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Der Arbeitgeber. Nr. 1036. Frankfurt a. M., 10. März 1877.

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[Spaltenumbruch] ergibt der letzte Ausweis der Sparkassen, daß die Lage besser ist
als in den vorigen 3 Wintermonaten, während deren mehr Geld
zurückgezogen als eingelegt wurde. Jetzt überwiegen wieder die
Einlagen. -- Jn Brünn sind die Fabriken ziemlich gut beschäf-
tigt. -- Jn Wien dagegen klagt man über den Mangel an Ver-
dienst. -- Die "Corr. f. Nat.=Oekon. und Stat." gibt die Zahl
der beschäftigungslosen Arbeiter in Wien, wohl etwas übertrieben,
auf 11,000 an, während 18,000 nur als halb beschäftigt zu be-
trachten seien. Zu den ersteren gehören insbesondere Manufaktur=,
Holz= und Ledergalanterie=Arbeiter, Schlosser, Anstreicher, Vergolder,
Maurer; zu den letztern Eisenarbeiter, Schuhmacher, Schneider,
Goldarbeiter, Buchdrucker. Während in den Jahren 1872--1873
etwa 10,000 Tischlergesellen arbeiteten, seien jetzt wenig mehr als
3000 beschäftigt. Es ist immer wieder die alte Geschichte! Die
Ueberproduktion i. J. 1871 -- 1873 hat eine große Anzahl Ar-
beiter in die Städte gelockt, welche sie nun nicht mehr verlassen
wollen.

Jn Westfalen sind die Löhne begreiflicher Weise sehr ge-
sunken. Der bereits erwähnte Spezial=Korresp. der Fr. Ztg. be-
richtet, daß die Hütten=Arbeiter in Dortmund 2,80 M. täglich verdie-
nen. Eisen und Stahl sind so im Preis gesunken, daß wer solches
-- wenn auch erst in einigen Jahren -- braucht oder eine neue
Anlage beabsichtigt, gut thun wird, jetzt zu bestellen.

Jn England hat sich nichts verändert, in Nordamerika
liegt der Kohlenbau darnieder, wie überall. Nach dem Kap der
guten Hoffnung werden Eisenbahn=Arbeiter, Maurer und Zimmer-
leute gesucht. Jn Australien und Südamerika fehlt es an
Arbeitern: man denkt deshalb daran, Chinesen einzuführen.

Aus dem nassauischen Kannenbäkerlande schreibt man
uns, daß die dortige Thonwaaren-Jndustrie bisher durch die Krise
nicht berührt schien, in letzter Zeit mache aber dennoch ein kleiner
Rückgang in der Erzeugung von Luxuswaaren sich fühlbar. Die
Waarensendungen nach Holland bleiben sich gleich und ebenso die
Produktion der Krüge zum Versandt der Mineralwasser. Die Haus-
industrie jedoch, vorzüglich zur Erzeugung von Thonpfeifen einge-
richtet, zeigt einen stärkeren Ausfall in ihrer Arbeit. An Gehilfen
werden noch immer in den verschiedenen Ortschaften bei 2000 be-
schäftigt, doch ist der Lohn etwas reduzirt worden, weil die Arbeiter-
Konkurrenz aus anderen Jndustrie=Bezirken auf dessen Höhe drückt.
Aus Essen wanderten viele Familien zu, um hier Verdienst zu
suchen, und auch die Zahl anderer Handwerksgesellen die hierher
kommen um Arbeit, hat sich bedeutend vermehrt, sie können aber
nicht beschäftigt werden und sind den Gemeinden eine schwere Last.

Ein Uebel nimmt in den letzten Jahren in schauderhafter
Weise zu; es ist das Branntweintrinken, welches zahlreiche Opfer
fordert. Es ist aber auch nicht anders zu erwarten, da die Eltern
ihren halbwächsigen Jungen und die Meister ihren Lehrlingen zu
viel Freiheit lassen. An Sonntagen sind manche Gastwirthschaften
mit Lehrlingen dicht gefüllt, die sich dort mit Eifer dem Trunke
und dem Kartenspiele ergeben; so erzieht man einen Arbeiterstand
zur Produktion von " billig und schlecht ". -- Es sollte doch
der sonst so ruhige Grenzhauser=Gewerbeverein ein ernstes Mahn-
wort an Eltern und Lehrmeister richten.

