Telegraphische Berichte.
◬ München, 1 März. Der König verlieh dem Ministerialrath
und Cabinetssecretär Eisenhardt den Kron=Orden. Dem Vernehmen nach
regt Preußen einen gemeinsamen Friedensfesttag in Deutschland an.
( * ) Berlin, 28 Febr. Die „Kreuzzeitung“ meldet aus Versailles:
Die Verhandlungen mit Thiers hatten in letzter Zeit sehr scharfe, schwierige
Wendungen genommen, da Thiers gegen die Abtretung von Metz den
heftigsten Widerstand erhob, und entschlossen schien eher abzudanken als
die Verantwortlichkeit hiefür zu übernehmen. Vornehmlich soll ihn das
Vertrauen auf die vermeintliche Stellung Englands zu dieser Frage er-
muthigt haben. An der Festigkeit der diesseitigen Politik jedoch scheiterte
sein Widerspruch. Das einzige was zugestanden werden konnte, ohne das
wesentliche Jnteresse der deutschen Sicherheit zu gefährden, war Belfort.
( * ) London, 28 Febr. Der „Times“ wird aus Versailles vom
27 d. gemeldet: Außer Thionville geht auch Longwy in deutschen Besitz
über. Luneville, Nanzig und die Festungen der Nordgränze bleiben bei
Frankreich. Prinz Friedrich Karl ist zum Generalgouverneur der Cham-
pagne mit dem Hauptquartier in Reims designirt.
* Parts, 27 Febr. Die Directoren von 43 Journalen haben ein
Manifest erlassen, worin sie die Bevölkerung auffordern die Ruhe und Würde,
welche die Umstände gebieterisch fordern zu bewahren. Jhre Blätter er-
scheinen während der Occupation nicht. Börse und Theater bleiben ge-
schlossen. Die Deutschen dürfen die Stadtviertel welche sie besetzt halten
nicht verlassen. Gestern wurde die Pulverfabrik in Villette durch Solda-
ten der Nationalgarde geplündert. Dem „ Français “ zufolge werden die
südlich der Seine gelegenen Departements von den Deutschen geräumt,
sobald die Ratification der Friedenspräliminarien durch die Nationalver-
sammlung stattgefunden haben wird. Die Räumung der andern Depar-
tements erfolgt nach der Bezahlung von 500 Millionen Franken, während
die Besetzung der festen Plätze erst nach Erlegung der ganzen Kriegsent-
schädigung aufhören wird.
* Paris, 27 Febr. Die Regierung und die Commission der fünf-
zehn Mitglieder sind heute Abends nach Bordeaux abgereist, nachdem sie
Mittags eine gemeinschaftliche Berathung abgehalten. Picard verbleibt
in Paris. Die Erregung dauert fort, eine Ruhestörung hat jedoch bis
jetzt nicht stattgefunden. Die Nationalgarde zieht sich zurück. Alle noch
auf dem Platze Wagram stehenden Kanonen sind nach dem Platz Vosges
geschafft. Die Blätter loben Thiers daß er lieber den Einzug in Paris
zugegeben als auf Belfort verzichtet habe.
* München, 1 März. Serienziehung der bayerischen Prämien-
Loose von 1866: 120, 241, 247, 283, 309, 390, 412, 432, 476, 490, 624,
674, 684, 848, 1019, 1094, 1096, 1152, 1349, 1362, 1632, 1634, 1644,
1873, 1980, 2001, 2100, 2152, 2184, 2218, 2440, 2586, 2588.
* Frankfurt a. M., 28 Febr. Abend=Effectensocietät: 1882er Amerikaner
96 3 / 8; 1885er95 7 / 8; Silberrente55 15 / 16; 1860er L. --; 1864er L. --; Credit-
actien 241; Lombarden 171; Staatsbahn 363; Galizier --; Elisabeth --;
3proc. span. ausl. Schuld30 1 / 8. Tendenz: Amerikaner sehr lebhaft.
⁑ Frankfurt a. M., 28 Febr. Effectensocietät. Amerikaner sehr
gefragt; 1882er96 1 / 2; 1885er 96.
* Wien, 28 Febr. Wocheneinnahme der Staatsbahnen: 179,680 fl.
mehr. -- Getreide effectiv angenehmer, Termingeschäfte leblos. Weizen 540,
Roggen 355, Mais fest, 315, Hafer niedriger, 217, Reps 15.25.
* Wien, 1 März Ziehung der 1864 er Loose. Serie 3261 Nr. 28
gewinnt 200,000 fl. Serie 1092 Nr. 86 gewinnt 50,000 fl. Serie 3755
Nr. 89 gewinnt 15,000 fl. Serie 3261 Nr. 78 gewinnt 10,000 fl. Weitere
gezogene Serien: 330, 700, 2168, 2896, 3003.
* London, 27 Febr. Schlußcurse: 3proc. Consols91 5 / 8; 1882er
Amerikaner91 1 / 2; Türken 41 7 / 8.
* London, 28 Febr. Schlußcurse: Consols91 15 / 16; 1882er Amerikaner
91 1 / 4; Türken42 5 / 16; Lombarden --; Jtaliener --.
⁑ London, 28 Febr. Börse: 3proc. Consols91 3 / 4; 5proc. Türken42 1 / 4;
1882er Amerikaner91 5 / 8; 5proc. Jtaliener54 3 / 8; Lombarden14 3 / 4; 3proc. Spanier
30 1 / 8. Tendenz: fester.
⁑ Liverpool, 28 Febr. Baumwollenmarkt. Tagesumsatz 800 B.,
zur Ausfuhr verkauft 1000 Ballen. Stimmung matt. Orleans7 13 / 16, Middling
7 9 / 16, fair Dhollerah6 1 / 4, middl. fair Dhollerah5 3 / 4, good middl. Dhollerah
5 1 / 8, fair Bengal5 7 / 8, fair Oomra6 1 / 2, good fair Oomra6 15 / 16, Pernam8 1 / 8,
Smyrne7 1 / 4, Egyptian 8. Tagesimport 12,000 B., davon indische keine, ameri-
kanische 9000 B.
* Paris, 27 Febr. Schlußcurse: 3proc. Rente 51.50; Anleihe --; österr. -
franz. Staatsbahn 772 50; Lombarden 382 50; 5proc. Jtal. 56.90. Geschäftslos.
⁑ Amsterdam, 28 Febr. Börse. Wechsel auf London 11 84 Geld; 3proc.
Spanier30 1 / 8; 1882er Amerikaner 96; 5proc. Papierrente46 7 / 10; 5proc.
Silberrente 54; 5proc. Türken40 15 / 16; 5proc. Russen von 185576 5 / 8.
⁑ Antwerpen, 28 Febr. Petroleum=Markt. Petroleum loco 50;
per März --, per April --, per Mai --, per Sept.=Dec. 54.
⁑ Amsterdam, 28 Febr. Termin=Roggen höher. Roggen per März
212 fl., per Mai 217 fl., per October 224 fl. -- Banca=Zinn=Auction am
30 März 808,000. -- 420 Kranjans Java Zucker zum Novemberwerth verkauft.
* New=York, 27 Febr. Goldagio 111; Wechsel in Gold109 1 / 2;
1882er Bonds112 1 / 4; 1885er 112; 1904er 112; Baumwolle15 1 / 4; Petroleum
in Philadelphia 24 1 / 2.
⁑ New=York, 27 Febr. Per Kabel. Gold, Schlußcurs 111; Wechsel
per London109 1 / 2; 1882er Bonds112 1 / 4; 1885er Bonds 112; Erie=Actien
22 1 / 4; Jllinois133 1 / 2; Baumwolle15 1 / 4; Petroleum 24 5 / 8.
Die Friedensnachricht am Oberrhein.
0
Vom Oberrhein, 28 Febr. Seit acht Tagen schwebte die
Bevölkerung bei uns in steter und sogar steigender Spannung und Auf-
regung, und die Frage ob Krieg oder Frieden? beschäftigte alle Gemüther.
So sehr auch die Presse die Friedensbedürftigkeit des französischen Volks
darlegte, so sehr zweifelte man doch daran daß die Hartnäckigkeit des fran-
zösischen Dünkels in die geforderte Landabtretung willigen werde, und
vielfach überwog im Volke die Ueberzeugung daß erst dann Frankreich
zum Nachgeben und zur Einsicht seiner definitiven Niederlage gebracht
werden könne, wenn man auch ganz Frankreich bis zum Mittelmeer mit
unsern Truppen überzogen habe. Allerdings war man einstimmig
überzeugt daß in diesem Fall der Krieg an Grausamkeit zunehmen werde,
und unsere Soldaten kaum mehr im Zaum gehalten werden könnten; aber
so tief gieng die Erregung im Volke, daß man auch unter dieser Voraus-
setzung lieber die Fortsetzung des Kriegs sah als das geringste Abgehen
von den deutschen Forderungen, deren unumgängliche Nothwendigkeit
nicht bloß in officiellen und andern Blättern, sondern auch in diplomati-
schen Actenstücken und Erklärungen aus dem Hauptquartier nachgewiesen
und begründet wurde. Sah man auch ein daß der Versammlung in Bor-
deaux und den neuen Gewalthabern immerhin einige Zeit gelassen werden
mußte, so beruhigte man sich doch über die Waffenstillstandsverlängerung
nur dadurch daß sie bloß auf zwei Tage sich erstreckte, und steigerte sich so-
dann die Spannung am Sonntag und Montag als von Stunde zu
Stunde keine Nachricht kam. Nur dunkle Gerüchte flogen hin und her,
und gestern Morgens veranlaßte ein Telegramm vom Abschlusse
des Friedens daß in einzelnen Städten geflaggt und geschossen wurde;
aber nur um alsbald wieder die Flaggen einzuziehen, denn allmählich
kamen Nachrichten aus Brüssel von einer erheblichen Herabminderung
unserer Forderungen, der Zurückgabe von Belfort und einem neuen Waf-
fenstillstand bis zum 6 März. Als im Laufe des Nachmittags die Depesche
des Kaisers nach Berlin bekannt wurde, die nichts als die Unterzeichnung
der Präliminarien enthielt, glaubte man in den Brüsseler Nachrichten nur
französische Wünsche entdecken zu können, und die Zuversicht auf unsere
diplomatische Vertretung wuchs wieder; als aber noch am Abend eine
badische Ministerialdepesche durchs Land flog, welche die Brüsseler De-
pesche bestätigte, gab sich überall eine große Enttäuschung kund, welche
wohl von ganz Deutschland getheilt, aber nirgends so tief gefühlt wird
als gerade bis uns.
Erst sechs Wochen sind es her wo unser Südosten von einer starken
französischen Armee ernstlich bedroht wurde, wo nach einem halbjährigen
Kampfe mit lauter deutschen Siegen sich doch eine französische Armee bis
auf wenige Stunden unserer Gränze näherte, und nach noch einem einzigen
Tagemarsch das ganze Elsaß zu hellem Aufstand entflammen konnte, und
wo nur der heldenmüthige Widerstand des Werder'schen Corps mit der
badischen Division unter schweren Verlusten unser Land vor dem feind-
lichen Raubeinfall gerettet hat, und jetzt sollte das Bollwerk, vor dem
unsere Widerstandskraft sich jene uneinnehmbaren Stellungen an der
Lisaine geschaffen hatte, wenige Tage nachdem wir es mit Landwehr und
großen Verlusten bestürmt und dann durch diplomatische Mittel in unsere
deutsche Hand bekommen hatten, wieder herausgegeben werden an die
Franzosen, nachdem es sich so recht gezeigt welche furchtbare Ausfallpforte
Belfort gegen Deutschland bildet? Wahrlich, die Nachricht erschien den
meisten als geradezu unglaublich, und ich sah manchem wackern Mann, der
sonst keiner Gemüthsüberwältigung zugänglich war, die hellen Thränen
über das Antlitz rollen, und ich hörte Aeußerungen welche da auch mein-
ten: die Diplomatie habe wieder verdorben was die Armee gut gemacht
hatte.
