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Tübinger Chronik. Nr. 94. [Tübingen (Württemberg)], 6. August 1845.

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[Beginn Spaltensatz] Schwelle stehn. - Auf dem Tische stand eine fast
herniedergebrannte Kerze und davor saß Louise, das
Gesicht mit beiden Händen verhüllt.

- O! mein Gott! sagte er leise, Du hast also
nicht Mitleid mit ihr und mir, daß Du uns noch
einmal zusammen führst. Also auch Du hast ge-
wacht, Louise, gewacht in Deinem Schmerz. Ar-
mes, unglückliches Kind, mußte ich denn geschaffen
seyn, um Dir immer Kummer und Elend zu be-
reiten?

Plötzlich wandte die junge Frau sich um. Eine
Ahnung hatte ihr die Gegenwart des Grafen ver-
kündet. Als sie ihn in der Thür stehen sah, stand
sie zitternd halb auf und sah ihn mit vorwurfsvol-
len Blicken an.

- O! mein Herr! sagte sie und bedeckte ihr
Gesicht. Der Graf war einige Schritte zu ihr
getreten.

- Klagen Sie mich nicht an, Madame, sagte
er mit sanfter Stimme, die der jungen Frau wie
einst zu Herzen ging, ich schwöre Jhnen, daß ich
Sie nicht zu treffen glaubte, als ich in dies Zim-
mer trat. Das Geschick wollte es so, unser beider-
seitiges Geschick. O! verzeihen Sie mir, ich bin
so unglücklich, daß mein Verstand sich verwirrt,
daß ich meine Gedanken nicht zu ordnen vermag.
Warum, mein Gott! hast Du mich in dies Haus
geführt?

- Herr von Mirmont, sagte Louise mit leiser
Stimme, indem sie alle ihre Kräfte zusammen nahm.
Sie reisen morgen früh, nicht wahr?

Der Graf stand mit gekreuzten Armen, mit
starrem Blick vor ihr und wiederholte:

- Reisen, ja, es muß ja seyn; und er mur-
melte fast unhörbar: reisen! reisen!

Plötzlich rief er:

- Nein! es ist unmöglich! ich wollte es, ich
kann nicht. O Gnade! Gnade! lassen Sie mir noch
einige Tage mein trauriges Glück, lassen Sie mich
nur wenige Tage in Jhrer Nähe seyn!

Louise antwortete nicht, sie machte eine schnelle,
verweisende Bewegung.

- Louise, fuhr der Graf fort, betrachten Sie
mich nicht mit so bittern, vorwurfsvollen Blicken,
je sicherer Sie auf dem Wege der Pflicht fortschrei-
ten, je gleichgültiger kann es Jhnen seyn, wenn
ein Unglücklicher Sie ein paar Stunden länger an-
sieht! Mein Gott, was fürchten Sie?

Sie legte die Hände auf ihre Brust, als wollte
sie die Schläge ihres Herzens zurückdrängen.

- Nichts, antwortete sie.

Aber kaum hatte sie ein Wort ausgesprochen,
als ihre Kraft sie verließ und sie zusammenbrach.
Jhr Herz drohte zu brechen und sie schluchzte wider
ihren Willen. Und ihr Schmerz war beredter wie
ihre Worte.

Mirmont war, als er die Verzweiflung der jun-
gen Frau erblickte, nicht mehr Herr seiner selbst; er
sank vor ihr nieder.

- Louise, liebe Louise, sagte er mit flehender
Stimme, haben Sie Mitleid mit mir, weinen Sie
nicht vor mir, der ich Sie heißer liebe, als je ein
Weib geliebt wurde. Trocknen Sie Jhre Augen,
Louise, ich habe Jhnen schon zuviel Thränen ent-
lockt. Jch will Jhnen gehorchen, hören Sie? Jch
habe keinen andern Willen, als Sie; wenn Sie
[Spaltenumbruch] wollen, daß ich reisen soll, werde ich reisen.

Louise ergriff die beiden Hände des Grafen und
drückte sie krampfhaft.

- O! rief sie mit einem Ausdruck entsetzlicher
Angst, Gott hat kein Mitleid mit mir! mein ganzes
Leben soll eine fortwährende Buße seyn. - Leben
Sie wohl! auf immer!


