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Der Arbeitgeber. Nr. 1068. Frankfurt a. M., 20. Oktober 1877.

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[Spaltenumbruch] oder Jhr Vertreter rechtzeitig davon unterrichtet werden. Soweit
von amtlicher Stelle eine derartige Forderung nicht gestellt wird,
schaden Sie Jhrem Jnteresse nicht, wenn Sie es bei dem ursprüng-
lichen Patentgesuche belassen. Auf den Jnhalt von Zusendungen,
wie die uns mitgetheilte...... Rücksicht zu nehmen, haben Sie
keine Veranlassung.

Wir geben Jhnen anheim, von diesem Schreiben denjenigen
Jnteressenten, welche sich mit Jhnen in gleicher Lage befinden,
Mittheilung zu machen."

Kaiserliches Patentamt. Abtheilung I.

Zur Erklärung des oben mitgetheilten amtlichen Schreibens
bringt die "Deutsche Reichscorresp." Folgendes: "Jm verflossenen
Frühjahre machte ein Artikel unter der Ueberschrift "Deutschenhaß"
die Runde durch alle Zeitungen, in welchen der Brief eines Pariser
Friseurs an die Patentagenten J. Brandt und G. W. von
Nawrocky
zu Berlin mitgetheilt war, der sich in ergötzlichen
Redensarten die Belästigung mit Gesuchen von Verwerthung deutscher
Erfindungen verbat. Es war dies leider nicht das einzige Beispiel,
das geeignet ist, einen unglücklichen Nationalhaß zu nähren und
schien es deßhalb geeignet, zu erörtern, wie weit die Zeitungen
wahr berichtet wurden. Jn Folge dieser Erörterungen hat sich
denn schon damals herausgestellt, daß es weder in der von dem
Briefsteller angeführten Straße, noch überhaupt in Paris einen
Friseur eines Namens gäbe, den J. Brandt und G. W. von
Nawrocky
aufwiesen. Man nahm aber nichts destoweniger keine
Ursache, die letztgenannte Firma mit der Verbreitung des Briefes
einer Reclame zu beschuldigen. Erst unlängst ( unter 18. August )
ist auch in unserer Correspondenz allerdings unter Weglassen des
Namens eine Mittheilung geschehen, die eine Warnung an die
Oeffentlichkeit bedeutete gegen derzeit von J. Brandt und G. W.
von Nawrocky in Scene gesetzte Beunruhigungen des Publikums,
die Ausführung des Patentgesetzes betreffend. Jn diesem Augen-
blicke sind die unwürdigen Schritte dieser Patentagenten zu einem
Eclat gediehen. Der Umstand, daß dieselben in öffentlichen Circu-
laren als Referenz unter anderen auch das Königlich Preußische
Handelsministerium anführten und daß sie selbst, nachdem der vor-
läufige Schutz auf Erfindungen ertheilt war, ohne allen Unterschied
allen Patentsuchenden nach dem Erscheinen der täglichen Listen be-
wußt
die falsche Mittheilung machten: die Anlagen zu ihrem Ge-
suche befänden sich nicht in Ordnung und würden "wahrscheinlich"
zurückgewiesen werden, und die Klagen über dieses Vorgehen resp.
diese falschen Mittheilungen, die dem Kaiserlichen Patentamte durch
die Patentsuchenden in Menge übersandt wurden, haben nun zu
dem Antrag geführt, daß die Firma J. Brandt und G. W. von
Nawrocky
als erste gegen sie seitens der eigenen Fachgenossen zur
Abwehr geschehende Maßregel, aus dem "Verein der Patentanwalte"
ausgeschieden werden soll. Das Kaiserliche Patentamt hat seiner-
seits den Gesuchstellern die Antwort ertheilt, daß es in keinerlei
Beziehungen zu der genannten Firma stehe, während das Handels-
ministerium den Referenzbezug selbstverständlich desavouirt.

Wie die Frankf. Ztg. meldet, befindet sich gegenwärtig ein
Bevollmächtigter der luxemburgischen Regierung in Berlin, um
mit der Reichsregierung wegen Ausdehnung des deutschen Patent-
gesetzes auf Luxemburg zu verhandeln.

