzlich mußte sie sich getäuscht sehen!
Thurzo anfangs wohl zufrieden, fand jedoch bei der
stets kräftigen Gesundheit seiner liebenden Mutter das
Warten gar bald zu langweilig, und die Stelle des
feurigen Anbeters bei der alternden Matrone lästig, ja
in die Länge unerträglich. Er ward finster, nachden-
kend, sinnend, bis er endlich sein Gewissen betäubt und
den Entschluß gefaßt hatte, der rasch zum Ziel führen
könne. Mit zwei vertrauten Knechten drang er zur
Nachtzeit und vermummt in das Gemach seiner Freun-
din, Mutter und Wohlthäterin, riß sie gewaltsam von
ihrem Lager auf, und schloß sie in den entlegensten
Kerker, wo kein Ohr ihr Wimmern vernahm. Am
Morgen kündigte er sich den erstaunten Dienern als
Herrn an, indem die Gebieterin in tobenden Wahnsinn
verfallen, also gewissermaßen todt sei und in Verwah-
rung gehalten werden müsse, besetzte die Burg mit sei-
nen Knappen, entließ alle alten getreuen Diener, und
war, obschon Herr, gleichwol auch Gefangener, denn
er scheute sich, von ewiger Sorge gequält, einen Fuß
[Spaltenumbruch] über Hrisco's Ringmauern zu setzen. Die Unglückliche,
der des Geliebten Undank das Herz gebrochen hatte,
ward indeß ein Raub der Verzweiflung, die sie in furcht-
baren Flüchen und Verwünschungen gegen die Burg,
deren Besitz ihren Jammer veranlaßte, und den grausa-
men Undankbaren aushauchte. Von diesem Augenblick
an, schien es, als hätten Geister diese Burg zum Tum-
melplatze ihres höllischen Unwesens erkoren. Jn furcht-
baren Gestalten zogen sie durch Gänge und Gemächer,
wimmerten, heulten, lachten, und schreckten alle Bewoh-
ner derselben, die vor Angst ihres Herzens nicht mehr
froh werden konnten. Da erschien einst vor der äu-
ßersten Pforte ein greiser Mönch, und begehrte Einlaß
zum Schloßherrn, ward aber hinausgeworfen, als er
Thurzo laut und in Gegenwart seiner Diener die ge-
heime Gewaltthat vorhielt, und ihn zur Buße und Bes-
serung ermahnte. Lange harrte er vor dem Thore,
in Wind und Wetter, von Zeit zu Zeit seine drohende
Stimme erhebend. Und als weder Mahnung, noch
scharfe Drohung ihn zu vertreiten im Stande waren,
da befahl der Burgherr, das freche Mönchlein die Buß-
predigt im Moderthurm büßen zu lassen. Aber am
nächsten Morgen stand der Mönch zum Riesengebilde
von Stein ausgedehnt, wieder vor der Pforte, und so
oft es auch zertrümmert ward, die Nacht erbaut es
wieder, und immer dräuender ist seine Stimme, immer
entsetzlicher der Höllengeister Toben. Nun hält es Nie-
mand mehr auf Hrisco aus, nicht Gold noch Drohun-
gen kann Muth den treuesten von Thurzo's Dienern
geben, ferner diesen Schrecknissen Trotz zu bieten. Ei-
ner nach dem andern verläßt ihn, und nächstens sieht er
sich allein. Dieß erweicht wirklich die harte Brust.
Finster gebietet der Geängstigte die Gefangene frei zu
geben, wenn sie vorher feierlich geschworen, sich nie an
ihm zu rächen. Aber, als man ihr dieß verkünden
will, steht sie schon klagend vor dem ewigen Richter.
Mit des bösen Gewissens rastloser Eile entflieht Thurzo
dem Schauplatz seiner Gewaltthat, aber den Schlangen-
bissen des marternden Bewußtseins kann er nicht ent-
fliehen. Die Geister vertrieben zuletzt selbst den alten
Kastellan aus der Burg. Und als solche nun von al-
len Bewohnern verlassen war, stand sie plötzlich von
allen Seiten zugleich in Flammen und verfiel in Schutt,
aus dem sie nicht erstehen konnte, weil, so oft man es
auch versuchte, das Aufgebaute stets wieder zusammen-
stürzte. Obschon jetzt die Geister längst ausgetobt ha-
ben, und der steinerne Mönch seiner Auferstehungsgabe
beraubt ist, kreuzigt sich dennoch Jeder, den sein Weg
da vorüber führt und gedenkt des Undanks und der
Strafe, die ihn rächt.     D. A.



