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Allgemeine Zeitung. Nr. 47. Augsburg (Bayern), 16. Februar 1871.

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[Spaltenumbruch] auf die hier zu Gebote stehenden wirft. Es sieht beinahe wie Hohn aus wenn
man die wenigen Geschütze betrachtet, deren Mündungen, wie bei einem com-
petenteren Richter protestirend, gen Himmel schauen, um auf die riesigen
Distancen ihre Geschosse in die so hoch über ihnen liegenden Werke zu
schleudern. Geschieht das, dann blitzt es hie und da in den dunklen Linien
auf, und eines der riesigen Geschosse fährt wie zürnend in die überall ein-
gesehenen Angriffsbatterien. Der hohe Wartthurm auf la Miotte gibt der
Besatzung die Möglichkeit alles was um sie herum vorgeht genau zu be-
obachten, und kaum erhebt sich eine weiße Dampfwolke in irgendeiner Bat-
terie, so hört man auch schon den warnenden Ruf einer Trompete vom
Thurme herab, welche die Bedienung aufmerksam macht daß ein Schuß
kommt.

Dieser Wartthurm ist überhaupt der Aerger der Artilleristen. Auf
die großen Entfernungen konnte man ihm nichts anhaben, und von
welcher Seite man auch kommen mag, ein treuer eifriger Wächter
steht er vor einem, jede Bewegung genau beobachtend. Wird dann eine
seiner Seiten von einem sich durchstehlenden Sonnenstrahl hell beleuchtet,
so sieht es fast aus als wie wenn sich der graue verwitterte Geselle lustig
machte über die tief unten herumkrabbelnde Sippe, die wie der Maulwurf
in dem Boden wühlt um ihre Bewegungen zu verbergen! Seitdem aber unsere
Batterien immer näher und näher herankommen, kann auch er sich nicht
verhehlen daß auf der Welt niemand unantastbar ist und das Recht hat
die andern zu belachen, wenigstens müssen ihn einige in seine Seiten ge-
schleuderten 24Pfünder=Granaten davon zu überzeugen versucht haben.

Bei Beginn der Operationen gegen Belfort handelte es sich natürlich
darum einen Cernirungskreis um dasselbe zu bilden, der ihm alle Hülfe
von außen entziehen und es lediglich auf seine eigenen Kräfte beschränken
sollte. Doch war dieß nicht etwa eine leichte Aufgabe, denn die umliegen-
den Ortschaften waren alle besetzt, und können, wie jetzt der Augenschein
lehrt, sehr wirksam von der Festung bestrichen werden. Unsere wackere Jn-
fanterie aber warf den Feind nach und nach aus allen Positionen, und
nunmehr sind es nur noch zwei Orte welche von unserer Seite nicht besetzt
sind, Vetrigne und Offemont, die gleichsam als neutral betrachtet werden,
denn auch der Feind hat keine eigentliche Besatzung darin, sondern schickt
nur hie und da eine Feldwache hinein. Beide Orte liegen dicht unter La
Miotte, so daß sie von uns nicht gehalten werden könnten. Alle die
Kämpfe um die Ortschaften schwächten die Jnfanterie der Besatzung, aber
es ist dieser Abbruch, sowie das zahlreiche Ueberlaufen beinahe als eine
Säuberung der belagerten Streitkräfte zu betrachten; denn die Jnfanterie-
besatzung ist jedenfalls die Schwäche der Festung, welche Behauptung
wohl hinlänglich ihren Beweis darin findet daß sie es nicht wagte einen
kräftigen Ausfall zu machen zu der Zeit als Bourbaki's Armee nur wenige
Kilometer von der Festung entfernt war, und die Kräfte unserer numerisch so
schwachen Truppen so sehr in Anspruch nahm. Genug hievon; ist auch
mancher brave deutsche Soldat dabei gefallen oder kampfuntauglich gewor-
den, die Ueberlegenheit war auf unserer Seite.

Anders sieht es mit dem artilleristischen Angriff aus. Jm kleinen
begonnen, konnte er zu keinem Resultat führen, um so weniger
als die Besatzungsartillerie ganz das Gegentheil der Besatzungsinfan-
terie ist -- eine gut geschulte Kerntruppe. Die wenigen Batterien mit
welchen man -- verwöhnt durch Straßburg, Schlettstadt und Breisach --
den Angriff im Westen begann, waren natürlich nicht im Stande das Feuer
der wohlarmirten Werke zum Schweigen zu bringen, wohl aber zogen sie
dasselbe so sehr auf sich, daß wir manchen empfindlichen Verlust zu be-
klagen haben.