* Preisaufgaben. Die Bauer=Hofman=Stiftung in
Frankfurt für Unterstützung und Prämiirung neuer technischer Er-
findungen hatte voriges Jahr zum zweiten Male einen Preis von
1000 M. ausgeschrieben für die Erfindung eines Motors an der
Nähmaschine, welcher die Fußarbeit an derselben ersetzt. Es waren
diesmal acht Bewerbungen eingegangen. Die Preisrichter haben
aber keiner derselben den Preis zuerkannt. Die Preisfrage dürfte
nunmehr ihre Erledigung finden ( ? ) durch die Erfindung des Wiener
Mechanikers Josef Schreiber, der einen starken Federmotor er-
sann, dessen Mechanismus die selbstthätige Bewegung an Stelle der
menschlichen Fußarbeit bewirkt. Wir bezweifeln, ob die Frage auf
diesem Wege zu lösen ist. Federmotoren gibt es längst und zwar
sehr gute, wie z. B. der sogar in Preußen patentirte Adam' sche;
allein das Aufziehen derselben erfordert soviel Zeit und Kraft, daß
nichts gespart wird, außer da, wo ein besonderer Arbeiter dafür
stets zur Hand ist.

-- Die für 1875/76 ausgeschriebenen Preise der bayrischen
Ludwigs=Stiftung von 200 und 300 M. für eine [unleserliches Material - 11 Zeichen fehlen]Salon=Lampe
und eine Regulator=Uhr sind von Neuem ausgeschrieben worden,
weil befriedigende Lösungen nicht einliefen.

[Spaltenumbruch]

* Statistik. Das Augustheft des statistischen Monatsh. des
deutschen Reiches bringt Nachweise über die Bierbrauerei und den
Verbrauch an Bier, die Einfuhr englischer Waaren, die Geschäfts-
thätigkeit der Zollverwaltungen, die Ein= und Ausfuhr im August
und die Zuckerfabrikation.

-- Dr. Mayr, Vorsteher des bayrischen statistischen Büreau
gibt in seinem trefflichen Werke über die Verbreitung der Blinden,
Taubstummen
ec. die Zahl der Blinden in Deutschland auf
38,000 an oder 88 auf 100,000 Einwohner. Die meisten Blin-
den sind im Osten ( 90--120 ) , in ganz Europa und Amerika gibt
es 215,000 oder 87 auf 100,000 Einwohner. Jn Amerika und
Australien ist das Verhältniß nur 52 und in den englischen Colo-
nien 38. Jn Europa haben sehr wenig die Niederlande ( 44 ) und
Oesterreich ( 55 ) , viel England ( 98 ) , Jtalien ( 101 ) , Spanien ( 112 ) ,
Ungarn ( 120 ) und Norwegen ( 136 ) , Finnland hat gar ( 224 ) .
Zur Heilung der Augenkrankheiten und Verhütung derselben mag
dies manchen Wink geben.

Taubstumme gibt es weniger ( 152,000 für beide genannte
Welttheile ) . Auch hier ist Amerika mit 42 im Vortheil gegen
Europa ( 78 ) und Holland ( 33 ) steht mit Belgien ( 43 ) am gün-
stigsten. Die schlimmsten Verhältnisse zeigt wieder der Osten
( Preußen, Posen ) mit ( 120--178 ) und die Schweiz ( wegen ihrer
Kretinen ) mit ( 245 ) .

Die Zahl der Blödsinnigen ist ziemlich groß: 140 in
Deutschland, Frankreich nur 114. Bei den Jrrsinnigen ( 40--
60 ) fällt zunächst die hohe Quote der städtischen und industriellen
Bezirke auf.

* Eisenbahnen. Jn Wildungen ist ein Ausschuß zum
Bau einer Secundärbahn nach Wabern an die Main=Weserbahn
zusammengetreten.

* Papiergeld. Die preußischen Kassenanweisungen vom 2. No-
vember 1851, 15. December 1856 und 13. Februar 1861, ver-
lieren laut eben erfolgten Erlasses ihre Gültigkeit am 30. März 1878.