( Fortsetzung folgt. )

Des Rosses Lebenslauf.
Es führt ein Roß der Henker
Er führt es vor die Stadt;
Er soll den Tod ihm geben
Weil nichts mehr nützt sein Leben,
Da es nun alt und matt.
Du schauderst vor dem Rosse?
Jch sah's beim Krönungszug
Mit Schätzen reich behangen
Jn selt'ner Schönheit prangen
Wie es den König trug.
Da hob es stolz den Nacken,
Die Mähne wallte reich,
Jhm war an hohem Muthe
Jhm war an edlem Blute
Kein Roß auf Erden gleich.
Der König ritt es lange,
Er ritt es manches Jahr,
Es trug ihn zu den Jagden,
Es trug ihn in die Schlachten,
Bis es zu alt ihm war.
Da schenkte einem Ritter
Der König nun sein Pferd,
War es auch alt ein wenig,
Es trug ja einen König,
Drum hielts der Ritter werth.
Noch hat es frohe Zeiten,
Der Ritter pflegt es sehr,
Doch als allmälig älter,
Geworden war der Zetler
Taugt er zum Ritt nicht mehr.
Da kaufte von dem Ritter
Ein Bürgersmann das Pferd;
Mag's auch zum Ritt nicht taugen,
Er kann es anders brauchen,
Spannt's an den Wagen an.
Und sträubt es auch den Nacken,
Er zwingt ihm auf das Joch,
Bäumt es sich wilden Muthes,
Gedenk des hohen Blutes,
So trifft's die Peitsche doch.
Bald war's zu schlecht dem Bürger,
Ein Fuhrmann nahm's in Kauf,
Der ließ es nimmer rasten
Und bürdet schwere Lasten
Dem alten Rosse auf.
Doch es erlag den Mühen
Noch eh' er es gedacht,
Schon zählt man jede Rippe,
Da hat er schnell die Hippe
Dem Henkersknecht gebracht.
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] Schwelle stehn. – Auf dem Tische stand eine fast
herniedergebrannte Kerze und davor saß Louise, das
Gesicht mit beiden Händen verhüllt.

– O! mein Gott! sagte er leise, Du hast also
nicht Mitleid mit ihr und mir, daß Du uns noch
einmal zusammen führst. Also auch Du hast ge-
wacht, Louise, gewacht in Deinem Schmerz. Ar-
mes, unglückliches Kind, mußte ich denn geschaffen
seyn, um Dir immer Kummer und Elend zu be-
reiten?

Plötzlich wandte die junge Frau sich um. Eine
Ahnung hatte ihr die Gegenwart des Grafen ver-
kündet. Als sie ihn in der Thür stehen sah, stand
sie zitternd halb auf und sah ihn mit vorwurfsvol-
len Blicken an.

– O! mein Herr! sagte sie und bedeckte ihr
Gesicht. Der Graf war einige Schritte zu ihr
getreten.

– Klagen Sie mich nicht an, Madame, sagte
er mit sanfter Stimme, die der jungen Frau wie
einst zu Herzen ging, ich schwöre Jhnen, daß ich
Sie nicht zu treffen glaubte, als ich in dies Zim-
mer trat. Das Geschick wollte es so, unser beider-
seitiges Geschick. O! verzeihen Sie mir, ich bin
so unglücklich, daß mein Verstand sich verwirrt,
daß ich meine Gedanken nicht zu ordnen vermag.
Warum, mein Gott! hast Du mich in dies Haus
geführt?

– Herr von Mirmont, sagte Louise mit leiser
Stimme, indem sie alle ihre Kräfte zusammen nahm.
Sie reisen morgen früh, nicht wahr?

Der Graf stand mit gekreuzten Armen, mit
starrem Blick vor ihr und wiederholte:

– Reisen, ja, es muß ja seyn; und er mur-
melte fast unhörbar: reisen! reisen!

Plötzlich rief er:

– Nein! es ist unmöglich! ich wollte es, ich
kann nicht. O Gnade! Gnade! lassen Sie mir noch
einige Tage mein trauriges Glück, lassen Sie mich
nur wenige Tage in Jhrer Nähe seyn!

Louise antwortete nicht, sie machte eine schnelle,
verweisende Bewegung.

– Louise, fuhr der Graf fort, betrachten Sie
mich nicht mit so bittern, vorwurfsvollen Blicken,
je sicherer Sie auf dem Wege der Pflicht fortschrei-
ten, je gleichgültiger kann es Jhnen seyn, wenn
ein Unglücklicher Sie ein paar Stunden länger an-
sieht! Mein Gott, was fürchten Sie?

Sie legte die Hände auf ihre Brust, als wollte
sie die Schläge ihres Herzens zurückdrängen.

– Nichts, antwortete sie.

Aber kaum hatte sie ein Wort ausgesprochen,
als ihre Kraft sie verließ und sie zusammenbrach.
Jhr Herz drohte zu brechen und sie schluchzte wider
ihren Willen. Und ihr Schmerz war beredter wie
ihre Worte.