Die Besatzungsartillerie schießt vorzüglich, und wenn sie ein Vorwurf
trifft, so ist es der daß sie mit ihrer Munition etwas zu verschwenderisch
umgieng, ohne gerade viel zu erreichen. Das Zusammenschießen von Dör-
fern genügt nicht allein den Feind daraus zu vertreiben; unsere wackern
Leute zogen von Haus zu Haus wenn das Feuer zu lästig wurde, verlassen
wurde aber deßhalb kein Dorf. Nach und nach langten Verstärkungen vor
Belfort an, es trafen noch württembergische und bayerische Batterien ein,
so daß Artillerie aus Preußen, Bayern, Württemberg und Baden vereint
den Feind zu bekämpfen suchte.

Das war wahrlich keine leichte Aufgabe! Man rückte nach und nach
mit dem Angriffe gegen Osten. Die große Tragweite und das präcise
Schießen der französischen schweren Festungsgeschütze machte die Anlegung
von Batterien in größerer Nähe unmöglich. Die ersten Batterien wurden
auf ungeheure Distanzen angelegt, und man versuchte von hier aus Justice
und Miotte und das Chateau niederzuhalten, die Percher Schanzen aber
zu bekämpfen. Dieß gelang in so weit daß die schweren Geschütze zum
Schweigen gebracht wurden, und nur noch Feldgeschütze unserm Feuer
antworteten. Man hielt es an der Zeit aus den mittlerweile vorgetrie-
benen Angriffsarbeiten vorzubrechen und einen Sturm zu wagen, der aber
fehlschlug. Das ganze Unternehmen war verrathen, man schlug im Platze[Spaltenumbruch]
schon viel früher Allarm, und unsere in den tiefen Graben hinabgesprun-
gene Jnfanterie wurde mit Rollbomben und Handgranaten derart über-
schüttet und von überlegenen Kräften umzingelt, daß nur ein Weg übrig
blieb: sich zu ergeben, da die steilen Grabenböschungen jeden andern ver-
sperrten.

Nach dieser etwas schmerzlichen Lection gieng man mit dem regel-
mäßigen Angriff * ) vor, und es gelang die beiden Schanzen zu nehmen.
Dieß war kaum geschehen, so richtete der Feind ein so fürchterliches
Feuer dahin wie ich es nie gehört habe. Es fielen etwa 80 Schüsse in der
Minute. Unsere Jnfanterie konnte sich nur mit Mühe in den Werken be-
haupten, und der Batteriebau war unermeßlich schwierig. Auch hier haben
wir manchen wackern Cameraden zu beklagen!

Die Erstürmung der Perchen ist jedoch ein bedeutender Schritt vor-
wärts. Während die Angriffsarbeiten gegen diese Schanzen vorgetrieben
wurden, erbaute die bayerische Artillerie in nächster Nähe drei 24Pfünder
Batterien, die der Feind offenbar für Jnfanterie=Emplacements hielt, sonst
hätte er wohl ein lebhafteres Feuer darauf gerichtet. Hiemit sind wir der
Festung näher auf den Leib gerückt, und es ist wohl nicht zu viel gesagt
wenn ich behaupte: daß der Angriff jetzt in ein Stadium getreten das
wenigstens Aussicht auf Erfolg verspricht -- auf Erfolg, jedoch nicht in
der kürzesten Zeit, sondern erst nach Ueberwindung zahlloser Schwierig-
keiten! ( S. dagegen das Karlsruher Telegramm. D. R. )

Brauche ich nach dem Gesagten wohl noch einige Worte an jene zu
richten die, durch die Erfolge der deutschen Waffen verwöhnt, immer und
immer die größten Errungenschaften in rascher Reihenfolge herbeiwün-
schen? Jst dieß erforderlich, so mögen sie mir glauben daß die Anstren-
gungen unserer Truppen unmenschliche genannt zu werden verdienen. Das
bergige Terrain, die durch den Transport der schweren Lasten ausgefahre-
nen Wege, der durch die strenge Kälte und die Felsen fast unbearbeitbare
Boden, der jetzt durch das Thauwetter grundlose Schmutz in den Tran-
scheen, das alles sind Factoren die eine Reibung erzeugen von welcher man
sich nur einen Begriff machen kann wenn man mit eigenen Augen beobach-
tet hat, und zu deren Ueberwindung eine moralische wie physische Kraft
gehört die mit Necht unser Staunen erregt! Nur eine übermenschliche Ge-
duld und Ausdauer kann uns auf normalem Wege die Festung überlie-
fern; anders wäre es wenn Mangel an Lebensmitteln oder sonstige unvor-
hergesehene Ereignisse die Capitulation herbeiführten.