* Vereinswesen. Von den religiösen Secten und Ultramon-
tanen, die unermüdlich in ihrer Propaganda sind, können unsere
Vereine noch Viel lernen. So ist nach dem Kalender "Deutscher
Volksfreund" die Zahl der "Herbergen zur Heimath" allmälich auf
112 gestiegen. Noch ungleich zahlreicher sollen die katholischen Ge-
sellenhäuser sein.

Jn Breslau haben die Specereikrämer die Handelskammer
aufgefordert dahin zu wirken, daß die Consumvereine Gewerbe-
steuer zahlen müßten. Das preußische Obertribunal hat s. Z.
entschieden, daß Genossenschaften, die nicht an das Publikum ver-
kaufen, keine Steuer zu zahlen brauchen, und wird schwerlich wie-
der davon abgehen.

* Volksbildung. Der Ausschuß des neu begründeten Ver-
bandes mittelrheinischer Bildungsvereine
hat in seiner
gestrigen Sitzung den geschäftsführenden Vorstand gewählt. Der-
selbe besteht aus den Herren Franz Wirth I. Vorsitzender, A.
Bergsträßer aus Darmstadt II. Vorsitzender, Dr. Kobelt aus
Schwanheim I. Schriftführer, Lehrer Merz aus Bockenheim II.
Schriftführer und Oberlehrer Chun, Rechnungsführer, von hier.
Als zunächst zu verfolgende Aufgaben wurden ins Auge gefaßt:
1 ) die Veranstaltung von Vorträgen, woran es bis jetzt na-
mentlich den kleinen Vereinen besonders fehlt und 2 ) die Grün-
dung neuer Vereine,
Gewinnung von Mitgliedern und An-
regung der allgemeinen Theilnahme des Volkes für die Bildungs-
Bestrebungen. Es soll dazu ein Aufruf an alle Vereine und
Gesellschaften erlassen werden, welche geeignet sind diese Bestrebungen
zu fördern, wenn sie sich auch nicht direct damit befassen. Dabei
wurde die Hoffnung ausgesprochen, daß die gesammte Presse den
Vorstand namentlich bei Verbreitung des Aufrufes und Aufklärung
des Publikums über die Ziele des Verbandes eifrigst unterstützen
möge. Als weitere später zu verfolgende Aufgabe wurde auf-
gestellt: die Errichtung von Fortbildungsschulen, Volksbibliotheken,
Leseabenden, die Anschaffung oder Miethe eines Volksmuseums,
größerer Lehrmittel und Apparate und die Herausgabe von Flug-
schriften, um die große Masse des Volkes über die wichtigsten
Fragen des täglichen Lebens und Dinge, welche in der Schule
nicht gelehrt werden können, aufzuklären. Der jährliche Beitrag
für den Verband beträgt nur 5 M. für 100 Mitglieder eines bei-
tretenden Vereines. Anmeldungen wegen Vorträgen sind an den
Vorstand zu richten.

[Spaltenumbruch] oder Jhr Vertreter rechtzeitig davon unterrichtet werden. Soweit
von amtlicher Stelle eine derartige Forderung nicht gestellt wird,
schaden Sie Jhrem Jnteresse nicht, wenn Sie es bei dem ursprüng-
lichen Patentgesuche belassen. Auf den Jnhalt von Zusendungen,
wie die uns mitgetheilte...... Rücksicht zu nehmen, haben Sie
keine Veranlassung.

Wir geben Jhnen anheim, von diesem Schreiben denjenigen
Jnteressenten, welche sich mit Jhnen in gleicher Lage befinden,
Mittheilung zu machen.“

Kaiserliches Patentamt. Abtheilung I.