Jch bin nicht derjenige welcher unsere großen Strategiker zu meistern
sich unterfängt, aber hier liegt doch im natürlichen Jnstincte des Volks
etwas das noch höher geht als strategische Bedenken und Zugeständnisse.
Es sind erst wenige Tage her daß man die Nothwendigkeit des Besitzes
von Belfort für Deutschland in einer Weise demonstrirte wie man
es bei keinem andern Waffenplatz, außer Straßburg, so schlagend ge-
than hatte. Nachdem man hundertfach das Minimum unserer Forderun-
gen dargelegt und begründet hatte, und vor Paris ein Waffenstillstand
abgeschlossen wurde, nahm man ausdrücklich das Operationsfeld im Osten
davon aus, denn hier lag noch der Theil des Oberelsaßes in französischem
Besitze der für uns als unumgänglich nothwendig erklärt wurde, und
noch vor dem Beginne der eigentlichen Friedensverhandlungen um jeden
Preis in unsere Hände gelangen sollte. Vor diesem Waffenplatze bluteten
in den Tagen des 15 -- 17 Jan. so viele unserer Söhne und Brüder, nur
um den Entsatz desselben durch die Franzosen zu verhindern, und von Ver-
sailles aus hat man auch den Kampf an der Lisaine für eine der größten
Waffenthaten aller Zeiten erklärt; nachher gieng man mit vermehrter Eile
und Energie daran um den Platz zum Falle zu bringen, und es wurde
sogar Landwehr zum Stürmen verwendet. Dann bedang man auf diplo-
matischem Wege die Uebergabe von Belfort in unsere Hände, offenbar nur
deßhalb um bei den Unterhandlungen bereits im Besitze des ganzen Gebiets
zu sein das wir verlangten.
Wenn je dem deutschen Hauptquartier die Möglichkeit vor Augen ge-
schwebt hätte auf der Erlangung von Belfort nicht zu bestehen, nachdem
man dasselbe so nachdrücklich verlangt hatte, so hätte man doch wahrlich
den Platz besser noch den Franzosen gelassen, und nicht die schweren Opfer
zu seiner Erlangung gebracht; denn man kann doch leichter auf etwas ver-
zichten was man noch nicht besitzt, als auf das was man mit so vielem
Blut bezahlen mußte und dem deutschen Volk als der höchsten Opfer werth
erklärte. Außerdem tritt aber bei Belfort noch ein Moment hervor das
man wohl zu beachten hat. Wir wollen die Wiedererlangung von Elsaß-
Lothringen hauptsächlich aus dem Grund um uns auf der Westgränze gegen
die Angriffe Frankreichs besser zu schützen, und erachteten dafür den Besitz
von Metz, Straßburg und Belfort als unumgänglich nothwendig. Alle
drei Plätze hatten sich bisher bewährt als die besten Ausfallpforten gegen
Deutschland und gewaltige Stützpunkte für einen Angriffskrieg; ob und
wie sich dieselben als Vertheidigungsstützen gegen den Westen bewähren,
darüber liegen aber noch gar keine Erfahrungen bezüglich der erstgenann-
ten Festungen vor, und in allen militärischen Kreisen wird ausdrücklich
hervorgehoben daß gegen einen neuen französischen Angriff noch neue for-
tificatorische Arbeiten unternommen werden müssen.
Belfort allein hat im Januar gezeigt daß es der Schlüssel zum Ober-
Elsaß und dem Schwarzwald ist; denn hatten wir noch während der Be-
lagerung von Belfort dort einen unüberwindlichen Wall gegen einen drei-
fach so starken französischen Angriff gebildet, so würden wir, schon im Besitze
von Belfort, noch viel leichter den Feind haben abweisen und zurückwerfen
können. Kehrt dieser Platz nun an Frankreich zurück, so liegt nur wenige
Stunden von unserer Gränze und in unmittelbarer Nähe einer wider-
willigen Bevölkerung des Oberelsaßes diese französische Ausfallpforte, und
es ist die Frage ob wir auch mit dem Aufwand von vielen Millionen die-
selbe durch ein deutsches Werk werden paralysiren können. Die durch die
neuesten Depeschen hervorgerufene Enttäuschung hat daher gerade am
Oberrhein, wo wir der größten Gefahr erst in den letzten Wochen so unmittel-
bar nahe gerückt waren, eine ungemeine Mißstimmung hervorgerufen, und
dieselbe wird auch die Freude über den wirklichen Friedensschluß dämpfen,
wie überhaupt eine solche ganz unerwartete und für unmöglich gehaltene
Enttäuschung auf jeden Fall in diesem Zeitpunkt hätte vermieden werden
müssen, wo wir in wenigen Tagen die Wahlen in den Reichstag vorneh-
men, und die Gegner, ihre alten Vorwürfe gegen Preußen wieder hervor-
holend, sagen werden: es habe dieses wohl zu seinem besseren eigenen
Schutze das für die Franzosen schmerzlichste Opfer der Abtretung von Metz
durchgesetzt, aber dafür das für die Vertheidigung Süddeutschlands so
nothwendige Belfort den Franzosen aus Courtoisie zurückgegeben.
Die Mißstimmung wird aber auch noch gerade in dem Moment
erregt wo am Oberrhein ein wahres Werderfieber herrschte, und man sich
gegenseitig darin zu überbieten suchte wie man die tapfere Vertheidigung
vor Belfort würdig ehren könne. Nicht bloß Ehrengaben kamen für Werder
in Vorschlag, sondern Freiburg will dem Lebenden sogar schon ein Denk-
mal setzen, und andere Landestheile wollen ihm ein Landgut schenken. Auch
darauf wird diese Enttäuschung wie kaltes Wasser wirken, und ich halte es
daher für dringend nothwendig daß, sobald als möglich tüchtige strategische
Stimmen dieses Zugeständniß rechtfertigen, den Ersatz dafür bestimmt nach-
weisen und so wieder das Volk beruhigen. Heute wenigstens herrscht hier die
erwähnte Stimmung vor, die sich theilweise dazu verstieg die Abweisung der
Präliminarien in Bordeaux zu wünschen, und ziemlich allgemein die Ansicht
hervorrief daß die Rückgabe von Belfort nur um so eher die Franzosen zu
einem neuen Krieg gegen Deutschland veranlassen werde, in welchem wir
sodann das heute Versäumte nachholen müßten.
Es thut mir leid in diesem wichtigen Augenblick, wo wir endlich vor
dem ersehnten Frieden stehen, dieser Mißstimmung hier Ausdruck geben
zu müssen, aber sie offenbarte sich ja auch schon sofort in allen Zeitungen
des Landes welche diese Zurücknahme mit einem Frage= oder Ausrufungs-
zeichen begleiteten, und daher selbst daran zu glauben sich scheuten!
* Wir haben im vorstehenden die Aeußerungen unseres Hrn. Cor-
respondenten unverändert wiedergeben zu müssen geglaubt, da sie die An-
sichten eines ansehnlichen Theils der Bevölkerung Süddeutschlands zum
Ausdruck bringen, müssen aber bemerken daß wir dieselben -- insbesondere
soweit sie die große Wichtigkeit der Festung Belfort betreffen -- nicht für
richtig halten, und beziehen uns zum Belege dieser Meinung auf ein Urtheil
welches der militärische Berichterstatter der „Schles. Ztg.“ vor einiger Zeit,
als die Festung noch nicht genommen war, fällte. Derselbe, dessen Urtheile
sich bis jetzt immer als richtig und zutreffend erwiesen, schrieb: „Sollte auf
den Erwerb von Belfort vielleicht schließlich verzichtet werden müssen, so
würde uns das damit zu bringende Opfer als ein unschwer zu verschmerzen-
des erscheinen. Die Lage der Festung inmitten des natürlichen Thores
welches sich zwischen den Vogesen und dem Jura öffnet und das obere
Elsaß mit den Thälern des Oignon und des Doubs verbindet, gibt dem-
selben zwar strategische Wichtigkeit, dennoch aber möchten wir davon ab-
mahnen dieselbe zu überschätzen. Aller Voraussicht nach werden die fran-
zösischen Gebiete an den Gränzen der Schweiz auch in einem künftigen
Krieg immer nur ein secundäres Operationsgebiet bilden. Die Festung
Belfort ist schon ihren Dimensionen nach keiner von denjenigen festen
Plätzen welche bei einer Offensiv=Unternehmung gegen das obere Elsaß
dem Feind außerordentliche Vortheile zu gewähren vermöchten. Bleibt es
nicht in französischer Hand, so würde eintretenden Falles Besançon diesel-
ben und wohl noch bessere Dienste zu leisten vermögen... Eine deutsche
Offensive gegen das südliche Frankreich, wie sie dießmal eingeleitet wurde,
liegt jedenfalls nicht in dem Maß im Gebiete der Wahrscheinlichkeit daß
bei den neuen Gränzbestimmungen auf dieselbe in entscheidender Weise
Rücksicht genommen werden müßte; gegen eine Offensive von französischer
Seite aber würde uns ein großes verschanztes Lager bei Mülhausen und
Altkirch gewiß denselben, wenn nicht besseren, Schutz gewähren als der
Besitz von Belfort.“ Diesem Urtheil des Militärs darf noch der politische
Grund beigefügt werden: daß nämlich Belfort und seine nächste Umgebung
französisch ist, und daß aus diesem Grund eine Einverleibung desselben,
wenn nicht zwingende strategische Gründe dieselbe erheischen, unzweckmäßig
erscheint. Auch darf nicht vergessen werden daß die Schweiz in dem Verzicht
auf Belfort ein wichtiges Zugeständniß an ihre Jnteressen erblicken wird.
Seien wir zufrieden mit den Bedingungen des langersehnten Friedens;
sie enthalten mehr als wir je erwarten zu können glaubten!
Circulardepesche des Grafen Bismarck vom 17 Febr. 1871.
Berlin, 27 Febr. Der „St.=Anz.“ ist in den Stand gesetzt die
folgende Circulardepesche des Kanzlers Grafen v. Bismarck zu veröffent-
lichen:
Versailles, 17 Febr. 1871. Seit Erlaß meines Circulars vom
9 v. M. über die völkerrechtswidrige Kriegführung der Franzosen sind von
den Militärbehörden und von anderer Seite neue Fälle zu meiner Kennt-
niß gebracht worden.
Jn dem Gefechte bei Le Mans am 11 Januar sind nach dem Bericht
des Generals v. Kraatz=Koschlau von dem Feinde mehrfach Sprenggeschosse
aus Handfeuerwaffen angewendet worden. Eine gleiche Anzeige ist dem
General v. Tresckow über die Gefechte bei Montbéliard in der zweiten
Hälfte des verflossenen Monats zugegangen. Jn Betreff beider Vorgänge
sind gerichtliche Erhebungen im Gange. Daß bei dem Ausfall aus Paris
am 19 Januar mehrere Verwundungen deutscher Truppen durch kleine
Sprengkugeln vorgekommen sind, wird durch eine Anzeige des General-
arztes der dritten Armee bescheinigt, und welche Wirkungen diese Geschosse
in einem bestimmten Falle gehabt haben, ist in einem Berichte des Divi-
sionsarztes der zur dritten Armee gehörigen Garde=Landwehr beschrieben.
