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Die Bayerische Presse. Nr. 211. Würzburg, 3. September 1850.

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[Spaltenumbruch] Millionär, und der Unterste im Volke so gut als
der Hochgestellte und Gelehrte, oder dieser so we-
nig als jener. Hierbei darf man aber nicht über-
sehen, daß allerdings durch das Zusammenwirken
verschiedener Ursachen die allgemeine Volksmoral
durch alle Stände der Gesellschaft seit längerer
Zeit in Abnahme gekommen ist und daß nament-
lich die letzten Jahre hierin große Verheerungen
angerichtet haben. Schlechtes Beispiel, Gering-
schätzung der Religion, Vernachlässigung des öf-
fentlichen Gottesdienstes von Seiten Derer, welche
im Lichte der Oeffentlichkeit stehen, laxe Gesetze,
Mangel an obrigkeitlichem Muthe, falsche Huma-
nität, schlechte Bücher und Zeitungen mit oder
ohne Censur ( denn die Censur hatte kein Auge
für sittenverderbliche Literatur, sondern blos für
die politisch bedenkliche ) , ein Heer von leichtferti-
fertigen Rhetoren, welche sich dem Volke aufgedrängt
und mit verführerischen und frivolen Reden seine
Begriffe irre zu machen und seine Grundsätze zu
erschüchtern gewußt haben, -- durch dieses Alles
ist in der Gesammtheit der Nation schwerer sitt-
licher Schaden erwachsen. Entsittlichung aber ist
Entkräftigung und folglich zieht sie die Unfähig-
keit nach sich, die erweiterte Form der Freiheit
mit gesundem Gehalt auszufüllen. Hierzu kommt,
daß auch solchen, welche im Privatleben es mit
sittlichen Flecken genau nehmen, der Begriff poli-
tischer Moralität gleichwohl abgehen kann, und
daß sie daher, obgleich sie im Handel und Wan-
del nicht blos nach dem Nutzen, sondern zugleich
auch nach dem Rechte und der Ehrbarkeit fragen,
bei politischen Dingen nur das Nützliche oder als
nützlich Dargestellte suchen und mit ihrer Stimme
und Leidenschaft blos auf dieses Ziel hinwirken.
Diese sind dann nicht abgeneigt, ihre Stimme
Demjenigen zu geben, welcher die größten Ver-
sprechungen macht, und so geschieht es namentlich
bei einem weit ausgedehnten Wahlrechte, daß gar
oft die Mehrzahl der Stimmen, mithin der Ein-
fluß auf die wichtigsten Angelegenheiten des Vol-
kes Einem zufällt, dem die wenigsten seiner Wäh-
ler ein Privatgeschäft anvertrauen würden. Man
muß es mit Schmerz und Beschämung gestehen:
unser deutsches Volk hat bis jetzt mit seinem all-
gemeinen Wahlrechte schlechte Arbeit gemacht. Es
ist eine innere Nothwendigkeit, nach welcher das
Vielversprechen vor der Wahl, das Großsprechen
bei der Besprechung und die Resultatlosigkeit sol-
cher Versammlungen untereinander zusammenhän-
gen.    ( Schluß folgt. )

Zur Charakteristik demokratischer
Wahlumtriebe.