Mirmont war, als er die Verzweiflung der jun-
gen Frau erblickte, nicht mehr Herr seiner selbst; er
sank vor ihr nieder.

– Louise, liebe Louise, sagte er mit flehender
Stimme, haben Sie Mitleid mit mir, weinen Sie
nicht vor mir, der ich Sie heißer liebe, als je ein
Weib geliebt wurde. Trocknen Sie Jhre Augen,
Louise, ich habe Jhnen schon zuviel Thränen ent-
lockt. Jch will Jhnen gehorchen, hören Sie? Jch
habe keinen andern Willen, als Sie; wenn Sie
[Spaltenumbruch] wollen, daß ich reisen soll, werde ich reisen.

Louise ergriff die beiden Hände des Grafen und
drückte sie krampfhaft.

– O! rief sie mit einem Ausdruck entsetzlicher
Angst, Gott hat kein Mitleid mit mir! mein ganzes
Leben soll eine fortwährende Buße seyn. – Leben
Sie wohl! auf immer!


( Fortsetzung folgt. )

Des Rosses Lebenslauf.
Es führt ein Roß der Henker
Er führt es vor die Stadt;
Er soll den Tod ihm geben
Weil nichts mehr nützt sein Leben,
Da es nun alt und matt.
Du schauderst vor dem Rosse?
Jch sah's beim Krönungszug
Mit Schätzen reich behangen
Jn selt'ner Schönheit prangen
Wie es den König trug.
Da hob es stolz den Nacken,
Die Mähne wallte reich,
Jhm war an hohem Muthe
Jhm war an edlem Blute
Kein Roß auf Erden gleich.
Der König ritt es lange,
Er ritt es manches Jahr,
Es trug ihn zu den Jagden,
Es trug ihn in die Schlachten,
Bis es zu alt ihm war.
Da schenkte einem Ritter
Der König nun sein Pferd,
War es auch alt ein wenig,
Es trug ja einen König,
Drum hielts der Ritter werth.
Noch hat es frohe Zeiten,
Der Ritter pflegt es sehr,
Doch als allmälig älter,
Geworden war der Zetler
Taugt er zum Ritt nicht mehr.
Da kaufte von dem Ritter
Ein Bürgersmann das Pferd;
Mag's auch zum Ritt nicht taugen,
Er kann es anders brauchen,
Spannt's an den Wagen an.
Und sträubt es auch den Nacken,
Er zwingt ihm auf das Joch,
Bäumt es sich wilden Muthes,
Gedenk des hohen Blutes,
So trifft's die Peitsche doch.
Bald war's zu schlecht dem Bürger,
Ein Fuhrmann nahm's in Kauf,
Der ließ es nimmer rasten
Und bürdet schwere Lasten
Dem alten Rosse auf.
Doch es erlag den Mühen
Noch eh' er es gedacht,
Schon zählt man jede Rippe,
Da hat er schnell die Hippe
Dem Henkersknecht gebracht.
[Ende Spaltensatz]
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        <note type="editorial">Die folgenden Ausgaben, die die Fortsetzung(en) enthalten, fehlen.</note>
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[378/0002] Schwelle stehn. – Auf dem Tische stand eine fast herniedergebrannte Kerze und davor saß Louise, das Gesicht mit beiden Händen verhüllt. – O! mein Gott! sagte er leise, Du hast also nicht Mitleid mit ihr und mir, daß Du uns noch einmal zusammen führst. Also auch Du hast ge- wacht, Louise, gewacht in Deinem Schmerz. Ar- mes, unglückliches Kind, mußte ich denn geschaffen seyn, um Dir immer Kummer und Elend zu be- reiten? Plötzlich wandte die junge Frau sich um. Eine Ahnung hatte ihr die Gegenwart des Grafen ver- kündet. Als sie ihn in der Thür stehen sah, stand sie zitternd halb auf und sah ihn mit vorwurfsvol- len Blicken an. – O! mein Herr! sagte sie und bedeckte ihr Gesicht. Der Graf war einige Schritte zu ihr getreten. – Klagen Sie mich nicht an, Madame, sagte er mit sanfter Stimme, die der jungen Frau wie einst zu Herzen ging, ich schwöre Jhnen, daß ich Sie nicht zu treffen glaubte, als ich in dies Zim- mer trat. Das Geschick wollte es so, unser beider- seitiges Geschick. O! verzeihen Sie mir, ich bin so unglücklich, daß mein Verstand sich verwirrt, daß ich meine Gedanken nicht zu ordnen vermag. Warum, mein Gott! hast Du mich in dies