Von beiden Schriftstücken beehre ich mich Abschrift beizufügen. Eine ähn-
liche in dem Gefecht bei St. Jean erhaltene Verwundung ist an einem
Unterofficier des oldenburgischen Jnfanterieregiments Nr. 91 durch den
Armeegeneralarzt Dr Löffler constatirt. Das Geschoß, in die Vorderseite
des Schenkels eingedrungen, hatte keine Ausgangsöffnung wie bei gewöhn-
lichen Schußcanälen hinterlassen, dagegen die innern Weichtheile und die
Hinterseite des Schenkels durch furchtbare Brandwunden zerrissen. Endlich
liegt ein Beweisstück französischen Ursprungs darüber vor daß sich ver-
tragswidrige Sprenggeschosse im Besitz der Pariser Garnison befunden
haben. Nach dem Aufstandsversuche des 101. Marschregiments vor dem
Hôtel de Ville am 22 Januar erließ der Maire von Paris, Jules Ferry,
eine in den Pariser Blättern abgedruckte Mittheilung an die Maires der
Arrondissements, in der es wörtlich heißt:
Die Häuser welche dem Hôtel de Ville gegenüberliegen waren im vor-
aus besetzt worden, und es wurde von dort ein lebhaftes Feuer auf das
erste Stockwerk des Hôtel de Ville eröffnet, welches die Spuren davon zeigt.
Es ist bemerkenswerth daß sich unter den Wurfgeschossen viele Spreng-
kugeln und kleine Bomben befanden.
Verwundungen deutscher Patrouillen durch Schrot sind an mehreren
Orten vorgekommen, und bei den Gefechten südlich von Tours, vom 19 bis
zum 24 Januar, in zwei Fällen bewaffneten Bauern Gewehre abgenommen
worden die mit gehacktem Blei geladen waren.
Auch von Verletzungen der Genfer Convention, Ermordungen und
barbarischen Verstümmelungen sind neue beklagenswerthe Beispiele zur
Anzeige gebracht worden.
Am 30 November v. J. wurde der badische Stabsarzt Dr. Klein in
Nuits, während er mit dem Verbinden Verwundeter beschäftigt war, von
feindlichen Soldaten überfallen und durch Gewehrschüsse, sowie durch Kol-
benschläge auf den Kopf getödtet. Diese von zwei unverdächtigen Zeugen
erhärtete Thatsache wird sogar durch das Zugeständniß des französischen
Generals Cremer bestätigt. Letzterer räumte dem an demselben Tage gleich-
falls bei Ausübung seines Berufs gefangen genommenen Stabsarzt Dr.
Klehe gegenüber die Erschießung des ec. Klein und zweier andern Gefan-
genen ein.
Bei Villarie, Kanton Naveil bei Vendôme, wurde am 1 Januar die
Leiche eines Soldaten vom ostpreußischen Cürassierregiment Nr. 3 aufge-
funden dem laut ärztlichem Befund beide Augen aus den Höhlen geschnitten
waren. Auch aus der Gegend von Montbéliard sind ähnliche Schand-
thaten gemeldet worden, über die eine nähere Untersuchung im Gang ist.
Vielfach sind im Bereiche des vierzehnten Armeecorps Fälle vorge-
kommen daß Aerzte und Krankenwärter gefangen genommen und entweder
gar nicht, oder erst nach tagelangen Mißhandlungen verschiedener Art, als
Steinwürfen des Pöbels in den Städten durch die sie geführt wurden, und
dergleichen, wieder in Freiheit gesetzt worden sind. Einer dieser Aerzte, der
Stabsarzt Dr. Bürck, war in der Lage constatiren zu können daß dem
vorgenannten General Cremer die Bestimmungen der Genfer Convention,
seinem eigenen Zugeständnisse nach, gänzlich unbekannt waren. Einem
andern in gleicher Lage befindlichen Arzt, dem Dr. Müller, wurde von
einem französischen Major, als er seinen neutralen Charakter geltend machte,
erwiedert: Berufungen auf die Genfer Convention würden nicht respectirt.
Entsprechend dieser in der französischen Armee leider weit verbreiteten und
in die Praxis übertragenen Anschauung, ist das Personal des sechsten Feld-
lazareths des vierzehnten Armeecorps, welches beim Abzuge der deutschen
Truppen aus Dijon am 27 December v. J. mit den Kranken zurückgeblieben
war, kriegsgefangen nach Nizza und von dort nach Lourdes, Departement
der Basses=Pyrénées, geführt; es ist ferner die Freilassung eines bei dem
Ueberfalle von Fresnes St. Mamés gefangen genommenen Delegirten
der freiwilligen Krankenpflege und dreier Lazarethgehülfen von dem Com-
mandanten von Besançon beharrlich verweigert, und es sind endlich nach
der Räumung von Vésoul die in dem dortigen Lazareth befindlichen schwer-
verwundeten und kranken deutschen Soldaten in Gefangenschaft geführt
worden.
Eure ec. ersuche ich ergebenst dem Hrn. Minister der auswärtigen
Angelegenheiten eine Abschrift dieses Erlasses und seiner Anlage mittheilen
zu wollen. v. Bismarck.
Anlage I. St. Germain en Laye, 22 Jan. 1871. Ew. Hochwohl-
geboren mache ich, in der Voraussetzung daß höhern Orts die Mittheilung
einschlägiger Fälle gewünscht wird, hiedurch folgende Meldung:
Am 19 Januar ist der Lieutenant Barbenés vom Jnfanterieregiment
Nr. 50, welcher bei dem an diesem Tage erfolgten Ausfall durch einen
Gewehrschuß aus nächster Nähe in den rechten Oberarm verletzt worden
war, in meine Behandlung gekommen.
Der Schußcanal beginnt in der Ellenbogenbeuge am vordern Rande
des Musculus biceps mit einer sehr kleinen Oeffnung von dem Umfang eines
kleinen Fingers, läuft über die äußere Fläche des Oberarmknochens, ohne
denselben beschädigt zu haben, hinweg, und endet mit einer 3 Zoll langen
Rißwunde an dem obern Drittheile der Außenseite des Oberarms.
Die Eigenthümlichkeit der Verletzung, nämlich die ungeheuer große
Ausgangsöffnung, im Verhältniß zu der kleinen Eingangsöffnung, die
vollständige Zertrümmerung der ganzen Musculatur, sowie die umfang-
reiche Ablösung vom Knochen mit anfangs starker venöser Blutung, liefert
den deutlichen Beweis daß sie durch eine Explosionskugel zu Stande ge-
kommen sein muß. ( Gez. ) Dr. Starck, Divisionsarzt der Garde=Landwehr-
Division. An den königl. Armee=Generalarzt der III. Armee, Ritter hoher
Orden, Hrn. Dr. Boeger, Hochwohlgeboren.
Anlage II. Br. m. s. p. r. Dem königl. Obercommando der III. Armee
zur Kenntniß gehorsamst überreicht mit dem Hinzufügen daß bei dem letzten
Ausfall in mehreren Fällen derartige Verwundungen mit Zerreißungen
der Weichtheile, welche nur durch Sprenggeschosse möglich sind, beobachtet
wurden. ( gez. ) Boeger, Armee=Generalarzt der III. Armee.
Deutsches Reich.
sym5 München, 28 Febr. Der k. Feldzeugmeister Prinz Luitpold,
welcher während des ganzen Feldzugs als Bevollmächtigter Bayerns im
deutschen Hauptquartier fungirte, wird nach mehr als siebenmonatlicher
Abwesenheit bis nächsten Sonnabend hier zurückerwartet. -- Wie wir ver-
nehmen, wird eine größere Anzahl bayerischer Staatsbeamten, namentlich
auch der Justiz, in den Dienst des Reiches treten, und demnächst An-
stellungen in Elsaß=Lothringen erhalten. -- Hr. v. Arnim ist aus Rom
hier eingetroffen, und wird nächster Tage nach Berlin weiter reisen.
Karlsruhe, 25 Febr. Ueber den gegenwärtigen Stand der Can-
didaturen zum Reichstag gibt die „Bad. L. Z.“ folgende Uebersicht: 1.
Wahlbezirk ( Ueberlingen, Pfullendorf, Meßkirch, Stockach, Radolfzell,
Konstanz ) Abg. Eckhard ( nat.=lib. ) , Frhr. v. Bodmann ( ultram. ) ( de-
mokratisch vacant ) . 2. W.=B.: Abg. Kirsner ( nat.=lib. ) , Fürst zu Für-
stenberg ( ultram. ) ( demokr. vacant ) . 3. W.=B. ( Jestetten, Waldshut,
Säckingen, St. Blasien, Schopfheim, Schönau, Neustadt ) Abg. Hebting
( nat.=lib. ) , v. Stotzingen ( ultram. ) ( demokr. vacant ) . 4. W.=B. ( Lör-
rach, Müllheim, Staufen, Breisach ) , Frhr. v. Roggenbach ( nat.=lib. )
( ultram. und demokr. vacant ) . 5. W.=B. ( Freiburg, Emmendingen, Wald-
kirch ) , Oberbürgermeister Fauler ( nat.=lib. Annahme noch ungewiß ) , Pro-
fessor Alban Stolz ( ultram. ) ( demokr. vacant ) . 6. W.=B. ( Kenzingen,
Ettenheim, Lahr, Wolfach ) Abg. Kiefer, Part. Dahmen ( ultram. ) ( de-
mokratisch vacant ) . 7. W.=B. ( Offenburg, Gengenbach, Oberkirch, Kork )
Abg. Eckhard ( nat.=lib. ) , Abg. Roßhirt ( ultram. ) ( demokr. vacant ) . 8.
W.=B. ( Achern, Bühl, Baden, Rastatt ) Abg. Renk ( nat.=lib. ) , Abg. Len-
der ( ultram. ) , Graf Berlichingen ( demokr., Aufstellung und Annahme
unbestimmt ) . 9. W.=B. ( Gernsbach, Ettlingen, Durlach, Pforzheim ) Fa-
bricant Dennig ( nat.=lib. ) , Notar Vogel ( ultram. ) , Rechtsanwalt Faas
( demokr. ) , Fabricant Mez ( nat.=conserv. ) . 10. W.=B. ( Karlsruhe, Bruch-
sal ) Prinz Wilhelm von Baden ( nat.=lib. und nat.=conserv. ) ( ultram.
und demokr. vacant ) . 11. W.=B. ( Mannheim, Schwetzingen, Weinheim ) ,
Abg. Lamey ( nat.=lib. ) , Abg. v. Feder ( demokr. ) ( ultram. vacant. ) 12.
W.=B. ( Heidelberg, Eberbach, Mosbach ) Abg. Kiefer ( nat.=lib. ) , Dr.
Mittermayer ( demokr. ) . 13. W.=B. ( Sinsheim, Eppingen, Bretten,
Wiesloch, Philippsburg ) Abg. Lamey ( nat.=lib. ) , Frhr. A. v. Göler
( nat.=conserv. ) ( ultram. und demokr. vacant ) . 14. W.=B. ( Buchen, Wall-
dürn, Wertheim, Tauberbischofsheim ) Dr. Herth ( nat.=lib. ) , Bischof
Ketteler von Mainz ( ultram. ) ( demokr. vacant ) . Sonach hat aufgestellt
die nat.=lib. Partei 14 Bewerber, nämlich: die HH. Eckhard ( zweimal ) ,
Kirsner, Hebting, v. Roggenbach, Fauler, Kiefer ( zweimal ) , Renk, Dennig,
Prinz Wilhelm von Baden, Lamey ( zweimal ) und Herth; die national-
conservative Partei 3 Bewerber: die HH. Mez, v. Göler und Prinz
Wilhelm ( letztern gemeinschaftlich mit den Nat.=Lib. ) ; die ultramon-
tane Partei 8 Bewerber, nämlich: die HH. v. Bodmann, Fürst v. Für-
stenberg, Stolz, Dahmen, Roßhirt, Lender, Vogel und Bischof Ketteler;
die demokratische Partei, mit Ausnahme der noch ziemlich nebelhaften
Bewerbung des Grafen Berlichingen, 3 Bewerbungen; nämlich: die HH.