Gestatten Sie mir deßhalb zum Schluß in der "Allg. Zeitung" die
Bitte auszusprechen daß unsere Landsleute ein Aeußerstes leisten möchten
um unsere arg mitgenommenen Truppen, die bei dem fürchterlichen
Schmutz bald nicht mehr wissen was sie anziehen sollen, nach Thunlichkeit
zu unterstützen.

Ein Besuch in Asnieres.


sym3 Versailles, 11 Febr. Da ich bis jetzt die Erlaubniß zu einem,
allerdings noch gefahrvollen, Besuch in Paris unter keinem plausiblen Vor-
wande zu erlangen wußte, entschloß ich mich gestern, um der Hauptstadt etwas
näher zu sein, mit einem Proviantzuge nach Asnieres hinauf zu fahren, wo
am diesseitigen Ende der Eisenbahnbrücke unsere deutschen Vorposten stehen,
während auf der andern Seite der Brücke die französischen Vorposten auf-
gestellt sind. Die Bahn führt am rechten Seine=Ufer über Ville d'Avray,
St. Cloud, Suresnes, Puteaux und Courbevoie nach Asnieres, von wo
sie, den Fluß überschreitend, durch Clichy und die Vorstadt Les Batignolles
bis zum Bahnhofe der Rue St. Lazare hinunter läuft. Jm Vorbeifahren
sah ich in Courbevoie das leere Postament auf welchem unlängst noch die
alte Napoleonsstatue im grauen Rock und dreieckigen Hute gestanden,
welche der Neffe von der Höhe der Vendomesäule herabnehmen und durch
ein Standbild im Kaisermantel und mit einem Lorbeerkranz ersetzen ließ.
Man hat die weltbekannte Statue, welche mit dem Gesichte dem Triumph-
bogen an der Avenue de la Grande=Armee zugekehrt stand, neuerdings von
ihrem Postament in Courbevoie entfernt und sie nach Paris in Sicherheit
gebracht. Die hübschen Landhäuser in Asnieres, welche meistens nur
zur Sommerszeit bewohnt sind, waren jetzt großentheils verlassen, aber
mit wenigen Ausnahmen in wohlerhaltenem Zustande, da die Stadt unter
dem Schutze der Kanonen der Umwallungsmauer von Paris gegen feind-
liche Angriffe gesichert war. Es ist daher schwer begreiflich weßhalb die
Franzosen die Pfeiler sämmtlicher drei Steinbrücken die hier über die Seine
führen an beiden Ufern gesprengt haben. Auch die Eisenbahnbrücke war
unterminirt; doch ist sie glücklicherweise nicht zerstört worden. Mit eben so un-
nützem Vandalismus haben die Franzosen den herrlichen Park von As-
ni eres, in welchem die berühmten Sommerbälle stattfanden, und sämmt-
liche Alleebäume am Bahnhofe gefällt. Auch die aus den "Geheimnissen
von Paris" bekannte "Jle des Ravageurs," welche der Rendezvousplatz der
Canotiers und mit dichtem Gebüsch überdeckt war, ist völlig abgeholzt,

* ) Das Zeichen einer gewiß energischen Vertheidigung wenn provisorische An-
lagen offene Laufgräben erfordern.

[Spaltenumbruch] auf die hier zu Gebote stehenden wirft. Es sieht beinahe wie Hohn aus wenn
man die wenigen Geschütze betrachtet, deren Mündungen, wie bei einem com-
petenteren Richter protestirend, gen Himmel schauen, um auf die riesigen
Distancen ihre Geschosse in die so hoch über ihnen liegenden Werke zu
schleudern. Geschieht das, dann blitzt es hie und da in den dunklen Linien
auf, und eines der riesigen Geschosse fährt wie zürnend in die überall ein-
gesehenen Angriffsbatterien. Der hohe Wartthurm auf la Miotte gibt der
Besatzung die Möglichkeit alles was um sie herum vorgeht genau zu be-
obachten, und kaum erhebt sich eine weiße Dampfwolke in irgendeiner Bat-
terie, so hört man auch schon den warnenden Ruf einer Trompete vom
Thurme herab, welche die Bedienung aufmerksam macht daß ein Schuß
kommt.

