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Allgemeine Zeitung. Nr. 61. Augsburg (Bayern), 2. März 1871.

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[Spaltenumbruch] Schade brachte die Sache endlich in den Congreß dadurch daß er am
23 Jan. durch den Repräsentanten Boyd von Missouri ein "Memorial"
im Hause einreichen ließ. Dasselbe wurde an das Comit e für Militär-
Angelegenheiten überwiesen, dessen Vorsitzer, General Logau, vorher die
Versicherung gegeben hatte daß er gegen den getriebenen Waffenschacher
sei. Die Ueberweisung an dieses Comit e ist wohl der Hauptgrund des
obigen Verbots, welches schon am nächsten Tage, am 24 Jan., erfolgte.
Logau, ein ehemaliger Volontär=General von Auszeichnung, ist nicht gut
auf Grant, Sherman und andere aus der Kriegsschule von West=Point
hervorgegangene Generale, welche das Kriegsdepartement inne haben, zu
sprechen. Früher schon hat sich bei andern Gelegenheiten eine gewisse
Eifersucht zwischen beiden Parteien geoffenbart. Da nun Logau kürzlich
zum Senator von Jllinois ( auf 6 Jahre ) gewählt worden ist, und deßhalb
keine besondere Rücksicht auf Grant und dessen Administration zu nehmen
hat, so war diese Ueberweisung gerade an Logau's Comit e den Waffen-
schacherern sehr unangenehm, um so mehr als sie weit mehr Waffen verkauft
haben als bekannt ist, und, um eine Untersuchung zu verhindern, ent-
schlossen sie sich den Handel aufzugeben. Schade's geschicktes Manöver wird
von allen Seiten anerkannt, nur Schurz scheint damit nicht einverstanden
zu sein, um so mehr als ihm ein politischer Gegner ( Schade ist Demokrat )
in einer so wichtigen Angelegenheit zuvorgekommen ist. Es ist hier kein
Geheimniß daß die Regierung nicht schlechte, sondern die besten Waffen
an französische Zwischenhändler verkauft hat. Ohne diesen Waffenverkauf
wäre der Krieg längst vorüber."

Verschiedenes.

*Literarisches. "Wieder unser. Gedenkblätter zur Geschichte dieser
Tage v. Berthold Auerbach. " ( J. G. Cotta'sche Buchhandlung. Stutt-
gart. ) Der patriotische Dichter, der anerkannterweise viel zur Verständigung
zwischen Nord und Süd gewirkt hat, bietet hier ein farbenreiches Bild der Stim-
mungen und Zustände bei Ausbruch und im Fortgange des Krieges. Die
Mitlebenden werden die Treue und Tiefe seiner Darstellung freudig begrüßen,
und für die Geschichte wird dieses Buch eine lebendige Quelle bilden. Der
Hr. Verfasser sagt in seinem Vorwort: "Ein kleiner Beitrag zur großen Ge-
schichte unserer Tage. Was ich, in der Stimmung des Augenblicks, auf Reisen
und in Ruhestunden durch flüchtige Merkzeichen mir festhielt, gebe ich hier in
kurzen Ausführungen. Jch behalte die fragmentarische Form bei. Autor und
Leser haben jetzt nicht Sammlung für zusammenhängende abgerundete Dar-
stellungen. Auch mußte ich mich über so vieles und mannichfaltiges ausspre-
chen, daß ich das Einzelne nur anregen konnte. Jch berufe mich dabei gern auf
ein Wort Karl Augusts von Weimar, der auch aus dem Kriege ( am 2 Oct.
1793 ) , aus dem Lager von Pirmasens, an Goethe schrieb ( Briefwechsel, Bd. I,
S. 190 ) : "Jch habe ( die Resolution ) in Aphorismen eingekleidet... und da-
durch communicabler einzurichten geglaubt."

Die Erderschütterungen dauern fort. Zum Beleg aus vielen Be-
richten nur folgende zwei Notizen. Die "H. Z." meldet aus Hanau, 25 Febr.:
Heute Morgens, kurz vor 9 Uhr, wurde abermals eine sehr heftige gegen 5
Secunden andauernde Erderschütterung verspürt. Manche Gebäude erzitterten
in ihren Grundvesten. Der "D. Z." schreibt man aus Nieder=Beerbach, 26
Febr: Nach dem heftigen Erdstoße der am 12 Febr. Vorm. halb 11 Uhr die beim
Gottesdienst versammelte Gemeinde so erschreckte, daß viele laut aufschrieen, be-
merkte man hier tägliche, aber nur geringe Erschütterungen, zum Theil mit
dumpfem Rollen, bis gestern früh 8 Uhr 49 Minuten wieder ein sehr heftiger
Stoß erfolgte, der das ganze Haus erbeben, die Schränke wanken, Gläser klir-
ren ließ, und etwa 25 Secunden, sich allmählich mindernd, andauerte. Die
Kinder in der Schule schrieen und weinten; Holzmacher erzählten: das Rauschen
und Widereinanderschlagen der Bäume habe ihnen Schrecken eingejagt; dazu
seien zwei Mauern der Ruine Frankenstein mit Getöse theilweise eingestürzt, so
daß die Leute entsetzt aus dem Walde heimliefen. Von diesem ersten Stoß an
erfolgten in größern oder geringern Unterbrechungen bis zum Abend noch neun
Erschütterungen; zwischen Mitternacht und halb 1 Uhr wieder zwei Erschütte-
rungen mit dumpfem Rollen. Fünf Minuten nach 4 Uhr Morgens wieder
ein Stoß, der dem von gestern früh an Stärke nichts nachgab, von starkem
Rollen begleitet, welches sich auch binnen einer halben Stunde noch viermal
ohne Stoß wiederholte, und wie fernes Donnern klang. Auch dießmal war zu
bemerken daß die Richtung der Stöße von Süd und Südwest her zu kommen
schien.

