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[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852.

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nicht nach dem Census. Wer ernstlich beabsichtigt, diese
Autorität nur in die Hände würdiger Männer zu legen, der
wird diese Männer stets nur unter den älteren Perso-
nen
wählen, und zwar schon aus dem einfachen Grunde,
weil zur Beurtheilung des sittlichen Werthes des Menschen
nur die Erfahrung befähigt, zu einer solchen Erfahrung
aber der Ueberblick über eine lange Reihe von Jahren er-
forderlich ist. Männer, welche das fünfzigste Jahr über-
schritten haben, sind unendlich leichter nach ihrem wahren
Werthe zu beurtheilen, als solche, welche um zwanzig oder
dreißig Jahre jünger sind. Wer aber z. B. den Vorschlag machen
würde, daß vor dem fünfzigsten Jahre Niemand das Recht
haben solle, seine Stimme als Wahlmann bei der Wahl
der Gemeindebehörden, der Geschworenen und der Deputir-
ten abzugeben, und daß sogar nicht einmal die Fünfziger
ohne Unterschied dieses Recht haben sollten, sondern nur
ein aus ihrer Mitte mit möglichster Umsicht gewählter Ge-
meinderath, der würde einen allgemeinen Sturm der sou-
veränsten Entrüstung erregen, weil wir die Ansicht nicht
los werden können, daß es sich bei solchen Wahlen und
überhaupt bei dem Einfluß auf die Leitung der öffentlichen
Angelegenheiten um die Ausübung persönlicher Rechte
handle.

Nicht darin besteht das Wesen einer guten Regierung,
daß dieselbe in allen ihren einzelnen Handlungen dem gött-
lichen Willen sowohl durch die Erkenntniß als durch die
Ausführung nahe komme, sondern darin, daß sie jederzeit
nach diesem Ziele redlich strebe. Denn schon durch dieses
Streben trägt sie, so viel an ihr ist, zur Erhaltung jener
Ehrfurcht vor einem heiligen göttlichen Willen bei, auf

nicht nach dem Cenſus. Wer ernſtlich beabſichtigt, dieſe
Autorität nur in die Hände würdiger Männer zu legen, der
wird dieſe Männer ſtets nur unter den älteren Perſo-
nen
wählen, und zwar ſchon aus dem einfachen Grunde,
weil zur Beurtheilung des ſittlichen Werthes des Menſchen
nur die Erfahrung befähigt, zu einer ſolchen Erfahrung
aber der Ueberblick über eine lange Reihe von Jahren er-
forderlich iſt. Männer, welche das fünfzigſte Jahr über-
ſchritten haben, ſind unendlich leichter nach ihrem wahren
Werthe zu beurtheilen, als ſolche, welche um zwanzig oder
dreißig Jahre jünger ſind. Wer aber z. B. den Vorſchlag machen
würde, daß vor dem fünfzigſten Jahre Niemand das Recht
haben ſolle, ſeine Stimme als Wahlmann bei der Wahl
der Gemeindebehörden, der Geſchworenen und der Deputir-
ten abzugeben, und daß ſogar nicht einmal die Fünfziger
ohne Unterſchied dieſes Recht haben ſollten, ſondern nur
ein aus ihrer Mitte mit möglichſter Umſicht gewählter Ge-
meinderath, der würde einen allgemeinen Sturm der ſou-
veränſten Entrüſtung erregen, weil wir die Anſicht nicht
los werden können, daß es ſich bei ſolchen Wahlen und
überhaupt bei dem Einfluß auf die Leitung der öffentlichen
Angelegenheiten um die Ausübung perſönlicher Rechte
handle.

Nicht darin beſteht das Weſen einer guten Regierung,
daß dieſelbe in allen ihren einzelnen Handlungen dem gött-
lichen Willen ſowohl durch die Erkenntniß als durch die
Ausführung nahe komme, ſondern darin, daß ſie jederzeit
nach dieſem Ziele redlich ſtrebe. Denn ſchon durch dieſes
Streben trägt ſie, ſo viel an ihr iſt, zur Erhaltung jener
Ehrfurcht vor einem heiligen göttlichen Willen bei, auf

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[109/0115] nicht nach dem Cenſus. Wer ernſtlich beabſichtigt, dieſe Autorität nur in die Hände würdiger Männer zu legen, der wird dieſe Männer ſtets nur unter den älteren Perſo- nen wählen, und zwar ſchon aus dem einfachen Grunde, weil zur Beurtheilung des ſittlichen Werthes des Menſchen nur die Erfahrung befähigt, zu einer ſolchen Erfahrung aber der Ueberblick über eine lange Reihe von Jahren er- forderlich iſt. Männer, welche das fünfzigſte Jahr über- ſchritten haben, ſind unendlich leichter nach ihrem wahren Werthe zu beurtheilen, als ſolche, welche um zwanzig oder dreißig Jahre jünger ſind. Wer aber z. B. den Vorſchlag machen würde, daß vor dem fünfzigſten Jahre Niemand das Recht haben ſolle, ſeine Stimme als Wahlmann bei der Wahl der Gemeindebehörden, der Geſchworenen und der Deputir- ten abzugeben, und daß ſogar nicht einmal die Fünfziger ohne Unterſchied dieſes Recht haben ſollten, ſondern nur ein aus ihrer Mitte mit möglichſter Umſicht gewählter Ge- meinderath, der würde einen allgemeinen Sturm der ſou- veränſten Entrüſtung erregen, weil wir die Anſicht nicht los werden können, daß es ſich bei ſolchen Wahlen und überhaupt bei dem Einfluß auf die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten um die Ausübung perſönlicher Rechte handle. Nicht darin beſteht das Weſen einer guten Regierung, daß dieſelbe in allen ihren einzelnen Handlungen dem gött- lichen Willen ſowohl durch die Erkenntniß als durch die Ausführung nahe komme, ſondern darin, daß ſie jederzeit nach dieſem Ziele redlich ſtrebe. Denn ſchon durch dieſes Streben trägt ſie, ſo viel an ihr iſt, zur Erhaltung jener Ehrfurcht vor einem heiligen göttlichen Willen bei, auf

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Zitationshilfe: [N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/115>, abgerufen am 01.05.2024.