Frankenthal, 27. August. Den Lesern ihres
Blattes sind ohne Zweifel die Umtriebe bekannt,
welche bei der am 17. Juni l. J. und an den
folgenden Tagen vorgenommenen Ergänzungswahl
des Speyerer Stadtraths die demokratische Partei
sich erlaubte, um ein ihrer Ansicht günstiges Er-
gebniß derselben zu erlangen; ebenso ist bekannt,
in welcher Weise einige, mit fraglicher Wahl in
Verbindung stehende Vorfälle in öffentlichen Blät-
tern, namentlich im Frankfurter Journal und in
der Speyerer Zeitung, entstellt, mehrere wackere
Bürger und Beamten verdächtigt, die Wahlkom-
missionen der Parteilichkeit beschuldigt wurden,
ja, wie einzelne Mitglieder dieser Partei in un-
begreiflicher Verblendung oder Vermessenheit so
weit gingen, sie zum Beweise ihrer verläumderi-
schen Behauptungen sogar öffentlich zu erbieten.
Die Regierung hatte zwar, und obwohl nur ein
einziger, und gerade ein verfälschter Wahlzettel
die nöthige Majorität von zwei Drittheilen der
Stimmenden hervorbrachte, bei der Bestättigung
der Wahl auf Geltendmachung der Ungültigkeit
wegen strafbarer Umtriebe verzichtet, jedoch die
gerichtlichtliche Untersuchung hervorgerufen und dem
Gerichte die Aufgabe überlassen, in öffentlicher
Verhandlung diese Umtriebe zu enthüllen und zu
bestrafen. Jn Folge dessen wurden nahe an 80
Zeugen und unter diesen vorzugsweise jene ange-
botenen Beweisführer, welche der conservativen
Partei die Umtriebe in die Schuhe schieben woll-
[Spaltenumbruch] ten, die sie selbst begangen hatten, in der Vor-
untersuchung eidlich vernommen. Dieselben ver-
mochten jedoch nicht die mindeste strafbare oder
nur unrechtmäßige Handlung den conservatio ge-
sinnten Wählern nachzuweisen, wohl aber wurde
ein Bürstenmacher, F. aus Speyer, ein übelbeleu-
mundeter, arbeitsscheuer und überschuldeter Mensch,
eifriger Anhänger der Demokratie, überführt, das
Vergehen der Fälschung eines Wahlzettels began-
gen zu haben, und deshalb sofort verhaftet. Die
heutige gerichtliche Verhandlung vor dem kgl. Be-
zirksgericht Frankenthal als Zuchtpolizeigericht,
welcher der Berichterstatter beiwohnte und wobei
zugegen waren: Dr. Möhl, kgl. Bezirksgerichts-
Präsident, Boye, Lang, Richter, und Damm, kgl.
Staatsprokurator, hat das Treiben dieser Leute
in seiner schmählichsten Blöße zur Oeffentlichkeit
gebracht; der obenerwähnte Bürster aber wurde
für schuldig erkannt, zum Nachtheile des Gärtners
Benj. F. aus Speyer, eines 68jährigen, des Le-
sens völlig unkundigen Mannes, den er beschwatze,
seinen Wahlzettel sich von ihm schreiben zu lassen,
das im Art. 111 und 112 des Code penal vor-
gesehene Vergehen der Fälschung dadurch began-
gen zu haben, daß er von den, durch B. F. ihm
bezeichneten 24 Namen nur zehn auf dessen Wahl-
zettel schrieb, dagegen 14 andere Namen demo-
kratischer Wahlkandidaten dem Wähler anstatt der
von ihm bezeichneten und ausdrücklich verlangten
unterschob; demgemäß wurde derselbe zu einer cor-
rektionellen Gefängnißstrafe von 6 Monaten, 5-
jähriger Jnterdiction des Wahlrechtes und den
Kosten der Procedur ( circa 100 fl. ) verurtheilt.
Die bei dieser Gelegenheit gehaltenen Reden des
kgl. Gerichtspräsidenten und der kgl. Staatsbe-
hörde machten auf das zahlreich versammelte Au-
ditorium einen sichtlichen Eindruck, und gewiß ver-
ließen alle Anwesenden den Saal mit der Ueber-
zeugung, daß diese Partei noch manchen ihrer so-
genannten "Siege" keineswegs blos dem freien
Willen ehrenhafter Wähler, sondern weit mehr
den schmachvollen Umtrieben gewissenloser Wühler
zu danken hat. --

   
Bianchi=Giovini.