Dieser Wartthurm ist überhaupt der Aerger der Artilleristen. Auf
die großen Entfernungen konnte man ihm nichts anhaben, und von
welcher Seite man auch kommen mag, ein treuer eifriger Wächter
steht er vor einem, jede Bewegung genau beobachtend. Wird dann eine
seiner Seiten von einem sich durchstehlenden Sonnenstrahl hell beleuchtet,
so sieht es fast aus als wie wenn sich der graue verwitterte Geselle lustig
machte über die tief unten herumkrabbelnde Sippe, die wie der Maulwurf
in dem Boden wühlt um ihre Bewegungen zu verbergen! Seitdem aber unsere
Batterien immer näher und näher herankommen, kann auch er sich nicht
verhehlen daß auf der Welt niemand unantastbar ist und das Recht hat
die andern zu belachen, wenigstens müssen ihn einige in seine Seiten ge-
schleuderten 24Pfünder=Granaten davon zu überzeugen versucht haben.

Bei Beginn der Operationen gegen Belfort handelte es sich natürlich
darum einen Cernirungskreis um dasselbe zu bilden, der ihm alle Hülfe
von außen entziehen und es lediglich auf seine eigenen Kräfte beschränken
sollte. Doch war dieß nicht etwa eine leichte Aufgabe, denn die umliegen-
den Ortschaften waren alle besetzt, und können, wie jetzt der Augenschein
lehrt, sehr wirksam von der Festung bestrichen werden. Unsere wackere Jn-
fanterie aber warf den Feind nach und nach aus allen Positionen, und
nunmehr sind es nur noch zwei Orte welche von unserer Seite nicht besetzt
sind, Vetrigne und Offemont, die gleichsam als neutral betrachtet werden,
denn auch der Feind hat keine eigentliche Besatzung darin, sondern schickt
nur hie und da eine Feldwache hinein. Beide Orte liegen dicht unter La
Miotte, so daß sie von uns nicht gehalten werden könnten. Alle die
Kämpfe um die Ortschaften schwächten die Jnfanterie der Besatzung, aber
es ist dieser Abbruch, sowie das zahlreiche Ueberlaufen beinahe als eine
Säuberung der belagerten Streitkräfte zu betrachten; denn die Jnfanterie-
besatzung ist jedenfalls die Schwäche der Festung, welche Behauptung
wohl hinlänglich ihren Beweis darin findet daß sie es nicht wagte einen
kräftigen Ausfall zu machen zu der Zeit als Bourbaki's Armee nur wenige
Kilometer von der Festung entfernt war, und die Kräfte unserer numerisch so
schwachen Truppen so sehr in Anspruch nahm. Genug hievon; ist auch
mancher brave deutsche Soldat dabei gefallen oder kampfuntauglich gewor-
den, die Ueberlegenheit war auf unserer Seite.

Anders sieht es mit dem artilleristischen Angriff aus. Jm kleinen
begonnen, konnte er zu keinem Resultat führen, um so weniger
als die Besatzungsartillerie ganz das Gegentheil der Besatzungsinfan-
terie ist -- eine gut geschulte Kerntruppe. Die wenigen Batterien mit
welchen man -- verwöhnt durch Straßburg, Schlettstadt und Breisach --
den Angriff im Westen begann, waren natürlich nicht im Stande das Feuer
der wohlarmirten Werke zum Schweigen zu bringen, wohl aber zogen sie
dasselbe so sehr auf sich, daß wir manchen empfindlichen Verlust zu be-
klagen haben.

Die Besatzungsartillerie schießt vorzüglich, und wenn sie ein Vorwurf
trifft, so ist es der daß sie mit ihrer Munition etwas zu verschwenderisch
umgieng, ohne gerade viel zu erreichen. Das Zusammenschießen von Dör-
fern genügt nicht allein den Feind daraus zu vertreiben; unsere wackern
Leute zogen von Haus zu Haus wenn das Feuer zu lästig wurde, verlassen
wurde aber deßhalb kein Dorf. Nach und nach langten Verstärkungen vor
Belfort an, es trafen noch württembergische und bayerische Batterien ein,
so daß Artillerie aus Preußen, Bayern, Württemberg und Baden vereint
den Feind zu bekämpfen suchte.

Das war wahrlich keine leichte Aufgabe! Man rückte nach und nach
mit dem Angriffe gegen Osten. Die große Tragweite und das präcise
Schießen der französischen schweren Festungsgeschütze machte die Anlegung
von Batterien in größerer Nähe unmöglich. Die ersten Batterien wurden
auf ungeheure Distanzen angelegt, und man versuchte von hier aus Justice
und Miotte und das Château niederzuhalten, die Percher Schanzen aber
zu bekämpfen. Dieß gelang in so weit daß die schweren Geschütze zum
Schweigen gebracht wurden, und nur noch Feldgeschütze unserm Feuer
antworteten. Man hielt es an der Zeit aus den mittlerweile vorgetrie-
benen Angriffsarbeiten vorzubrechen und einen Sturm zu wagen, der aber
fehlschlug. Das ganze Unternehmen war verrathen, man schlug im Platze[Spaltenumbruch]
schon viel früher Allarm, und unsere in den tiefen Graben hinabgesprun-
gene Jnfanterie wurde mit Rollbomben und Handgranaten derart über-
schüttet und von überlegenen Kräften umzingelt, daß nur ein Weg übrig
blieb: sich zu ergeben, da die steilen Grabenböschungen jeden andern ver-
sperrten.