[ Wir bitten um Zusendung aller Zeitungsnummern, worin sich Angaben
über Bedarf oder Ueberfluß an Arbeitern befindet. D. Red. ]

Patentrecht. Jn einem Patentprozesse hat der oberste
Gerichtshof in Frankreich folgende Rechtsgrundsätze aufgestellt:
Wer einen Apparat construirt, der nach dem Urtheile der Gerichte
in seiner Gesammtheit, in den einzelnen Theilen, aus denen er
besteht, und in der Functionirung aller seiner Organe mit einem
vorher durch einen Dritten patentirten Apparate übereinstimmt,
ist als Nachahmer zu bestrafen und hieran ändert der Umstand
nichts, daß der neue Apparat Modificationen enthält, aus welchen
sich eine Ersparniß an den Herstellungskosten und bestimmte Vor-
theile für die Reinigung und Handhabung des Apparates ergeben.
-- Jn einem andern Streitfalle hat der Appellhof von Paris ent-
schieden: Wenn ein früheres Patent genommen wurde auf die An-
wendung irgend eines Metalles zur Herstellung eines industriellen
Gegenstandes, im vorliegenden Falle für die Herstellung von Kanten
zum Schutze des Schuhwerkes, so konnten die Gerichte mit vollem
Rechte ein Patent wegen Mangels der Neuheit für nichtig erklären,
welches nachträglich für die Anwendung von Kupfer oder weichem
Eisenblech genommen wurde, wenn auch der zuletzt Patentirte das
[Spaltenumbruch] letztere Metall zuerst für den gedachten Zweck benützt hat. Er hätte
in jedem Falle das Patent auf die Anwendung dieses Metalles
an Stelle des Kupfers nehmen müssen. -- Ferner in demselben
Streitfalle: die Patentfähigkeit einer Erfindung hängt zwar nicht
von der Wichtigkeit derselben ab, dennoch ist ein Verfahren nicht
patentfähig, von welchem die Gerichte erkannt haben, daß es sich
dem Wesen nach von den früher angewandten nicht sehr unter-
scheidet. Solche Fehler können durch richtige Abfassung der Be-
schreibung leicht vermieden werden.

* Markenschutz. Der Kongreß deutscher Chokolade-
fabrikanten
zu Frankfurt a. M. empfahl im Jnteresse der
Bekämpfung der Vorurtheile des deutschen Publikums zu Gunsten
fremdländischer Fabrikate, insbesondere eine reichlichere Benützung
des deutschen Markenschutz=Gesetzes, der jedoch zugleich in
Analogie der englischen Trade Mark Protection So-
ciety
eine Verwaltung des Markenrechtes durch den Verband
selbst zur Seite treten müsse. Die Mitglieder verpflichteten sich
darauf gegenseitig, Mißbräuche von Namen, Firmen oder Marken
ihrer Fachkollegen, sofort dem geschäftsführenden Büreau in Stutt-
gart im Jnteresse weiterer Wahrung der verletzten Rechte bekannt
zu geben, -- ein für Jndustrie=Verbände sehr beachtenswerthes
Beispiel, soll das Markenschutz=Gesetz seinen Zweck erfüllen und er-
reichen. -- Die Preisbewegung von Kakao und Zucker gab zugleich
Anlaß, prinzipielle gleichmäßige Erhöhung der Choko-
ladepreise
durch Cirkuläre aller deutschen Fabrikanten zum Be-
schlusse zu erheben und einen weiteren Verbandstag im Som-
mer dieses Jahres in Leipzig wieder abzuhalten bei Betheiligung
möglichst sämmtlicher Jnteressenten.

-- Der Markenschutz wird verhältnißmäßig wenig benutzt. Jn
Lübeck z. B. hatte die Gewerbekammer ein Verzeichniß der
Marken angelegt, damit Jnteressenten dasselbe einsehen könnten,
es hat aber bis jetzt nur ein Gewerbtreibender sich Auskunft erbeten
und das Register wurde von gar Niemand nachgesehen, ebenso
wenig eine Marke eingetragen. Lübeck hat freilich wenig Jndustrie.