Es ist bekannt, daß die britische Diplomatie
mit verdoppelten Kräften dahin arbeitet, den Bruch
zwischen Sardinien und Rom vollständig zu ma-
chen, in der Hoffnung, daß Piemont sich für im-
mer von der katholischen Kirche absondere und
dem Protestantismus in die Arme werfe. So
albern diese Hoffnung Jenen scheinen muß, welche
wissen, wie innig die große Majorität des pie-
montesischen Volkes an Rom hängt, so läßt den-
noch die Londoner Bibel=Gesellschaft nichts unver-
säumt, um die Katholiken in Jtalien gegen die
Autorität des Papstes zu reizen. Das Hauptau-
genmerk der anglikanischen Fanatiker ist gerade
auf Piemont gerichtet, wo es der Londoner Bi-
bel=Gesellschaft gelang, den Hrn. Bianchi=Giovini
für ihre Plane zu gewinnen. Bianchi=Giovini ist
unstreitig ein talentvoller Mann, den aber der
Haß gegen Pius IX. verblendet. Bianchi=Giovini
ist einer jener italienischen Wühler, welche sich
geschmeichelt hatten, den Papst als geschmeidiges
Werkzeug gegen Oesterreich zu mißbrauchen. Von
dem Tage an, wo Pius IX. den falschen Lockun-
gen der revolutionären Partei sich zu entziehen
wußte, machte es sich diese zur Hauptaufgabe, die
katholische Religion in den Staub zu ziehen und
das Ansehen des Papstes mit Füßen zu treten. --
Auf Anstiften der Londoner Bibel=Gesellschaft un-
ternahm Bianchi = Giovini die Abfassung einer
"Geschichte des Papstthums", welche zur Stunde
in Capolago ( italienische Schweiz ) gedruckt wird,
um in vielen Tausend Exemplaren in ganz Jta-
lien verbreitet zu werden. Beinahe täglich wur-
den Bruchstücke aus dieser Geschichte in die " Opi-
nione " eingerückt, zum großen Aerger des katholi-
schen Clerus in Piemont, welcher den Ministern
Victor Emanuel's vorwarf, daß sie die Federn
des Hrn. Bianchi = Giovini leiten, um ein Argu-
ment mehr zu Gunsten des Siccardischen Gesetzes
zu finden. Jn diesen Artikeln der "Opinione"
[Spaltenumbruch] sind alle Verleumdungen und Lügen, welche man
gegen Rom erfunden, mit großer Kunst und Ta-
lent so ausgeschmückt worden, daß sie oberfläch-
liche Menschen leicht täuschen mußten. Mit Recht
ahnte der heilige Stuhl die Gefahr, welche von
einer solchen Lectüre für die katholischen Lehren
in Piemont erwachsen könnte. Der Cardinal Lam-
bruschini, als geborner Genueser, übernahm es,
dem König Victor Emanuel die Augen darüber
zu öffnen. Der gewesene Staatssekretär Gregor's
XVI., denn das Amt eines Beschützers ( Protet-
tore
) von Piemont im Schooß des heiligen Col-
legiums seit beinahe zwanzig Jahren ausübt, er-
klärte frei heraus, jede Verbindung mit der pie-
montesischen Regierung für immer abbrechen zu
wollen, wenn dem Anstoß, welchen Bianchi=Gio-
vini gab, nicht Einhalt gethan würde. Dabei
versicherte der Cardinal Lambruschini den König
Victor Emanuel, der Papst würde und dürfte
nicht mit der piemontesischen Regierung behufs
der Regelung der kirchlichen Differenzen zwischen
beiden Ländern in irgend eine Unterhandlung tre-
ten, so lange dem heiligen Stuhle nicht förmlich
Beweis geliefert würde, daß die Artikel des Bi-
auchi=Giovini nicht heimlich von den sardinischen
Ministern inspirirt werden. Ein solcher Beweis
sollte dadurch hergestellt werden, daß die sardini-
sche Regierung das Preußgesetz des Königreichs,
dem zufolge es verboten bleibt, die katholische Re-
ligion anzugreifen, gegen Bianchi=Giovini in sei-
ner ganzen Strenge erfülle. -- Das Schreiben
des Cardinals Lambruschini machte einen solchen
Eindruck auf den König Victor Emanuel, daß
Se. Maj. nach Anhörung des Ministerrathes den
Marchese Galvagno, Minister des Jnnern, beauf-
tragt, den Bianchi = Giovini als lombardischem
Flüchtling, zu bedeuten, ohne weiteres die sardini-
schen Staaten zu verlassen. -- Bianchi = Giovini
stellte sich gleich darauf unter den Schutz des bri-
tischen Gesandten, Sir Ralph Abercromby, der
auch nicht ermangelte, sich zu seinen Gunsten bei
der sardinischen Regierung zu verwenden. Bian-
chi=Giovini hatte bisher die geheimen Projekte der
englischen Diplomatie zu eifrig unterstützt, als
daß Sir Ralph Abercromby nicht Alles aufbieten
sollte, einen so nützlichen Helfershelfer an die
Hand zu gehen. Kurz, auf die Fürbitten des
britischen Gesandten erhielt Bianchi = Giovini die
Erlaubniß zum ferneren Aufenthalt in Piemont,
jedoch unter der doppelten Bedingung, daß er auf
einige Zeit Turin zu meiden und das Versprechen
abzugeben hätte, keine Artikel mehr für die " Opi-
nione " zu schreiben, wozu sich auch Bianchi=Giovini
förmlich verpflichtete. ( Aus den Erklärungen der
"Opinione" geht hervor, daß Bianchi = Giovini
auch ferner ihre leitenden Artikel schreiben, und sie
selbst ihre bisherige Richtung nicht ändern werde.
Bianchi = Giovini hat Piemont bereits verlassen. )
Ob der heilige Stuhl mit diesem mezzo ter-
mine
sich zufrieden geben wird, ist eine andere
Frage, von deren Lösung es abhängt, ob der
Marchese Sauli seine Mission nach Rom unter-
nehmen darf, wo er zur Stunde gewiß nicht mit
amtlichem Charakter zugelassen werden dürfte.
( Marchese Sauli ist bekanntlich zurückberufen und
an seiner Statt Herr D. Pinelli nach Rom ge-
sendet worden.

Schleswig=holsteinische Ange-
legenheiten
.

Rendsburg, 29. Aug. An der Südseite der
Stadt Eckernförde sind alle Erdwälle abgetragen,
und ist dort jetzt, wo nicht Schanzwerke errichtet
sind, ein freies Feld. Die Vorpostenkette der
Dänen geht von der Kiel=Eckernförder Chaussee
aus über Windebye, Osterbye u. s. w.; bei der
Windebyer Mühle haben sie ein Lager aufge-
schlagen. Mit ihren Requisitionen gehen die Dä-
nen aber über diese Grenze hinaus, und Alles,
was die Bewohner der Umgegend in Folge jener
gezwungen ihnen zuführen müssen, wird durch die
Vorposten entgegengenommen und von diesen zur
Stadt gefahren. Die Lieferanten läßt man in
diese nicht hinein, sie müssen also unter freiem