Die Söhne Eduards.

Geschichtliche Begebenheit.
(Fortsetzung.)

"Jhr täuschet Euch sehr, Sir James, wenn Jhr
glaubt, daß es nach Eurem Kopfe mich gelüstet; er
ist zu sehr mit Wunden bedeckt, als daß er auf dem
Schaffot fallen sollte... was ich aber wissen will,
was ich nicht von dem Mörder Tyrrhel, sondern von
[Ende Spaltensatz]

739 Conversationsblatt. 740
[Beginn Spaltensatz] Auf welche Weise dieß geschah, so wie die Veranlassung
zur Zerstörung des kühn und festgebauten, den Stür-
men der Natur und Kunst trotzenden Schlosses, dieß be-
zeugt der vor dessen äußerer Pforte und seit beinahe
dreihundert Jahren Wache haltende steinerne Mönch.
Als Herrin, so berichten alle Chroniken, hatte Ritter
Lahar seine kinderlose Wittwe auf Hrisco hinterlassen,
welche in gänzlicher Abgeschiedenheit drei Jahre hindurch
den Vorangegangenen beweinte. Als dann nach dieser
Zeit der Zutritt in die Burg wieder gestattet war, mel-
deten sich der Freier viele, die das reiche Erbe lockte.
Unter ihnen auch Franz Thurzo, seit kurzem Wittwer,
und durch seine ausgedehnten Besitzungen, worunter
auch das anliegende Lintawa gehörte, nächster Grenz-
nachbar mit den Besitzungen Hrisco's. Jhre Vereini-
gung oder Arrondirung mit der seinen wäre ihm dop-
pelt erwünscht gewesen. Fest widerstand die Burgfrau
lange Zeit hindurch allen Andringen auf ihre Hand;
doch Thurzo's Andringen auf ihr Herz, diesem zu wider-
stehen, vermochte sie nicht, und bald war es kein Ge-
heimniß mehr, wem die Vasallen bald als Herrn hul-
digen würden. Aber so laut ihre Neigung für den
Nachbar auch sprach, konnte sie sich doch nicht entschlie-
ßen, ihn zu ihrem Gemahl zu erheben. Denn älter
als er, in freudenloser Einsamkeit frühe verbleicht, be-
sorgte sie nicht mit Unrecht, der sichere Besitz werde
den Geliebten zum Herrn umwandeln, und das Herz,
das nur für sie zu leben vorgab, von aufblühenden
Reizen hingerissen, bald auch für Andere und nur für
Jene leben. Bei diesem innern Kampfe zwischen Ge-
fühl und Ueberlegung, verfiel sie auf einen Mittelweg,
der, wie sie meinte, Alles vergleichen sollte, aber sie
ins Verderben führte. Mit Bewilligung des Landes-
herrn nahm sie Thurzo an Sohnes Statt an, und er-
nannte ihn zum Erben des nach ihrem Ableben ihm
verbleibenden Besitzthums. Dieß war das nach langer Mit-
sichselbstberathung mühsam ausgesonnene Mittel, durch
das sie sich des jüngern Mannes stets gleiche heiße Zu-
neigung und Liebe zu sichern hoffte. Die arme Ver-
blendete! wie schmerzlich mußte sie sich getäuscht sehen!