Nach dieser etwas schmerzlichen Lection gieng man mit dem regel-
mäßigen Angriff * ) vor, und es gelang die beiden Schanzen zu nehmen.
Dieß war kaum geschehen, so richtete der Feind ein so fürchterliches
Feuer dahin wie ich es nie gehört habe. Es fielen etwa 80 Schüsse in der
Minute. Unsere Jnfanterie konnte sich nur mit Mühe in den Werken be-
haupten, und der Batteriebau war unermeßlich schwierig. Auch hier haben
wir manchen wackern Cameraden zu beklagen!

Die Erstürmung der Perchen ist jedoch ein bedeutender Schritt vor-
wärts. Während die Angriffsarbeiten gegen diese Schanzen vorgetrieben
wurden, erbaute die bayerische Artillerie in nächster Nähe drei 24Pfünder
Batterien, die der Feind offenbar für Jnfanterie=Emplacements hielt, sonst
hätte er wohl ein lebhafteres Feuer darauf gerichtet. Hiemit sind wir der
Festung näher auf den Leib gerückt, und es ist wohl nicht zu viel gesagt
wenn ich behaupte: daß der Angriff jetzt in ein Stadium getreten das
wenigstens Aussicht auf Erfolg verspricht -- auf Erfolg, jedoch nicht in
der kürzesten Zeit, sondern erst nach Ueberwindung zahlloser Schwierig-
keiten! ( S. dagegen das Karlsruher Telegramm. D. R. )

Brauche ich nach dem Gesagten wohl noch einige Worte an jene zu
richten die, durch die Erfolge der deutschen Waffen verwöhnt, immer und
immer die größten Errungenschaften in rascher Reihenfolge herbeiwün-
schen? Jst dieß erforderlich, so mögen sie mir glauben daß die Anstren-
gungen unserer Truppen unmenschliche genannt zu werden verdienen. Das
bergige Terrain, die durch den Transport der schweren Lasten ausgefahre-
nen Wege, der durch die strenge Kälte und die Felsen fast unbearbeitbare
Boden, der jetzt durch das Thauwetter grundlose Schmutz in den Tran-
scheen, das alles sind Factoren die eine Reibung erzeugen von welcher man
sich nur einen Begriff machen kann wenn man mit eigenen Augen beobach-
tet hat, und zu deren Ueberwindung eine moralische wie physische Kraft
gehört die mit Necht unser Staunen erregt! Nur eine übermenschliche Ge-
duld und Ausdauer kann uns auf normalem Wege die Festung überlie-
fern; anders wäre es wenn Mangel an Lebensmitteln oder sonstige unvor-
hergesehene Ereignisse die Capitulation herbeiführten.

Gestatten Sie mir deßhalb zum Schluß in der „Allg. Zeitung“ die
Bitte auszusprechen daß unsere Landsleute ein Aeußerstes leisten möchten
um unsere arg mitgenommenen Truppen, die bei dem fürchterlichen
Schmutz bald nicht mehr wissen was sie anziehen sollen, nach Thunlichkeit
zu unterstützen.

Ein Besuch in Asnières.


