Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Wissen an und für sich selbst noch nicht. Von anderer Be-
deutung ist allerdings wieder das Lernen, die Arbeit
des Schülers, aber dabei hängt Alles von den leitenden
Beweggründen ab, welche theils durch den häuslichen erzie-
henden Einfluß, theils durch den persönlichen Einfluß des
Lehrers bedingt sind. Davon handelt es sich also hier, wo
nur vom Unterricht als solchem die Rede ist, nicht.

Hiernach wird sich nun Jedermann leicht selbst sagen,
daß z. B. der mathematische Unterricht (als solcher)
eine sittlich bildende Kraft nicht wohl haben kann. Das
Gleiche wird auch von dem grammatischen Unterricht
und überhaupt vom Sprachunterricht, so weit er es
nämlich nur mit der Form zu thun hat, gelten müssen. Sehr
wohl aber kann der Sprachunterricht durch den Jnhalt der
gelesenen Werke in der Hand eines erziehenden Lehrers ein
treffliches Bildungsmittel werden. Aber dazu bedarf es ein-
mal eine erziehende Stellung und einen durch diese Stellung
bedingten erziehenden Einfluß des Lehrers, und dann müs-
sen, ehe der Jnhalt der gelesenen Werke in umfassender
Weise für diese Zwecke benützt werden kann, vorher die
Schwierigkeiten der Form überwunden sein. Denn es ist
immer gefährlich, die Kraft und das Jnteresse des Schülers
zu theilen, so lange nach der einen Seite hin noch größere
Anstrengungen nöthig sind. So lange daher noch nicht eine
hinlängliche Vertrautheit mit der Form erreicht ist, wird eine
solche Hinweisung auf den Jnhalt, welche von tieferer Wir-
kung sein könnte, nur spärlich eintreten können. Bis zu
diesem Grade der Vertrautheit mit der fremden Sprache ge-
langen aber unsere Schüler theils nur spät, theils gar nicht,
weil die Schule an einer Ueberfülle des Lehrstoffes leidet,

Wiſſen an und für ſich ſelbſt noch nicht. Von anderer Be-
deutung iſt allerdings wieder das Lernen, die Arbeit
des Schülers, aber dabei hängt Alles von den leitenden
Beweggründen ab, welche theils durch den häuslichen erzie-
henden Einfluß, theils durch den perſönlichen Einfluß des
Lehrers bedingt ſind. Davon handelt es ſich alſo hier, wo
nur vom Unterricht als ſolchem die Rede iſt, nicht.