Faas, v. Feder und Mittermayer. Wir glauben übrigens daß im letzten
Augenblick, namentlich von ultramontaner Seite, noch manche Bewerbung
auftauchen wird, da die Leiter derselben entschlossen scheinen ihre Batterien
erst im letzten Augenblick zu demaskiren. Neuere Nachrichten wollen wis-
sen daß von ultramontaner Seite im 7. Wahlkreis Abg. Lender, im 8.
der Abg. Lindau aufgestellt sei.
*** Mainz, 28 Febr. Die Wahlbewegung ist hier zur Zeit eine
sehr lebhafte. Am Sonntag fand im kurfürstlichen Schlosse, im sogenann-
ten Akademiesaal, große Versammlung der Fortschrittspartei statt, an
welcher wohl 1200 Personen theilnahmen, und welche sich mit großer Be-
geisterung für die Wahl Bambergers aussprach. Heute hält die demo-
kratische Partei, welche nach einigem Schwanken Hrn. Dr. Alexis Dumont
aufgestellt hat, ihre Wahlversammlung; doch läßt sich behaupten daß diese
Partei in einer sehr schwachen Minderheit bleiben und höchstens 12 bis
1500 Stimmen auf sich vereinigen wird, obwohl auch unsere Social-
demokraten Hrn. Dumont ihre Stimmen geben wollen. Bedenklicher ist
die Candidatur Moufangs, des Regens und Domcapitulars, für welche
mit dem bekannten Eifer und mit den bekannten Mitteln agitirt wird.
Gestern Abend hielt Hr. Moufang u. a. einen Vortrag über die Arbeiter-
frage, zu welcher alle Arbeiter und Arbeitgeber von Mainz eingeladen
waren; die 90 Proc. Arbeiter unter der Gesammtbevölkerung, die Wehr-
osigkeit derselben den Fabrikherren und überhaupt dem Capital gegenüber,
dann die unbillige Besteuerung ( welche mit höchst tadelnswerther Absicht-
lichkeit so dargestellt wurde als ob die bessergestellten Classen absolut, nicht
relativ weniger Steuern bezahlten als die Arbeiter ) spielten in diesem Vor-
trag eine große Rolle, und als Heilmittel wurden nicht nur Gesetze
gegen Frauen= und Kinderarbeit, gegen übertriebene Arbeitszeit, gegen
ungesunde Fabriklocale u. dgl., sondern auch gegen zu niedrigen Lohn
und gegen willkürliche Entlassung von Arbeitern verlangt, und nicht
minder, ganz in Lassalle'schem Sinne, die Hergabe von Staatssub-
vention für Arbeiter=Associationen, „da ja der Staat auch Garantie für
den Ertrag von Eisenbahnen übernehme.“ Auf solche Weise erfüllt die
Kirche ihre humanistische Aufgabe. Einstweilen ist es nicht unwahrschein-
lich daß weder Bamberger noch Moufang die absolute Mehrheit erhält und
also eine Nachwahl stattfinden muß. -- Aus der Eingangs erwähnten Ver-
sammlung im Akademiesaal verdient ein charakteristischer Vorfall mitge-
theilt zu werden. Hr. Bamberger sprach sich mit großer Heftigkeit über
das Ministerium Dalwigk aus, und äußerte unter anderm: von den „ deut-
schen Grundrechten,“ die er aufstellen würde, gälte sicherlich §. 1 der Be-
seitigung dieses Ministeriums. Zum Belege wie unhaltbar dasselbe der
neuen Gestaltung der Dinge gegenüber sei, führte er sodann die Thatsache
an daß zu den Verfassungsverhandlungen in Versailles Hr. v. Dalwigk
nicht gleich den übrigen süddeutschen Ministern eingeladen worden sei, son-
dern erst habe anfragen lassen müssen ob sein Erscheinen nicht auch ge-
wünscht werde; und gegenwärtig wieder, wo man die süddeutschen Minister
anläßlich der Friedensunterhandlungen nach Versailles eingeladen habe,
sei Hr. v. Dalwigk der einzige an den eine solche Einladung nicht ergangen.
Während die Versammlung in stürmischen Beifall ausbrach, glaubte der
anwesende Polizeibeamte sich dieser Anführung gegenüber seines Vorge-
setzten annehmen zu müssen, und drohte mit Auflösung wenn in diesem
Sinn weiter gesprochen werde. Die hieraus entstehende heftige Aufre-
gung wurde durch die Erklärung des Redners beschwichtigt: er halte zwar
sein Recht so zu sprechen wie er gesprochen für zweifellos, wolle aber, mit
Rücksicht auf den Polizeibeamten selbst und dessen peinliche Lage diesen
Gegenstand verlassen. Uebrigens wird auch mir aus guter Quelle versichert
daß es wohl in nicht zu ferner Zeit mit dem Dalwigk'schen Regiment zu
Ende gehen werde. -- Zur Feier des Friedens wird auch Mainz eine Be-
leuchtung veranstalten; gelegentlich der Uebergabe von Paris war ange-
regt worden die Kosten einer Beleuchtung lieber für wohlthätige Zwecke zu
verwenden. Damals mochte dieß in der Ordnung sein. Eine Friedens-
feier aber läßt die Stadt sich nicht nehmen, und auch für den Empfang
der heimkehrenden Truppen sind die großartigsten Vorbereitungen schon
im Gange.
Berlin, 27 Febr. Der Bundesrath hielt heute Nachmittags um 2 Uhr
unter Vorsitz des Staatsministers Delbrück eine Plenarsitzung. Nach
Verlesung des Protocolls theilte der Vorsitzende den Wortlaut des amtlichen
Telegramms über Unterzeichnung der Friedens=Präliminarien, beziehungs-
weise Verlängerung des Waffenstillstands, mit. Auf Antrag des Präsi-
diums erklärte sich demnächst die Versammlung damit einverstanden daß
die vom Norddeutschen Bund erlassenen Ausfuhrverbote, soweit sie be-
stehen, durch kaiserliche Verordnung wieder aufgehoben werden sobald der
Friede abgeschlossen ist. Durch kaiserliche Verordnung sind in die Aus-
schüsse für Landheer und Seewesen ernannt: I. Landheer und Festungen:
Preußen, Baden, Sachsen, Mecklenburg=Schwerin, Sachsen=Coburg und
Anhalt. II. Seewesen: Preußen, Mecklenburg = Schwerin, Oldenburg,
Lübeck, Bremen. Sodann wurden folgende Vorlagen eingebracht und an
die betreffenden Ausschüsse verwiesen: Handels- ec. Vertrag mit Honduras
( Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten ) ; Antrag Badens wegen Zoll-
einschluß des auf Schweizer Gebiet belegenen Theils des Bahnhofes zu
Constanz; Anträge Badens zum Schadenersatz=Gesetz; Entwurf der Norma-
tiv=Bedingungen für Hafenregulative; Antrag Hessens wegen der Umzugs-
kosten für die zu den vereinsländischen Hauptämtern in den Hansestädten
zu entsendenden Beamten; Antrag Braunschweigs zu dem Schadenersatz-
Gesetz; Antrag Hamburgs wegen der Zollvereinsniederlagen; ein Antrag,
betreffend die Abfertigung von Branntwein aus dem Zollvereins=Gebiet
zum Transit nach Elsaß und Lothringen; Antrag Mecklenburgs wegen des
Weinzoll=Rabatts; Antrag Württembergs wegen derjenigen württember-
gischen Orte die nach dem Wechselstempel=Gesetz als ein Ort zu betrachten
sind. Hiernach wurden nach kurzer Berichterstattung, und zwar überall in
Gemäßheit die Ausschuß=Anträge, angenommen: der Antrag Oldenburgs
wegen Aenderung der Gränze des Freihafenbezirkes Brake, zweitens die
Vorlage über die Wahlkreise in den süddeutschen Staaten und der Entwurf
der Geschäftsordnung. Schließlich kam eine Anzahl von Eingaben zur
Erledigung. Die oben erwähnten Anträge Badens zu dem Schadenersatz
Gesetze betreffen zunächst die Erstattung des gesammten Vermögensnach-
theils welchen der Getödtete während der Krankheit durch Verlust oder Ver-
minderung der Erwerbsfähigkeit erlitten hat. Ferner Verjährung der
Forderung nach zwei Jahren vom Tage der Verletzung auch gegen Min-
derjährige und diesen gleichgestellte Personen. Endlich einige Bestimmun-
gen, wonach in den Fällen in denen die Landesgesetze einen höheren Ersatz-
anspruch gewähren als das Reichsgesetz, das Landesgesetz in Kraft bleibt.
( K. Ztg. )
( -- ) Berlin, 27 Febr. Sämmtliche öffentliche Gebäude und eine
große Anzahl von Privathäusern haben sich jetzt für die bevorstehenden
Friedensfeste gerüstet. Nach dem Wetteifer bei den Vorkehrungen für die
Jllumination zu schließen, wird Berlin in dieser Richtung einen beispiel-
los feenhaften Glanz entfalten. Man kann sich daher denken in welcher
fieberhaften Spannung uns das Ausbleiben bestimmter Nachrichten über
die Lage der Friedensverhandlungen erhält. Niemals griff die Bevölke-
rung gieriger nach den Extrablättern als gestern, da sie von den fliegenden
Zeitungsverkäufern unter den bestechendsten Friedensgesängen ausge-
schrieen wurden. Aber der Jnhalt dieser Extrablätter entsprach nicht ent-
fernt den pomphaften Ankündigungen, und nie sah ich verblüffte Mienen
in solcher Menge als an diesem Tag. Jndessen tröstet man sich ziemlich
allgemein mit der Hoffnung daß der heutige Tag der peinigenden Ungewiß-
heit ein Ende bereiten werde. Wenn man übrigens hie und da sich nicht
ganz der Sorge entschlagen kann daß die Feindseligkeiten heute wieder
beginnen werden, so ist die Ursache eben in jener Ungewißheit zu suchen,
deren beängstigender Eindruck durch den in den letzten Tagen bewerk-
stelligten ziemlich starken Nachschub von frischen Streitkräften wesentlich
erhöht wird. Bis jetzt hat dieser Pessimismus jedoch noch nicht sehr an-
steckend gewirkt. Und in der That liegt ja in der zwingenden Kraft der
Thatsachen eine ziemlich sichere Bürgschaft für das Zustandekommen des
Friedens. Durchaus willkürlich und unberechtigt ist übrigens die Unter-
stellung Brüsseler Blätter daß die Berufung der süddeutschen Minister
nach Versailles deßhalb erfolgt sei, weil es sich bei den Bestimmungen des
Friedens hauptsächlich um die Deckung des süddeutschen Gebiets durch
Elsaß und Lothringen handle. Jhre Einladung ist vielmehr aus keinem
andern Grund als aus dem des Rechts und der Pflicht erfolgt. Der
Bundeskanzler war zu einer solchen Hinzuziehung der Südstaaten zu den
Friedensverhandlungen durch das Versprechen verpflichtet welches diesen
Staaten von unserer Seite bei Ausbruch des Krieges ertheilt worden war,
und letztere hatten auch ohne dieses Versprechen ein Anrecht auf eine Be-
theiligung an den Friedensverhandlungen kraft der Thatsache daß sie als
selbständige Alliirte des Norddeutschen Bundes mit in den Krieg gegen
Frankreich gezogen waren. Eine bedeutende Mitschuld an dem Ausbruch
dieses Krieges hatte unsere Presse dem letzten französischen Militärbevoll-
mächtigten am hiesigen Hof, Oberst Stoffel, zur Last gelegt, weil derselbe
angeblich in allen seinen Berichten sich sehr wegwerfend über die Leistungs-
fähigkeit der preußischen Armee ausgesprochen habe. Wie man sich er-
innert, hatte der Oberst Stoffel unter dieser Jnsinuation sehr arg zu leiden.