* Zahlungs=Reform. Neue Vereine für Baarzahlung haben
sich gebildet in Kempen.

-- Jn Wien hat der Reform=Verein die Sache in die
Hand genommen und vorgeschlagen, Vereine der Konsumenten
zu gründen, die sich zur Baarzahlung gegen Sconto und Be-
richtigung von Forderungen nach dem Tage der Faktura verpflichten.
-- Jn Darmstadt haben sich der Gewerbe= und der Handels=Ver-
ein verbunden, um die Agitation in's Werk zu setzen. Baar-
zahlung gegen Sconto, Berechnung von Verzugs=Zinsen, Ver-
weigerung jedes Kredits, der 3 Monate übersteigt und Bekannt-
machung dieses Verfahrens an allen Ecken sind auch hier die
vorgeschlagenen Mittel.

Der Verband oesterreichischer Müller und Mühlen-
Jnteressenten
beschloß bezüglich der Kreditfrage die Anlage
eines Jnformationsbuches vorzubereiten und durch einen Ausschuß
von 5 Mttgliedern in Betreff des Mühleneskomptes mit den
Banken zu verhandeln.

* Handel. Aus englischen Konsularberichten über den
Handel China's im Jahre 1875 ergibt sich das interessante
Faktum, daß Deutschland im Verkehr mit dem himmlischen
Reiche die dritte Stufe unter den Staaten einnimmt. Es liefen
in jenem Jahre in chinesische Häfen ein: 8277 englische, 3836
amerikanische, 1577 deutsche Schiffe, dagegen nur 239 fran-
zösische u. s. w.

* Handels=Verträge. Am 14. sollen die Verhandlungen mit
Oesterreich über den neuen Handels=Vertag mit dem Zollverein
beginnen.

-- Jm " Journal des Debats " spricht Leroy = Beaulieu
seine Genugthuung über den Entschluß der französischen Re-
gierung aus, nicht den vom Ober=Handelsrathe ausgearbeiteten
Zolltarif, der von bedenklichen schutzzöllnerischen Tendenzen
behaftet ist, sondern die seit 1860 bestehenden Vertrags=Tarife
zur Grundlage der Unterhandlungen behufs Erneuerung der
Verträge
zu nehmen.

* Eisenbahnwesen. Nachdem die in Berlin, Frankfurt a. M.
und Dresden in Gasthöfen errichteten Billet=Verkaufsstellen günstige
Ergebnisse geliefert, hat das Reichs=Eisenbahn=Amt die weitere
Ausdehnung der Errichtung bei den Verwaltungen angeregt.

-- Die neue Strecke Crefeld=Oppum=Linn ist eröffnet.

[Spaltenumbruch] ergibt der letzte Ausweis der Sparkassen, daß die Lage besser ist
als in den vorigen 3 Wintermonaten, während deren mehr Geld
zurückgezogen als eingelegt wurde. Jetzt überwiegen wieder die
Einlagen. -- Jn Brünn sind die Fabriken ziemlich gut beschäf-
tigt. -- Jn Wien dagegen klagt man über den Mangel an Ver-
dienst. -- Die „Corr. f. Nat.=Oekon. und Stat.“ gibt die Zahl
der beschäftigungslosen Arbeiter in Wien, wohl etwas übertrieben,
auf 11,000 an, während 18,000 nur als halb beschäftigt zu be-
trachten seien. Zu den ersteren gehören insbesondere Manufaktur=,
Holz= und Ledergalanterie=Arbeiter, Schlosser, Anstreicher, Vergolder,
Maurer; zu den letztern Eisenarbeiter, Schuhmacher, Schneider,
Goldarbeiter, Buchdrucker. Während in den Jahren 1872--1873
etwa 10,000 Tischlergesellen arbeiteten, seien jetzt wenig mehr als
3000 beschäftigt. Es ist immer wieder die alte Geschichte! Die
Ueberproduktion i. J. 1871 -- 1873 hat eine große Anzahl Ar-
beiter in die Städte gelockt, welche sie nun nicht mehr verlassen
wollen.

