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Allgemeine Zeitung, Nr. 99, 9. April 1849.

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Beilage zu Nr. 99 der Allgemeinen Zeitung vom 9 April 1849.


[Spaltenumbruch]
Die augenblickliche Lage der schleswig-holstein'schenAngelegenheit.


(Beschluß.) Was nun
Deutschland und seine Centralgewalt betrifft, so werden wir kurz seyn.
Es ist nicht erfreulich dieß Gebiet zu berühren. Niemals hatte man bessern
Anlaß ein Reichsgebiet zu schaffen. Die Interessen Schleswig-Holsteins
sind nur allgemein deutsche; der Kampf war ein allgemein deutscher; der
Geist der Herzogthümer glühte für Deutschland; aber man hat in Frank-
furt dieß Schleswig-Holstein förmlich an Preußen mit gebundenen Hän-
den übergeben. Ob zum unmittelbaren Heile beider oder nicht, ist jetzt
nutzlos zu untersuchen. Gewiß ist daß die Entscheidung jetzt allein in Preu-
ßens Händen liegt; wenden wir uns ihm und seinem großen Rivalen --
dem alten Kaiserreich -- Oesterreich zu.

Im März des vorigen Jahrs übernahm Preußen die Angelegenheit
der Herzogthümer, nicht aus freiem und großem politischen Gesichtspunkte,
sondern aus einer Reihe von kleineren die man in Berlin mehr oder weni-
ger richtig auffaßte. Es lag in der Natur der Sache daß man bei einem
solchen Anfange gar kein letztes Ziel hatte, und daher außer Stande war,
bei dem Mangel aller eigenen Politik, den politischen Einflüssen von Ruß-
land, Oesterreich und Dänemark zu widerstehen. Noch in diesem Augen-
blick weiß kein Mensch was Preußen eigentlich in Schleswig-Holstein will;
die Rathlostgkeit ist die unausbleibliche Folge der Planlosigkeit mit der
man diese so hochwichtige Frage im vorigen Jahre erfaßte, und jetzt leidet
das Cabinet darunter daß es sich nie ein Ende dieses Streites, und nie ein
rechtes Ziel seiner Betheiligung dabei klar gedacht hat. Denn alle die Er-
wägungen die Preußen damals bestimmten einzugreifen, waren bis auf
Eine höchst untergeordneter Natur, und die einzig wahrhaft staatsmänni-
sche hätte, wenn man sie recht verstanden hätte, durchaus ein ganz anderes
Auftreten gefordert. Was in der That konnte es werth seyn die Garden
nach Schleswig zu schicken, aber keinem andern Fürsten die Execution über-
kommen zu lassen, oder gar jene Angst vor einer nordalbingischen Repu-
blick mit der das Berliner Cabinet dem Kopenhagener gegenüber debutirte?
War das alles der Mühe werth sich mit ganz Europa zu brouilliren?
Aber nein; es gab etwas anderes das man als das Entscheidende aner-
kannte. Das war die öffentliche Meinung Deutschlands, die um jeden
Preis eine Unterstützung der Herzogthümer forderte; und mit dieser wollte
man damals nicht im Conflicte stehen. Es kam dazu daß Preußen, weit
voraussehend, schon damals in den Herzogthümern zwei, wenn auch nicht
administrative, so doch politische Provinzen seines Staats gewinnen konnte;
es tauchte vor ihm schon damals die Hoffnung der Kaiserkrone auf, und
dieß Schleswig-Holstein war wie geschaffen dazu sich nach außen hin als
Vertreter des ganzen Deutschlands Anerkennung zu verschaffen. Das nun
hatte einen guten, einen großartigen Sinn; in diesem Sinne nahm Preu-
ßen mit vollem Recht die volle Verantwortung der Leitung unserer Ange-
legenheit in die Hände, und wir dürfen es versichern daß der verständige
Theil der Bewohner der Herzogthümer -- mochte nun seine politische
Ueberzeugung seyn wie sie wollte -- mit aller Kraft dieß Auftreten Preu-