Thurzo anfangs wohl zufrieden, fand jedoch bei der
stets kräftigen Gesundheit seiner liebenden Mutter das
Warten gar bald zu langweilig, und die Stelle des
feurigen Anbeters bei der alternden Matrone lästig, ja
in die Länge unerträglich. Er ward finster, nachden-
kend, sinnend, bis er endlich sein Gewissen betäubt und
den Entschluß gefaßt hatte, der rasch zum Ziel führen
könne. Mit zwei vertrauten Knechten drang er zur
Nachtzeit und vermummt in das Gemach seiner Freun-
din, Mutter und Wohlthäterin, riß sie gewaltsam von
ihrem Lager auf, und schloß sie in den entlegensten
Kerker, wo kein Ohr ihr Wimmern vernahm. Am
Morgen kündigte er sich den erstaunten Dienern als
Herrn an, indem die Gebieterin in tobenden Wahnsinn
verfallen, also gewissermaßen todt sei und in Verwah-
rung gehalten werden müsse, besetzte die Burg mit sei-
nen Knappen, entließ alle alten getreuen Diener, und
war, obschon Herr, gleichwol auch Gefangener, denn
er scheute sich, von ewiger Sorge gequält, einen Fuß
[Spaltenumbruch] über Hrisco's Ringmauern zu setzen. Die Unglückliche,
der des Geliebten Undank das Herz gebrochen hatte,
ward indeß ein Raub der Verzweiflung, die sie in furcht-
baren Flüchen und Verwünschungen gegen die Burg,
deren Besitz ihren Jammer veranlaßte, und den grausa-
men Undankbaren aushauchte. Von diesem Augenblick
an, schien es, als hätten Geister diese Burg zum Tum-
melplatze ihres höllischen Unwesens erkoren. Jn furcht-
baren Gestalten zogen sie durch Gänge und Gemächer,
wimmerten, heulten, lachten, und schreckten alle Bewoh-
ner derselben, die vor Angst ihres Herzens nicht mehr
froh werden konnten. Da erschien einst vor der äu-
ßersten Pforte ein greiser Mönch, und begehrte Einlaß
zum Schloßherrn, ward aber hinausgeworfen, als er
Thurzo laut und in Gegenwart seiner Diener die ge-
heime Gewaltthat vorhielt, und ihn zur Buße und Bes-
serung ermahnte. Lange harrte er vor dem Thore,
in Wind und Wetter, von Zeit zu Zeit seine drohende
Stimme erhebend. Und als weder Mahnung, noch
scharfe Drohung ihn zu vertreiten im Stande waren,
da befahl der Burgherr, das freche Mönchlein die Buß-
predigt im Moderthurm büßen zu lassen. Aber am
nächsten Morgen stand der Mönch zum Riesengebilde
von Stein ausgedehnt, wieder vor der Pforte, und so
oft es auch zertrümmert ward, die Nacht erbaut es
wieder, und immer dräuender ist seine Stimme, immer
entsetzlicher der Höllengeister Toben. Nun hält es Nie-
mand mehr auf Hrisco aus, nicht Gold noch Drohun-
gen kann Muth den treuesten von Thurzo's Dienern
geben, ferner diesen Schrecknissen Trotz zu bieten. Ei-
ner nach dem andern verläßt ihn, und nächstens sieht er
sich allein. Dieß erweicht wirklich die harte Brust.
Finster gebietet der Geängstigte die Gefangene frei zu
geben, wenn sie vorher feierlich geschworen, sich nie an
ihm zu rächen. Aber, als man ihr dieß verkünden
will, steht sie schon klagend vor dem ewigen Richter.
Mit des bösen Gewissens rastloser Eile entflieht Thurzo
dem Schauplatz seiner Gewaltthat, aber den Schlangen-
bissen des marternden Bewußtseins kann er nicht ent-
fliehen. Die Geister vertrieben zuletzt selbst den alten
Kastellan aus der Burg. Und als solche nun von al-
len Bewohnern verlassen war, stand sie plötzlich von
allen Seiten zugleich in Flammen und verfiel in Schutt,
aus dem sie nicht erstehen konnte, weil, so oft man es
auch versuchte, das Aufgebaute stets wieder zusammen-
stürzte. Obschon jetzt die Geister längst ausgetobt ha-
ben, und der steinerne Mönch seiner Auferstehungsgabe
beraubt ist, kreuzigt sich dennoch Jeder, den sein Weg
da vorüber führt und gedenkt des Undanks und der
Strafe, die ihn rächt.     D. A.



Die Söhne Eduards.

Geschichtliche Begebenheit.
(Fortsetzung.)