Jn Westfalen sind die Löhne begreiflicher Weise sehr ge-
sunken. Der bereits erwähnte Spezial=Korresp. der Fr. Ztg. be-
richtet, daß die Hütten=Arbeiter in Dortmund 2,80 M. täglich verdie-
nen. Eisen und Stahl sind so im Preis gesunken, daß wer solches
-- wenn auch erst in einigen Jahren -- braucht oder eine neue
Anlage beabsichtigt, gut thun wird, jetzt zu bestellen.

Jn England hat sich nichts verändert, in Nordamerika
liegt der Kohlenbau darnieder, wie überall. Nach dem Kap der
guten Hoffnung werden Eisenbahn=Arbeiter, Maurer und Zimmer-
leute gesucht. Jn Australien und Südamerika fehlt es an
Arbeitern: man denkt deshalb daran, Chinesen einzuführen.

Aus dem nassauischen Kannenbäkerlande schreibt man
uns, daß die dortige Thonwaaren-Jndustrie bisher durch die Krise
nicht berührt schien, in letzter Zeit mache aber dennoch ein kleiner
Rückgang in der Erzeugung von Luxuswaaren sich fühlbar. Die
Waarensendungen nach Holland bleiben sich gleich und ebenso die
Produktion der Krüge zum Versandt der Mineralwasser. Die Haus-
industrie jedoch, vorzüglich zur Erzeugung von Thonpfeifen einge-
richtet, zeigt einen stärkeren Ausfall in ihrer Arbeit. An Gehilfen
werden noch immer in den verschiedenen Ortschaften bei 2000 be-
schäftigt, doch ist der Lohn etwas reduzirt worden, weil die Arbeiter-
Konkurrenz aus anderen Jndustrie=Bezirken auf dessen Höhe drückt.
Aus Essen wanderten viele Familien zu, um hier Verdienst zu
suchen, und auch die Zahl anderer Handwerksgesellen die hierher
kommen um Arbeit, hat sich bedeutend vermehrt, sie können aber
nicht beschäftigt werden und sind den Gemeinden eine schwere Last.

Ein Uebel nimmt in den letzten Jahren in schauderhafter
Weise zu; es ist das Branntweintrinken, welches zahlreiche Opfer
fordert. Es ist aber auch nicht anders zu erwarten, da die Eltern
ihren halbwächsigen Jungen und die Meister ihren Lehrlingen zu
viel Freiheit lassen. An Sonntagen sind manche Gastwirthschaften
mit Lehrlingen dicht gefüllt, die sich dort mit Eifer dem Trunke
und dem Kartenspiele ergeben; so erzieht man einen Arbeiterstand
zur Produktion von „ billig und schlecht “. -- Es sollte doch
der sonst so ruhige Grenzhauser=Gewerbeverein ein ernstes Mahn-
wort an Eltern und Lehrmeister richten.

[ Wir bitten um Zusendung aller Zeitungsnummern, worin sich Angaben
über Bedarf oder Ueberfluß an Arbeitern befindet. D. Red. ]