[Spaltenumbruch] Millionär, und der Unterste im Volke so gut als
der Hochgestellte und Gelehrte, oder dieser so we-
nig als jener. Hierbei darf man aber nicht über-
sehen, daß allerdings durch das Zusammenwirken
verschiedener Ursachen die allgemeine Volksmoral
durch alle Stände der Gesellschaft seit längerer
Zeit in Abnahme gekommen ist und daß nament-
lich die letzten Jahre hierin große Verheerungen
angerichtet haben. Schlechtes Beispiel, Gering-
schätzung der Religion, Vernachlässigung des öf-
fentlichen Gottesdienstes von Seiten Derer, welche
im Lichte der Oeffentlichkeit stehen, laxe Gesetze,
Mangel an obrigkeitlichem Muthe, falsche Huma-
nität, schlechte Bücher und Zeitungen mit oder
ohne Censur ( denn die Censur hatte kein Auge
für sittenverderbliche Literatur, sondern blos für
die politisch bedenkliche ) , ein Heer von leichtferti-
fertigen Rhetoren, welche sich dem Volke aufgedrängt
und mit verführerischen und frivolen Reden seine
Begriffe irre zu machen und seine Grundsätze zu
erschüchtern gewußt haben, -- durch dieses Alles
ist in der Gesammtheit der Nation schwerer sitt-
licher Schaden erwachsen. Entsittlichung aber ist
Entkräftigung und folglich zieht sie die Unfähig-
keit nach sich, die erweiterte Form der Freiheit
mit gesundem Gehalt auszufüllen. Hierzu kommt,
daß auch solchen, welche im Privatleben es mit
sittlichen Flecken genau nehmen, der Begriff poli-
tischer Moralität gleichwohl abgehen kann, und
daß sie daher, obgleich sie im Handel und Wan-
del nicht blos nach dem Nutzen, sondern zugleich
auch nach dem Rechte und der Ehrbarkeit fragen,
bei politischen Dingen nur das Nützliche oder als
nützlich Dargestellte suchen und mit ihrer Stimme
und Leidenschaft blos auf dieses Ziel hinwirken.
Diese sind dann nicht abgeneigt, ihre Stimme
Demjenigen zu geben, welcher die größten Ver-
sprechungen macht, und so geschieht es namentlich
bei einem weit ausgedehnten Wahlrechte, daß gar
oft die Mehrzahl der Stimmen, mithin der Ein-
fluß auf die wichtigsten Angelegenheiten des Vol-
kes Einem zufällt, dem die wenigsten seiner Wäh-
ler ein Privatgeschäft anvertrauen würden. Man
muß es mit Schmerz und Beschämung gestehen:
unser deutsches Volk hat bis jetzt mit seinem all-
gemeinen Wahlrechte schlechte Arbeit gemacht. Es
ist eine innere Nothwendigkeit, nach welcher das
Vielversprechen vor der Wahl, das Großsprechen
bei der Besprechung und die Resultatlosigkeit sol-
cher Versammlungen untereinander zusammenhän-
gen.    ( Schluß folgt. )

Zur Charakteristik demokratischer
Wahlumtriebe.

Frankenthal, 27. August. Den Lesern ihres
Blattes sind ohne Zweifel die Umtriebe bekannt,
welche bei der am 17. Juni l. J. und an den
folgenden Tagen vorgenommenen Ergänzungswahl
des Speyerer Stadtraths die demokratische Partei
sich erlaubte, um ein ihrer Ansicht günstiges Er-
gebniß derselben zu erlangen; ebenso ist bekannt,
in welcher Weise einige, mit fraglicher Wahl in
Verbindung stehende Vorfälle in öffentlichen Blät-
tern, namentlich im Frankfurter Journal und in
der Speyerer Zeitung, entstellt, mehrere wackere
Bürger und Beamten verdächtigt, die Wahlkom-
missionen der Parteilichkeit beschuldigt wurden,
ja, wie einzelne Mitglieder dieser Partei in un-
begreiflicher Verblendung oder Vermessenheit so
weit gingen, sie zum Beweise ihrer verläumderi-
schen Behauptungen sogar öffentlich zu erbieten.
Die Regierung hatte zwar, und obwohl nur ein
einziger, und gerade ein verfälschter Wahlzettel
die nöthige Majorität von zwei Drittheilen der
Stimmenden hervorbrachte, bei der Bestättigung
der Wahl auf Geltendmachung der Ungültigkeit
wegen strafbarer Umtriebe verzichtet, jedoch die
gerichtlichtliche Untersuchung hervorgerufen und dem
Gerichte die Aufgabe überlassen, in öffentlicher
Verhandlung diese Umtriebe zu enthüllen und zu
bestrafen. Jn Folge dessen wurden nahe an 80
Zeugen und unter diesen vorzugsweise jene ange-
botenen Beweisführer, welche der conservativen
Partei die Umtriebe in die Schuhe schieben woll-
[Spaltenumbruch] ten, die sie selbst begangen hatten, in der Vor-
untersuchung eidlich vernommen. Dieselben ver-
mochten jedoch nicht die mindeste strafbare oder
nur unrechtmäßige Handlung den conservatio ge-
sinnten Wählern nachzuweisen, wohl aber wurde
ein Bürstenmacher, F. aus Speyer, ein übelbeleu-
mundeter, arbeitsscheuer und überschuldeter Mensch,
eifriger Anhänger der Demokratie, überführt, das
Vergehen der Fälschung eines Wahlzettels began-
gen zu haben, und deshalb sofort verhaftet. Die
heutige gerichtliche Verhandlung vor dem kgl. Be-
zirksgericht Frankenthal als Zuchtpolizeigericht,
welcher der Berichterstatter beiwohnte und wobei
zugegen waren: Dr. Möhl, kgl. Bezirksgerichts-
Präsident, Boye, Lang, Richter, und Damm, kgl.
Staatsprokurator, hat das Treiben dieser Leute
in seiner schmählichsten Blöße zur Oeffentlichkeit
gebracht; der obenerwähnte Bürster aber wurde
für schuldig erkannt, zum Nachtheile des Gärtners
Benj. F. aus Speyer, eines 68jährigen, des Le-
sens völlig unkundigen Mannes, den er beschwatze,
seinen Wahlzettel sich von ihm schreiben zu lassen,
das im Art. 111 und 112 des Code penal vor-
gesehene Vergehen der Fälschung dadurch began-
gen zu haben, daß er von den, durch B. F. ihm
bezeichneten 24 Namen nur zehn auf dessen Wahl-
zettel schrieb, dagegen 14 andere Namen demo-
kratischer Wahlkandidaten dem Wähler anstatt der
von ihm bezeichneten und ausdrücklich verlangten
unterschob; demgemäß wurde derselbe zu einer cor-
rektionellen Gefängnißstrafe von 6 Monaten, 5-
jähriger Jnterdiction des Wahlrechtes und den
Kosten der Procedur ( circa 100 fl. ) verurtheilt.
Die bei dieser Gelegenheit gehaltenen Reden des
kgl. Gerichtspräsidenten und der kgl. Staatsbe-
hörde machten auf das zahlreich versammelte Au-
ditorium einen sichtlichen Eindruck, und gewiß ver-
ließen alle Anwesenden den Saal mit der Ueber-
zeugung, daß diese Partei noch manchen ihrer so-
genannten „Siege“ keineswegs blos dem freien
Willen ehrenhafter Wähler, sondern weit mehr
den schmachvollen Umtrieben gewissenloser Wühler
zu danken hat. --