sym3 Versailles, 11 Febr. Da ich bis jetzt die Erlaubniß zu einem,
allerdings noch gefahrvollen, Besuch in Paris unter keinem plausiblen Vor-
wande zu erlangen wußte, entschloß ich mich gestern, um der Hauptstadt etwas
näher zu sein, mit einem Proviantzuge nach Asnières hinauf zu fahren, wo
am diesseitigen Ende der Eisenbahnbrücke unsere deutschen Vorposten stehen,
während auf der andern Seite der Brücke die französischen Vorposten auf-
gestellt sind. Die Bahn führt am rechten Seine=Ufer über Ville d'Avray,
St. Cloud, Suresnes, Puteaux und Courbevoie nach Asnières, von wo
sie, den Fluß überschreitend, durch Clichy und die Vorstadt Les Batignolles
bis zum Bahnhofe der Rue St. Lazare hinunter läuft. Jm Vorbeifahren
sah ich in Courbevoie das leere Postament auf welchem unlängst noch die
alte Napoleonsstatue im grauen Rock und dreieckigen Hute gestanden,
welche der Neffe von der Höhe der Vendômesäule herabnehmen und durch
ein Standbild im Kaisermantel und mit einem Lorbeerkranz ersetzen ließ.
Man hat die weltbekannte Statue, welche mit dem Gesichte dem Triumph-
bogen an der Avenue de la Grande=Armée zugekehrt stand, neuerdings von
ihrem Postament in Courbevoie entfernt und sie nach Paris in Sicherheit
gebracht. Die hübschen Landhäuser in Asnières, welche meistens nur
zur Sommerszeit bewohnt sind, waren jetzt großentheils verlassen, aber
mit wenigen Ausnahmen in wohlerhaltenem Zustande, da die Stadt unter
dem Schutze der Kanonen der Umwallungsmauer von Paris gegen feind-
liche Angriffe gesichert war. Es ist daher schwer begreiflich weßhalb die
Franzosen die Pfeiler sämmtlicher drei Steinbrücken die hier über die Seine
führen an beiden Ufern gesprengt haben. Auch die Eisenbahnbrücke war
unterminirt; doch ist sie glücklicherweise nicht zerstört worden. Mit eben so un-
nützem Vandalismus haben die Franzosen den herrlichen Park von As-
ni ères, in welchem die berühmten Sommerbälle stattfanden, und sämmt-
liche Alleebäume am Bahnhofe gefällt. Auch die aus den „Geheimnissen
von Paris“ bekannte „Jle des Ravageurs,“ welche der Rendezvousplatz der
Canotiers und mit dichtem Gebüsch überdeckt war, ist völlig abgeholzt,