♀ Patentrecht. Jn einem Patentprozesse hat der oberste
Gerichtshof in Frankreich folgende Rechtsgrundsätze aufgestellt:
Wer einen Apparat construirt, der nach dem Urtheile der Gerichte
in seiner Gesammtheit, in den einzelnen Theilen, aus denen er
besteht, und in der Functionirung aller seiner Organe mit einem
vorher durch einen Dritten patentirten Apparate übereinstimmt,
ist als Nachahmer zu bestrafen und hieran ändert der Umstand
nichts, daß der neue Apparat Modificationen enthält, aus welchen
sich eine Ersparniß an den Herstellungskosten und bestimmte Vor-
theile für die Reinigung und Handhabung des Apparates ergeben.
-- Jn einem andern Streitfalle hat der Appellhof von Paris ent-
schieden: Wenn ein früheres Patent genommen wurde auf die An-
wendung irgend eines Metalles zur Herstellung eines industriellen
Gegenstandes, im vorliegenden Falle für die Herstellung von Kanten
zum Schutze des Schuhwerkes, so konnten die Gerichte mit vollem
Rechte ein Patent wegen Mangels der Neuheit für nichtig erklären,
welches nachträglich für die Anwendung von Kupfer oder weichem
Eisenblech genommen wurde, wenn auch der zuletzt Patentirte das
[Spaltenumbruch] letztere Metall zuerst für den gedachten Zweck benützt hat. Er hätte
in jedem Falle das Patent auf die Anwendung dieses Metalles
an Stelle des Kupfers nehmen müssen. -- Ferner in demselben
Streitfalle: die Patentfähigkeit einer Erfindung hängt zwar nicht
von der Wichtigkeit derselben ab, dennoch ist ein Verfahren nicht
patentfähig, von welchem die Gerichte erkannt haben, daß es sich
dem Wesen nach von den früher angewandten nicht sehr unter-
scheidet. Solche Fehler können durch richtige Abfassung der Be-
schreibung leicht vermieden werden.

* Markenschutz. Der Kongreß deutscher Chokolade-
fabrikanten
zu Frankfurt a. M. empfahl im Jnteresse der
Bekämpfung der Vorurtheile des deutschen Publikums zu Gunsten
fremdländischer Fabrikate, insbesondere eine reichlichere Benützung
des deutschen Markenschutz=Gesetzes, der jedoch zugleich in
Analogie der englischen Trade Mark Protection So-
ciety
eine Verwaltung des Markenrechtes durch den Verband
selbst zur Seite treten müsse. Die Mitglieder verpflichteten sich
darauf gegenseitig, Mißbräuche von Namen, Firmen oder Marken
ihrer Fachkollegen, sofort dem geschäftsführenden Büreau in Stutt-
gart im Jnteresse weiterer Wahrung der verletzten Rechte bekannt
zu geben, -- ein für Jndustrie=Verbände sehr beachtenswerthes
Beispiel, soll das Markenschutz=Gesetz seinen Zweck erfüllen und er-
reichen. -- Die Preisbewegung von Kakao und Zucker gab zugleich
Anlaß, prinzipielle gleichmäßige Erhöhung der Choko-
ladepreise
durch Cirkuläre aller deutschen Fabrikanten zum Be-
schlusse zu erheben und einen weiteren Verbandstag im Som-
mer dieses Jahres in Leipzig wieder abzuhalten bei Betheiligung
möglichst sämmtlicher Jnteressenten.

-- Der Markenschutz wird verhältnißmäßig wenig benutzt. Jn
Lübeck z. B. hatte die Gewerbekammer ein Verzeichniß der
Marken angelegt, damit Jnteressenten dasselbe einsehen könnten,
es hat aber bis jetzt nur ein Gewerbtreibender sich Auskunft erbeten
und das Register wurde von gar Niemand nachgesehen, ebenso
wenig eine Marke eingetragen. Lübeck hat freilich wenig Jndustrie.

* Zahlungs=Reform. Neue Vereine für Baarzahlung haben
sich gebildet in Kempen.

-- Jn Wien hat der Reform=Verein die Sache in die
Hand genommen und vorgeschlagen, Vereine der Konsumenten
zu gründen, die sich zur Baarzahlung gegen Sconto und Be-
richtigung von Forderungen nach dem Tage der Faktura verpflichten.
-- Jn Darmstadt haben sich der Gewerbe= und der Handels=Ver-
ein verbunden, um die Agitation in's Werk zu setzen. Baar-
zahlung gegen Sconto, Berechnung von Verzugs=Zinsen, Ver-
weigerung jedes Kredits, der 3 Monate übersteigt und Bekannt-
machung dieses Verfahrens an allen Ecken sind auch hier die
vorgeschlagenen Mittel.

Der Verband oesterreichischer Müller und Mühlen-
Jnteressenten
beschloß bezüglich der Kreditfrage die Anlage
eines Jnformationsbuches vorzubereiten und durch einen Ausschuß
von 5 Mttgliedern in Betreff des Mühleneskomptes mit den
Banken zu verhandeln.