   
Bianchi=Giovini.

Es ist bekannt, daß die britische Diplomatie
mit verdoppelten Kräften dahin arbeitet, den Bruch
zwischen Sardinien und Rom vollständig zu ma-
chen, in der Hoffnung, daß Piemont sich für im-
mer von der katholischen Kirche absondere und
dem Protestantismus in die Arme werfe. So
albern diese Hoffnung Jenen scheinen muß, welche
wissen, wie innig die große Majorität des pie-
montesischen Volkes an Rom hängt, so läßt den-
noch die Londoner Bibel=Gesellschaft nichts unver-
säumt, um die Katholiken in Jtalien gegen die
Autorität des Papstes zu reizen. Das Hauptau-
genmerk der anglikanischen Fanatiker ist gerade
auf Piemont gerichtet, wo es der Londoner Bi-
bel=Gesellschaft gelang, den Hrn. Bianchi=Giovini
für ihre Plane zu gewinnen. Bianchi=Giovini ist
unstreitig ein talentvoller Mann, den aber der
Haß gegen Pius IX. verblendet. Bianchi=Giovini
ist einer jener italienischen Wühler, welche sich
geschmeichelt hatten, den Papst als geschmeidiges
Werkzeug gegen Oesterreich zu mißbrauchen. Von
dem Tage an, wo Pius IX. den falschen Lockun-
gen der revolutionären Partei sich zu entziehen
wußte, machte es sich diese zur Hauptaufgabe, die
katholische Religion in den Staub zu ziehen und
das Ansehen des Papstes mit Füßen zu treten. --
Auf Anstiften der Londoner Bibel=Gesellschaft un-
ternahm Bianchi = Giovini die Abfassung einer
„Geschichte des Papstthums“, welche zur Stunde
in Capolago ( italienische Schweiz ) gedruckt wird,
um in vielen Tausend Exemplaren in ganz Jta-
lien verbreitet zu werden. Beinahe täglich wur-
den Bruchstücke aus dieser Geschichte in die „ Opi-
nione “ eingerückt, zum großen Aerger des katholi-
schen Clerus in Piemont, welcher den Ministern
Victor Emanuel's vorwarf, daß sie die Federn
des Hrn. Bianchi = Giovini leiten, um ein Argu-
ment mehr zu Gunsten des Siccardischen Gesetzes
zu finden. Jn diesen Artikeln der „Opinione“
[Spaltenumbruch] sind alle Verleumdungen und Lügen, welche man
gegen Rom erfunden, mit großer Kunst und Ta-
lent so ausgeschmückt worden, daß sie oberfläch-
liche Menschen leicht täuschen mußten. Mit Recht
ahnte der heilige Stuhl die Gefahr, welche von
einer solchen Lectüre für die katholischen Lehren
in Piemont erwachsen könnte. Der Cardinal Lam-
bruschini, als geborner Genueser, übernahm es,
dem König Victor Emanuel die Augen darüber
zu öffnen. Der gewesene Staatssekretär Gregor's
XVI., denn das Amt eines Beschützers ( Protet-
tore
) von Piemont im Schooß des heiligen Col-
legiums seit beinahe zwanzig Jahren ausübt, er-
klärte frei heraus, jede Verbindung mit der pie-
montesischen Regierung für immer abbrechen zu
wollen, wenn dem Anstoß, welchen Bianchi=Gio-
vini gab, nicht Einhalt gethan würde. Dabei
versicherte der Cardinal Lambruschini den König
Victor Emanuel, der Papst würde und dürfte
nicht mit der piemontesischen Regierung behufs
der Regelung der kirchlichen Differenzen zwischen
beiden Ländern in irgend eine Unterhandlung tre-
ten, so lange dem heiligen Stuhle nicht förmlich
Beweis geliefert würde, daß die Artikel des Bi-
auchi=Giovini nicht heimlich von den sardinischen
Ministern inspirirt werden. Ein solcher Beweis
sollte dadurch hergestellt werden, daß die sardini-
sche Regierung das Preußgesetz des Königreichs,
dem zufolge es verboten bleibt, die katholische Re-
ligion anzugreifen, gegen Bianchi=Giovini in sei-
ner ganzen Strenge erfülle. -- Das Schreiben
des Cardinals Lambruschini machte einen solchen
Eindruck auf den König Victor Emanuel, daß
Se. Maj. nach Anhörung des Ministerrathes den
Marchese Galvagno, Minister des Jnnern, beauf-
tragt, den Bianchi = Giovini als lombardischem
Flüchtling, zu bedeuten, ohne weiteres die sardini-
schen Staaten zu verlassen. -- Bianchi = Giovini
stellte sich gleich darauf unter den Schutz des bri-
tischen Gesandten, Sir Ralph Abercromby, der
auch nicht ermangelte, sich zu seinen Gunsten bei
der sardinischen Regierung zu verwenden. Bian-
chi=Giovini hatte bisher die geheimen Projekte der
englischen Diplomatie zu eifrig unterstützt, als
daß Sir Ralph Abercromby nicht Alles aufbieten
sollte, einen so nützlichen Helfershelfer an die
Hand zu gehen. Kurz, auf die Fürbitten des
britischen Gesandten erhielt Bianchi = Giovini die
Erlaubniß zum ferneren Aufenthalt in Piemont,
jedoch unter der doppelten Bedingung, daß er auf
einige Zeit Turin zu meiden und das Versprechen
abzugeben hätte, keine Artikel mehr für die „ Opi-
nione “ zu schreiben, wozu sich auch Bianchi=Giovini
förmlich verpflichtete. ( Aus den Erklärungen der
„Opinione“ geht hervor, daß Bianchi = Giovini
auch ferner ihre leitenden Artikel schreiben, und sie
selbst ihre bisherige Richtung nicht ändern werde.
Bianchi = Giovini hat Piemont bereits verlassen. )
Ob der heilige Stuhl mit diesem mezzo ter-
mine
sich zufrieden geben wird, ist eine andere
Frage, von deren Lösung es abhängt, ob der
Marchese Sauli seine Mission nach Rom unter-
nehmen darf, wo er zur Stunde gewiß nicht mit
amtlichem Charakter zugelassen werden dürfte.
( Marchese Sauli ist bekanntlich zurückberufen und
an seiner Statt Herr D. Pinelli nach Rom ge-
sendet worden.