New=York, 9 Febr. Ueber ein kürzlich von uns erwähntes Eisen-
bahnunglück bringt die "Frkf. Ztg." unter obigen Datum folgenden Bericht:
"Jn der Nacht vom 6 zum 7 Febr. ereignete sich in der Nähe von Poughkeepsie
( Staat New=York ) ein Eisenbahnunglück wie unser mit Eisenbahnunglücken
leider so reich gesegnetes Land bis heute kein zweites in dieser Art aufzuweisen
hat. Es war etwa eine halbe Stunde nach 10 Uhr des Abends als ein aus
30 Wagen bestehender Extragüterzug, der mit Petroleum beladen war, die Sta-
tion Neu=Hamburg über New=York passirte. Eine kurze Strecke davon gerieth
einer der Wagen aus dem Geleise, was jedoch der Locomotivführer nicht eher
bemerkte als bis er auf die Brücke von "Wappinger's Creek" kam. Hier schien
ihm etwas nicht recht in Ordnung, und er gab dem Zug neue Zugkraft, indem
er den Dampf voll anließ. Der Effect war daß inmitten auf der Brücke der
Wagen, der bereits aus dem Geleise war, auf das andere Geleis geschleudert
wurde. Jn demselben Augenblicke brauste der "Courierzug" von New=York
heran. Der Locomotivführer sah zwar den Wagen auf seinem Gleise liegen,
aber keine menschliche Macht konnte den Zusammenstoß mehr vermeiden, und
[Spaltenumbruch] mit aller Macht fuhr der Expreßzug in den mit nichtraffinirtem Petroleum be-
ladenen Wagen hinein. Ein markerschütternder Stoß, dann ein Aufflammen
bis zum Himmel hinan und darauf eine furchtbare Explosion -- das war das
Werk eines Augenblicks! Eine Secunde später ein neuer Krach, und die höl-
zerne Eisenbahnbrücke bricht zusammen, und der ganze Courierzug mit dem in
Flammen stehenden Petroleumwagen stürzt hinunter in den zugefrornen Fluß!
Aus mehr denn 50 menschlichen Kehlen dringt ein Schrei der gräßlichsten Todes-
angst durch die Luft; oben der Zug hat diese letzten Rufe Verunglückter hören
können, während sie ihre Todesfahrt von 200 Fuß von der Brücke herunter in
den Fluß machten; dann erfolgte ein Krachen und Zischen, "wie wenn Feuer
mit Wasser sich mengt" -- und es ward still in der Tiefe. Alle die im Courier-
zuge waren, sie hatten wenige Minuten darauf ihr Leben ausgehaucht! Am
Morgen des 7 Febr. brachte man die Leichen aus dem Wasser. Sie waren
schrecklich verstümmelt, denn nicht allein der Sturz in die Tiefe und in das Eis
hinein hatte seinen furchtbaren Effect auf die Verunglückten gehabt, sondern
auch das brennende Oel hatte seine Spuren auf den Körpern zurückgelassen, und
einige Gesichter sind total verkohlt. Einen wahrhaft schrecklichen Anblick ge-
währten 33 in einem Salonschlafwagen befindliche Leichen, welche bunt durch-
einander lagen und sich meist zwei zu zwei umschlungen hielten. Mehrere der
Frauen waren reich gekleidet und mit Juwelen bedeckt. Andere der verunglück-
ten Passagiere sind derart verbrannt daß die Gesichter ganz unkenntlich sind;
Feuer und Wasser haben ihr äußerstes gethan.

Jndustrie, Handel und Verkehr.

Berlin, 27 Febr. Vorgestern ist die rühmlichst bekannte, bisher im Besitze
des Dr. Strousberg gewesene, ehemals Egestorff'sche Locomotiv= und Ma-
schinen=Fabrik
zu Linden bei Hannover in den Besitz einiger der angesehensten
Bankhäuser Hannovers durch Kaufvertrag übergegangen, und es soll auf der Basis
derselben eine Actiengesellschaft begründet werden. -- Jn der am Sonnabend ab-
gehaltenen Generalversammlung der Betheiligten der Norddeutschen Paket-
Beförderungs=Gesellschaft
standen folgende Punkte auf der [unleserliches Material - 12 Zeichen fehlen]Tagetordnung:
1 ) die Genehmigung des mit dem persönlich haftenden Gesellschafter Hrn. Reinecke
geschlossenen Bertrags über sein Ausscheiden als persönlich haftender Gesellschafter,
2 ) die Auflösung der Gesellschaft, 3 ) Wahl der Liquidatoren. Nach einer sehr
lebhaften Debatte, in welcher es auch an gegenseitigen Vorwürfen der mannickfasten Art
nicht fehlte, wurde ad 1 die Genehmigung mit sehr bedeutender Mehrheit abge-
lehnt, und ad 2 die Liquidation der Gesellschaft einstimmig beschlossen. Zum Li-
quidator hatte die Opposition unter andern auch Hrn. S. A. Keitger in Posen
aufgestellt. Nachdem Hr. Vallette die in den verschiedenen agirenden Cirenlaren
von Hrn. Krüger gegen die Direction und speciell gegen Hrn. Vallette vorge-
brachten Angriffe durch die Acten der Gesellschaft und durch Belege widerlegt
hatte, wurde indessen Hr. Krüger nicht gewählt, dagegen ernannte die Versamm-
lung die HH. Kaufmann Theodor Lassally und Director Hermann Geber hier mit
sehr bedeutender [unleserliches Material - 8 Zeichen fehlen]Mehrheit zu Liquidatoren, welche gemeinschaftlich mit den persön-
lich haftenden Gesellschaftern Hrn. Vallette und Reinecke das Amt auszuüben haben
werden.