Zur Erklärung des oben mitgetheilten amtlichen Schreibens
bringt die „Deutsche Reichscorresp.“ Folgendes: „Jm verflossenen
Frühjahre machte ein Artikel unter der Ueberschrift „Deutschenhaß“
die Runde durch alle Zeitungen, in welchen der Brief eines Pariser
Friseurs an die Patentagenten J. Brandt und G. W. von
Nawrocky
zu Berlin mitgetheilt war, der sich in ergötzlichen
Redensarten die Belästigung mit Gesuchen von Verwerthung deutscher
Erfindungen verbat. Es war dies leider nicht das einzige Beispiel,
das geeignet ist, einen unglücklichen Nationalhaß zu nähren und
schien es deßhalb geeignet, zu erörtern, wie weit die Zeitungen
wahr berichtet wurden. Jn Folge dieser Erörterungen hat sich
denn schon damals herausgestellt, daß es weder in der von dem
Briefsteller angeführten Straße, noch überhaupt in Paris einen
Friseur eines Namens gäbe, den J. Brandt und G. W. von
Nawrocky
aufwiesen. Man nahm aber nichts destoweniger keine
Ursache, die letztgenannte Firma mit der Verbreitung des Briefes
einer Reclame zu beschuldigen. Erst unlängst ( unter 18. August )
ist auch in unserer Correspondenz allerdings unter Weglassen des
Namens eine Mittheilung geschehen, die eine Warnung an die
Oeffentlichkeit bedeutete gegen derzeit von J. Brandt und G. W.
von Nawrocky in Scene gesetzte Beunruhigungen des Publikums,
die Ausführung des Patentgesetzes betreffend. Jn diesem Augen-
blicke sind die unwürdigen Schritte dieser Patentagenten zu einem
Eclat gediehen. Der Umstand, daß dieselben in öffentlichen Circu-
laren als Referenz unter anderen auch das Königlich Preußische
Handelsministerium anführten und daß sie selbst, nachdem der vor-
läufige Schutz auf Erfindungen ertheilt war, ohne allen Unterschied
allen Patentsuchenden nach dem Erscheinen der täglichen Listen be-
wußt
die falsche Mittheilung machten: die Anlagen zu ihrem Ge-
suche befänden sich nicht in Ordnung und würden „wahrscheinlich“
zurückgewiesen werden, und die Klagen über dieses Vorgehen resp.
diese falschen Mittheilungen, die dem Kaiserlichen Patentamte durch
die Patentsuchenden in Menge übersandt wurden, haben nun zu
dem Antrag geführt, daß die Firma J. Brandt und G. W. von
Nawrocky
als erste gegen sie seitens der eigenen Fachgenossen zur
Abwehr geschehende Maßregel, aus dem „Verein der Patentanwalte“
ausgeschieden werden soll. Das Kaiserliche Patentamt hat seiner-
seits den Gesuchstellern die Antwort ertheilt, daß es in keinerlei
Beziehungen zu der genannten Firma stehe, während das Handels-
ministerium den Referenzbezug selbstverständlich desavouirt.

Wie die Frankf. Ztg. meldet, befindet sich gegenwärtig ein
Bevollmächtigter der luxemburgischen Regierung in Berlin, um
mit der Reichsregierung wegen Ausdehnung des deutschen Patent-
gesetzes auf Luxemburg zu verhandeln.

* Preisaufgaben. Die Bauer=Hofman=Stiftung in
Frankfurt für Unterstützung und Prämiirung neuer technischer Er-
findungen hatte voriges Jahr zum zweiten Male einen Preis von
1000 M. ausgeschrieben für die Erfindung eines Motors an der
Nähmaschine, welcher die Fußarbeit an derselben ersetzt. Es waren
diesmal acht Bewerbungen eingegangen. Die Preisrichter haben
aber keiner derselben den Preis zuerkannt. Die Preisfrage dürfte
nunmehr ihre Erledigung finden ( ? ) durch die Erfindung des Wiener
Mechanikers Josef Schreiber, der einen starken Federmotor er-
sann, dessen Mechanismus die selbstthätige Bewegung an Stelle der
menschlichen Fußarbeit bewirkt. Wir bezweifeln, ob die Frage auf
diesem Wege zu lösen ist. Federmotoren gibt es längst und zwar
sehr gute, wie z. B. der sogar in Preußen patentirte Adam' sche;
allein das Aufziehen derselben erfordert soviel Zeit und Kraft, daß
nichts gespart wird, außer da, wo ein besonderer Arbeiter dafür
stets zur Hand ist.