„Jhr täuschet Euch sehr, Sir James, wenn Jhr
glaubt, daß es nach Eurem Kopfe mich gelüstet; er
ist zu sehr mit Wunden bedeckt, als daß er auf dem
Schaffot fallen sollte... was ich aber wissen will,
was ich nicht von dem Mörder Tyrrhel, sondern von
[Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0002"/><fw type="header" place="top">739 <hi rendition="#c">Conversationsblatt.</hi> <hi rendition="#right">740</hi></fw><cb type="start" n="739"/>
Auf welche Weise dieß geschah, so wie die Veranlassung<lb/>
zur Zerstörung des kühn und festgebauten, den Stür-<lb/>
men der Natur und Kunst trotzenden Schlosses, dieß be-<lb/>
zeugt der vor dessen äußerer Pforte und seit beinahe<lb/>
dreihundert Jahren Wache haltende steinerne Mönch.<lb/>
Als Herrin, so berichten alle Chroniken, hatte Ritter<lb/>
Lahar seine kinderlose Wittwe auf Hrisco hinterlassen,<lb/>
welche in gänzlicher Abgeschiedenheit drei Jahre hindurch<lb/>
den Vorangegangenen beweinte. Als dann nach dieser<lb/>
Zeit der Zutritt in die Burg wieder gestattet war, mel-<lb/>
deten sich der Freier viele, die das reiche Erbe lockte.<lb/>
Unter ihnen auch Franz Thurzo, seit kurzem Wittwer,<lb/>
und durch seine ausgedehnten Besitzungen, worunter<lb/>
auch das anliegende Lintawa gehörte, nächster Grenz-<lb/>
nachbar mit den Besitzungen Hrisco's. Jhre Vereini-<lb/>
gung oder Arrondirung mit der seinen wäre ihm dop-<lb/>
pelt erwünscht gewesen. Fest widerstand die Burgfrau<lb/>
lange Zeit hindurch allen Andringen auf ihre Hand;<lb/>
doch Thurzo's Andringen auf ihr Herz, diesem zu wider-<lb/>
stehen, vermochte sie nicht, und bald war es kein Ge-<lb/>
heimniß mehr, wem die Vasallen bald als Herrn hul-<lb/>
digen würden. Aber so laut ihre Neigung für den<lb/>
Nachbar auch sprach, konnte sie sich doch nicht entschlie-<lb/>
ßen, ihn zu ihrem Gemahl zu erheben. Denn älter<lb/>
als er, in freudenloser Einsamkeit frühe verbleicht, be-<lb/>
sorgte sie nicht mit Unrecht, der sichere Besitz werde<lb/>
den Geliebten zum Herrn umwandeln, und das Herz,<lb/>
das nur für sie zu leben vorgab, von aufblühenden<lb/>
Reizen hingerissen, bald auch für Andere und nur für<lb/>
Jene leben. Bei diesem innern Kampfe zwischen Ge-<lb/>
fühl und Ueberlegung, verfiel sie auf einen Mittelweg,<lb/>
der, wie sie meinte, Alles vergleichen sollte, aber sie<lb/>
ins Verderben führte. Mit Bewilligung des Landes-<lb/>
herrn nahm sie Thurzo an Sohnes Statt an, und er-<lb/>
nannte ihn zum Erben des nach ihrem Ableben ihm<lb/>
verbleibenden Besitzthums. Dieß war das nach langer Mit-<lb/>
sichselbstberathung mühsam ausgesonnene Mittel, durch<lb/>
das sie sich des jüngern Mannes stets gleiche heiße Zu-<lb/>
neigung und Liebe zu sichern hoffte. Die arme Ver-<lb/>
blendete! wie schmerzlich mußte sie sich getäuscht sehen!<lb/>
Thurzo anfangs wohl zufrieden, fand jedoch bei der<lb/>
stets kräftigen Gesundheit seiner liebenden Mutter das<lb/>
Warten gar bald zu langweilig, und die Stelle des<lb/>
feurigen Anbeters bei der alternden Matrone lästig, ja<lb/>
in die Länge unerträglich. Er ward finster, nachden-<lb/>
kend, sinnend, bis er endlich sein Gewissen betäubt und<lb/>
den Entschluß gefaßt hatte, der rasch zum Ziel führen<lb/>
könne. Mit zwei vertrauten Knechten drang er zur<lb/>
Nachtzeit und vermummt in das Gemach seiner Freun-<lb/>
din, Mutter und Wohlthäterin, riß sie gewaltsam von<lb/>
ihrem Lager auf, und schloß sie in den entlegensten<lb/>
Kerker, wo kein Ohr ihr Wimmern vernahm. Am<lb/>
