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[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852.

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nicht zusammenpaßten zu anderen weitverbreiteten Ansichten,
so würden die Leute einfach über diese Narrheiten gelacht
haben. Statt dessen erschienen ihnen diese Forderungen so
natürlich, als nur irgend etwas in der Welt. Die An-
sichten der Menschen waren also vorbereitet auf die
Sache. Welche Anschauungen liegen denn wohl jenen For-
derungen zu Grunde?

Denkt euch doch gefälligst einmal einen Menschen, welcher so
fest, wie an sein eigenes körperliches Dasein, an die unsichtbare
Allgegenwart eines heiligen Gottes glauben würde, eines
Gottes, welcher über dem Einzelnen wie über dem Ganzen
mit väterlicher Liebe wacht; denkt euch einen Menschen,
welcher fest überzeugt wäre von der thatsächlichen Existenz
eines heiligen göttlichen Willens, welchem wir Ehr-
furcht und Gehorsam schuldig seien, -- glaubt ihr wohl,
daß ein solcher Mensch den Satz aufstellen würde, daß wir,
die Einzelnen oder Alle zusammen, oder die Majorität, auf
Erden schalten und walten dürften, wie es uns in den
Sinn kömmt? Würde ein solcher Mensch nicht im Gegen-
theil von der Ansicht ausgehen, daß er und jeder Einzelne
und Alle zusammen gar keine wichtigere Angelegenheit haben
können, als darnach zu streben, den Willen dieses heiligen
Gottes so gut, als es unserer schwachen Kraft möglich ist,
zu erkennen und zu erfüllen? Würde er nicht von
der Ansicht ausgehen, daß auch unsere öffentlichen Ange-
legenheiten, so viel als es nur immer der menschlichen Unvoll-
kommenheit möglich ist, in dem gleichen Geiste geleitet werden
sollten, daß unsere Gesetze und Einrichtungen vor Allem
darauf berechnet sein müßten, die Ehrfurcht vor dem gött-
lichen Willen zu erhalten und zu befördern, daß zu den

nicht zuſammenpaßten zu anderen weitverbreiteten Anſichten,
ſo würden die Leute einfach über dieſe Narrheiten gelacht
haben. Statt deſſen erſchienen ihnen dieſe Forderungen ſo
natürlich, als nur irgend etwas in der Welt. Die An-
ſichten der Menſchen waren alſo vorbereitet auf die
Sache. Welche Anſchauungen liegen denn wohl jenen For-
derungen zu Grunde?

Denkt euch doch gefälligſt einmal einen Menſchen, welcher ſo
feſt, wie an ſein eigenes körperliches Daſein, an die unſichtbare
Allgegenwart eines heiligen Gottes glauben würde, eines
Gottes, welcher über dem Einzelnen wie über dem Ganzen
mit väterlicher Liebe wacht; denkt euch einen Menſchen,
welcher feſt überzeugt wäre von der thatſächlichen Exiſtenz
eines heiligen göttlichen Willens, welchem wir Ehr-
furcht und Gehorſam ſchuldig ſeien, — glaubt ihr wohl,
daß ein ſolcher Menſch den Satz aufſtellen würde, daß wir,
die Einzelnen oder Alle zuſammen, oder die Majorität, auf
Erden ſchalten und walten dürften, wie es uns in den
Sinn kömmt? Würde ein ſolcher Menſch nicht im Gegen-
theil von der Anſicht ausgehen, daß er und jeder Einzelne
und Alle zuſammen gar keine wichtigere Angelegenheit haben
können, als darnach zu ſtreben, den Willen dieſes heiligen
Gottes ſo gut, als es unſerer ſchwachen Kraft möglich iſt,
zu erkennen und zu erfüllen? Würde er nicht von
der Anſicht ausgehen, daß auch unſere öffentlichen Ange-
legenheiten, ſo viel als es nur immer der menſchlichen Unvoll-
kommenheit möglich iſt, in dem gleichen Geiſte geleitet werden
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[12/0018] nicht zuſammenpaßten zu anderen weitverbreiteten Anſichten, ſo würden die Leute einfach über dieſe Narrheiten gelacht haben. Statt deſſen erſchienen ihnen dieſe Forderungen ſo natürlich, als nur irgend etwas in der Welt. Die An- ſichten der Menſchen waren alſo vorbereitet auf die Sache. Welche Anſchauungen liegen denn wohl jenen For- derungen zu Grunde? Denkt euch doch gefälligſt einmal einen Menſchen, welcher ſo feſt, wie an ſein eigenes körperliches Daſein, an die unſichtbare Allgegenwart eines heiligen Gottes glauben würde, eines Gottes, welcher über dem Einzelnen wie über dem Ganzen mit väterlicher Liebe wacht; denkt euch einen Menſchen, welcher feſt überzeugt wäre von der thatſächlichen Exiſtenz eines heiligen göttlichen Willens, welchem wir Ehr- furcht und Gehorſam ſchuldig ſeien, — glaubt ihr wohl, daß ein ſolcher Menſch den Satz aufſtellen würde, daß wir, die Einzelnen oder Alle zuſammen, oder die Majorität, auf Erden ſchalten und walten dürften, wie es uns in den Sinn kömmt? Würde ein ſolcher Menſch nicht im Gegen- theil von der Anſicht ausgehen, daß er und jeder Einzelne und Alle zuſammen gar keine wichtigere Angelegenheit haben können, als darnach zu ſtreben, den Willen dieſes heiligen Gottes ſo gut, als es unſerer ſchwachen Kraft möglich iſt, zu erkennen und zu erfüllen? Würde er nicht von der Anſicht ausgehen, daß auch unſere öffentlichen Ange- legenheiten, ſo viel als es nur immer der menſchlichen Unvoll- kommenheit möglich iſt, in dem gleichen Geiſte geleitet werden ſollten, daß unſere Geſetze und Einrichtungen vor Allem darauf berechnet ſein müßten, die Ehrfurcht vor dem gött- lichen Willen zu erhalten und zu befördern, daß zu den

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Zitationshilfe: [N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/18>, abgerufen am 29.03.2024.