-- Die für 1875/76 ausgeschriebenen Preise der bayrischen
Ludwigs=Stiftung von 200 und 300 M. für eine [unleserliches Material – 11 Zeichen fehlen]Salon=Lampe
und eine Regulator=Uhr sind von Neuem ausgeschrieben worden,
weil befriedigende Lösungen nicht einliefen.

[Spaltenumbruch]

* Statistik. Das Augustheft des statistischen Monatsh. des
deutschen Reiches bringt Nachweise über die Bierbrauerei und den
Verbrauch an Bier, die Einfuhr englischer Waaren, die Geschäfts-
thätigkeit der Zollverwaltungen, die Ein= und Ausfuhr im August
und die Zuckerfabrikation.

-- Dr. Mayr, Vorsteher des bayrischen statistischen Büreau
gibt in seinem trefflichen Werke über die Verbreitung der Blinden,
Taubstummen
ec. die Zahl der Blinden in Deutschland auf
38,000 an oder 88 auf 100,000 Einwohner. Die meisten Blin-
den sind im Osten ( 90--120 ) , in ganz Europa und Amerika gibt
es 215,000 oder 87 auf 100,000 Einwohner. Jn Amerika und
Australien ist das Verhältniß nur 52 und in den englischen Colo-
nien 38. Jn Europa haben sehr wenig die Niederlande ( 44 ) und
Oesterreich ( 55 ) , viel England ( 98 ) , Jtalien ( 101 ) , Spanien ( 112 ) ,
Ungarn ( 120 ) und Norwegen ( 136 ) , Finnland hat gar ( 224 ) .
Zur Heilung der Augenkrankheiten und Verhütung derselben mag
dies manchen Wink geben.

Taubstumme gibt es weniger ( 152,000 für beide genannte
Welttheile ) . Auch hier ist Amerika mit 42 im Vortheil gegen
Europa ( 78 ) und Holland ( 33 ) steht mit Belgien ( 43 ) am gün-
stigsten. Die schlimmsten Verhältnisse zeigt wieder der Osten
( Preußen, Posen ) mit ( 120--178 ) und die Schweiz ( wegen ihrer
Kretinen ) mit ( 245 ) .

Die Zahl der Blödsinnigen ist ziemlich groß: 140 in
Deutschland, Frankreich nur 114. Bei den Jrrsinnigen ( 40--
60 ) fällt zunächst die hohe Quote der städtischen und industriellen
Bezirke auf.

* Eisenbahnen. Jn Wildungen ist ein Ausschuß zum
Bau einer Secundärbahn nach Wabern an die Main=Weserbahn
zusammengetreten.

* Papiergeld. Die preußischen Kassenanweisungen vom 2. No-
vember 1851, 15. December 1856 und 13. Februar 1861, ver-
lieren laut eben erfolgten Erlasses ihre Gültigkeit am 30. März 1878.

* Vereinswesen. Von den religiösen Secten und Ultramon-
tanen, die unermüdlich in ihrer Propaganda sind, können unsere
Vereine noch Viel lernen. So ist nach dem Kalender „Deutscher
Volksfreund“ die Zahl der „Herbergen zur Heimath“ allmälich auf
112 gestiegen. Noch ungleich zahlreicher sollen die katholischen Ge-
sellenhäuser sein.

Jn Breslau haben die Specereikrämer die Handelskammer
aufgefordert dahin zu wirken, daß die Consumvereine Gewerbe-
steuer zahlen müßten. Das preußische Obertribunal hat s. Z.
entschieden, daß Genossenschaften, die nicht an das Publikum ver-
kaufen, keine Steuer zu zahlen brauchen, und wird schwerlich wie-
der davon abgehen.