Schleswig=holsteinische Ange-
legenheiten
.

Rendsburg, 29. Aug. An der Südseite der
Stadt Eckernförde sind alle Erdwälle abgetragen,
und ist dort jetzt, wo nicht Schanzwerke errichtet
sind, ein freies Feld. Die Vorpostenkette der
Dänen geht von der Kiel=Eckernförder Chaussee
aus über Windebye, Osterbye u. s. w.; bei der
Windebyer Mühle haben sie ein Lager aufge-
schlagen. Mit ihren Requisitionen gehen die Dä-
nen aber über diese Grenze hinaus, und Alles,
was die Bewohner der Umgegend in Folge jener
gezwungen ihnen zuführen müssen, wird durch die
Vorposten entgegengenommen und von diesen zur
Stadt gefahren. Die Lieferanten läßt man in
diese nicht hinein, sie müssen also unter freiem

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[0002] Millionär, und der Unterste im Volke so gut als der Hochgestellte und Gelehrte, oder dieser so we- nig als jener. Hierbei darf man aber nicht über- sehen, daß allerdings durch das Zusammenwirken verschiedener Ursachen die allgemeine Volksmoral durch alle Stände der Gesellschaft seit längerer Zeit in Abnahme gekommen ist und daß nament- lich die letzten Jahre hierin große Verheerungen angerichtet haben. Schlechtes Beispiel, Gering- schätzung der Religion, Vernachlässigung des öf- fentlichen Gottesdienstes von Seiten Derer, welche im Lichte der Oeffentlichkeit stehen, laxe Gesetze, Mangel an obrigkeitlichem Muthe, falsche Huma- nität, schlechte Bücher und Zeitungen mit oder ohne Censur ( denn die Censur hatte kein Auge für sittenverderbliche Literatur, sondern blos für die politisch bedenkliche ) , ein Heer von leichtferti- fertigen Rhetoren, welche sich dem Volke aufgedrängt und mit verführerischen und frivolen Reden seine Begriffe irre zu machen und seine Grundsätze zu erschüchtern gewußt haben, -- durch dieses Alles ist in der Gesammtheit der Nation schwerer sitt- licher Schaden erwachsen. Entsittlichung aber ist Entkräftigung und folglich zieht sie die Unfähig- keit nach sich, die erweiterte Form der Freiheit mit gesundem Gehalt auszufüllen. Hierzu kommt, daß auch solchen, welche im Privatleben es mit sittlichen Flecken genau nehmen, der Begriff poli- tischer Moralität gleichwohl abgehen kann, und daß sie daher, obgleich sie im Handel und Wan- del nicht blos nach dem Nutzen, sondern zugleich auch nach dem Rechte und der Ehrbarkeit fragen, bei politischen Dingen nur das Nützliche oder als nützlich Dargestellte suchen und mit ihrer Stimme und Leidenschaft blos auf dieses Ziel hinwirken. Diese sind dann nicht abgeneigt, ihre Stimme Demjenigen zu geben, welcher die größten Ver- sprechungen macht, und so geschieht es namentlich bei einem weit ausgedehnten Wahlrechte, daß gar oft die Mehrzahl der Stimmen, mithin der Ein- fluß auf die wichtigsten Angelegenheiten des Vol- kes Einem zufällt, dem die wenigsten seiner Wäh- ler ein Privatgeschäft anvertrauen würden. Man muß es mit Schmerz und Beschämung gestehen: unser deutsches Volk hat bis jetzt mit seinem all- gemeinen Wahlrechte schlechte Arbeit gemacht. Es ist eine innere Nothwendigkeit, nach welcher das Vielversprechen vor der Wahl, das Großsprechen bei der Besprechung und die Resultatlosigkeit sol- cher Versammlungen untereinander zusammenhän- gen. ( Schluß folgt. ) Zur Charakteristik demokratischer Wahlumtriebe. Frankenthal, 27. August. Den Lesern ihres Blattes sind ohne Zweifel die Umtriebe bekannt, welche bei der am 17. Juni l. J. und an den folgenden Tagen vorgenommenen Ergänzungswahl des Speyerer Stadtraths die demokratische Partei sich erlaubte, um ein ihrer Ansicht günstiges Er- gebniß derselben zu erlangen; ebenso ist bekannt, in welcher Weise einige, mit fraglicher Wahl in Verbindung stehende Vorfälle in öffentlichen Blät- tern, namentlich im Frankfurter Journal und in der Speyerer Zeitung, entstellt, mehrere wackere Bürger und Beamten verdächtigt, die Wahlkom- missionen der Parteilichkeit beschuldigt wurden, ja, wie einzelne Mitglieder