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Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen. Nr. 46. Berlin, 13. Oktober 1740.

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[Beginn Spaltensatz] ne zu wissen, wenn sie endlich noch einige Krieges-
Schiffe zur Begleitung bekommen möchten. Um aller
dieser und anderer Ursachen willen, glaubet man, daß
bey der nächsten Eröfnung des Parlaments, sehr hefti-
ge Streitigkeiten entstehen werden

Haag, vom 1 October.

Der hiesige Großbrittanische Minister, Herr Trevor,
will gewisse Nachricht haben, daß Frankreich die Ve-
stungs=Werke von Dünkirchen schon würklich wieder in
einen guten Stand sezen zu lassen angefangen habe,
und auch Mine mache, die Bank zu vertiefen und den
Hafen brauchbar zu machen. Da nun dieses dem
Uytrechtischen=Frieden schnur straks zu wieder läuft; so
würden auf den Fall, wenn diese Sache gegründet seyn
sollte, alle diejenigen Höfe, welche die Gewehrleistung
gedachten Friedens über sich genommen haben, genö-
thiget werden, sich solchem Unternehmen der Kron Frank-
reich mit gesamter Hand zu wiedersetzen. Die Herrn
Staaten von Holland, werden in ihrer nächsten Ver-
sammlung über die Erklärung, die ihnen der Marquis
de Fenelon wegen des Auslaufens der französischen Flot-
te ohnlänst gethan hat, wie auch über dasjenige, was
der König von Engelland wegen eben dieser Sache hat
vorstellen lassen, sich mit einander berathschlagen. Die
englischen Krieges=Schiffe, welche den Konig von En-
gelland zurük in sein Reich begleiten sollen, werden
stündlich erwartet, wo sie nicht schon würklech angelan-
get sind. Gewiß ist, daß hochgedachter König wegen
allerley Ursachen, viel eher nach Engelland zurük gehen
werde, als Sr. Majestät anfänglich mögen Willens
gewesen seyn.



Gelehrte Sachen.

WJr theilen unsern Lesern einen Aufsaz mit, den
wir von einer unbekannten Hand erhalten haben,
und den wir ihnen mit Recht nicht vorenthalten kön-
nen.

Da der gelehrte Artikel dieses Blattes hauptsächlich
mit dazu bestimmet ist, die Wahrheit bekanter
zu machen; so habe ich meine Gedanken über einen
Ausdruck mittheilen wollen, welcher so oft mit einer
grossen Gleichgültigkeit, aber sehr unbedachtsam ge-
braucht wird.

Es ist nichts gewöhnlicher, als daß man sich in al-
lerhand Vorfällen des Wortes von ohngefähr be-
dienet. Seiner Zusammensetzung nach, siehet es ganz
[Spaltenumbruch] unschuldig aus; die angenommene Bedeutung aber ist
höchst gefährlich. Wenn wir sagen: es ist etwas von
ohngesähr geschehen; so wollen wir dadurch anden-
ten: es sey etwas entstanden, davon man den Grund,
warum es so und nicht anders gekommen sey, gar nicht
in dem vorhergehenden Verhalten zu suchen habe.

Jch werde denen, die dieses Wort gebrauchen, Ge-
rechtigkeit wiederfahren lassen. Sie sollen selbst ent-
decken, wenn und warum sie sich so ausdrücken.

Niemahls habe ich gehöret, daß man von einer rühm-
lichen That gesaget hätte: sie ist von ohngefähr ge-
schehen Kein Feld=Herr hat die Feinde von ohnge-
fähr geschlagen. Kein Redner hat sich von ohnge-
fähr die Gunst seiner Zuhörer erworben. Wenn aber
aus der Entwickelung der Gründe, woher etwas ent-
standen ist, unsere Schande entspringen sollte; so las-
sen wir gleich dieses Wort von uns hören, damit die
übeln Folgen eines strafbahren Verhaltens, nicht auf
unsere Rechnung geschrieben werden. So sähe ein
Verschwender gerne, daß die ganze Welt glaubte, er
sey von ohngefähr arm geworden. Ein Geitziger über-
redete gerne alle, daß er sich von ohngefähr den Haß
der Leute zugezogen hätte.

Jn dergleichen Fällen zeiget sich die Bosheit. Die
Einfalt aber versteket sich auch hinter diesem ohnge-
fähr, als hinter dem sichersten Schilde. Jhre
Schwäche bleibt verborgen. An statt starcker Grün-
de, bringet sie ihr ohngefähr, und entscheidet damit
die verworrensten Sachen. Zum wenigsten, kan sie
doch manchmahl durch Hülfe dieses Worts bey wichti-
gen Dingen den Mund öfnen. Es heist: sie hat auch
mit geredet. Ja dieses Wort verleitet sie öfters, daß
sie sich, ohne die geringste Ursach zu haben, güldene
Berge vorstellet. Sie denkt: kann etwas von ohnge-
fähr geschehen; so kanst du ja wohl bey aller deiner
Dumheit von ohngefähr zu grossen Ehren kommen
u. s. w.

Es giebt aber ausser diesen, noch eine andere Art
von Leuten, mit welchen man der Billigkeit nach Ge-
duld haben muß. Sie wollen ein ohngefähr einfüh-
ren, nicht ihres eigenen Vortheils wegen, sondern nur
darum, weil ihnen der Gegensatz unbegreiflich vor-
komt. Sie sehen eine unendliche Menge von allerhand
Dingen vor sich, welche GOtt sich allen ihren Verän-
derungen nach, vorstellen muß Sie bemerken, daß ein
kleiner Wind, etlichen Millionen Sand=Körnern den
Plaz verändert, und keines soll doch von ohngefähr sei-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] ne zu wissen, wenn sie endlich noch einige Krieges-
Schiffe zur Begleitung bekommen möchten. Um aller
dieser und anderer Ursachen willen, glaubet man, daß
bey der nächsten Eröfnung des Parlaments, sehr hefti-
ge Streitigkeiten entstehen werden

Haag, vom 1 October.