Berlin, 27 Febr. Die Börse war im gestrigen Privatverkehr anfangs
matt, später fest; auch heut eröffnete sie auf speculativem Gebiet etwas matter,
obwohl die Nachricht von der Unterzeichnung der Friedenspräliminarien bekannt
war. Auch später wurde die Haltung der Börse nicht viel fester. Das Geschäft
war nur in der Liquidation von Ausdehnung; anfangs stellten sich überall Deports
heraus, später wurde für Franzosen bis 1 / 4 Thlr. Report bezahlt; für Lombarden
1 / 8 Thlr. Deport. Banken und Eisenbahnen wenig belebt; Rheinische in gutem
Verkehr. Jnländische und deutsche Fonds fest, inländische höher, Schatzanweisun-
gen, Bundes=Anleihe und Köln=Mindener Prämien Antheilsscheine ( 95 1 / 2 ) belebt.
Von Russen Prämien=Anleihen aus Mangel an Stücken etwas höher, wenigstens
neue, gesucht, Bodencredit höher und lebhaft, alte etwas knapper. Jn inländischen
Prioritäten fand ein gutes Geschäft statt, namentlich in 5proc., in Halberstädtern,
5proc Oberschlesischen und Aachen=Mastrichtern, russische fest aber still, österreichische
schwach behauptet; amerikanische fest, Fort=Wayne begehrt und 2 bis 3 Procent
höher, Alabama fest und auf die Nachricht von der Couponsbezahlung höher
Ungarische Loose wurden mit51 1 / 8 heute gehandelt. Oldenburger37 3 / 8 G.

Frankfurt a. M., 28 Febr. Württ. 5proc. Oblig.99 7 / 16 bez;4 1 / 2 proc
93 3 / 8 bez.; 4proc.86 1 / 4 G.;3 1 / 2 proc. 83 G.; bad. 5proc. Odl.99 1 / 2 bez.;4 1 / 2
proc 93 G.; 4proc. 87 bez;3 1 / 2 proc.84 1 / 4 G.; pfälz. Max=B.109 1 / 4 bez.
4proc. hess. Ludw.=B.137 1 / 8 bez.: bad. 35fl.=L. 61 bez.; kurh. 40Thlr.=L.64 5 / 8 G.;
nass. 25fl. L.38 1 / 2 P.; großh. hess. 50fl.=L.170 1 / 4 P.; 25fl.=L.49 1 / 2 P.; Ausbach-
Gunz. 7fl.=L. 12 P.; Pistolen fl. 9.42--44; doppelte fl. 9.43--45; preuß.
Friedrichsd'or fl. 957 1 / 2 58 1 / 2; holl. 10fl.=Stück fl. 9.54 58; [unleserliches Material - 7 Zeichen fehlen]Ducaten fl. 5.
35--37; Ducaten al marco fl. 6.36--38; Napoleorsd'or fl. 9.24 1 / 2 --25 1 / 2; engl.
Sover. fl. 11.53--57. ( Cursbl. d. Ver. Frkf. Ztgu. )

sym11 Frankfurt a. M., 27 Febr. Die Regierung des Kaiserreichs
Brasilien hat mit dem Bankhause v. Rothschild in London ein fünf-
procentiges Staatsanlehen
im Betrage von drei Millionen Pfund Ster-
ling abgeschlossen. Da die brasilischen Werthe von jeher an der Londoner Börse
sehr beliebt sind, so wurde auch die neue Anleihe mit entsprechendem Vertrauen
begrüßt und aufgenommen. Noch vor der Allotirung ward diese schon mit1 1 / 2
Procent Agio bezahlt. Zu bedauern ist daß ein solches Werthpapier, welches un-
zweifelhaft gute Garantien bietet, nicht auch unseren deutschen Geldmärkten zuge-
führt wurde. Auch in unseren Capitalistenkreisen dürften dergleichen solide Werthe
für feste Geldanlagen willkommen sein, namentlich im Hinblick auf die nächste Zu-
kunft, indem der Friedensschluß mit Frankreich in allen Ländern des deutschen
Reichs viel Geld in Umlauf bringen wird, und deßhalb ein Steigen der meisten
soliden und gut fundirten Werthe zu erwarten steht. Am meisten werden freilich
hiebei die deutschen Papiere gewinnen, da von der Kriegsentschädigung auch den
Einzelstaaten sehr beträchtliche Summen zufließen, und die voraussichtlich eintretende
Tilgung von Staatsschulden das solide Material für feste Capitalanlagen nicht
unerheblich vermindern dürfte.

Der Bericht des bleibenden Ausschusses des deutschen Handels-
tags an den Reichskanzler über die handelspolitischen Beziehun-

[Spaltenumbruch] Schade brachte die Sache endlich in den Congreß dadurch daß er am
23 Jan. durch den Repräsentanten Boyd von Missouri ein „Memorial“
im Hause einreichen ließ. Dasselbe wurde an das Comit é für Militär-
Angelegenheiten überwiesen, dessen Vorsitzer, General Logau, vorher die
Versicherung gegeben hatte daß er gegen den getriebenen Waffenschacher
sei. Die Ueberweisung an dieses Comit é ist wohl der Hauptgrund des
obigen Verbots, welches schon am nächsten Tage, am 24 Jan., erfolgte.
Logau, ein ehemaliger Volontär=General von Auszeichnung, ist nicht gut
auf Grant, Sherman und andere aus der Kriegsschule von West=Point
hervorgegangene Generale, welche das Kriegsdepartement inne haben, zu
sprechen. Früher schon hat sich bei andern Gelegenheiten eine gewisse
Eifersucht zwischen beiden Parteien geoffenbart. Da nun Logau kürzlich
zum Senator von Jllinois ( auf 6 Jahre ) gewählt worden ist, und deßhalb
keine besondere Rücksicht auf Grant und dessen Administration zu nehmen
hat, so war diese Ueberweisung gerade an Logau's Comit é den Waffen-
schacherern sehr unangenehm, um so mehr als sie weit mehr Waffen verkauft
haben als bekannt ist, und, um eine Untersuchung zu verhindern, ent-
schlossen sie sich den Handel aufzugeben. Schade's geschicktes Manöver wird
von allen Seiten anerkannt, nur Schurz scheint damit nicht einverstanden
zu sein, um so mehr als ihm ein politischer Gegner ( Schade ist Demokrat )
in einer so wichtigen Angelegenheit zuvorgekommen ist. Es ist hier kein
Geheimniß daß die Regierung nicht schlechte, sondern die besten Waffen
an französische Zwischenhändler verkauft hat. Ohne diesen Waffenverkauf
wäre der Krieg längst vorüber.“

Verschiedenes.