* ) Das Zeichen einer gewiß energischen Vertheidigung wenn provisorische An-
lagen offene Laufgräben erfordern.
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[783/0003] auf die hier zu Gebote stehenden wirft. Es sieht beinahe wie Hohn aus wenn man die wenigen Geschütze betrachtet, deren Mündungen, wie bei einem com- petenteren Richter protestirend, gen Himmel schauen, um auf die riesigen Distancen ihre Geschosse in die so hoch über ihnen liegenden Werke zu schleudern. Geschieht das, dann blitzt es hie und da in den dunklen Linien auf, und eines der riesigen Geschosse fährt wie zürnend in die überall ein- gesehenen Angriffsbatterien. Der hohe Wartthurm auf la Miotte gibt der Besatzung die Möglichkeit alles was um sie herum vorgeht genau zu be- obachten, und kaum erhebt sich eine weiße Dampfwolke in irgendeiner Bat- terie, so hört man auch schon den warnenden Ruf einer Trompete vom Thurme herab, welche die Bedienung aufmerksam macht daß ein Schuß kommt. Dieser Wartthurm ist überhaupt der Aerger der Artilleristen. Auf die großen Entfernungen konnte man ihm nichts anhaben, und von welcher Seite man auch kommen mag, ein treuer eifriger Wächter steht er vor einem, jede Bewegung genau beobachtend. Wird dann eine seiner Seiten von einem sich durchstehlenden Sonnenstrahl hell beleuchtet, so sieht es fast aus als wie wenn sich der graue verwitterte Geselle lustig machte über die tief unten herumkrabbelnde Sippe, die wie der Maulwurf in dem Boden wühlt um ihre Bewegungen zu verbergen! Seitdem aber unsere Batterien immer näher und näher herankommen, kann auch er sich nicht verhehlen daß auf der Welt niemand unantastbar ist und das Recht hat die andern zu belachen, wenigstens müssen ihn einige in seine Seiten ge- schleuderten 24Pfünder=Granaten davon zu überzeugen versucht haben. Bei Beginn der Operationen gegen Belfort handelte es sich natürlich darum einen Cernirungskreis um dasselbe zu bilden, der ihm alle Hülfe von außen entziehen und es lediglich auf seine eigenen Kräfte beschränken sollte. Doch war dieß nicht etwa eine leichte Aufgabe, denn die umliegen- den Ortschaften waren alle besetzt, und können, wie jetzt der Augenschein lehrt, sehr wirksam von der Festung bestrichen werden. Unsere wackere Jn- fanterie aber warf den Feind nach und nach aus allen Positionen, und nunmehr sind es nur noch zwei Orte welche von unserer Seite nicht besetzt sind, Vetrigne und Offemont, die gleichsam als neutral betrachtet werden, denn auch der Feind hat keine eigentliche Besatzung darin, sondern schickt nur hie und da eine Feldwache hinein. Beide Orte liegen dicht unter La Miotte, so daß sie von uns nicht gehalten werden könnten. Alle die Kämpfe um die Ortschaften schwächten die Jnfanterie der Besatzung, aber es ist dieser Abbruch, sowie das zahlreiche Ueberlaufen beinahe als eine Säuberung der belagerten Streitkräfte zu betrachten; denn die Jnfanterie- besatzung ist jedenfalls die Schwäche der Festung, welche Behauptung wohl hinlänglich ihren Beweis darin findet daß sie es nicht wagte einen kräftigen Ausfall zu machen zu der Zeit als Bourbaki's Armee nur wenige Kilometer von der Festung entfernt war, und die Kräfte unserer numerisch so schwachen Truppen so sehr in Anspruch nahm. Genug hievon; ist auch mancher brave deutsche Soldat dabei gefallen oder kampfuntauglich gewor- den, die Ueberlegenheit war auf unserer Seite. Anders sieht es mit dem artilleristischen Angriff aus. Jm kleinen begonnen, konnte er zu keinem Resultat führen, um so weniger als die Besatzungsartillerie ganz das Gegentheil der Besatzungsinfan- terie ist -- eine gut geschulte Kerntruppe. Die wenigen Batterien mit welchen man -- verwöhnt durch Straßburg, Schlettstadt und Breisach -- den Angriff im Westen begann, waren natürlich nicht im Stande das Feuer der wohlarmirten Werke zum Schweigen zu bringen, wohl aber zogen sie dasselbe so sehr auf sich, daß wir manchen empfindlichen Verlust zu be- klagen haben. Die Besatzungsartillerie schießt vorzüglich, und wenn sie ein Vorwurf trifft, so ist es der daß sie mit ihrer Munition etwas zu verschwenderisch umgieng, ohne gerade viel zu erreichen. Das Zusammenschießen von Dör- fern genügt nicht allein den Feind daraus zu vertreiben; unsere wackern Leute zogen von Haus zu Haus wenn das Feuer zu lästig wurde, verlassen wurde aber deßhalb kein Dorf. Nach und nach langten Verstärkungen vor Belfort an, es trafen noch württembergische und bayerische Batterien ein, so daß Artillerie aus Preußen, Bayern, Württemberg und Baden vereint den Feind zu bekämpfen suchte. Das war wahrlich keine leichte Aufgabe! Man rückte nach und nach mit dem Angriffe gegen Osten. Die große Tragweite und das präcise Schießen der französischen schweren Festungsgeschütze machte die Anlegung von Batterien in größerer Nähe unmöglich. Die ersten Batterien wurden auf ungeheure Distanzen angelegt, und man versuchte von hier aus Justice und Miotte und das Château niederzuhalten, die Percher Schanzen aber zu bekämpfen. Dieß gelang in so weit daß die schweren Geschütze zum Schweigen gebracht wurden, und nur noch Feldgeschütze unserm Feuer antworteten. Man hielt es an der Zeit aus den mittlerweile vorgetrie- benen Angriffsarbeiten vorzubrechen und einen Sturm zu wagen, der aber fehlschlug. Das ganze Unternehmen war verrathen, man