ßens unterstützte. Allein mitten in diesem entscheidenden Punkte, gleich-
sam auf der ersten Stufe des factischen Kaiserthrones, hielt Preußen plötz-
lich inne. Es schlug die Dänen bei Schleswig, aber es ließ ihre Armee ent-
kommen; es marschirte nach Jütland, aber es kehrte schleunigst zurück; es
siegte wie in seinen schönsten Zeiten, aber es flehte um einen Waffenstillstand
wie in seinen unglücklichsten. Warum? Weil es nicht den Muth hatte zu
wollen, was es doch den Muth hatte zu wünschen!
Es ist kaum
mehr zweifelhaft daß es erst nach dem Siege bei Schleswig in das fast in-
stinctartige Bewußtseyn von der Nothwendigkeit der Vertretung Deutsch-
lands durch Preußen um Preußens willen den Berliner Staatsmännern
klar wurde, von welcher europäischen Bedeutung diese schleswig-holsteini-
sche Frage sey; da erst begriff man daß alle andern Mächte ein mehr oder
minder großes und mehr oder minder directes Interesse daran hatten daß
Preußen nicht siege, Schleswig nicht von Dänemark getrennt werde, die
deutsche Einheit in dieser ihrer ersten Lebensfrage nicht als eine Macht mit
der man rechnen dürfe auftrete. Jetzt war -- es war am Ende Mais --
der Augenblick gekommen wo Preußen sich zusammennehmen mußte; es
mußte die Möglichkeit eines Krieges, die Wahrscheinlichkeit und Unwahr-
scheinlichkeit eines französtschen und russischen Angriffes gegen die hohe
Bedeutung seiner eigenen Stellung abwägen; es mußte wieder einmal be-
denken daß es doch ein- für allemal Deutschland und die deutschen Inter-
essen ganz fallen lassen, das alte Preußen bleiben, oder sich auf den euro-
päischen Krieg gefaßt machen mußte. Einmal mußte dieß doch geschehen,
und dann je eher je lieber; hier war der Anlaß; es galt nur den Muth da-
zu, und Preußen hatte ihn nicht! Von da an ist das Ganze eine klägliche
Geschichte von der wir nicht weiter reden wollen. Allein dennoch müssen
wir dabei beharren daß noch in diesem Augenblick die Sachen stehen
wie vor einem Jahre; Preußen hat die politische, die deutsche Pflicht dem
übrigen Europa die entschiedene Alternative hinzustellen: Krieg, oder Ein-
heit von Schleswig-Holstein in Verbindung mit Deutschland. Glaubt
man denn wirklich daß die Mächte von denen wir geredet um dieser Frage
willen den Krieg vorziehen werden, einen Krieg dessen Ausgang -- ja
vielleicht dessen Anfang schon das einheitliche Deutschland consti-
tuiren
würde? Einen Krieg dessen Gefahr Preußen doch entgegengeht
wenn es die Kaiserkrone annimmt? Mit unglückseliger Halbheit hat Preu-
ßen in der schleswig-holsteinischen Sache bisher gehandelt; es hat dafür
schon vieles leiden müssen; noch einmal wirft ihm die freundliche Hand des
Geschickes die entscheidende Alternative zu; wird es jetzt die edlere Wahl
treffen?

Von Oesterreich, das Dänemark ferner steht, nur das eine: daß es
mit großer Mißgunst sah wie Preußen die Herzogthümer wirklich durch
alle ihm zu Gebot stehenden Mittel zu politischen Anhängseln seines Sy-
stems machte, und jede Selbständigkeit derselben tödtete. Es wußte kein
anderes Gegengewicht, als daß es sich fast direct mit Dänemark verbündete,
und in dem noch immer als legitim anerkannten Landesherrn seinen
Bundesgenossen aufstellte. Das wird das ganze Benehmen Oesterreichs in
dieser Frage hinreichend erklären; es bildet dieß auch noch gegenwärtig die
Grundlage seiner Politik in der schleswig-holstein'schen Frage, und bedarf
keiner weiteren Erörterung.