*Literarisches. „Wieder unser. Gedenkblätter zur Geschichte dieser
Tage v. Berthold Auerbach. “ ( J. G. Cotta'sche Buchhandlung. Stutt-
gart. ) Der patriotische Dichter, der anerkannterweise viel zur Verständigung
zwischen Nord und Süd gewirkt hat, bietet hier ein farbenreiches Bild der Stim-
mungen und Zustände bei Ausbruch und im Fortgange des Krieges. Die
Mitlebenden werden die Treue und Tiefe seiner Darstellung freudig begrüßen,
und für die Geschichte wird dieses Buch eine lebendige Quelle bilden. Der
Hr. Verfasser sagt in seinem Vorwort: „Ein kleiner Beitrag zur großen Ge-
schichte unserer Tage. Was ich, in der Stimmung des Augenblicks, auf Reisen
und in Ruhestunden durch flüchtige Merkzeichen mir festhielt, gebe ich hier in
kurzen Ausführungen. Jch behalte die fragmentarische Form bei. Autor und
Leser haben jetzt nicht Sammlung für zusammenhängende abgerundete Dar-
stellungen. Auch mußte ich mich über so vieles und mannichfaltiges ausspre-
chen, daß ich das Einzelne nur anregen konnte. Jch berufe mich dabei gern auf
ein Wort Karl Augusts von Weimar, der auch aus dem Kriege ( am 2 Oct.
1793 ) , aus dem Lager von Pirmasens, an Goethe schrieb ( Briefwechsel, Bd. I,
S. 190 ) : „Jch habe ( die Resolution ) in Aphorismen eingekleidet... und da-
durch communicabler einzurichten geglaubt.“

Die Erderschütterungen dauern fort. Zum Beleg aus vielen Be-
richten nur folgende zwei Notizen. Die „H. Z.“ meldet aus Hanau, 25 Febr.:
Heute Morgens, kurz vor 9 Uhr, wurde abermals eine sehr heftige gegen 5
Secunden andauernde Erderschütterung verspürt. Manche Gebäude erzitterten
in ihren Grundvesten. Der „D. Z.“ schreibt man aus Nieder=Beerbach, 26
Febr: Nach dem heftigen Erdstoße der am 12 Febr. Vorm. halb 11 Uhr die beim
Gottesdienst versammelte Gemeinde so erschreckte, daß viele laut aufschrieen, be-
merkte man hier tägliche, aber nur geringe Erschütterungen, zum Theil mit
dumpfem Rollen, bis gestern früh 8 Uhr 49 Minuten wieder ein sehr heftiger
Stoß erfolgte, der das ganze Haus erbeben, die Schränke wanken, Gläser klir-
ren ließ, und etwa 25 Secunden, sich allmählich mindernd, andauerte. Die
Kinder in der Schule schrieen und weinten; Holzmacher erzählten: das Rauschen
und Widereinanderschlagen der Bäume habe ihnen Schrecken eingejagt; dazu
seien zwei Mauern der Ruine Frankenstein mit Getöse theilweise eingestürzt, so
daß die Leute entsetzt aus dem Walde heimliefen. Von diesem ersten Stoß an
erfolgten in größern oder geringern Unterbrechungen bis zum Abend noch neun
Erschütterungen; zwischen Mitternacht und halb 1 Uhr wieder zwei Erschütte-
rungen mit dumpfem Rollen. Fünf Minuten nach 4 Uhr Morgens wieder
ein Stoß, der dem von gestern früh an Stärke nichts nachgab, von starkem
Rollen begleitet, welches sich auch binnen einer halben Stunde noch viermal
ohne Stoß wiederholte, und wie fernes Donnern klang. Auch dießmal war zu
bemerken daß die Richtung der Stöße von Süd und Südwest her zu kommen
schien.