schlug im Platze schon viel früher Allarm, und unsere in den tiefen Graben hinabgesprun- gene Jnfanterie wurde mit Rollbomben und Handgranaten derart über- schüttet und von überlegenen Kräften umzingelt, daß nur ein Weg übrig blieb: sich zu ergeben, da die steilen Grabenböschungen jeden andern ver- sperrten. Nach dieser etwas schmerzlichen Lection gieng man mit dem regel- mäßigen Angriff * ) vor, und es gelang die beiden Schanzen zu nehmen. Dieß war kaum geschehen, so richtete der Feind ein so fürchterliches Feuer dahin wie ich es nie gehört habe. Es fielen etwa 80 Schüsse in der Minute. Unsere Jnfanterie konnte sich nur mit Mühe in den Werken be- haupten, und der Batteriebau war unermeßlich schwierig. Auch hier haben wir manchen wackern Cameraden zu beklagen! Die Erstürmung der Perchen ist jedoch ein bedeutender Schritt vor- wärts. Während die Angriffsarbeiten gegen diese Schanzen vorgetrieben wurden, erbaute die bayerische Artillerie in nächster Nähe drei 24Pfünder Batterien, die der Feind offenbar für Jnfanterie=Emplacements hielt, sonst hätte er wohl ein lebhafteres Feuer darauf gerichtet. Hiemit sind wir der Festung näher auf den Leib gerückt, und es ist wohl nicht zu viel gesagt wenn ich behaupte: daß der Angriff jetzt in ein Stadium getreten das wenigstens Aussicht auf Erfolg verspricht -- auf Erfolg, jedoch nicht in der kürzesten Zeit, sondern erst nach Ueberwindung zahlloser Schwierig- keiten! ( S. dagegen das Karlsruher Telegramm. D. R. ) Brauche ich nach dem Gesagten wohl noch einige Worte an jene zu richten die, durch die Erfolge der deutschen Waffen verwöhnt, immer und immer die größten Errungenschaften in rascher Reihenfolge herbeiwün- schen? Jst dieß erforderlich, so mögen sie mir glauben daß die Anstren- gungen unserer Truppen unmenschliche genannt zu werden verdienen. Das bergige Terrain, die durch den Transport der schweren Lasten ausgefahre- nen Wege, der durch die strenge Kälte und die Felsen fast unbearbeitbare Boden, der jetzt durch das Thauwetter grundlose Schmutz in den Tran- scheen, das alles sind Factoren die eine Reibung erzeugen von welcher man sich nur einen Begriff machen kann wenn man mit eigenen Augen beobach- tet hat, und zu deren Ueberwindung eine moralische wie physische Kraft gehört die mit Necht unser Staunen erregt! Nur eine übermenschliche Ge- duld und Ausdauer kann uns auf normalem Wege die Festung überlie- fern; anders wäre es wenn Mangel an Lebensmitteln oder sonstige unvor- hergesehene Ereignisse die Capitulation herbeiführten. Gestatten Sie mir deßhalb zum Schluß in der „Allg. Zeitung“ die Bitte auszusprechen daß unsere Landsleute ein Aeußerstes leisten möchten um unsere arg mitgenommenen Truppen, die bei dem fürchterlichen Schmutz bald nicht mehr wissen was sie anziehen sollen, nach Thunlichkeit zu unterstützen. Ein Besuch in Asnières. sym3 Versailles, 11 Febr. Da ich bis jetzt die Erlaubniß zu einem, allerdings noch gefahrvollen, Besuch in Paris unter keinem plausiblen Vor- wande zu erlangen wußte, entschloß ich mich gestern, um der Hauptstadt etwas näher zu sein, mit einem Proviantzuge nach Asnières hinauf zu fahren, wo am diesseitigen Ende der Eisenbahnbrücke unsere deutschen Vorposten stehen, während auf der andern Seite der Brücke die französischen Vorposten auf- gestellt sind. Die Bahn führt am rechten Seine=Ufer über Ville d'Avray, St. Cloud, Suresnes, Puteaux und Courbevoie nach Asnières, von wo sie, den Fluß überschreitend, durch Clichy und die Vorstadt Les Batignolles bis zum Bahnhofe der Rue St. Lazare hinunter läuft. Jm Vorbeifahren sah ich in Courbevoie das leere Postament auf welchem unlängst noch die alte Napoleonsstatue im grauen Rock und dreieckigen Hute gestanden, welche der Neffe von der Höhe der Vendômesäule herabnehmen und durch ein Standbild im Kaisermantel und mit einem Lorbeerkranz ersetzen ließ. Man hat die weltbekannte Statue, welche mit dem Gesichte dem Triumph- bogen an der Avenue de la Grande=Armée zugekehrt stand, neuerdings von ihrem Postament in Courbevoie entfernt und sie nach Paris in Sicherheit gebracht. Die hübschen Landhäuser in Asnières, welche meistens nur zur Sommerszeit bewohnt sind, waren jetzt großentheils verlassen, aber mit wenigen Ausnahmen in wohlerhaltenem Zustande, da die Stadt unter dem Schutze der Kanonen der Umwallungsmauer von Paris gegen feind- liche Angriffe gesichert war. Es ist daher schwer begreiflich weßhalb die Franzosen die Pfeiler sämmtlicher drei Steinbrücken die hier über die Seine führen an beiden Ufern gesprengt haben. Auch die Eisenbahnbrücke war unterminirt; doch ist sie glücklicherweise nicht zerstört worden. Mit eben so un- nützem Vandalismus haben die Franzosen den herrlichen Park von As- ni ères, in welchem die berühmten Sommerbälle stattfanden, und sämmt- liche Alleebäume am Bahnhofe gefällt. Auch die aus den „Geheimnissen von Paris“ bekannte „Jle des Ravageurs,“ welche der Rendezvousplatz der Canotiers und mit dichtem Gebüsch überdeckt war, ist völlig abgeholzt, * ) Das Zeichen einer gewiß energischen Vertheidigung wenn provisorische An- lagen offene Laufgräben erfordern.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 47. Augsburg (Bayern), 16. Februar 1871, S. 783. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_augsburg47_1871/3>, abgerufen am 27.04.2024.