Schon damals trat ich jenen Ausstreuungen mit der Erklärung entgegen
daß Oberst Stoffel im Gegentheil mit der höchsten Anerkennung über den
Geist, die Disciplin, die Bewaffnung und die Führung der preußischen
Armee nach Paris berichtet, und mit allem Freimuth sich dahin ausgespro-
chen habe daß die französische Armee der unsrigen nicht gewachsen sei. Wie
sehr ich zu diesem Widerspruch berechtigt war, beweist der jetzt vom
„Staats=Anzeiger“ veröffentlichte Wortlaut der Stoffel'schen Berichte, die
unter den geheimen Papieren des französischen Kaiserreichs in den Tuile-
rien entdeckt worden sind. -- Das Gerücht daß nach dem Friedensschluß
eine allgemeine Landestrauer für die in diesem Kriege gebliebenen Söhne
des Vaterlandes angeordnet werden soll, ist schwerlich begründet, obgleich
dasselbe der „Corresp. Zeidler“ von beachtenswerther Seite bestätigt wird.
Wahrscheinlich wird man das Andenken der Gefallenen nicht durch eine
allgemeine Landestrauer, sondern durch ein feierliches Todtenamt ehren.
Vielleicht wird sich dasselbe an die Einzugsfeierlichkeiten schließen, und an
jenes die großartige Feier der Enthüllung des Denkmals Friedrich Wil-
helms III. Außerdem stehen noch in Aussicht die feierliche Enthüllung
des Sieges=Denkmals und der Schiller=Statue. Die erbeutete Riesen-
kanone Valérie wird wohl gleichzeitig mit dem Kaiser hier eintreffen und
im Castanienwalde neben den drei in den Freiheitskämpfen erbeuteten
Geschützen gegenüber dem Zeughaus aufgestellt werden. -- Die von den
hiesigen Blättern schon gemeldete Berufung der Provinciallandtage gleich
nach dem Schlusse des Reichstages hat ihre ausschließliche Veranlassung
in der Nothwendigkeit der Einsetzung von Organen für die Handhabung,
resp. Ausführung des Bundesgesetzes, betreffend den Unterstützungs-
wohnsitz. -- Jn sämmtlichen hiesigen Wahlbezirken ist die Wiederwahl
der bisherigen Reichstagsabgeordneten gesichert. Von conservativer Seite
sind dießmal die im vorigen Jahr gescheiterten Versuche einen Compromiß
mit den Nationalliberalen herzustellen nicht wieder erneuert worden. Jm
fünften Wahlbezirke wollen die Conservativen dem Candidaten der Fort-
schrittspartei, Hrn. Franz Duncker, in erster Linie den General v. Werder,
in zweiter den vortragenden Rath im Cultusministerium Hrn. Linhoff
entgegenstellen, die weiter vorgeschrittenen Demokraten den Dr. Johann
Jacoby. Linhoffs Candidatur scheint auf einem Compromiß zwischen den
Katholiken und den Conservativen zu beruhen, wird aber ebensowenig
gelingen wie die Candidatur Werders oder diejenige Jacoby's. Die Ka-
tholiken wollen sonst selbständig wählen und für den geistlichen Rath
Müller stimmen, für welchen mit mehr Aussicht auf Erfolg in einem schlesi-
schen Wahlbezirk gewirkt wird.
Oesterreichisch=ungarische Monarchie.
sym13 Wien, 28 Febr. Alle Parteien rüsten. Dem deutschen Partei-
tage, dieser Versammlung virorum obscurorum -- mit geringen Aus-
nahmen, die sich in dieser Umgebung sichtlich wenig behaglich fühlten -- ist
gestern ein Arbeitertag gefolgt, der freilich erst dann gestattet wurde als
derselbe sein „Programm der Socialdemokraten“ in ein harmloseres „ Pro-
gramm der Arbeiterpartei“ umgetauft. Das Ergebniß der Debatte war
abermals eine „Resolution,“ dießmal des Jnhalts daß die Partei ihre
Unterstützung des neuen Cabinets von der Gewährung directer Wahlen,
unbeschränkter Preßfreiheit und vollen Vereins= und Versammlungsrechts
abhängig mache. Neu und nicht ganz bedeutungslos war daß die ein-
zelnen Redner nicht mehr als „Arbeiter“ N. N., sondern als „Bürger“
N. N. zur Tribüne gerufen wurden. -- Der Gesandte in Berlin, Graf
Wimpffen, ist hier angekommen und sofort nach Graz weiter gegangen.
Familienangelegenheiten haben seine Anwesenheit veranlaßt, und er wird
nach Ordnung derselben in kürzester Frist auf seinen Posten zurückkehren.
-- Abermals droht der alten Garde des Burgtheaters ein schwerer Ver-
lust. Ludwig Löwe, schon seit längerer Zeit seiner Bühnenthätigkeit ent-
zogen, ist seiner Auflösung nahe.
sym10 Wien, 28 Febr. Die Ernennung des bisherigen Leiters der
Triester Statthalterei, Hofraths Fidler, zum Sectionschef im Unterrichts-
ministerium hat in allen Kreisen guten Eindruck gemacht. Durch diese
Ernennung ist auf den so hochwichtigen Posten nunmehr ein seiner Cha-
rakterreinheit und wissenschaftlichen Bildung halber hochgeachteter Mann
gestellt. Fidler ist in weitern Kreisen -- er war bekanntlich unter Schmer-
ling Preßleiter -- zu sehr als ein unparteilicher und besonders in religiösen
Angelegenheiten vorurtheilsfreier Mann bekannt, als daß nicht seine Be-
rufung beruhigend auf diejenigen wirken sollte welche eine rückschreitende
Bewegung in unsern Cultus = und Unterrichtsangelegenheiten besorgten.
Würde das Ministerium in dieser Weise fortfahren sich für die verschiede-
nen Ressorts nach den geeigneten Männern -- wirklichen Capacitäten --
umzusehen, so könnte es ihm am Ende wohl noch gelingen manche seiner
Gegner zu bekehren und das ihm -- mit Recht oder Unrecht -- entgegen-
getragene Mißtrauen zu beschwichtigen. -- Von unterrichteter Seite wird
mir versichert daß Graf Hohenwart mit dem Hinweis auf die even-
tuelle Abhängigmachung gewisser auf erweiterten Befugnissen beruhen-
der Landtagsbeschlüsse von der Entscheidung des Reichsraths nur den
Weg andeuten wollte auf welchem die Regierung die Herbeiführung eines
„Ausgleichs“ -- um uns des vielmißbrauchten Ausdrucks zu bedienen
-- für möglich hält. Auch hören wir daß die Regierung entschlossen ist
sich keineswegs auf einen weitern Schriftenwechsel mit den Landtagen im
Wege von Adreßantworten und Rescripten einzulassen, und daß sie die
Verhandlungen der Landtage mit dem Reichsrath für den geeignetsten
modus procedendi hält.
Schweiz.
⨁ Bern, 27 Febr. Der erste diplomatische Vertreter welcher
Hrn. Thiers, dem neuen Lenker der Geschicke Frankreichs, officiell seine
Aufwartung gemacht hat, war Dr. Kern. Jules Favre, welcher, als der
Gesandte der Schweiz sein neues Beglaubigungsschreiben überreichte, ge-
genwärtig war, soll hierin ein gutes Omen für die Fortexistenz der fran-
zösischen Republik erblickt haben; Gedanken ganz anderer Art mögen in
Hrn. Thiers aufgestiegen sein. Jmmerhin soll auch er die dankbarsten
Worte für das schnelle Entgegenkommen der Schwesterrepublik gehabt
haben. J. Favre hatte dem Bundesrath durch Vermittlung der französi-
schen Gesandtschaft in Bern auf telegraphischem Weg für seine schnelle
Wiederaufnahme des amtlichen Verkehrs bereits wie folgt gedankt: „Die
Freundschaft des Schweizer Volkes ist uns theurer als je, und wenn Gott
es zugibt daß wir unsere jetzigen Schwierigkeiten überwinden, so werden
wir keine Gelegenheit versäumen um ihr die Aufrichtigkeit der unsrigen
zu beweisen.“ Auch der neue französische Kriegsminister sandte dem Bun-
desrath durch Hrn. Dr. Kern ein Dankschreiben. Dasselbe lautet wört-
lich: „Das Kriegsministerium hat durch gefällige Vermittlung des Ober-
sten Favre die Listen der in Deutschland internirten französischen Militärs
erhalten, welche durch die Fürsorge des schweizerischen internationalen
Comit é's entworfen worden sind. Das Kriegsministerium hält es für
seine Pflicht der Gesandtschaft für ihre bei dieser Gelegenheit geleisteten
guten Dienste bestens zu danken. Bei diesem Anlaß sei auch ausgesprochen
wie tief sich die französische Regierung für die Sympathien verpflichtet fühlt
mit welchen die Schweiz inmitten einer so grausamen Prüfung unsere Ar-
mee bei sich aufgenommen hat. Diese Gefühle sind die des ganzen Lan-
des, das sich lebhaft gerührt fühlt durch die Bemühungen Jhrer Mitbür-
ger die Leiden unserer Soldaten zu lindern.“ Endlich hat Frankreich der
Schweiz einen thatsächlichen Dank für ihre Sympathien bereits dadurch
abgestattet daß die Zollverwaltungen in Bordeaux, Marseille, Besançon,
Bourg und Chambéry Weisung erhielten die Aus= und Einfuhr von Ge-
treide, Mehl, Futter und Meersalz nach der Schweiz zu gestatten. --
Hinsichtlich des Verkaufs der Pferde der Ostarmee, welcher seit einigen
Tagen begonnen, vernimmt man daß bis jetzt überraschende Erfolge er-
zielt worden sind. Für nur noch einigermaßen im guten Zustande be-
findliche Thiere wurde nicht unter 300 Fr. gezahlt, ja die Preise stiegen
sogar bis auf 600 Fr. und darüber. Die Mehrzahl der Käufer sind fran-
zösische Juden.
Frankreich.
Der nichtamtliche Theil der „Amtszeitung“ vom 25 gibt die Zusam-
mensetzung der 8 Commissionen welche, jede aus 45 Mitgliedern ( 3 von
jedem Bureau ) bestehend, den Zweck haben die Nationalversammlung
über 1 ) den Stand der Militärmacht, 2 ) den Zustand der Marine 3 ) den
Zustand der Finanzen, 4 ) den Zustand der Eisenbahnen, Straßen, Flüsse
und Canäle, 5 ) den Stand der Post= und Telegraphenverbindungen, 6 )
den Stand der inneren Administration, 7 ) den Zustand der besetzten De-
partemente, 8 ) den Zustand des allgemeinen Handels von Frankreich, auf-
zuklären.