* Volksbildung. Der Ausschuß des neu begründeten Ver-
bandes mittelrheinischer Bildungsvereine
hat in seiner
gestrigen Sitzung den geschäftsführenden Vorstand gewählt. Der-
selbe besteht aus den Herren Franz Wirth I. Vorsitzender, A.
Bergsträßer aus Darmstadt II. Vorsitzender, Dr. Kobelt aus
Schwanheim I. Schriftführer, Lehrer Merz aus Bockenheim II.
Schriftführer und Oberlehrer Chun, Rechnungsführer, von hier.
Als zunächst zu verfolgende Aufgaben wurden ins Auge gefaßt:
1 ) die Veranstaltung von Vorträgen, woran es bis jetzt na-
mentlich den kleinen Vereinen besonders fehlt und 2 ) die Grün-
dung neuer Vereine,
Gewinnung von Mitgliedern und An-
regung der allgemeinen Theilnahme des Volkes für die Bildungs-
Bestrebungen. Es soll dazu ein Aufruf an alle Vereine und
Gesellschaften erlassen werden, welche geeignet sind diese Bestrebungen
zu fördern, wenn sie sich auch nicht direct damit befassen. Dabei
wurde die Hoffnung ausgesprochen, daß die gesammte Presse den
Vorstand namentlich bei Verbreitung des Aufrufes und Aufklärung
des Publikums über die Ziele des Verbandes eifrigst unterstützen
möge. Als weitere später zu verfolgende Aufgabe wurde auf-
gestellt: die Errichtung von Fortbildungsschulen, Volksbibliotheken,
Leseabenden, die Anschaffung oder Miethe eines Volksmuseums,
größerer Lehrmittel und Apparate und die Herausgabe von Flug-
schriften, um die große Masse des Volkes über die wichtigsten
Fragen des täglichen Lebens und Dinge, welche in der Schule
nicht gelehrt werden können, aufzuklären. Der jährliche Beitrag
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[0003] oder Jhr Vertreter rechtzeitig davon unterrichtet werden. Soweit von amtlicher Stelle eine derartige Forderung nicht gestellt wird, schaden Sie Jhrem Jnteresse nicht, wenn Sie es bei dem ursprüng- lichen Patentgesuche belassen. Auf den Jnhalt von Zusendungen, wie die uns mitgetheilte...... Rücksicht zu nehmen, haben Sie keine Veranlassung. Wir geben Jhnen anheim, von diesem Schreiben denjenigen Jnteressenten, welche sich mit Jhnen in gleicher Lage befinden, Mittheilung zu machen.“ Kaiserliches Patentamt. Abtheilung I. Zur Erklärung des oben mitgetheilten amtlichen Schreibens bringt die „Deutsche Reichscorresp.“ Folgendes: „Jm verflossenen Frühjahre machte ein Artikel unter der Ueberschrift „Deutschenhaß“ die Runde durch alle Zeitungen, in welchen der Brief eines Pariser Friseurs an die Patentagenten J. Brandt und G. W. von Nawrocky zu Berlin mitgetheilt war, der sich in ergötzlichen Redensarten die Belästigung mit Gesuchen von Verwerthung deutscher Erfindungen verbat. Es war dies leider nicht das einzige Beispiel, das geeignet ist, einen unglücklichen Nationalhaß zu nähren und schien es deßhalb geeignet, zu erörtern, wie weit die Zeitungen wahr berichtet wurden. Jn Folge dieser Erörterungen hat sich denn schon damals herausgestellt, daß es weder in der von dem Briefsteller angeführten Straße, noch überhaupt in Paris einen Friseur eines Namens gäbe, den J. Brandt und G. W. von Nawrocky aufwiesen. Man nahm aber nichts destoweniger keine Ursache, die letztgenannte Firma mit der Verbreitung des Briefes einer Reclame zu beschuldigen. Erst unlängst ( unter 18. August ) ist auch in unserer Correspondenz allerdings unter Weglassen des Namens eine Mittheilung geschehen, die eine Warnung an die Oeffentlichkeit bedeutete gegen derzeit von J. Brandt und G. W. von Nawrocky in Scene gesetzte Beunruhigungen des Publikums, die Ausführung des Patentgesetzes betreffend. Jn diesem