New=York, 9 Febr. Ueber ein kürzlich von uns erwähntes Eisen-
bahnunglück bringt die „Frkf. Ztg.“ unter obigen Datum folgenden Bericht:
„Jn der Nacht vom 6 zum 7 Febr. ereignete sich in der Nähe von Poughkeepsie
( Staat New=York ) ein Eisenbahnunglück wie unser mit Eisenbahnunglücken
leider so reich gesegnetes Land bis heute kein zweites in dieser Art aufzuweisen
hat. Es war etwa eine halbe Stunde nach 10 Uhr des Abends als ein aus
30 Wagen bestehender Extragüterzug, der mit Petroleum beladen war, die Sta-
tion Neu=Hamburg über New=York passirte. Eine kurze Strecke davon gerieth
einer der Wagen aus dem Geleise, was jedoch der Locomotivführer nicht eher
bemerkte als bis er auf die Brücke von „Wappinger's Creek“ kam. Hier schien
ihm etwas nicht recht in Ordnung, und er gab dem Zug neue Zugkraft, indem
er den Dampf voll anließ. Der Effect war daß inmitten auf der Brücke der
Wagen, der bereits aus dem Geleise war, auf das andere Geleis geschleudert
wurde. Jn demselben Augenblicke brauste der „Courierzug“ von New=York
heran. Der Locomotivführer sah zwar den Wagen auf seinem Gleise liegen,
aber keine menschliche Macht konnte den Zusammenstoß mehr vermeiden, und
[Spaltenumbruch] mit aller Macht fuhr der Expreßzug in den mit nichtraffinirtem Petroleum be-
ladenen Wagen hinein. Ein markerschütternder Stoß, dann ein Aufflammen
bis zum Himmel hinan und darauf eine furchtbare Explosion -- das war das
Werk eines Augenblicks! Eine Secunde später ein neuer Krach, und die höl-
zerne Eisenbahnbrücke bricht zusammen, und der ganze Courierzug mit dem in
Flammen stehenden Petroleumwagen stürzt hinunter in den zugefrornen Fluß!
Aus mehr denn 50 menschlichen Kehlen dringt ein Schrei der gräßlichsten Todes-
angst durch die Luft; oben der Zug hat diese letzten Rufe Verunglückter hören
können, während sie ihre Todesfahrt von 200 Fuß von der Brücke herunter in
den Fluß machten; dann erfolgte ein Krachen und Zischen, „wie wenn Feuer
mit Wasser sich mengt“ -- und es ward still in der Tiefe. Alle die im Courier-
zuge waren, sie hatten wenige Minuten darauf ihr Leben ausgehaucht! Am
Morgen des 7 Febr. brachte man die Leichen aus dem Wasser. Sie waren
schrecklich verstümmelt, denn nicht allein der Sturz in die Tiefe und in das Eis
hinein hatte seinen furchtbaren Effect auf die Verunglückten gehabt, sondern
auch das brennende Oel hatte seine Spuren auf den Körpern zurückgelassen, und
einige Gesichter sind total verkohlt. Einen wahrhaft schrecklichen Anblick ge-
währten 33 in einem Salonschlafwagen befindliche Leichen, welche bunt durch-
einander lagen und sich meist zwei zu zwei umschlungen hielten. Mehrere der
Frauen waren reich gekleidet und mit Juwelen bedeckt. Andere der verunglück-
ten Passagiere sind derart verbrannt daß die Gesichter ganz unkenntlich sind;
Feuer und Wasser haben ihr äußerstes gethan.

Jndustrie, Handel und Verkehr.

Berlin, 27 Febr. Vorgestern ist die rühmlichst bekannte, bisher im Besitze
des Dr. Strousberg gewesene, ehemals Egestorff'sche Locomotiv= und Ma-
schinen=Fabrik
zu Linden bei Hannover in den Besitz einiger der angesehensten
Bankhäuser Hannovers durch Kaufvertrag übergegangen, und es soll auf der Basis
derselben eine Actiengesellschaft begründet werden. -- Jn der am Sonnabend ab-
gehaltenen Generalversammlung der Betheiligten der Norddeutschen Paket-
Beförderungs=Gesellschaft
standen folgende Punkte auf der [unleserliches Material – 12 Zeichen fehlen]Tagetordnung:
1 ) die Genehmigung des mit dem persönlich haftenden Gesellschafter Hrn. Reinecke
geschlossenen Bertrags über sein Ausscheiden als persönlich haftender Gesellschafter,
2 ) die Auflösung der Gesellschaft, 3 ) Wahl der Liquidatoren. Nach einer sehr
lebhaften Debatte, in welcher es auch an gegenseitigen Vorwürfen der mannickfasten Art
nicht fehlte, wurde ad 1 die Genehmigung mit sehr bedeutender Mehrheit abge-
lehnt, und ad 2 die Liquidation der Gesellschaft einstimmig beschlossen. Zum Li-
quidator hatte die Opposition unter andern auch Hrn. S. A. Keitger in Posen
aufgestellt. Nachdem Hr. Vallette die in den verschiedenen agirenden Cirenlaren
von Hrn. Krüger gegen die Direction und speciell gegen Hrn. Vallette vorge-
brachten Angriffe durch die Acten der Gesellschaft und durch Belege widerlegt
hatte, wurde indessen Hr. Krüger nicht gewählt, dagegen ernannte die Versamm-
lung die HH. Kaufmann Theodor Lassally und Director Hermann Geber hier mit
sehr bedeutender [unleserliches Material – 8 Zeichen fehlen]Mehrheit zu Liquidatoren, welche gemeinschaftlich mit den persön-
lich haftenden Gesellschaftern Hrn. Vallette und Reinecke das Amt auszuüben haben
werden.

Berlin, 27 Febr. Die Börse war im gestrigen Privatverkehr anfangs
matt, später fest; auch heut eröffnete sie auf speculativem Gebiet etwas matter,
obwohl die Nachricht von der Unterzeichnung der Friedenspräliminarien bekannt
war. Auch später wurde die Haltung der Börse nicht viel fester. Das Geschäft
war nur in der Liquidation von Ausdehnung; anfangs stellten sich überall Deports
heraus, später wurde für Franzosen bis 1 / 4 Thlr. Report bezahlt; für Lombarden
1 / 8 Thlr. Deport. Banken und Eisenbahnen wenig belebt; Rheinische in gutem
Verkehr. Jnländische und deutsche Fonds fest, inländische höher, Schatzanweisun-
gen, Bundes=Anleihe und Köln=Mindener Prämien Antheilsscheine ( 95 1 / 2 ) belebt.
Von Russen Prämien=Anleihen aus Mangel an Stücken etwas höher, wenigstens
neue, gesucht, Bodencredit höher und lebhaft, alte etwas knapper. Jn inländischen
Prioritäten fand ein gutes Geschäft statt, namentlich in 5proc., in Halberstädtern,
5proc Oberschlesischen und Aachen=Mastrichtern, russische fest aber still, österreichische
schwach behauptet; amerikanische fest, Fort=Wayne begehrt und 2 bis 3 Procent
höher, Alabama fest und auf die Nachricht von der Couponsbezahlung höher
Ungarische Loose wurden mit51 1 / 8 heute gehandelt. Oldenburger37 3 / 8 G.