Der „Constitutionnel“ schließt einen Artikel in dem er die Aussicht
auf das Zustandekommen des Friedens bespricht mit den Worten: „Wir
sind besiegt, und derart besiegt daß der Sieger uns fast auf Gnade oder
Ungnade in seiner Hand hat. Das muß man begreifen, und warum, von
unserer Seite, solange der Widerstand uns möglich schien, wir ihn ener-
gisch und entschlossen verlangten, und daß wir uns jetzt gar nicht gede-
müthigt fühlen unser Land zur Resignation aufzufordern. Wir haben un-
sere Pflicht gethan; unsere Ehre ist unangetastet; aber der hartnäckigste
Wille verschwindet vor der Nothwendigkeit.“
Die vorgestern mitgetheilte Botschaft des Präsidenten der Vereinigten
Staaten von Nordamerika ist einem Theile der französischen Presse sehr
verdrießlich, und selbst die am meisten gemäßigten Blätter, wie das „J.
des Débats “ und der „Temps,“ können nicht umhin ihrem Unwillen und,
wie sie angeben, ihrem Erstaunen über die Haltung des Generals Grant Luft
zu machen. Das „ Siècle “ sagt mit Entrüstung: „Kein Wort der Sym-
pathie für Frankreich; gerade im Gegentheil ein pomphaftes Lob Deutsch-
lands, welches der Präsident vom Gesichtspunkte der Jnstitutionen der
Vereinigten Staaten rühmt. Dieser sonderbare Vergleich wird gar viele
Leute in Erstaunen setzen, ohne selbst Hrn. v. Bismarck auszunehmen;
Graf Bismarck wird ganz besonders entzückt sein über das Vergessen Frank-
reichs seitens des Präsidenten der Vereinigten Staaten.“ -- Das „J. des
Débats “ meint: wenn auch General Grant große Aehnlichkeit zwischen
den Verfassungen des deutschen Reichs und der nordamerikanischen Repu-
blik finde, so übersehe er dabei daß noch viel größere Verschiedenheiten be-
stehen. Bemerkenswerth sei jedoch in der Präsidentenbotschaft die Stelle
welche von der durch die Stammesverwandtschaft erzeugten großen Jnti-
mität zwischen Deutschland und Amerika spricht, weil sie beweise daß in
Folge der beständigen Emigration der letztern Jahre und der Mischung
der Racen die Vereinigten Staaten heute weniger englisch als deutsch sind.
Man darf demnach nicht darüber erstaunen wenn die Botschaft des Gene-
rals Grant ohne irgendwelchen Vorbehalt so lebhafte Sympathien für
Deutschland ausspricht. Ohne irgendetwas zu übertreiben, kann man sagen
daß wir noch bei dieser Gelegenheit eine der Früchte unserer Expedition von
Mexico ernten -- eines Unternehmens, wie die bonapartistischen Organe
Sorge trugen es sehr laut zu schreien, welches ausgeführt wurde um
die Entwicklung der angelsächsischen Race zu Gunsten der lateinischen Race
zurückzuhalten. Nun aber ist die Unfähigkeit dieser unglückseligen bona-
partistischen Politik so groß, daß wir in dieser schrecklichen Krisis welche
wir durchmachen nicht einmal die Völker der lateinischen Race für uns
haben.“
Aus den Hauptquartieren in Versailles, 21 Febr. berichtet der
„St.=Anz.“: Die Stadt Paris verfehlt nicht sich für die ausländische Hülfe
die ihr bei der Wiederverproviantirung zutheil geworden, durch Dankschreiben
und Adressen erkenntlich zu erweisen. Dagegen hat es noch kein Journal
für der Mühe werth erachtet des Factums zu gedenken daß die erste Unter-
stützung den Parisern von deutscher Seite dargebracht worden ist. Woran
es gleich nach der Capitulation am meisten fehlte, war bekanntlich Mehl.
Als Jules Favre bei Beginn seiner Unterhandlungen in Versailles um
Ueberlassung eines größeren Quantums von diesem Verbrauchsartikel bat,
erhielt von allerhöchster Stelle der General=Jntendant der Armee, General
v. Stosch, den Auftrag 60,000 Ctr. Mehl gegen taxmäßigen Preis zur
Disposition des Gouvernements der nationalen Vertheidigung zu stellen,
und das Gouvernement machte denn auch von dieser Wohlthat zum großen
Theil Gebrauch. Die um Paris führende Demarcationslinie mußte der-
artig gezogen werden, daß sie durch mehrere größere Ortschaften vor der
Stadt mitten hindurch läuft. So fallen z. B. von der Vorstadt St. Denis
die nördlichen Quartiere in den preußischen, die südlichen in den französi-
schen Rayon. Als die deutschen Truppen in St. Denis einrückten, waren
die Vorräthe an Lebensmitteln gänzlich erschöpft, und da Paris sich wei-
gerte die von den Deutschen besetzten Stadttheile ferner zu verproviantiren,
so war hier eine Bevölkerung von einigen tausend Seelen auf die Gnade
der Deutschen angewiesen. Se. Majestät vollzog einen Act kaiserlicher
Huld, indem Allerhöchstdieselben befahlen, daß der Stadt 15,000 Portio-
nen, nach dem reichlichen Maßstab welcher in der Armee üblich ist, unent-
geltlich dargereicht würden. Die angesehenern Journale von Paris, die
für Ordnung und Frieden sind, zollen sämmtlich der staatsmännischen Klug-
heit mit der Thiers in der Sitzung des 17 Febr. die Kammer von einem
in seinen Folgen nicht zu übersehenden Fehlschrittt bewahrte die höchste
Anerkennung. Die stenographischen Berichte, die jetzt vorliegen, lassen keinen
Zweifel daß die Versammlung in Gefahr war sich von Empfindungen fort-
reißen zu lassen die mit der realen Lage der Dinge nicht in Einklang zu
bringen gewesen sein würden. Der Verfasser der „ Lettres Girondines “ -- der
besten und unbefangensten Berichte welche von Bordeaux aus nach Paris
geschrieben werden -- bemerkt zu dem Vorfall: daß die Kammer beinahe
die Unbesonnenheit begangen habe das bekannte Wort Jules Favre's:
„keinen Zollbreit Landes und keinen Stein von unseren Festungen“ zu
wiederholen. „Die Formel von Ferrières “ -- heißt es in jenem Bericht
-- „sanctionirt von der National=Versammlung! Das ist sehr schön, es
ist ergreifend, es ist patriotisch, aber es ist -- unpraktisch. Keine Jllusion
kann Stich halten vor dem gegenwärtigen Verhältniß der deutschen und
der französischen Streitkräfte. Das Blatt dem diese Berichte zufließen, der
„National,“ ein der neuen Regierung nahestehendes Organ, beurtheilt die
Gruppirung der Parteien die zur Ernennung des Hrn. Thiers geführt hat,
in derselben Weise wie dieß in früheren Berichten des „Staats=Anzeigers“
bereits angedeutet wurde. Er constatirt daß die Trennung zwischen den
Orleanisten und den mit den Klerikalen verbundenen Legitimisten jeden Ge-
danken einer monarchischen Gestaltung für den Augenblick unmöglich gemacht
hat. Der stolze Trotz ( morgue ) und das Mißtrauen mit welchem die Par-
teien des, ancien régime “ dem Orleanismus begegneten, hätten diesen
-- so ist die Ansicht des genannten Blattes -- in sein natürliches Lager,
den. Liberalismus, hinübergeführt. „Auf diese Weise“ -- lautet die Schluß-
folgerung wörtlich -- „hat sich eine große liberale Partei gebildet, die,
ohne orleanistisch oder republicanisch zu sein, einfach liberal und fortschritt-
lich ist. Mit Hülfe dieser Partei ist Thiers ohne Beschränkung ( restric-
tion ) zum Oberhaupte der Executivmacht ernannt. Dieß ist zugleich die
Partei die endlich bei uns die gemäßigte Republik begründen wird.“ Ver-
gleicht man hiermit die Rede welche Thiers am 19 Februar vor der Ver-
sammlung in Bordeaux bei Uebernahme der Präsidentschaft des Minister-
conseils gehalten hat, so steht fest daß er die Frage der Verfassungsforma-
tion bis zur Wiederherstellung des Friedens, der Ordnung und der ma-
teriellen Wohlfahrt vertagt haben will.
Jtalien.
== Rom, 19 Febr. An einem unruhigen Tag mußte der Papst
vor seiner Flucht nach Gaëta in die Verweisung der Jesuiten aus der Stadt
willigen; dem Befehle wurde ohne Bedenken gehorcht, so daß man noch vor
Abend desselben Tags die Nachricht „ est locanda “ ( zu vermiethen ) am
Portal des römischen Collegiums für das Publicum angeschlagen fand.
Der Orden scheint jetzt noch einmal in den Fall wie 1848 kommen zu sollen,
nur mit dem Unterschied daß dießmal nicht wie damals tumultuarisch,
sondern unter der Leitung einer soliden Autorität wider ihn vorgegangen
werden dürfte. Der Circolo Cavour hat eine Aufforderung an Roms
Einwohner erlassen, eine Petition an die Kammern um die Entfernung
der Gesellschaft Jesu aus Rom und den römischen Provinzen zu unter-
zeichnen. Nicht wenige Väter werden die Entscheidung gar nicht abwarten,
vielmehr dem Beispiel derer folgen die bereits freiwillig ihre Convicte
verließen und sich in Civilkleider steckten, hier zu bleiben oder von dannen
zu ziehen. Ohne die Predigten des Paters Curci, unter denen eine Philip-
pica wider die hohen und höchsten Personen des neuen Regiments den
Ausschlag gab, wäre es wohl noch nicht so weit gekommen. -- Ein Erlaß
Cardinal Patrizi's über die Civilehe ist bemerkenswerth. Nach frühern
Aeußerungen des Generalvicariats und den betreffenden Vorschriften für
die Pfarrer hätte man von dieser Seite her nur eine unwandelbare Oppo-
sition dawider erwarten sollen, die schließlich bloß die natürliche Folge der
Erklärungen des Papstes in seinen Allocutionen und des Syllabus des
vaticanischen Concils gewesen wäre. Dagegen wird den Pfarrern in
dem Erlaß eine einlenkende Praxis zur Pflicht gemacht, denn die Civilehe
wird unter den gegenwärtigen Umständen für ein unabweisliches Jnstitut
hingenommen und zugelassen, vorausgesetzt daß der Ehebund vorher den
kirchlichen Segen vom Priester erhielt. -- Der Maskenzug der Kreuzritter
am Mittwoch wird von den Klerikalen als eine nichtswürdige, verbreche-
rische, ruchlose Beleidigung Jtaliens, der ganzen katholischen Welt, ja
Gottes selber verdammt. Sie behaupten: der Papst und kein anderer sei
mit dem Führer gemeint gewesen, weil auf seiner Fahne „l'infallibilità“ zu
lesen war. Die siebenzig Kreuzritter waren übrigens nicht, wie sie sagen,
der größern Zahl nach Fremde, sondern ohne Ausnahme Römer.
China.