Fassen wir nun diese Verhältnisse zusammen, was ergibt ergibt sich
als allgemeinstes Resultat? Preußen hat nicht gewagt den Knoten zu
durchhauen, weil es den Krieg fürchtete; die andern Mächte kannten diese
Furcht und haben sie trefflich benutzt; dennoch ist es gewiß daß zwar keine
Macht die Herzogthümer dem deutschen Reiche gönnt, daß aber keine von
ihnen -- außer Rußland -- auch nur Lust haben würde einen Krieg um
ihretwillen zu beginnen; daß auch Rußland dieß jetzt nicht wollen kann;
daß sie aber alle mit großen Drohungen und Intriguen das preußische
Cabinet umlagern, um dasselbe mit der Furcht vor einem Kriege von der
Erwerbung der Herzogthümer für Deutschland wegzuscheuchen; daß nie-
mand von ihnen an den wirklichen Krieg denkt wenn Preußen Garantie
gibt daß es nicht erobern will -- etwa eine Theilung des nördlichen Schles-
wig soweit es dänisch seyn will; daß aber Preußen nicht die rechte Energie
hat die Sache zu enden, weil es noch immer von allerlei Verhandlungen
hofft was es durch ein entschiedenes Wort und durch hunderttausend
Mann im vorigen Jahre schon lange ohne wirklichen Krieg erreicht hätte;
und daß endlich Rußland sich unendlich freut dieß Preußen im Norden
fortwährend beschäftigt zu sehen mit einem europäischen Kriegsgespenst,
während es selber an der Donau ganz stille seine kleinen Erwerbungen
macht. Die beklagenswerthen Folgen dieses unglücklichen Verhältnisses
werden ein trauriger Frieden seyn, dessen Bestimmungen höchst wahr-
scheinlich Schleswig von Holstein trennen, dem erstern eine angebliche
Selbständigkeit zusichern und somit den Lebenskeim der Herzogthümer
brechen und die Zukunft einer deutschen Seemacht schon im Keime ersticken
werden! Solches geschieht, wenn nicht ein klarer großartiger Geist die
Kräfte der deutschen Staaten lenkt; die kommende Zeit wird ihr ernstes
Urtheil darüber nicht zurückhalten, und wir fürchten schon die Gegenwart
wird die Folgen gewiß empfinden, ungewiß ob sie sie ertragen wird. Die
Fremden aber, und vor allen Rußland und Frankreich, werden sich freuen.

Werfen wir jetzt einen Blick auf die Verhältnisse in den Herzogthü-
mern. Als im vorigen Jahre die Herzogthümer sich erhoben, gab es in
der Masse des Volkes sowie der Intelligenz zwei Parteien, die aber beide
keineswegs zur rechten Klarheit über ihr Endziel gekommen waren. Die
erste war aus der sogenannten altschleswig-holsteinischen Schule und aus
der Aristokratie des Landes gebildet; sie ging durchaus von dem histori-
schen Rechte aus, kümmerte sich wenig um das Verhältniß zu Deutsch-
lands Zukunft, und wollte nichts anderes als die Erhaltung des alten
Verhältnisses zu Dänemark mit etwaiger gemeinsamer Verfassung und
administrativer Selbständigkeit Dänemark gegenüber. Die andere war
die eigentlich deutsche Partei oder Richtung. Sie wollte, in der festen
Ueberzeugung daß jede Verbindung mit Dänemark nur zum Unsegen
führe, eine völlige Trennung von demselben, eine absolute Hingabe an
Deutschland. Die Ereignisse gingen so rasch daß beide Parteien gar nicht
zur gegenseitigen Erörterung gelangten. Die erste Partei trug durch die
höchst gewandte Befitzergreifung der Regierungsgewalt den entschiedenen
Sieg davon. Sie begann mit der vollkommensten und allerunterthänig-
sten Anerkennung des Königs von Dänemark als des legitimen Landes-

Beilage zu Nr. 99 der Allgemeinen Zeitung vom 9 April 1849.