Frankfurt a. M., 28 Febr. Württ. 5proc. Oblig.99 7 / 16 bez;4 1 / 2 proc
93 3 / 8 bez.; 4proc.86 1 / 4 G.;3 1 / 2 proc. 83 G.; bad. 5proc. Odl.99 1 / 2 bez.;4 1 / 2
proc 93 G.; 4proc. 87 bez;3 1 / 2 proc.84 1 / 4 G.; pfälz. Max=B.109 1 / 4 bez.
4proc. hess. Ludw.=B.137 1 / 8 bez.: bad. 35fl.=L. 61 bez.; kurh. 40Thlr.=L.64 5 / 8 G.;
nass. 25fl. L.38 1 / 2 P.; großh. hess. 50fl.=L.170 1 / 4 P.; 25fl.=L.49 1 / 2 P.; Ausbach-
Gunz. 7fl.=L. 12 P.; Pistolen fl. 9.42--44; doppelte fl. 9.43--45; preuß.
Friedrichsd'or fl. 957 1 / 2 58 1 / 2; holl. 10fl.=Stück fl. 9.54 58; [unleserliches Material – 7 Zeichen fehlen]Ducaten fl. 5.
35--37; Ducaten al marco fl. 6.36--38; Napoleorsd'or fl. 9.24 1 / 2 --25 1 / 2; engl.
Sover. fl. 11.53--57. ( Cursbl. d. Ver. Frkf. Ztgu. )

sym11 Frankfurt a. M., 27 Febr. Die Regierung des Kaiserreichs
Brasilien hat mit dem Bankhause v. Rothschild in London ein fünf-
procentiges Staatsanlehen
im Betrage von drei Millionen Pfund Ster-
ling abgeschlossen. Da die brasilischen Werthe von jeher an der Londoner Börse
sehr beliebt sind, so wurde auch die neue Anleihe mit entsprechendem Vertrauen
begrüßt und aufgenommen. Noch vor der Allotirung ward diese schon mit1 1 / 2
Procent Agio bezahlt. Zu bedauern ist daß ein solches Werthpapier, welches un-
zweifelhaft gute Garantien bietet, nicht auch unseren deutschen Geldmärkten zuge-
führt wurde. Auch in unseren Capitalistenkreisen dürften dergleichen solide Werthe
für feste Geldanlagen willkommen sein, namentlich im Hinblick auf die nächste Zu-
kunft, indem der Friedensschluß mit Frankreich in allen Ländern des deutschen
Reichs viel Geld in Umlauf bringen wird, und deßhalb ein Steigen der meisten
soliden und gut fundirten Werthe zu erwarten steht. Am meisten werden freilich
hiebei die deutschen Papiere gewinnen, da von der Kriegsentschädigung auch den
Einzelstaaten sehr beträchtliche Summen zufließen, und die voraussichtlich eintretende
Tilgung von Staatsschulden das solide Material für feste Capitalanlagen nicht
unerheblich vermindern dürfte.

Der Bericht des bleibenden Ausschusses des deutschen Handels-
tags an den Reichskanzler über die handelspolitischen Beziehun-