Aus Peking enthält das „J. de St. Pétersbourg “ höchst pikante
Mittheilungen über den weiteren Verlauf der im Juni vorigen Jahrs
vorgefallenen Christenmetzeleien in Tien=tsin. Bekanntlich wurden im
October 16 Jndividuen hingerichtet welche als Theilnehmer an dem Morde
der Katholiken bezeichnet waren, und der französische Geschäftsträger hatte
es sich nicht nehmen lassen dieser seinem Lande gewährten Genugthuung
beizuwohnen. Wie sich jetzt herausstellt, waren die Hingerichteten jenen
Gräuelthaten ganz fremd geblieben; es waren zum Tode verurtheilte Ver-
brecher, denen man das Geständniß der Mitschuld an jener Metzelei dadurch
abkaufte daß man ihnen versprach für ihre Familien zu sorgen; es war
abgemacht worden wie viele Verbrecher die Civil= und wie viele die Mili-
tärbehörde beizustellen habe. Gleichzeitig fiel aber auch das Haupt eines
unschuldigen Studenten, dessen sich der Commandant von Dagu aus Ei-
fersucht entledigen wollte. Jhre „gemeinschaftliche“ Geliebte mußte gegen
den Studenten Zeugniß ablegen; die Sache kam jedoch ans Tageslicht,
und der Commandant soll nun seines Amtes entsetzt werden. Besser ver-
traut mit der chinesischen Justiz, hat deßhalb der russische Generalconsul in
Tientsin es verweigert seine Zustimmung zur Hinrichtung jener vier Chine-
sen zu geben welche als die Mörder der damals gefallenen drei Russen von
den Behörden bezeichnet werden. Er verlangt namentlich daß die Schuldi-
gen in seiner Gegenwart verhört werden, was bis jetzt verweigert wurde.
Uebrigens ist die nach Frankreich abgesandte Mission, unter Anführung
von Tschun=heu aus 27 Personen bestehend, bereits auf dem Wege; sie soll
dem „Kaiser“ der Franzosen Genugthuung bieten für jene Gräuelthaten,
sich aber gleichzeitig nach London und St. Petersburg begeben; die Dauer
der Reise ist auf sechs Monate festgesetzt. Jn Schanghai, wo sich die Ge-
sandtschaft aufhielt, soll der englische Consul den Botschafter auf offener
Straße gezwungen haben sein Palankin zu verlassen und beim französi-
schen Consul einzukehren um dort Abbitte zu thun. Die Einheimischen,
denen die Mission ohnehin Widerwillen einflößt, freuten sich der Demüthi-
gung des Botschafters und prophezeiten ihm noch viel schlimmere Dinge
bei seiner Ankunft in Europa. Tientsin soll nächstens der Sitz des Gene-
ral=Gouverneurs der Provinz Tschi=li werden, welcher bisher in Bao=din=fu
residirte; es soll dadurch eine größere Aufsicht über die Fremden und Ein-
heimischen erzielt werden; der Posten eines Commandanten der drei nörd-
lichen Hafenstädte wird abgeschafft; die Consuln treten in directen Verkehr
mit dem General = Gouverneur, und die Garnisonen werden in Tien=tsin
und Dagu erheblich vermehrt.
Vereinigte Staaten von Nordamerika.
Washington, 30 Jan. Zur Waffenausfuhr wird der „N. Pr. Z.“
geschrieben: „Endlich hat sich die hiesige Administration veranlaßt gesehen
den von der gesammten deutsch=amerikanischen Presse verdammten Waffen-
schacher durch das Kriegsministerium zu verbieten. Seit Anfang dieses
Jahres waren Extra=Arbeiter im hiesigen Arsenal beschäftigt Waffen und
Munition zu verpacken, und zwar von der besten Sorte, welche sofort zu
Eisenbahn nach Fort Lafayette und Governor's Jsland im Hafen von
New=York verschickt wurden, woselbst die französischen Dampfer sie für
Frankreich in Empfang nahmen. Außerdem wurden von Washington 64
neue gezogene Geschütze mit Laffetten und Geschirren dorthin versandt.
Das beweist daß die nördlichen Vereinigten=Staaten=Arsenale wahrschein-
lich nichts mehr zu verschicken gehabt haben. Daß man schließlich doch
noch ein solches Verbot von Seiten der hiesigen Regierung erlassen, wird
dem Hrn. Grant und seiner Administration schlecht zu stehen kommen.
Der Krieg ist hoffentlich bald vorüber, und dadurch der Waffenschacher so
wie so seinem Ende nahe, und deßhalb wäre es wohl ziemlich überflüssig
gewesen jetzt noch damit zum Vorschein zu kommen. Namentlich gab es
noch viele Deutsche welche, durch Parteirücksichten verblendet, in dem
Wahne verharrten daß die Regierung kein Recht habe den Waffenverkauf
zu sistiren. Da es nun aber doch geschehen ist, so werden selbst die der
Grant'schen Partei freundlich Gesinnten fragen: warum der Präsident dieß
nicht früher gethan habe. Das Verdienst dieses Verbot erzwungen zu
haben, gebührt dem hiesigen Rechtsanwalt Louis Schade, einem gebornen
Berliner oder Brandenburger. Bisher war von dem Waffenschacher nichts
im Congreß vorgekommen. Die drei deutschen Repräsentanten Schurz,
Finkelnburg und Degener hatten aus Parteirücksichten nicht gewagt diese
so wichtige Angelegenheit weder im Senat, noch im Hause zu berühren.
Schade brachte die Sache endlich in den Congreß dadurch daß er am
23 Jan. durch den Repräsentanten Boyd von Missouri ein „Memorial“
im Hause einreichen ließ. Dasselbe wurde an das Comit é für Militär-
Angelegenheiten überwiesen, dessen Vorsitzer, General Logau, vorher die
Versicherung gegeben hatte daß er gegen den getriebenen Waffenschacher
sei. Die Ueberweisung an dieses Comit é ist wohl der Hauptgrund des
obigen Verbots, welches schon am nächsten Tage, am 24 Jan., erfolgte.
Logau, ein ehemaliger Volontär=General von Auszeichnung, ist nicht gut
auf Grant, Sherman und andere aus der Kriegsschule von West=Point
hervorgegangene Generale, welche das Kriegsdepartement inne haben, zu
sprechen. Früher schon hat sich bei andern Gelegenheiten eine gewisse
Eifersucht zwischen beiden Parteien geoffenbart. Da nun Logau kürzlich
zum Senator von Jllinois ( auf 6 Jahre ) gewählt worden ist, und deßhalb
keine besondere Rücksicht auf Grant und dessen Administration zu nehmen
hat, so war diese Ueberweisung gerade an Logau's Comit é den Waffen-
schacherern sehr unangenehm, um so mehr als sie weit mehr Waffen verkauft
haben als bekannt ist, und, um eine Untersuchung zu verhindern, ent-
schlossen sie sich den Handel aufzugeben. Schade's geschicktes Manöver wird
von allen Seiten anerkannt, nur Schurz scheint damit nicht einverstanden
zu sein, um so mehr als ihm ein politischer Gegner ( Schade ist Demokrat )
in einer so wichtigen Angelegenheit zuvorgekommen ist. Es ist hier kein
Geheimniß daß die Regierung nicht schlechte, sondern die besten Waffen
an französische Zwischenhändler verkauft hat. Ohne diesen Waffenverkauf
wäre der Krieg längst vorüber.“
Jndustrie, Handel und Verkehr.
Berlin, 27 Febr. Vorgestern ist die rühmlichst bekannte, bisher im Besitze
des Dr. Strousberg gewesene, ehemals Egestorff'sche Locomotiv= und Ma-
schinen=Fabrik zu Linden bei Hannover in den Besitz einiger der angesehensten
Bankhäuser Hannovers durch Kaufvertrag übergegangen, und es soll auf der Basis
derselben eine Actiengesellschaft begründet werden. -- Jn der am Sonnabend ab-
gehaltenen Generalversammlung der Betheiligten der Norddeutschen Paket-
Beförderungs=Gesellschaft standen folgende Punkte auf der Tagetordnung:
1 ) die Genehmigung des mit dem persönlich haftenden Gesellschafter Hrn. Reinecke
geschlossenen Bertrags über sein Ausscheiden als persönlich haftender Gesellschafter,
2 ) die Auflösung der Gesellschaft, 3 ) Wahl der Liquidatoren. Nach einer sehr
lebhaften Debatte, in welcher es auch an gegenseitigen Vorwürfen der mannickfasten Art
nicht fehlte, wurde ad 1 die Genehmigung mit sehr bedeutender Mehrheit abge-
lehnt, und ad 2 die Liquidation der Gesellschaft einstimmig beschlossen. Zum Li-
quidator hatte die Opposition unter andern auch Hrn. S. A. Keitger in Posen
aufgestellt. Nachdem Hr. Vallette die in den verschiedenen agirenden Cirenlaren
von Hrn. Krüger gegen die Direction und speciell gegen Hrn. Vallette vorge-
brachten Angriffe durch die Acten der Gesellschaft und durch Belege widerlegt
hatte, wurde indessen Hr. Krüger nicht gewählt, dagegen ernannte die Versamm-
lung die HH. Kaufmann Theodor Lassally und Director Hermann Geber hier mit
sehr bedeutender Mehrheit zu Liquidatoren, welche gemeinschaftlich mit den persön-
lich haftenden Gesellschaftern Hrn. Vallette und Reinecke das Amt auszuüben haben
werden.
Berlin, 27 Febr. Die Börse war im gestrigen Privatverkehr anfangs
matt, später fest; auch heut eröffnete sie auf speculativem Gebiet etwas matter,
obwohl die Nachricht von der Unterzeichnung der Friedenspräliminarien bekannt
war. Auch später wurde die Haltung der Börse nicht viel fester. Das Geschäft
war nur in der Liquidation von Ausdehnung; anfangs stellten sich überall Deports
heraus, später wurde für Franzosen bis 1 / 4 Thlr. Report bezahlt; für Lombarden
1 / 8 Thlr. Deport. Banken und Eisenbahnen wenig belebt; Rheinische in gutem
Verkehr. Jnländische und deutsche Fonds fest, inländische höher, Schatzanweisun-
gen, Bundes=Anleihe und Köln=Mindener Prämien Antheilsscheine ( 95 1 / 2 ) belebt.
Von Russen Prämien=Anleihen aus Mangel an Stücken etwas höher, wenigstens
neue, gesucht, Bodencredit höher und lebhaft, alte etwas knapper. Jn inländischen
Prioritäten fand ein gutes Geschäft statt, namentlich in 5proc., in Halberstädtern,
5proc Oberschlesischen und Aachen=Mastrichtern, russische fest aber still, österreichische
schwach behauptet; amerikanische fest, Fort=Wayne begehrt und 2 bis 3 Procent
höher, Alabama fest und auf die Nachricht von der Couponsbezahlung höher
Ungarische Loose wurden mit51 1 / 8 heute gehandelt. Oldenburger37 3 / 8 G.
Frankfurt a. M., 28 Febr. Württ. 5proc. Oblig.99 7 / 16 bez;4 1 / 2 proc
93 3 / 8 bez.; 4proc.86 1 / 4 G.;3 1 / 2 proc. 83 G.; bad. 5proc. Odl.99 1 / 2 bez.;4 1 / 2
proc 93 G.; 4proc. 87 bez;3 1 / 2 proc.84 1 / 4 G.; pfälz. Max=B.109 1 / 4 bez.
4proc. hess. Ludw.=B.137 1 / 8 bez.: bad. 35fl.=L. 61 bez.; kurh. 40Thlr.=L.64 5 / 8 G.;
nass. 25fl. L.38 1 / 2 P.; großh. hess. 50fl.=L.170 1 / 4 P.; 25fl.=L.49 1 / 2 P.; Ausbach-
Gunz. 7fl.=L. 12 P.; Pistolen fl. 9.42--44; doppelte fl. 9.43--45; preuß.