* Handel. Aus englischen Konsularberichten über den
Handel China's im Jahre 1875 ergibt sich das interessante
Faktum, daß Deutschland im Verkehr mit dem himmlischen
Reiche die dritte Stufe unter den Staaten einnimmt. Es liefen
in jenem Jahre in chinesische Häfen ein: 8277 englische, 3836
amerikanische, 1577 deutsche Schiffe, dagegen nur 239 fran-
zösische u. s. w.

* Handels=Verträge. Am 14. sollen die Verhandlungen mit
Oesterreich über den neuen Handels=Vertag mit dem Zollverein
beginnen.

-- Jm » Journal des Débats « spricht Leroy = Beaulieu
seine Genugthuung über den Entschluß der französischen Re-
gierung aus, nicht den vom Ober=Handelsrathe ausgearbeiteten
Zolltarif, der von bedenklichen schutzzöllnerischen Tendenzen
behaftet ist, sondern die seit 1860 bestehenden Vertrags=Tarife
zur Grundlage der Unterhandlungen behufs Erneuerung der
Verträge
zu nehmen.

* Eisenbahnwesen. Nachdem die in Berlin, Frankfurt a. M.
und Dresden in Gasthöfen errichteten Billet=Verkaufsstellen günstige
Ergebnisse geliefert, hat das Reichs=Eisenbahn=Amt die weitere
Ausdehnung der Errichtung bei den Verwaltungen angeregt.

-- Die neue Strecke Crefeld=Oppum=Linn ist eröffnet.