Morgen kündigte er sich den erstaunten Dienern als<lb/>
Herrn an, indem die Gebieterin in tobenden Wahnsinn<lb/>
verfallen, also gewissermaßen todt sei und in Verwah-<lb/>
rung gehalten werden müsse, besetzte die Burg mit sei-<lb/>
nen Knappen, entließ alle alten getreuen Diener, und<lb/>
war, obschon Herr, gleichwol auch Gefangener, denn<lb/>
er scheute sich, von ewiger Sorge gequält, einen Fuß<lb/><cb n="740"/>
über Hrisco's Ringmauern zu setzen. Die Unglückliche,<lb/>
der des Geliebten Undank das Herz gebrochen hatte,<lb/>
ward indeß ein Raub der Verzweiflung, die sie in furcht-<lb/>
baren Flüchen und Verwünschungen gegen die Burg,<lb/>
deren Besitz ihren Jammer veranlaßte, und den grausa-<lb/>
men Undankbaren aushauchte. Von diesem Augenblick<lb/>
an, schien es, als hätten Geister diese Burg zum Tum-<lb/>
melplatze ihres höllischen Unwesens erkoren. Jn furcht-<lb/>
baren Gestalten zogen sie durch Gänge und Gemächer,<lb/>
wimmerten, heulten, lachten, und schreckten alle Bewoh-<lb/>
ner derselben, die vor Angst ihres Herzens nicht mehr<lb/>
froh werden konnten. Da erschien einst vor der äu-<lb/>
ßersten Pforte ein greiser Mönch, und begehrte Einlaß<lb/>
zum Schloßherrn, ward aber hinausgeworfen, als er<lb/>
Thurzo laut und in Gegenwart seiner Diener die ge-<lb/>
heime Gewaltthat vorhielt, und ihn zur Buße und Bes-<lb/>
serung ermahnte. Lange harrte er vor dem Thore,<lb/>
in Wind und Wetter, von Zeit zu Zeit seine drohende<lb/>
Stimme erhebend. Und als weder Mahnung, noch<lb/>
scharfe Drohung ihn zu vertreiten im Stande waren,<lb/>
da befahl der Burgherr, das freche Mönchlein die Buß-<lb/>
predigt im Moderthurm büßen zu lassen. Aber am<lb/>
nächsten Morgen stand der Mönch zum Riesengebilde<lb/>
von Stein ausgedehnt, wieder vor der Pforte, und so<lb/>
oft es auch zertrümmert ward, die Nacht erbaut es<lb/>
wieder, und immer dräuender ist seine Stimme, immer<lb/>
entsetzlicher der Höllengeister Toben. Nun hält es Nie-<lb/>
mand mehr auf Hrisco aus, nicht Gold noch Drohun-<lb/>
gen kann Muth den treuesten von Thurzo's Dienern<lb/>
geben, ferner diesen Schrecknissen Trotz zu bieten. Ei-<lb/>
ner nach dem andern verläßt ihn, und nächstens sieht er<lb/>
sich allein. Dieß erweicht wirklich die harte Brust.<lb/>
Finster gebietet der Geängstigte die Gefangene frei zu<lb/>
geben, wenn sie vorher feierlich geschworen, sich nie an<lb/>
ihm zu rächen. Aber, als man ihr dieß verkünden<lb/>
will, steht sie schon klagend vor dem ewigen Richter.<lb/>
Mit des bösen Gewissens rastloser Eile entflieht Thurzo<lb/>
dem Schauplatz seiner Gewaltthat, aber den Schlangen-<lb/>
bissen des marternden Bewußtseins kann er nicht ent-<lb/>
fliehen. Die Geister vertrieben zuletzt selbst den alten<lb/>
Kastellan aus der Burg. Und als solche nun von al-<lb/>
len Bewohnern verlassen war, stand sie plötzlich von<lb/>
allen Seiten zugleich in Flammen und verfiel in Schutt,<lb/>
aus dem sie nicht erstehen konnte, weil, so oft man es<lb/>
auch versuchte, das Aufgebaute stets wieder zusammen-<lb/>
stürzte. Obschon jetzt die Geister längst ausgetobt ha-<lb/>
ben, und der steinerne Mönch seiner Auferstehungsgabe<lb/>
beraubt ist, kreuzigt sich dennoch Jeder, den sein Weg<lb/>
da vorüber führt und gedenkt des Undanks und der<lb/>
Strafe, die ihn rächt.  <space dim="horizontal"/>  D. A.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div xml:id="Eduard2" type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Die Söhne Eduards.</hi> </head><lb/>