dieser Partei in un- begreiflicher Verblendung oder Vermessenheit so weit gingen, sie zum Beweise ihrer verläumderi- schen Behauptungen sogar öffentlich zu erbieten. Die Regierung hatte zwar, und obwohl nur ein einziger, und gerade ein verfälschter Wahlzettel die nöthige Majorität von zwei Drittheilen der Stimmenden hervorbrachte, bei der Bestättigung der Wahl auf Geltendmachung der Ungültigkeit wegen strafbarer Umtriebe verzichtet, jedoch die gerichtlichtliche Untersuchung hervorgerufen und dem Gerichte die Aufgabe überlassen, in öffentlicher Verhandlung diese Umtriebe zu enthüllen und zu bestrafen. Jn Folge dessen wurden nahe an 80 Zeugen und unter diesen vorzugsweise jene ange- botenen Beweisführer, welche der conservativen Partei die Umtriebe in die Schuhe schieben woll- ten, die sie selbst begangen hatten, in der Vor- untersuchung eidlich vernommen. Dieselben ver- mochten jedoch nicht die mindeste strafbare oder nur unrechtmäßige Handlung den conservatio ge- sinnten Wählern nachzuweisen, wohl aber wurde ein Bürstenmacher, F. aus Speyer, ein übelbeleu- mundeter, arbeitsscheuer und überschuldeter Mensch, eifriger Anhänger der Demokratie, überführt, das Vergehen der Fälschung eines Wahlzettels began- gen zu haben, und deshalb sofort verhaftet. Die heutige gerichtliche Verhandlung vor dem kgl. Be- zirksgericht Frankenthal als Zuchtpolizeigericht, welcher der Berichterstatter beiwohnte und wobei zugegen waren: Dr. Möhl, kgl. Bezirksgerichts- Präsident, Boye, Lang, Richter, und Damm, kgl. Staatsprokurator, hat das Treiben dieser Leute in seiner schmählichsten Blöße zur Oeffentlichkeit gebracht; der obenerwähnte Bürster aber wurde für schuldig erkannt, zum Nachtheile des Gärtners Benj. F. aus Speyer, eines 68jährigen, des Le- sens völlig unkundigen Mannes, den er beschwatze, seinen Wahlzettel sich von ihm schreiben zu lassen, das im Art. 111 und 112 des Code penal vor- gesehene Vergehen der Fälschung dadurch began- gen zu haben, daß er von den, durch B. F. ihm bezeichneten 24 Namen nur zehn auf dessen Wahl- zettel schrieb, dagegen 14 andere Namen demo- kratischer Wahlkandidaten dem Wähler anstatt der von ihm bezeichneten und ausdrücklich verlangten unterschob; demgemäß wurde derselbe zu einer cor- rektionellen Gefängnißstrafe von 6 Monaten, 5- jähriger Jnterdiction des Wahlrechtes und den Kosten der Procedur ( circa 100 fl. ) verurtheilt. Die bei dieser Gelegenheit gehaltenen Reden des kgl. Gerichtspräsidenten und der kgl. Staatsbe- hörde machten auf das zahlreich versammelte Au- ditorium einen sichtlichen Eindruck, und gewiß ver- ließen alle Anwesenden den Saal mit der Ueber- zeugung, daß diese Partei noch manchen ihrer so- genannten „Siege“ keineswegs blos dem freien Willen ehrenhafter Wähler, sondern weit mehr den schmachvollen Umtrieben gewissenloser Wühler zu danken hat. -- ( Pf. Z. ) Bianchi=Giovini. Es ist bekannt, daß die britische Diplomatie mit verdoppelten Kräften dahin arbeitet, den Bruch zwischen Sardinien und Rom vollständig zu ma- chen, in der Hoffnung, daß Piemont sich für im- mer von der katholischen Kirche absondere und dem Protestantismus in die Arme werfe. So albern diese Hoffnung Jenen scheinen muß, welche wissen, wie innig die große Majorität des pie- montesischen Volkes an Rom hängt, so läßt den- noch die Londoner Bibel=Gesellschaft nichts unver- säumt, um die Katholiken in Jtalien gegen die Autorität des Papstes zu reizen. Das Hauptau- genmerk der anglikanischen Fanatiker ist gerade auf Piemont gerichtet, wo es der Londoner Bi- bel=Gesellschaft gelang, den Hrn. Bianchi=Giovini für ihre Plane zu gewinnen. Bianchi=Giovini ist unstreitig ein talentvoller Mann, den aber der Haß gegen Pius IX. verblendet. Bianchi=Giovini ist einer jener italienischen Wühler, welche sich geschmeichelt hatten, den Papst als geschmeidiges Werkzeug gegen Oesterreich zu mißbrauchen. Von dem Tage an, wo Pius IX. den falschen Lockun- gen