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[0003] ergibt der letzte Ausweis der Sparkassen, daß die Lage besser ist als in den vorigen 3 Wintermonaten, während deren mehr Geld zurückgezogen als eingelegt wurde. Jetzt überwiegen wieder die Einlagen. -- Jn Brünn sind die Fabriken ziemlich gut beschäf- tigt. -- Jn Wien dagegen klagt man über den Mangel an Ver- dienst. -- Die „Corr. f. Nat.=Oekon. und Stat.“ gibt die Zahl der beschäftigungslosen Arbeiter in Wien, wohl etwas übertrieben, auf 11,000 an, während 18,000 nur als halb beschäftigt zu be- trachten seien. Zu den ersteren gehören insbesondere Manufaktur=, Holz= und Ledergalanterie=Arbeiter, Schlosser, Anstreicher, Vergolder, Maurer; zu den letztern Eisenarbeiter, Schuhmacher, Schneider, Goldarbeiter, Buchdrucker. Während in den Jahren 1872--1873 etwa 10,000 Tischlergesellen arbeiteten, seien jetzt wenig mehr als 3000 beschäftigt. Es ist immer wieder die alte Geschichte! Die Ueberproduktion i. J. 1871 -- 1873 hat eine große Anzahl Ar- beiter in die Städte gelockt, welche sie nun nicht mehr verlassen wollen. Jn Westfalen sind die Löhne begreiflicher Weise sehr ge- sunken. Der bereits erwähnte Spezial=Korresp. der Fr. Ztg. be- richtet, daß die Hütten=Arbeiter in Dortmund 2,80 M. täglich verdie- nen. Eisen und Stahl sind so im Preis gesunken, daß wer solches -- wenn auch erst in einigen Jahren -- braucht oder eine neue Anlage beabsichtigt, gut thun wird, jetzt zu bestellen. Jn England hat sich nichts verändert, in Nordamerika liegt der Kohlenbau darnieder, wie überall. Nach dem Kap der guten Hoffnung werden Eisenbahn=Arbeiter, Maurer und Zimmer- leute gesucht. Jn Australien und Südamerika fehlt es an Arbeitern: man denkt deshalb daran, Chinesen einzuführen. Aus dem nassauischen Kannenbäkerlande schreibt man uns, daß die dortige Thonwaaren-Jndustrie bisher durch die Krise nicht berührt schien, in letzter Zeit mache aber dennoch ein kleiner Rückgang in der Erzeugung von Luxuswaaren sich fühlbar. Die Waarensendungen nach Holland bleiben sich gleich und ebenso die Produktion der Krüge zum Versandt der Mineralwasser. Die Haus- industrie jedoch, vorzüglich zur Erzeugung von Thonpfeifen einge- richtet, zeigt einen stärkeren Ausfall in ihrer Arbeit. An Gehilfen werden noch immer in den verschiedenen Ortschaften bei 2000 be- schäftigt, doch ist der Lohn etwas reduzirt worden, weil die Arbeiter- Konkurrenz aus anderen Jndustrie=Bezirken auf dessen Höhe drückt. Aus Essen wanderten viele Familien zu, um hier Verdienst zu suchen, und auch die Zahl anderer Handwerksgesellen die hierher kommen um Arbeit, hat sich bedeutend vermehrt, sie können aber nicht beschäftigt werden und sind den Gemeinden eine schwere Last. Ein Uebel nimmt in den letzten Jahren in schauderhafter Weise zu; es ist das Branntweintrinken, welches zahlreiche Opfer fordert. Es ist aber auch nicht anders zu erwarten, da die Eltern ihren halbwächsigen Jungen und die Meister ihren Lehrlingen zu viel Freiheit lassen. An Sonntagen sind manche Gastwirthschaften mit Lehrlingen dicht gefüllt, die sich dort mit Eifer dem Trunke und dem Kartenspiele ergeben; so erzieht man einen Arbeiterstand zur Produktion von „ billig und schlecht “. -- Es sollte doch der sonst so ruhige Grenzhauser=Gewerbeverein ein ernstes Mahn- wort an Eltern und Lehrmeister richten. [ Wir bitten um Zusendung aller Zeitungsnummern, worin sich Angaben über Bedarf oder Ueberfluß an Arbeitern befindet. D. Red. ] ♀ Patentrecht. Jn einem Patentprozesse hat der oberste Gerichtshof in Frankreich folgende Rechtsgrundsätze aufgestellt: Wer einen Apparat construirt, der nach dem Urtheile der Gerichte in seiner Gesammtheit, in den einzelnen Theilen, aus denen er besteht, und in der Functionirung aller seiner Organe mit einem vorher durch einen Dritten patentirten Apparate übereinstimmt, ist als Nachahmer zu bestrafen und hieran ändert der Umstand nichts, daß der neue Apparat Modificationen enthält, aus welchen sich eine Ersparniß an den Herstellungskosten und bestimmte Vor- theile für die Reinigung und Handhabung des Apparates ergeben. -- Jn einem andern Streitfalle hat der Appellhof von Paris ent- schieden: Wenn ein früheres Patent genommen wurde auf die An- wendung irgend eines Metalles zur Herstellung eines industriellen Gegenstandes, im vorliegenden Falle für die Herstellung von Kanten zum Schutze des Schuhwerkes, so konnten die Gerichte mit vollem Rechte ein Patent wegen Mangels der Neuheit für nichtig erklären, welches