Augen- blicke sind die unwürdigen Schritte dieser Patentagenten zu einem Eclat gediehen. Der Umstand, daß dieselben in öffentlichen Circu- laren als Referenz unter anderen auch das Königlich Preußische Handelsministerium anführten und daß sie selbst, nachdem der vor- läufige Schutz auf Erfindungen ertheilt war, ohne allen Unterschied allen Patentsuchenden nach dem Erscheinen der täglichen Listen be- wußt die falsche Mittheilung machten: die Anlagen zu ihrem Ge- suche befänden sich nicht in Ordnung und würden „wahrscheinlich“ zurückgewiesen werden, und die Klagen über dieses Vorgehen resp. diese falschen Mittheilungen, die dem Kaiserlichen Patentamte durch die Patentsuchenden in Menge übersandt wurden, haben nun zu dem Antrag geführt, daß die Firma J. Brandt und G. W. von Nawrocky als erste gegen sie seitens der eigenen Fachgenossen zur Abwehr geschehende Maßregel, aus dem „Verein der Patentanwalte“ ausgeschieden werden soll. Das Kaiserliche Patentamt hat seiner- seits den Gesuchstellern die Antwort ertheilt, daß es in keinerlei Beziehungen zu der genannten Firma stehe, während das Handels- ministerium den Referenzbezug selbstverständlich desavouirt. Wie die Frankf. Ztg. meldet, befindet sich gegenwärtig ein Bevollmächtigter der luxemburgischen Regierung in Berlin, um mit der Reichsregierung wegen Ausdehnung des deutschen Patent- gesetzes auf Luxemburg zu verhandeln. * Preisaufgaben. Die Bauer=Hofman=Stiftung in Frankfurt für Unterstützung und Prämiirung neuer technischer Er- findungen hatte voriges Jahr zum zweiten Male einen Preis von 1000 M. ausgeschrieben für die Erfindung eines Motors an der Nähmaschine, welcher die Fußarbeit an derselben ersetzt. Es waren diesmal acht Bewerbungen eingegangen. Die Preisrichter haben aber keiner derselben den Preis zuerkannt. Die Preisfrage dürfte nunmehr ihre Erledigung finden ( ? ) durch die Erfindung des Wiener Mechanikers Josef Schreiber, der einen starken Federmotor er- sann, dessen Mechanismus die selbstthätige Bewegung an Stelle der menschlichen Fußarbeit bewirkt. Wir bezweifeln, ob die Frage auf diesem Wege zu lösen ist. Federmotoren gibt es längst und zwar sehr gute, wie z. B. der sogar in Preußen patentirte Adam' sche; allein das Aufziehen derselben erfordert soviel Zeit und Kraft, daß nichts gespart wird, außer da, wo ein besonderer Arbeiter dafür stets zur Hand ist. -- Die für 1875/76 ausgeschriebenen Preise der bayrischen Ludwigs=Stiftung von 200 und 300 M. für eine ___________Salon=Lampe und eine Regulator=Uhr sind von Neuem ausgeschrieben worden, weil befriedigende Lösungen nicht einliefen. * Statistik. Das Augustheft des statistischen Monatsh. des deutschen Reiches bringt Nachweise über die Bierbrauerei und den Verbrauch an Bier, die Einfuhr englischer Waaren, die Geschäfts- thätigkeit der Zollverwaltungen, die Ein= und Ausfuhr im August und die Zuckerfabrikation. -- Dr. Mayr, Vorsteher des bayrischen statistischen Büreau gibt in seinem trefflichen Werke über die Verbreitung der Blinden, Taubstummen ec. die Zahl der Blinden in Deutschland auf 38,000 an oder 88 auf 100,000 Einwohner. Die meisten Blin- den sind im Osten ( 90--120 ) , in ganz Europa und Amerika gibt es 215,000 oder 87 auf 100,000 Einwohner. Jn Amerika und Australien ist das Verhältniß nur 52 und in den englischen Colo- nien 38. Jn Europa haben sehr wenig die Niederlande ( 44 ) und Oesterreich ( 55 ) , viel England ( 98 ) , Jtalien ( 101 ) , Spanien ( 112 ) , Ungarn ( 120 ) und Norwegen ( 136 ) , Finnland hat gar ( 224 ) . Zur