Hiernach wird ſich nun Jedermann leicht ſelbſt ſagen,
daß z. B. der mathematiſche Unterricht (als ſolcher)
eine ſittlich bildende Kraft nicht wohl haben kann. Das
Gleiche wird auch von dem grammatiſchen Unterricht
und überhaupt vom Sprachunterricht, ſo weit er es
nämlich nur mit der Form zu thun hat, gelten müſſen. Sehr
wohl aber kann der Sprachunterricht durch den Jnhalt der
geleſenen Werke in der Hand eines erziehenden Lehrers ein
treffliches Bildungsmittel werden. Aber dazu bedarf es ein-
mal eine erziehende Stellung und einen durch dieſe Stellung
bedingten erziehenden Einfluß des Lehrers, und dann müſ-
ſen, ehe der Jnhalt der geleſenen Werke in umfaſſender
Weiſe für dieſe Zwecke benützt werden kann, vorher die
Schwierigkeiten der Form überwunden ſein. Denn es iſt
immer gefährlich, die Kraft und das Jntereſſe des Schülers
zu theilen, ſo lange nach der einen Seite hin noch größere
Anſtrengungen nöthig ſind. So lange daher noch nicht eine
hinlängliche Vertrautheit mit der Form erreicht iſt, wird eine
ſolche Hinweiſung auf den Jnhalt, welche von tieferer Wir-
kung ſein könnte, nur ſpärlich eintreten können. Bis zu
dieſem Grade der Vertrautheit mit der fremden Sprache ge-
langen aber unſere Schüler theils nur ſpät, theils gar nicht,
weil die Schule an einer Ueberfülle des Lehrſtoffes leidet,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0101" n="95"/>
Wi&#x017F;&#x017F;en an und für &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t noch nicht. Von anderer Be-<lb/>
deutung i&#x017F;t allerdings wieder das <hi rendition="#g">Lernen,</hi> die <hi rendition="#g">Arbeit</hi><lb/>
des Schülers, aber dabei hängt Alles von den leitenden<lb/>
Beweggründen ab, welche theils durch den häuslichen erzie-<lb/>
henden Einfluß, theils durch den per&#x017F;önlichen Einfluß des<lb/>
Lehrers bedingt &#x017F;ind. Davon handelt es &#x017F;ich al&#x017F;o hier, wo<lb/>
nur vom Unterricht als &#x017F;olchem die Rede i&#x017F;t, nicht.</p><lb/>
        <p>Hiernach wird &#x017F;ich nun Jedermann leicht &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;agen,<lb/>
daß z. B. der <hi rendition="#g">mathemati&#x017F;che</hi> Unterricht (als &#x017F;olcher)<lb/>
eine &#x017F;ittlich bildende Kraft nicht wohl haben kann. Das<lb/>
Gleiche wird auch von dem <hi rendition="#g">grammati&#x017F;chen</hi> Unterricht<lb/>
und überhaupt vom <hi rendition="#g">Sprachunterricht,</hi> &#x017F;o weit er es<lb/>
nämlich nur mit der Form zu thun hat, gelten mü&#x017F;&#x017F;en. Sehr<lb/>
wohl aber kann der Sprachunterricht durch den Jnhalt der<lb/>
gele&#x017F;enen Werke in der Hand eines erziehenden Lehrers ein<lb/>
treffliches Bildungsmittel werden. Aber dazu bedarf es ein-<lb/>
mal eine erziehende Stellung und einen durch die&#x017F;e Stellung<lb/>
bedingten erziehenden Einfluß des Lehrers, und dann mü&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, ehe der Jnhalt der gele&#x017F;enen Werke in umfa&#x017F;&#x017F;ender<lb/>
Wei&#x017F;e für die&#x017F;e Zwecke benützt werden kann, vorher die<lb/>
Schwierigkeiten der Form überwunden &#x017F;ein. Denn es i&#x017F;t<lb/>
immer gefährlich, die Kraft und das Jntere&#x017F;&#x017F;e des Schülers<lb/>
zu theilen, &#x017F;o lange nach der einen Seite hin noch größere<lb/>
An&#x017F;trengungen nöthig &#x017F;ind. So lange daher noch nicht eine<lb/>
hinlängliche Vertrautheit mit der Form erreicht i&#x017F;t, wird eine<lb/>
&#x017F;olche Hinwei&#x017F;ung auf den Jnhalt, welche von tieferer Wir-<lb/>
kung &#x017F;ein könnte, nur &#x017F;pärlich eintreten können. Bis zu<lb/>
die&#x017F;em Grade der Vertrautheit mit der fremden Sprache ge-<lb/>
langen aber un&#x017F;ere Schüler theils nur &#x017F;pät, theils gar nicht,<lb/>
weil die Schule an einer Ueberfülle des Lehr&#x017F;toffes leidet,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0101] Wiſſen an und für ſich ſelbſt noch nicht. Von anderer Be- deutung iſt allerdings wieder das Lernen, die Arbeit des Schülers, aber dabei hängt Alles von den leitenden Beweggründen ab, welche theils durch den häuslichen erzie- henden Einfluß, theils durch den perſönlichen Einfluß des Lehrers bedingt ſind. Davon handelt es ſich alſo hier, wo nur vom Unterricht als ſolchem die Rede iſt, nicht. Hiernach wird ſich nun Jedermann leicht ſelbſt ſagen, daß z. B. der mathematiſche Unterricht (als ſolcher) eine ſittlich bildende Kraft nicht wohl haben kann. Das Gleiche wird auch von dem grammatiſchen Unterricht und überhaupt vom Sprachunterricht, ſo weit er es nämlich nur mit der Form zu thun hat, gelten müſſen. Sehr wohl aber kann der Sprachunterricht durch den Jnhalt der geleſenen Werke in der Hand eines erziehenden Lehrers ein treffliches Bildungsmittel werden. Aber dazu bedarf es ein- mal eine erziehende Stellung und einen durch dieſe Stellung bedingten erziehenden Einfluß des Lehrers, und dann müſ- ſen, ehe der Jnhalt der geleſenen Werke in umfaſſender Weiſe für dieſe Zwecke benützt werden kann, vorher die Schwierigkeiten der Form überwunden ſein. Denn es iſt immer gefährlich, die Kraft und das Jntereſſe des Schülers zu theilen, ſo lange nach der einen Seite hin noch größere Anſtrengungen nöthig ſind. So lange daher noch nicht eine hinlängliche Vertrautheit mit der Form erreicht iſt, wird eine ſolche Hinweiſung auf den Jnhalt, welche von tieferer Wir- kung ſein könnte, nur ſpärlich eintreten können. Bis zu dieſem Grade der Vertrautheit mit der fremden Sprache ge- langen aber unſere Schüler theils nur ſpät, theils gar nicht, weil die Schule an einer Ueberfülle des Lehrſtoffes leidet,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/101
Zitationshilfe: [N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/101>, abgerufen am 24.11.2024.