Friedrichsd'or fl. 957 1 / 2 58 1 / 2; holl. 10fl.=Stück fl. 9.54 58; Ducaten fl. 5.
35--37; Ducaten al marco fl. 6.36--38; Napoleorsd'or fl. 9.24 1 / 2 --25 1 / 2; engl.
Sover. fl. 11.53--57. ( Cursbl. d. Ver. Frkf. Ztgu. )
sym11 Frankfurt a. M., 27 Febr. Die Regierung des Kaiserreichs
Brasilien hat mit dem Bankhause v. Rothschild in London ein fünf-
procentiges Staatsanlehen im Betrage von drei Millionen Pfund Ster-
ling abgeschlossen. Da die brasilischen Werthe von jeher an der Londoner Börse
sehr beliebt sind, so wurde auch die neue Anleihe mit entsprechendem Vertrauen
begrüßt und aufgenommen. Noch vor der Allotirung ward diese schon mit1 1 / 2
Procent Agio bezahlt. Zu bedauern ist daß ein solches Werthpapier, welches un-
zweifelhaft gute Garantien bietet, nicht auch unseren deutschen Geldmärkten zuge-
führt wurde. Auch in unseren Capitalistenkreisen dürften dergleichen solide Werthe
für feste Geldanlagen willkommen sein, namentlich im Hinblick auf die nächste Zu-
kunft, indem der Friedensschluß mit Frankreich in allen Ländern des deutschen
Reichs viel Geld in Umlauf bringen wird, und deßhalb ein Steigen der meisten
soliden und gut fundirten Werthe zu erwarten steht. Am meisten werden freilich
hiebei die deutschen Papiere gewinnen, da von der Kriegsentschädigung auch den
Einzelstaaten sehr beträchtliche Summen zufließen, und die voraussichtlich eintretende
Tilgung von Staatsschulden das solide Material für feste Capitalanlagen nicht
unerheblich vermindern dürfte.
Der Bericht des bleibenden Ausschusses des deutschen Handels-
tags an den Reichskanzler über die handelspolitischen Beziehun-
gen zu Frankreich lautet folgendermaßen: Der nahe bevorstehende Friedens-
schluß zwischen Deutschland und Frankreich hat in den Kreisen der diesseitig mate-
riell Betheiligten lebhafte und eingehende Erörterungen hervorgerufen. Eine Reihe
von Thatsachen liegt vor welche die Erweiterung der politischen und wirthschaft-
lichen Gränzen Deutschlands als außer Zweifel stehend erscheinen lassen. Es
gereicht uns zu besonderer Genugthuung hier aussprechen zu können daß in allen
Handelskammern und kaufmännischen Corporationen des gesammten Zollvereins
die Erkenntniß zu Tage getreten ist daß für die Einverleibung von Elsaß und
Lothringen politische und nationale Motive für die speciellere Bestimmung der
künftigen Gränze lediglich militärisch=technische Rücksichten maßgebend sein können.
Und wir dürfen mit einigem Stolz hinzufügen daß auch die schweren wirthschaft-
lichen Bedenken welche sich dagegen anführen ließen nirgends als unbesiegbar be-
zeichnet worden sind. Jndem wir uns unsererseits der Thatsache nicht verschlie-
ßen daß durch die Erweiterung des Marktes nicht nur für den inländischen Con-
sumenten, sondern für diesen Markt selbst dem ausländischen Consum gegenüber
erhebliche Vortheile geschaffen werden, dürfen wir doch nicht verkennen daß einigen
großen Jndustrien des Zollvereins, wie namentlich der Baumwollen = und Eisen-
Jndustrie, durch die Einverleibung der gedachten bisher französischen Landestheile
eine bedenkliche Concurrenz erwächst. Wenn aber selbst aus den betheiligten Krei-
sen dieser Jndustrien ein Widerstreben gegen die Annexion nicht zu Tage getreten
ist, so beruht dieß freilich auf Voraussetzungen deren Erfüllung der ehrerbietigst
unterzeichnete bleibende Ausschuß des Deutschen Handelstags zu unterstützen auf
das lebhafteste sich gedrungen fühlt. Die Form der Verkehrsbeziehungen zwischen
Deutschland und Frankreich ist gegeben durch den zwischen beiden Nationen im
Jahr 1863 errichteten Handelsvertrag. Dieser Vertrag ist bereits vor Ausbruch
des Kriegs unausgesetzt der Gegenstand mannichfaltiger und ernstlicher Klagen von
Seiten des Deutschen Handels = und Jndustrie=Standes gewesen. Nicht allein die
Höhe des Zolltarifs, welcher jede billige Parität zwischen den Producenten beider
Länder zu unsern Ungunsten vermissen läßt, sondern auch einzelne anderweitige
Bestimmungen des Vertrags haben diese Klagen angenscheinlich begründet. Alle
diese Uebelstände, namentlich aber die Normirung des französischen Tarifs, erhal-
ten ein wesentlich erhöhtes Gewicht durch Einverleibung solcher Territorien in denen
die concurrirenden Jndustrien in größtem Maßstab vertreten sind, und welche, wenn
ihnen durch den französischen Tarif der dortseitige Markt erschlossen wird, lediglich
auf den deutschen Markt angewiesen sein werden. Dieser Gesichtspunkt erfor-
dert nicht nur eine Berücksichtigung für die zollvereinsländische Jndustrie, sondern
er ist ebenso durchschlagend für die Jndustrie der neu einverleibten Landestheile.
Aus diesen Gründen müssen wir eine Revision des deutsch = französischen Handels-
vertrags als durchaus nothwendig bezeichnen. Bei der Erörterung der Frage je-
doch: was für den Augenblick am dringendsten erforderlich und was nach Lage der
Dinge erreichbar ist, hat der ehrerbietigst unterzeichnete Ausschuß geglaubt die sofortige
Herstellung irgendwelcher gesetzlichen Normen für den Verkehr zwischen den beiden
Ländern an die Spitze seiner Desiderien stellen zu müssen. Es kann keinem Zwei-
fel unterliegen daß beim Friedensschluß die Wiedererweckung des erloschenen Han-
delsvertrags als das geeignetste Mittel für diesen Zweck angesehen werden muß.
Wir dürfen dabei rücksichtslos vertrauen daß es der Weisheit Ew. Excellenz ge-
lingen wird bei Abschluß des Friedensvertrags diejenigen Maßregeln zu treffen
welche eine Revision des Handelsvertrags in kürzester Frist sicherstellen, und zwar auf
Grundlagen welche den Anforderungen unsers Handels und unserer Jndustrien ent-
gegenkommen. Ew. Excellenz bitten wir zugleich uns zu gestatten in kürzester Frist
eine Denkschrift Ew. Excellenz zu übergeben, welche die Tariffrage nach Maßgabe
des in unsern Acten befindlichen Materials erörtert, und zugleich die Uebelstände
ausführt welche aus den anderweitigen Bestimmungen des bisherigen Handelsver-
trags wie auch einige Mißbräuche aufführt welche uns aus einer willkürlichen Jn-
terpretation des Vertrags von Seiten der französischen Regierung erwachsen sind.
Als solche erlauben wir uns schon heute namentlich und ganz bestimmt anzufüh-
ren 1 ) das schiedsrichterliche Verfahren bei Beanstandung der Werthdeclaration, 2 )
die mißbräuchliche Ausgabe der titres d'acquits-à-caution, 3 ) die ungleiche Be-
handlung von Schiffen. Unsere Bitte faßt sich daher dahin zusammen: daß es Ew.
Excellenz gefallen möge, sofern schon bei Abschluß des Friedensvertrags integrirende
Bestimmungen des bisherigen Handelsvertrags nicht modificirt werden können,
diesen Handelsvertrag zwar sofort pure vorläufig wieder in Kraft treten zu lassen,
gleichzeitig aber hochgeneigtest Sicherstellung für eine demnächstige Revision dessel-
ben in der angegebenen Richtung nehmen zu wollen.
Berlin=Kiel. Von Seiten des Handelsministeriums ist einem Comit é die
Erlaubniß zur Vornahme der generellen Vorarbeiten für die Herstellung einer
Eisenbahn von Berlin über Schwerin und Lübeck nach Seegeberg, resp. Kiel, er-
theilt worden.
Prag=Dux. Die „Wiener Ztg.“ meldet die erfolgte Eröffnung dieser Eisen-
bahn. Dieselbe soll von Prag ( Smichow ) nach Dux zum Anschluß an die Aussig-
Teplitzer und an die Lobositz=Dux=Niklasberger Bahn gehen. Gleichzeitig wird eine
Zweigbahn nach Brüx gebaut. Die constituirende Generalversammlung soll am
28 Februar in Prag stattfinden.
Bodensee=Gürtelbahn. Das heut ausgegebene Stück des „R.=G.=Bl.“
bringt den am 27 August v. J. zwischen Oesterreich=Ungarn, Bavern und der
Schweiz abgeschlossenen und am 11 December ratificirten Staatsvertrag über die
Herstellung einer Eisenbahn von Lindau über Bregenz nach St. Margarethen, so-
wie von Feldkirch nach Buchs.
Die neue Fünfzehn=Millionen=Anleihe der schweizerischen Eid-
genossenschaft, auf welche die Zeichnungen im Anfang etwas zaghaft eingiengen,
hat, wie wir bereits telegraphisch meldeten, kurz vor Ablauf des Termins einen
unerwartet hohen Aufschwung genommen, so daß bedeutende Abminderungen der
gezeichneten Summen stattfinden müssen. Das Gesammtergebniß der Subscrip-
tionsliste beträgt nicht weniger als 105,250,000 Fr., also eine mehr denn sieben-
fache Deckung. Obenan steht in der Zeichnungsliste der Kanton Zürich mit 27
Mill. Fr., ihm zunächst Baselstadt mit 23,689,500 Fr.
* Verloosungskalender für den Monat März 1871.
1 | März. | Bayerische 4proc. 100 Thlr.=Loose von 1866. Gewinnziehung 1 Mai. |
1 | „ | Ocsterr. 100 fl.=Loose von 1864. Zahlung 1 Juni. |
1 | „ | Herz. Sachsen=Meiningen'sche 7 fl.=Loose von 1870 Zieh. 1 April. |
1 | „ | Stadt Augsburg 7 fl.=Loose von 1864. Zahlung 1 März. |
1 | „ | Graf Pappenheim 7 fl.=Loose von 1864. Zahlung 1 Juni. |
1 | „ | Stadt Brüssel 3proc. Loose von 1862 Zahlung 1 Juni. |
1 | „ | Stadt Ostender 25 Frcs.=Loose von 1858. Zahlung 1 Juli. |
1 | „ | Stadt Liller 3proc. 100 Frcs.=Loose von 1860. Zahlung 1 April. |
1 | „ | Stadt Neapel4 2 / 5 proc. 150 Fr.=Loose von 1868. Zahl. 1 Mai. |
1 | „ | Jtalienische Provinz Lerce 10=Fr.=Loose. |
1 | „ | Stadt Bukarest 20 Fr.=Loose von 1869. Zahlung 5 März. |
13 | „ | Russisches 5proc. Prämien=Anlehen von 1866. Zahlung 13 Juni. |
16 | „ | Stadt Mailand 10 Frcs.=Loose von 1866. Zahl. 15 Juni |
31 | „ | Braunschweiger 20 Thlr.=Loose von 1868. Zahlung 30 Juni. |
31 | „ | Badische 35 fl.=Loose von 1845. Zahlung 1.Oct. |