        <argument>
          <p> <hi rendition="#c">Geschichtliche Begebenheit.<lb/><ref target="nn_conversationsblatt46_1837#Eduard1">(Fortsetzung.)</ref></hi> </p>
        </argument><lb/>
        <p>&#x201E;Jhr täuschet Euch sehr, Sir James, wenn Jhr<lb/>
glaubt, daß es nach Eurem Kopfe mich gelüstet; er<lb/>
ist zu sehr mit Wunden bedeckt, als daß er auf dem<lb/>
Schaffot fallen sollte... was ich aber wissen will,<lb/>
was ich nicht von dem Mörder Tyrrhel, sondern von<lb/><cb type="end"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0002] 739 Conversationsblatt. 740 Auf welche Weise dieß geschah, so wie die Veranlassung zur Zerstörung des kühn und festgebauten, den Stür- men der Natur und Kunst trotzenden Schlosses, dieß be- zeugt der vor dessen äußerer Pforte und seit beinahe dreihundert Jahren Wache haltende steinerne Mönch. Als Herrin, so berichten alle Chroniken, hatte Ritter Lahar seine kinderlose Wittwe auf Hrisco hinterlassen, welche in gänzlicher Abgeschiedenheit drei Jahre hindurch den Vorangegangenen beweinte. Als dann nach dieser Zeit der Zutritt in die Burg wieder gestattet war, mel- deten sich der Freier viele, die das reiche Erbe lockte. Unter ihnen auch Franz Thurzo, seit kurzem Wittwer, und durch seine ausgedehnten Besitzungen, worunter auch das anliegende Lintawa gehörte, nächster Grenz- nachbar mit den Besitzungen Hrisco's. Jhre Vereini- gung oder Arrondirung mit der seinen wäre ihm dop- pelt erwünscht gewesen. Fest widerstand die Burgfrau lange Zeit hindurch allen Andringen auf ihre Hand; doch Thurzo's Andringen auf ihr Herz, diesem zu wider- stehen, vermochte sie nicht, und bald war es kein Ge- heimniß mehr, wem die Vasallen bald als Herrn hul- digen würden. Aber so laut ihre Neigung für den Nachbar auch sprach, konnte sie sich doch nicht entschlie- ßen, ihn zu ihrem Gemahl zu erheben. Denn älter als er, in freudenloser Einsamkeit frühe verbleicht, be- sorgte sie nicht mit Unrecht, der sichere Besitz werde den Geliebten zum Herrn umwandeln, und das Herz, das nur für sie zu leben vorgab, von aufblühenden Reizen hingerissen, bald auch für Andere und nur für Jene leben. Bei diesem innern Kampfe zwischen Ge- fühl und Ueberlegung, verfiel sie auf einen Mittelweg, der, wie sie meinte, Alles vergleichen sollte, aber sie ins Verderben führte. Mit Bewilligung des Landes- herrn nahm sie Thurzo an Sohnes Statt an, und er- nannte ihn zum Erben des nach ihrem Ableben ihm verbleibenden Besitzthums. Dieß war das nach langer Mit- sichselbstberathung mühsam ausgesonnene Mittel, durch das sie sich des jüngern Mannes stets gleiche heiße Zu- neigung und Liebe zu sichern hoffte. Die arme Ver- blendete! wie schmerzlich mußte sie sich getäuscht sehen! Thurzo anfangs wohl zufrieden, fand jedoch bei der stets kräftigen Gesundheit seiner liebenden Mutter das Warten gar bald zu langweilig, und die Stelle des feurigen Anbeters bei der alternden Matrone lästig, ja in die Länge unerträglich. Er ward finster, nachden- kend, sinnend, bis er endlich sein Gewissen betäubt und den Entschluß gefaßt hatte, der rasch zum Ziel führen könne. Mit zwei vertrauten Knechten drang er zur Nachtzeit und vermummt in das Gemach seiner Freun- din, Mutter und Wohlthäterin, riß sie gewaltsam von ihrem Lager auf, und schloß sie in den entlegensten Kerker, wo kein Ohr ihr Wimmern vernahm. Am Morgen kündigte er sich den erstaunten Dienern als Herrn an, indem die Gebieterin in tobenden Wahnsinn verfallen, also