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[1027/0007] Schade brachte die Sache endlich in den Congreß dadurch daß er am 23 Jan. durch den Repräsentanten Boyd von Missouri ein „Memorial“ im Hause einreichen ließ. Dasselbe wurde an das Comit é für Militär- Angelegenheiten überwiesen, dessen Vorsitzer, General Logau, vorher die Versicherung gegeben hatte daß er gegen den getriebenen Waffenschacher sei. Die Ueberweisung an dieses Comit é ist wohl der Hauptgrund des obigen Verbots, welches schon am nächsten Tage, am 24 Jan., erfolgte. Logau, ein ehemaliger Volontär=General von Auszeichnung, ist nicht gut auf Grant, Sherman und andere aus der Kriegsschule von West=Point hervorgegangene Generale, welche das Kriegsdepartement inne haben, zu sprechen. Früher schon hat sich bei andern Gelegenheiten eine gewisse Eifersucht zwischen beiden Parteien geoffenbart. Da nun Logau kürzlich zum Senator von Jllinois ( auf 6 Jahre ) gewählt worden ist, und deßhalb keine besondere Rücksicht auf Grant und dessen Administration zu nehmen hat, so war diese Ueberweisung gerade an Logau's Comit é den Waffen- schacherern sehr unangenehm, um so mehr als sie weit mehr Waffen verkauft haben als bekannt ist, und, um eine Untersuchung zu verhindern, ent- schlossen sie sich den Handel aufzugeben. Schade's geschicktes Manöver wird von allen Seiten anerkannt, nur Schurz scheint damit nicht einverstanden zu sein, um so mehr als ihm ein politischer Gegner ( Schade ist Demokrat ) in einer so wichtigen Angelegenheit zuvorgekommen ist. Es ist hier kein Geheimniß daß die Regierung nicht schlechte, sondern die besten Waffen an französische Zwischenhändler verkauft hat. Ohne diesen Waffenverkauf wäre der Krieg längst vorüber.“ Verschiedenes. *Literarisches. „Wieder unser. Gedenkblätter zur Geschichte dieser Tage v. Berthold Auerbach. “ ( J. G. Cotta'sche Buchhandlung. Stutt- gart. ) Der patriotische Dichter, der anerkannterweise viel zur Verständigung zwischen Nord und Süd gewirkt hat, bietet hier ein farbenreiches Bild der Stim- mungen und Zustände bei Ausbruch und im Fortgange des Krieges. Die Mitlebenden werden die Treue und Tiefe seiner Darstellung freudig begrüßen, und für die Geschichte wird dieses Buch eine lebendige Quelle bilden. Der Hr. Verfasser sagt in seinem Vorwort: „Ein kleiner Beitrag zur großen Ge- schichte unserer Tage. Was ich, in der Stimmung des Augenblicks, auf Reisen und in Ruhestunden durch flüchtige Merkzeichen mir festhielt, gebe ich hier in kurzen Ausführungen. Jch behalte die fragmentarische Form bei. Autor und Leser haben jetzt nicht Sammlung für zusammenhängende abgerundete Dar- stellungen. Auch mußte ich mich über so vieles und mannichfaltiges ausspre- chen, daß ich das Einzelne nur anregen konnte. Jch berufe mich dabei gern auf ein Wort Karl Augusts von Weimar, der auch aus dem Kriege ( am 2 Oct. 1793 ) , aus dem Lager von Pirmasens, an Goethe schrieb ( Briefwechsel, Bd. I, S. 190 ) : „Jch habe ( die Resolution ) in Aphorismen eingekleidet... und da- durch communicabler einzurichten geglaubt.“ Die Erderschütterungen dauern fort. Zum Beleg aus vielen Be- richten nur folgende zwei Notizen. Die „H. Z.“ meldet aus Hanau, 25 Febr.: Heute Morgens, kurz vor 9 Uhr, wurde abermals eine sehr heftige gegen 5 Secunden andauernde Erderschütterung verspürt. Manche Gebäude erzitterten in ihren Grundvesten. Der „D. Z.“ schreibt man aus Nieder=Beerbach, 26 Febr: Nach dem heftigen Erdstoße der am 12 Febr. Vorm. halb 11 Uhr die beim Gottesdienst versammelte Gemeinde so erschreckte, daß viele laut aufschrieen, be- merkte man hier tägliche, aber nur geringe Erschütterungen, zum Theil mit dumpfem Rollen, bis gestern früh 8 Uhr 49 Minuten wieder ein sehr heftiger Stoß erfolgte, der das ganze Haus erbeben, die Schränke wanken, Gläser klir- ren ließ, und etwa 25 Secunden, sich allmählich mindernd, andauerte. Die Kinder in der Schule schrieen und weinten; Holzmacher erzählten: das Rauschen und Widereinanderschlagen der Bäume habe ihnen Schrecken eingejagt; dazu seien zwei Mauern der Ruine Frankenstein mit Getöse theilweise eingestürzt, so daß die Leute entsetzt aus dem Walde heimliefen. Von diesem ersten Stoß an erfolgten in größern oder geringern Unterbrechungen bis zum Abend noch neun Erschütterungen; zwischen Mitternacht und halb 1 Uhr wieder zwei Erschütte- rungen mit dumpfem Rollen. Fünf Minuten nach 4 Uhr Morgens wieder ein Stoß, der dem von gestern früh an Stärke nichts nachgab, von starkem Rollen begleitet, welches sich auch binnen einer halben Stunde noch viermal ohne Stoß wiederholte, und wie fernes Donnern klang. Auch dießmal war zu bemerken daß die Richtung der Stöße von Süd und Südwest her zu kommen schien. New=York, 9 Febr. Ueber ein kürzlich von uns erwähntes Eisen- bahnunglück bringt die „Frkf. Ztg.“ unter obigen Datum folgenden Bericht: „Jn der Nacht vom 6 zum 7 Febr. ereignete sich in der Nähe von Poughkeepsie ( Staat New=York ) ein Eisenbahnunglück wie unser mit Eisenbahnunglücken leider so reich gesegnetes Land bis heute kein zweites in dieser Art aufzuweisen hat. Es war etwa eine halbe Stunde nach 10 Uhr des Abends als ein aus 30 Wagen bestehender Extragüterzug, der mit Petroleum beladen war, die Sta- tion Neu=Hamburg über New=York passirte. Eine kurze Strecke davon gerieth einer der Wagen aus dem Geleise, was jedoch der Locomotivführer nicht eher bemerkte als bis er auf die Brücke von „Wappinger's Creek“ kam. Hier schien ihm etwas nicht recht in Ordnung, und er gab dem Zug neue Zugkraft, indem er den Dampf voll anließ. Der Effect war daß inmitten auf der Brücke der Wagen, der bereits aus dem Geleise war, auf das andere Geleis geschleudert wurde. Jn demselben Augenblicke brauste der „Courierzug“ von New=York heran. Der Locomotivführer sah zwar den Wagen auf seinem Gleise liegen, aber keine menschliche Macht konnte den Zusammenstoß mehr vermeiden, und mit aller Macht fuhr der Expreßzug in den mit nichtraffinirtem Petroleum be- ladenen Wagen hinein. Ein