Haus geführt? – Herr von Mirmont, sagte Louise mit leiser Stimme, indem sie alle ihre Kräfte zusammen nahm. Sie reisen morgen früh, nicht wahr? Der Graf stand mit gekreuzten Armen, mit starrem Blick vor ihr und wiederholte: – Reisen, ja, es muß ja seyn; und er mur- melte fast unhörbar: reisen! reisen! Plötzlich rief er: – Nein! es ist unmöglich! ich wollte es, ich kann nicht. O Gnade! Gnade! lassen Sie mir noch einige Tage mein trauriges Glück, lassen Sie mich nur wenige Tage in Jhrer Nähe seyn! Louise antwortete nicht, sie machte eine schnelle, verweisende Bewegung. – Louise, fuhr der Graf fort, betrachten Sie mich nicht mit so bittern, vorwurfsvollen Blicken, je sicherer Sie auf dem Wege der Pflicht fortschrei- ten, je gleichgültiger kann es Jhnen seyn, wenn ein Unglücklicher Sie ein paar Stunden länger an- sieht! Mein Gott, was fürchten Sie? Sie legte die Hände auf ihre Brust, als wollte sie die Schläge ihres Herzens zurückdrängen. – Nichts, antwortete sie. Aber kaum hatte sie ein Wort ausgesprochen, als ihre Kraft sie verließ und sie zusammenbrach. Jhr Herz drohte zu brechen und sie schluchzte wider ihren Willen. Und ihr Schmerz war beredter wie ihre Worte. Mirmont war, als er die Verzweiflung der jun- gen Frau erblickte, nicht mehr Herr seiner selbst; er sank vor ihr nieder. – Louise, liebe Louise, sagte er mit flehender Stimme, haben Sie Mitleid mit mir, weinen Sie nicht vor mir, der ich Sie heißer liebe, als je ein Weib geliebt wurde. Trocknen Sie Jhre Augen, Louise, ich habe Jhnen schon zuviel Thränen ent- lockt. Jch will Jhnen gehorchen, hören Sie? Jch habe keinen andern Willen, als Sie; wenn Sie wollen, daß ich reisen soll, werde ich reisen. Louise ergriff die beiden Hände des Grafen und drückte sie krampfhaft. – O! rief sie mit einem Ausdruck entsetzlicher Angst, Gott hat kein Mitleid mit mir! mein ganzes Leben soll eine fortwährende Buße seyn. – Leben Sie wohl! auf immer! ( Fortsetzung folgt. ) Des Rosses Lebenslauf. Es führt ein Roß der Henker Er führt es vor die Stadt; Er soll den Tod ihm geben Weil nichts mehr nützt sein Leben, Da es nun alt und matt. Du schauderst vor dem Rosse? Jch sah's beim Krönungszug Mit Schätzen reich behangen Jn selt'ner Schönheit prangen Wie es den König trug. Da hob es stolz den Nacken, Die Mähne wallte reich, Jhm war an hohem Muthe Jhm war an edlem Blute Kein Roß auf Erden gleich. Der König ritt es lange, Er ritt es manches Jahr, Es trug ihn zu den Jagden, Es trug ihn in die Schlachten, Bis es zu alt ihm war. Da schenkte einem Ritter Der König nun sein Pferd, War es auch alt ein wenig, Es trug ja einen König, Drum hielts der Ritter werth. Noch hat es frohe Zeiten, Der Ritter pflegt es sehr, Doch als allmälig älter, Geworden war der Zetler Taugt er zum Ritt nicht mehr. Da kaufte von dem Ritter Ein Bürgersmann das Pferd; Mag's auch zum Ritt nicht taugen, Er kann es anders brauchen, Spannt's an den Wagen an. Und sträubt es auch den Nacken, Er zwingt ihm auf das Joch, Bäumt es sich wilden Muthes, Gedenk des hohen Blutes, So trifft's die Peitsche doch. Bald war's zu schlecht dem Bürger, Ein Fuhrmann nahm's in Kauf, Der ließ es nimmer rasten Und bürdet schwere Lasten Dem alten Rosse auf. Doch es erlag den Mühen Noch eh' er es gedacht, Schon zählt man jede Rippe, Da hat er schnell die Hippe Dem Henkersknecht gebracht.

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Zitationshilfe: Tübinger Chronik. Nr. 94. [Tübingen (Württemberg)], 6. August 1845, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_chronik094_1845/2>, abgerufen am 22.12.2024.