gewissermaßen todt sei und in Verwah- rung gehalten werden müsse, besetzte die Burg mit sei- nen Knappen, entließ alle alten getreuen Diener, und war, obschon Herr, gleichwol auch Gefangener, denn er scheute sich, von ewiger Sorge gequält, einen Fuß über Hrisco's Ringmauern zu setzen. Die Unglückliche, der des Geliebten Undank das Herz gebrochen hatte, ward indeß ein Raub der Verzweiflung, die sie in furcht- baren Flüchen und Verwünschungen gegen die Burg, deren Besitz ihren Jammer veranlaßte, und den grausa- men Undankbaren aushauchte. Von diesem Augenblick an, schien es, als hätten Geister diese Burg zum Tum- melplatze ihres höllischen Unwesens erkoren. Jn furcht- baren Gestalten zogen sie durch Gänge und Gemächer, wimmerten, heulten, lachten, und schreckten alle Bewoh- ner derselben, die vor Angst ihres Herzens nicht mehr froh werden konnten. Da erschien einst vor der äu- ßersten Pforte ein greiser Mönch, und begehrte Einlaß zum Schloßherrn, ward aber hinausgeworfen, als er Thurzo laut und in Gegenwart seiner Diener die ge- heime Gewaltthat vorhielt, und ihn zur Buße und Bes- serung ermahnte. Lange harrte er vor dem Thore, in Wind und Wetter, von Zeit zu Zeit seine drohende Stimme erhebend. Und als weder Mahnung, noch scharfe Drohung ihn zu vertreiten im Stande waren, da befahl der Burgherr, das freche Mönchlein die Buß- predigt im Moderthurm büßen zu lassen. Aber am nächsten Morgen stand der Mönch zum Riesengebilde von Stein ausgedehnt, wieder vor der Pforte, und so oft es auch zertrümmert ward, die Nacht erbaut es wieder, und immer dräuender ist seine Stimme, immer entsetzlicher der Höllengeister Toben. Nun hält es Nie- mand mehr auf Hrisco aus, nicht Gold noch Drohun- gen kann Muth den treuesten von Thurzo's Dienern geben, ferner diesen Schrecknissen Trotz zu bieten. Ei- ner nach dem andern verläßt ihn, und nächstens sieht er sich allein. Dieß erweicht wirklich die harte Brust. Finster gebietet der Geängstigte die Gefangene frei zu geben, wenn sie vorher feierlich geschworen, sich nie an ihm zu rächen. Aber, als man ihr dieß verkünden will, steht sie schon klagend vor dem ewigen Richter. Mit des bösen Gewissens rastloser Eile entflieht Thurzo dem Schauplatz seiner Gewaltthat, aber den Schlangen- bissen des marternden Bewußtseins kann er nicht ent- fliehen. Die Geister vertrieben zuletzt selbst den alten Kastellan aus der Burg. Und als solche nun von al- len Bewohnern verlassen war, stand sie plötzlich von allen Seiten zugleich in Flammen und verfiel in Schutt, aus dem sie nicht erstehen konnte, weil, so oft man es auch versuchte, das Aufgebaute stets wieder zusammen- stürzte. Obschon jetzt die Geister längst ausgetobt ha- ben, und der steinerne Mönch seiner Auferstehungsgabe beraubt ist, kreuzigt sich dennoch Jeder, den sein Weg da vorüber führt und gedenkt des Undanks und der Strafe, die ihn rächt. D. A. Die Söhne Eduards. Geschichtliche Begebenheit. (Fortsetzung.) „Jhr täuschet Euch sehr, Sir James, wenn Jhr glaubt, daß es nach Eurem Kopfe mich gelüstet; er ist zu sehr mit Wunden bedeckt, als daß er auf dem Schaffot fallen sollte... was ich aber wissen will, was ich nicht von dem Mörder Tyrrhel, sondern von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt47_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt47_1837/2
Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 47. Burg/Berlin, 1837, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt47_1837/2>, abgerufen am 18.12.2024.