markerschütternder Stoß, dann ein Aufflammen bis zum Himmel hinan und darauf eine furchtbare Explosion -- das war das Werk eines Augenblicks! Eine Secunde später ein neuer Krach, und die höl- zerne Eisenbahnbrücke bricht zusammen, und der ganze Courierzug mit dem in Flammen stehenden Petroleumwagen stürzt hinunter in den zugefrornen Fluß! Aus mehr denn 50 menschlichen Kehlen dringt ein Schrei der gräßlichsten Todes- angst durch die Luft; oben der Zug hat diese letzten Rufe Verunglückter hören können, während sie ihre Todesfahrt von 200 Fuß von der Brücke herunter in den Fluß machten; dann erfolgte ein Krachen und Zischen, „wie wenn Feuer mit Wasser sich mengt“ -- und es ward still in der Tiefe. Alle die im Courier- zuge waren, sie hatten wenige Minuten darauf ihr Leben ausgehaucht! Am Morgen des 7 Febr. brachte man die Leichen aus dem Wasser. Sie waren schrecklich verstümmelt, denn nicht allein der Sturz in die Tiefe und in das Eis hinein hatte seinen furchtbaren Effect auf die Verunglückten gehabt, sondern auch das brennende Oel hatte seine Spuren auf den Körpern zurückgelassen, und einige Gesichter sind total verkohlt. Einen wahrhaft schrecklichen Anblick ge- währten 33 in einem Salonschlafwagen befindliche Leichen, welche bunt durch- einander lagen und sich meist zwei zu zwei umschlungen hielten. Mehrere der Frauen waren reich gekleidet und mit Juwelen bedeckt. Andere der verunglück- ten Passagiere sind derart verbrannt daß die Gesichter ganz unkenntlich sind; Feuer und Wasser haben ihr äußerstes gethan. Jndustrie, Handel und Verkehr. Berlin, 27 Febr. Vorgestern ist die rühmlichst bekannte, bisher im Besitze des Dr. Strousberg gewesene, ehemals Egestorff'sche Locomotiv= und Ma- schinen=Fabrik zu Linden bei Hannover in den Besitz einiger der angesehensten Bankhäuser Hannovers durch Kaufvertrag übergegangen, und es soll auf der Basis derselben eine Actiengesellschaft begründet werden. -- Jn der am Sonnabend ab- gehaltenen Generalversammlung der Betheiligten der Norddeutschen Paket- Beförderungs=Gesellschaft standen folgende Punkte auf der ____________Tagetordnung: 1 ) die Genehmigung des mit dem persönlich haftenden Gesellschafter Hrn. Reinecke geschlossenen Bertrags über sein Ausscheiden als persönlich haftender Gesellschafter, 2 ) die Auflösung der Gesellschaft, 3 ) Wahl der Liquidatoren. Nach einer sehr lebhaften Debatte, in welcher es auch an gegenseitigen Vorwürfen der mannickfasten Art nicht fehlte, wurde ad 1 die Genehmigung mit sehr bedeutender Mehrheit abge- lehnt, und ad 2 die Liquidation der Gesellschaft einstimmig beschlossen. Zum Li- quidator hatte die Opposition unter andern auch Hrn. S. A. Keitger in Posen aufgestellt. Nachdem Hr. Vallette die in den verschiedenen agirenden Cirenlaren von Hrn. Krüger gegen die Direction und speciell gegen Hrn. Vallette vorge- brachten Angriffe durch die Acten der Gesellschaft und durch Belege widerlegt hatte, wurde indessen Hr. Krüger nicht gewählt, dagegen ernannte die Versamm- lung die HH. Kaufmann Theodor Lassally und Director Hermann Geber hier mit sehr bedeutender ________Mehrheit zu Liquidatoren, welche gemeinschaftlich mit den persön- lich haftenden Gesellschaftern Hrn. Vallette und Reinecke das Amt auszuüben haben werden. Berlin, 27 Febr. Die Börse war im gestrigen Privatverkehr anfangs matt, später fest; auch heut eröffnete sie auf speculativem Gebiet etwas matter, obwohl die Nachricht von der Unterzeichnung der Friedenspräliminarien bekannt war. Auch später wurde die Haltung der Börse nicht viel fester. Das Geschäft war nur in der Liquidation von Ausdehnung; anfangs stellten sich überall Deports heraus, später wurde für Franzosen bis 1 / 4 Thlr. Report bezahlt; für Lombarden 1 / 8 Thlr. Deport. Banken und Eisenbahnen wenig belebt; Rheinische in gutem Verkehr. Jnländische und deutsche Fonds fest, inländische höher, Schatzanweisun- gen, Bundes=Anleihe und Köln=Mindener Prämien Antheilsscheine ( 95 1 / 2 ) belebt. Von Russen Prämien=Anleihen aus Mangel an Stücken etwas höher, wenigstens neue, gesucht, Bodencredit höher und lebhaft, alte etwas knapper. 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Friedrichsd'or fl. 957 1 / 2 58 1 / 2; holl. 10fl.=Stück fl. 9.54 58; _______Ducaten fl. 5. 35--37; Ducaten al marco fl. 6.36--38; Napoleorsd'or fl. 9.24 1 / 2 --25 1 / 2; engl. Sover. fl. 11.53--57. ( Cursbl. d. Ver. Frkf. Ztgu. ) sym11 Frankfurt a. M., 27 Febr. Die Regierung des Kaiserreichs Brasilien hat mit dem Bankhause v. Rothschild in London ein fünf- procentiges Staatsanlehen im Betrage von drei Millionen Pfund Ster- ling abgeschlossen. Da die brasilischen Werthe von jeher an der Londoner Börse sehr beliebt sind, so wurde auch die neue Anleihe mit entsprechendem Vertrauen begrüßt und aufgenommen. Noch vor der Allotirung ward diese schon mit1 1 / 2 Procent Agio bezahlt. Zu bedauern ist daß ein solches Werthpapier, welches un- zweifelhaft gute Garantien bietet, nicht auch unseren deutschen Geldmärkten zuge- führt wurde. Auch in unseren Capitalistenkreisen dürften dergleichen solide Werthe für feste Geldanlagen willkommen sein, namentlich im Hinblick auf die nächste Zu- kunft, indem der Friedensschluß mit Frankreich in allen Ländern des deutschen Reichs viel Geld in Umlauf bringen wird, und deßhalb ein Steigen der meisten soliden und gut fundirten Werthe zu erwarten steht. Am meisten werden freilich hiebei die deutschen Papiere gewinnen, da von der Kriegsentschädigung auch den Einzelstaaten sehr beträchtliche Summen zufließen, und die voraussichtlich eintretende Tilgung von Staatsschulden das solide Material für feste Capitalanlagen nicht unerheblich vermindern dürfte. Der Bericht des bleibenden Ausschusses des deutschen Handels- tags an den Reichskanzler über die handelspolitischen Beziehun-

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 61. Augsburg (Bayern), 2. März 1871, S. 1027. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_augsburg61_1871/7>, abgerufen am 24.11.2024.