nachträglich für die Anwendung von Kupfer oder weichem Eisenblech genommen wurde, wenn auch der zuletzt Patentirte das letztere Metall zuerst für den gedachten Zweck benützt hat. Er hätte in jedem Falle das Patent auf die Anwendung dieses Metalles an Stelle des Kupfers nehmen müssen. -- Ferner in demselben Streitfalle: die Patentfähigkeit einer Erfindung hängt zwar nicht von der Wichtigkeit derselben ab, dennoch ist ein Verfahren nicht patentfähig, von welchem die Gerichte erkannt haben, daß es sich dem Wesen nach von den früher angewandten nicht sehr unter- scheidet. Solche Fehler können durch richtige Abfassung der Be- schreibung leicht vermieden werden. * Markenschutz. Der Kongreß deutscher Chokolade- fabrikanten zu Frankfurt a. M. empfahl im Jnteresse der Bekämpfung der Vorurtheile des deutschen Publikums zu Gunsten fremdländischer Fabrikate, insbesondere eine reichlichere Benützung des deutschen Markenschutz=Gesetzes, der jedoch zugleich in Analogie der englischen Trade Mark Protection So- ciety eine Verwaltung des Markenrechtes durch den Verband selbst zur Seite treten müsse. Die Mitglieder verpflichteten sich darauf gegenseitig, Mißbräuche von Namen, Firmen oder Marken ihrer Fachkollegen, sofort dem geschäftsführenden Büreau in Stutt- gart im Jnteresse weiterer Wahrung der verletzten Rechte bekannt zu geben, -- ein für Jndustrie=Verbände sehr beachtenswerthes Beispiel, soll das Markenschutz=Gesetz seinen Zweck erfüllen und er- reichen. -- Die Preisbewegung von Kakao und Zucker gab zugleich Anlaß, prinzipielle gleichmäßige Erhöhung der Choko- ladepreise durch Cirkuläre aller deutschen Fabrikanten zum Be- schlusse zu erheben und einen weiteren Verbandstag im Som- mer dieses Jahres in Leipzig wieder abzuhalten bei Betheiligung möglichst sämmtlicher Jnteressenten. -- Der Markenschutz wird verhältnißmäßig wenig benutzt. Jn Lübeck z. B. hatte die Gewerbekammer ein Verzeichniß der Marken angelegt, damit Jnteressenten dasselbe einsehen könnten, es hat aber bis jetzt nur ein Gewerbtreibender sich Auskunft erbeten und das Register wurde von gar Niemand nachgesehen, ebenso wenig eine Marke eingetragen. Lübeck hat freilich wenig Jndustrie. * Zahlungs=Reform. Neue Vereine für Baarzahlung haben sich gebildet in Kempen. -- Jn Wien hat der Reform=Verein die Sache in die Hand genommen und vorgeschlagen, Vereine der Konsumenten zu gründen, die sich zur Baarzahlung gegen Sconto und Be- richtigung von Forderungen nach dem Tage der Faktura verpflichten. -- Jn Darmstadt haben sich der Gewerbe= und der Handels=Ver- ein verbunden, um die Agitation in's Werk zu setzen. Baar- zahlung gegen Sconto, Berechnung von Verzugs=Zinsen, Ver- weigerung jedes Kredits, der 3 Monate übersteigt und Bekannt- machung dieses Verfahrens an allen Ecken sind auch hier die vorgeschlagenen Mittel. Der Verband oesterreichischer Müller und Mühlen- Jnteressenten beschloß bezüglich der Kreditfrage die Anlage eines Jnformationsbuches vorzubereiten und durch einen Ausschuß von 5 Mttgliedern in Betreff des Mühleneskomptes mit den Banken zu verhandeln. * Handel. Aus englischen Konsularberichten über den Handel China's im Jahre 1875 ergibt sich das interessante Faktum, daß Deutschland im Verkehr mit dem himmlischen Reiche die dritte Stufe unter den Staaten einnimmt. Es liefen in jenem Jahre in chinesische Häfen ein: 8277 englische, 3836 amerikanische, 1577 deutsche Schiffe, dagegen nur 239 fran- zösische u. s. w. * Handels=Verträge. Am 14. sollen die Verhandlungen mit Oesterreich über den neuen Handels=Vertag mit dem Zollverein beginnen. -- Jm » Journal des Débats « spricht Leroy = Beaulieu seine Genugthuung über den Entschluß der französischen Re- gierung aus, nicht den vom Ober=Handelsrathe ausgearbeiteten Zolltarif, der von bedenklichen schutzzöllnerischen Tendenzen behaftet ist, sondern die seit 1860 bestehenden Vertrags=Tarife zur Grundlage der Unterhandlungen behufs Erneuerung der Verträge zu nehmen. * Eisenbahnwesen. Nachdem die in Berlin, Frankfurt a. M. und Dresden in Gasthöfen errichteten Billet=Verkaufsstellen günstige Ergebnisse geliefert, hat das Reichs=Eisenbahn=Amt die weitere Ausdehnung der Errichtung bei den Verwaltungen angeregt. -- Die neue Strecke Crefeld=Oppum=Linn ist eröffnet.

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Zitationshilfe: Der Arbeitgeber. Nr. 1036. Frankfurt a. M., 10. März 1877, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_arbeitgeber1036_1877/3>, abgerufen am 25.04.2024.