Der hiesige Großbrittanische Minister, Herr Trevor,
will gewisse Nachricht haben, daß Frankreich die Ve-
stungs=Werke von Dünkirchen schon würklich wieder in
einen guten Stand sezen zu lassen angefangen habe,
und auch Mine mache, die Bank zu vertiefen und den
Hafen brauchbar zu machen. Da nun dieses dem
Uytrechtischen=Frieden schnur straks zu wieder läuft; so
würden auf den Fall, wenn diese Sache gegründet seyn
sollte, alle diejenigen Höfe, welche die Gewehrleistung
gedachten Friedens über sich genommen haben, genö-
thiget werden, sich solchem Unternehmen der Kron Frank-
reich mit gesamter Hand zu wiedersetzen. Die Herrn
Staaten von Holland, werden in ihrer nächsten Ver-
sammlung über die Erklärung, die ihnen der Marquis
de Fenelon wegen des Auslaufens der französischen Flot-
te ohnlänst gethan hat, wie auch über dasjenige, was
der König von Engelland wegen eben dieser Sache hat
vorstellen lassen, sich mit einander berathschlagen. Die
englischen Krieges=Schiffe, welche den Konig von En-
gelland zurük in sein Reich begleiten sollen, werden
stündlich erwartet, wo sie nicht schon würklech angelan-
get sind. Gewiß ist, daß hochgedachter König wegen
allerley Ursachen, viel eher nach Engelland zurük gehen
werde, als Sr. Majestät anfänglich mögen Willens
gewesen seyn.



Gelehrte Sachen.

WJr theilen unsern Lesern einen Aufsaz mit, den
wir von einer unbekannten Hand erhalten haben,
und den wir ihnen mit Recht nicht vorenthalten kön-
nen.

Da der gelehrte Artikel dieses Blattes hauptsächlich
mit dazu bestimmet ist, die Wahrheit bekanter
zu machen; so habe ich meine Gedanken über einen
Ausdruck mittheilen wollen, welcher so oft mit einer
grossen Gleichgültigkeit, aber sehr unbedachtsam ge-
braucht wird.

Es ist nichts gewöhnlicher, als daß man sich in al-
lerhand Vorfällen des Wortes von ohngefähr be-
dienet. Seiner Zusammensetzung nach, siehet es ganz
[Spaltenumbruch] unschuldig aus; die angenommene Bedeutung aber ist
höchst gefährlich. Wenn wir sagen: es ist etwas von
ohngesähr geschehen; so wollen wir dadurch anden-
ten: es sey etwas entstanden, davon man den Grund,
warum es so und nicht anders gekommen sey, gar nicht
in dem vorhergehenden Verhalten zu suchen habe.

Jch werde denen, die dieses Wort gebrauchen, Ge-
rechtigkeit wiederfahren lassen. Sie sollen selbst ent-
decken, wenn und warum sie sich so ausdrücken.

Niemahls habe ich gehöret, daß man von einer rühm-
lichen That gesaget hätte: sie ist von ohngefähr ge-
schehen Kein Feld=Herr hat die Feinde von ohnge-
fähr geschlagen. Kein Redner hat sich von ohnge-
fähr die Gunst seiner Zuhörer erworben. Wenn aber
aus der Entwickelung der Gründe, woher etwas ent-
standen ist, unsere Schande entspringen sollte; so las-
sen wir gleich dieses Wort von uns hören, damit die
übeln Folgen eines strafbahren Verhaltens, nicht auf
unsere Rechnung geschrieben werden. So sähe ein
Verschwender gerne, daß die ganze Welt glaubte, er
sey von ohngefähr arm geworden. Ein Geitziger über-
redete gerne alle, daß er sich von ohngefähr den Haß
der Leute zugezogen hätte.

Jn dergleichen Fällen zeiget sich die Bosheit. Die
Einfalt aber versteket sich auch hinter diesem ohnge-
fähr, als hinter dem sichersten Schilde. Jhre
Schwäche bleibt verborgen. An statt starcker Grün-
de, bringet sie ihr ohngefähr, und entscheidet damit
die verworrensten Sachen. Zum wenigsten, kan sie
doch manchmahl durch Hülfe dieses Worts bey wichti-
gen Dingen den Mund öfnen. Es heist: sie hat auch
mit geredet. Ja dieses Wort verleitet sie öfters, daß
sie sich, ohne die geringste Ursach zu haben, güldene
Berge vorstellet. Sie denkt: kann etwas von ohnge-
fähr geschehen; so kanst du ja wohl bey aller deiner
Dumheit von ohngefähr zu grossen Ehren kommen
u. s. w.

Es giebt aber ausser diesen, noch eine andere Art
von Leuten, mit welchen man der Billigkeit nach Ge-
duld haben muß. Sie wollen ein ohngefähr einfüh-
ren, nicht ihres eigenen Vortheils wegen, sondern nur
darum, weil ihnen der Gegensatz unbegreiflich vor-
komt. Sie sehen eine unendliche Menge von allerhand
Dingen vor sich, welche GOtt sich allen ihren Verän-
derungen nach, vorstellen muß Sie bemerken, daß ein
kleiner Wind, etlichen Millionen Sand=Körnern den
Plaz verändert, und keines soll doch von ohngefähr sei-
[Ende Spaltensatz]

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Zitationshilfe: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen. Nr. 46. Berlin, 13. Oktober 1740, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_berlin046_1740/3>, abgerufen am 21.11.2024.