Heilung der Augenkrankheiten und Verhütung derselben mag dies manchen Wink geben. Taubstumme gibt es weniger ( 152,000 für beide genannte Welttheile ) . Auch hier ist Amerika mit 42 im Vortheil gegen Europa ( 78 ) und Holland ( 33 ) steht mit Belgien ( 43 ) am gün- stigsten. Die schlimmsten Verhältnisse zeigt wieder der Osten ( Preußen, Posen ) mit ( 120--178 ) und die Schweiz ( wegen ihrer Kretinen ) mit ( 245 ) . Die Zahl der Blödsinnigen ist ziemlich groß: 140 in Deutschland, Frankreich nur 114. Bei den Jrrsinnigen ( 40-- 60 ) fällt zunächst die hohe Quote der städtischen und industriellen Bezirke auf. * Eisenbahnen. Jn Wildungen ist ein Ausschuß zum Bau einer Secundärbahn nach Wabern an die Main=Weserbahn zusammengetreten. * Papiergeld. Die preußischen Kassenanweisungen vom 2. No- vember 1851, 15. December 1856 und 13. Februar 1861, ver- lieren laut eben erfolgten Erlasses ihre Gültigkeit am 30. März 1878. * Vereinswesen. Von den religiösen Secten und Ultramon- tanen, die unermüdlich in ihrer Propaganda sind, können unsere Vereine noch Viel lernen. So ist nach dem Kalender „Deutscher Volksfreund“ die Zahl der „Herbergen zur Heimath“ allmälich auf 112 gestiegen. Noch ungleich zahlreicher sollen die katholischen Ge- sellenhäuser sein. Jn Breslau haben die Specereikrämer die Handelskammer aufgefordert dahin zu wirken, daß die Consumvereine Gewerbe- steuer zahlen müßten. Das preußische Obertribunal hat s. Z. entschieden, daß Genossenschaften, die nicht an das Publikum ver- kaufen, keine Steuer zu zahlen brauchen, und wird schwerlich wie- der davon abgehen. * Volksbildung. Der Ausschuß des neu begründeten Ver- bandes mittelrheinischer Bildungsvereine hat in seiner gestrigen Sitzung den geschäftsführenden Vorstand gewählt. Der- selbe besteht aus den Herren Franz Wirth I. Vorsitzender, A. Bergsträßer aus Darmstadt II. Vorsitzender, Dr. Kobelt aus Schwanheim I. Schriftführer, Lehrer Merz aus Bockenheim II. Schriftführer und Oberlehrer Chun, Rechnungsführer, von hier. Als zunächst zu verfolgende Aufgaben wurden ins Auge gefaßt: 1 ) die Veranstaltung von Vorträgen, woran es bis jetzt na- mentlich den kleinen Vereinen besonders fehlt und 2 ) die Grün- dung neuer Vereine, Gewinnung von Mitgliedern und An- regung der allgemeinen Theilnahme des Volkes für die Bildungs- Bestrebungen. Es soll dazu ein Aufruf an alle Vereine und Gesellschaften erlassen werden, welche geeignet sind diese Bestrebungen zu fördern, wenn sie sich auch nicht direct damit befassen. Dabei wurde die Hoffnung ausgesprochen, daß die gesammte Presse den Vorstand namentlich bei Verbreitung des Aufrufes und Aufklärung des Publikums über die Ziele des Verbandes eifrigst unterstützen möge. Als weitere später zu verfolgende Aufgabe wurde auf- gestellt: die Errichtung von Fortbildungsschulen, Volksbibliotheken, Leseabenden, die Anschaffung oder Miethe eines Volksmuseums, größerer Lehrmittel und Apparate und die Herausgabe von Flug- schriften, um die große Masse des Volkes über die wichtigsten Fragen des täglichen Lebens und Dinge, welche in der Schule nicht gelehrt werden können, aufzuklären. Der jährliche Beitrag für den Verband beträgt nur 5 M. für 100 Mitglieder eines bei- tretenden Vereines. Anmeldungen wegen Vorträgen sind an den Vorstand zu richten.

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Zitationshilfe: Der Arbeitgeber. Nr. 1068. Frankfurt a. M., 20. Oktober 1877, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_arbeitgeber1068_1877/3>, abgerufen am 18.04.2024.