der revolutionären Partei sich zu entziehen wußte, machte es sich diese zur Hauptaufgabe, die katholische Religion in den Staub zu ziehen und das Ansehen des Papstes mit Füßen zu treten. -- Auf Anstiften der Londoner Bibel=Gesellschaft un- ternahm Bianchi = Giovini die Abfassung einer „Geschichte des Papstthums“, welche zur Stunde in Capolago ( italienische Schweiz ) gedruckt wird, um in vielen Tausend Exemplaren in ganz Jta- lien verbreitet zu werden. Beinahe täglich wur- den Bruchstücke aus dieser Geschichte in die „ Opi- nione “ eingerückt, zum großen Aerger des katholi- schen Clerus in Piemont, welcher den Ministern Victor Emanuel's vorwarf, daß sie die Federn des Hrn. Bianchi = Giovini leiten, um ein Argu- ment mehr zu Gunsten des Siccardischen Gesetzes zu finden. Jn diesen Artikeln der „Opinione“ sind alle Verleumdungen und Lügen, welche man gegen Rom erfunden, mit großer Kunst und Ta- lent so ausgeschmückt worden, daß sie oberfläch- liche Menschen leicht täuschen mußten. Mit Recht ahnte der heilige Stuhl die Gefahr, welche von einer solchen Lectüre für die katholischen Lehren in Piemont erwachsen könnte. Der Cardinal Lam- bruschini, als geborner Genueser, übernahm es, dem König Victor Emanuel die Augen darüber zu öffnen. Der gewesene Staatssekretär Gregor's XVI., denn das Amt eines Beschützers ( Protet- tore ) von Piemont im Schooß des heiligen Col- legiums seit beinahe zwanzig Jahren ausübt, er- klärte frei heraus, jede Verbindung mit der pie- montesischen Regierung für immer abbrechen zu wollen, wenn dem Anstoß, welchen Bianchi=Gio- vini gab, nicht Einhalt gethan würde. Dabei versicherte der Cardinal Lambruschini den König Victor Emanuel, der Papst würde und dürfte nicht mit der piemontesischen Regierung behufs der Regelung der kirchlichen Differenzen zwischen beiden Ländern in irgend eine Unterhandlung tre- ten, so lange dem heiligen Stuhle nicht förmlich Beweis geliefert würde, daß die Artikel des Bi- auchi=Giovini nicht heimlich von den sardinischen Ministern inspirirt werden. Ein solcher Beweis sollte dadurch hergestellt werden, daß die sardini- sche Regierung das Preußgesetz des Königreichs, dem zufolge es verboten bleibt, die katholische Re- ligion anzugreifen, gegen Bianchi=Giovini in sei- ner ganzen Strenge erfülle. -- Das Schreiben des Cardinals Lambruschini machte einen solchen Eindruck auf den König Victor Emanuel, daß Se. Maj. nach Anhörung des Ministerrathes den Marchese Galvagno, Minister des Jnnern, beauf- tragt, den Bianchi = Giovini als lombardischem Flüchtling, zu bedeuten, ohne weiteres die sardini- schen Staaten zu verlassen. -- Bianchi = Giovini stellte sich gleich darauf unter den Schutz des bri- tischen Gesandten, Sir Ralph Abercromby, der auch nicht ermangelte, sich zu seinen Gunsten bei der sardinischen Regierung zu verwenden. 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Bianchi = Giovini hat Piemont bereits verlassen. ) Ob der heilige Stuhl mit diesem mezzo ter- mine sich zufrieden geben wird, ist eine andere Frage, von deren Lösung es abhängt, ob der Marchese Sauli seine Mission nach Rom unter- nehmen darf, wo er zur Stunde gewiß nicht mit amtlichem Charakter zugelassen werden dürfte. ( Marchese Sauli ist bekanntlich zurückberufen und an seiner Statt Herr D. Pinelli nach Rom ge- sendet worden. Schleswig=holsteinische Ange- legenheiten . Rendsburg, 29. Aug. An der Südseite der Stadt Eckernförde sind alle Erdwälle abgetragen, und ist dort jetzt, wo nicht Schanzwerke errichtet sind, ein freies Feld. Die Vorpostenkette der Dänen geht von der Kiel=Eckernförder Chaussee aus über Windebye, Osterbye u. s. w.; bei der Windebyer Mühle haben sie ein Lager aufge- schlagen. 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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 211. Würzburg, 3. September 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische211_1850/2>, abgerufen am 21.11.2024.