[Spaltenumbruch]
Die augenblickliche Lage der ſchleswig-holſtein’ſchenAngelegenheit.


(Beſchluß.) Was nun
Deutſchland und ſeine Centralgewalt betrifft, ſo werden wir kurz ſeyn.
Es iſt nicht erfreulich dieß Gebiet zu berühren. Niemals hatte man beſſern
Anlaß ein Reichsgebiet zu ſchaffen. Die Intereſſen Schleswig-Holſteins
ſind nur allgemein deutſche; der Kampf war ein allgemein deutſcher; der
Geiſt der Herzogthümer glühte für Deutſchland; aber man hat in Frank-
furt dieß Schleswig-Holſtein förmlich an Preußen mit gebundenen Hän-
den übergeben. Ob zum unmittelbaren Heile beider oder nicht, iſt jetzt
nutzlos zu unterſuchen. Gewiß iſt daß die Entſcheidung jetzt allein in Preu-
ßens Händen liegt; wenden wir uns ihm und ſeinem großen Rivalen —
dem alten Kaiſerreich — Oeſterreich zu.

Im März des vorigen Jahrs übernahm Preußen die Angelegenheit
der Herzogthümer, nicht aus freiem und großem politiſchen Geſichtspunkte,
ſondern aus einer Reihe von kleineren die man in Berlin mehr oder weni-
ger richtig auffaßte. Es lag in der Natur der Sache daß man bei einem
ſolchen Anfange gar kein letztes Ziel hatte, und daher außer Stande war,
bei dem Mangel aller eigenen Politik, den politiſchen Einflüſſen von Ruß-
land, Oeſterreich und Dänemark zu widerſtehen. Noch in dieſem Augen-
blick weiß kein Menſch was Preußen eigentlich in Schleswig-Holſtein will;
die Rathloſtgkeit iſt die unausbleibliche Folge der Planloſigkeit mit der
man dieſe ſo hochwichtige Frage im vorigen Jahre erfaßte, und jetzt leidet
das Cabinet darunter daß es ſich nie ein Ende dieſes Streites, und nie ein
rechtes Ziel ſeiner Betheiligung dabei klar gedacht hat. Denn alle die Er-
wägungen die Preußen damals beſtimmten einzugreifen, waren bis auf
Eine höchſt untergeordneter Natur, und die einzig wahrhaft ſtaatsmänni-
ſche hätte, wenn man ſie recht verſtanden hätte, durchaus ein ganz anderes
Auftreten gefordert. Was in der That konnte es werth ſeyn die Garden
nach Schleswig zu ſchicken, aber keinem andern Fürſten die Execution über-
kommen zu laſſen, oder gar jene Angſt vor einer nordalbingiſchen Repu-
blick mit der das Berliner Cabinet dem Kopenhagener gegenüber debutirte?
War das alles der Mühe werth ſich mit ganz Europa zu brouilliren?
Aber nein; es gab etwas anderes das man als das Entſcheidende aner-
kannte. Das war die öffentliche Meinung Deutſchlands, die um jeden
Preis eine Unterſtützung der Herzogthümer forderte; und mit dieſer wollte
man damals nicht im Conflicte ſtehen. Es kam dazu daß Preußen, weit
vorausſehend, ſchon damals in den Herzogthümern zwei, wenn auch nicht
adminiſtrative, ſo doch politiſche Provinzen ſeines Staats gewinnen konnte;
es tauchte vor ihm ſchon damals die Hoffnung der Kaiſerkrone auf, und
dieß Schleswig-Holſtein war wie geſchaffen dazu ſich nach außen hin als
Vertreter des ganzen Deutſchlands Anerkennung zu verſchaffen. Das nun
hatte einen guten, einen großartigen Sinn; in dieſem Sinne nahm Preu-
ßen mit vollem Recht die volle Verantwortung der Leitung unſerer Ange-
legenheit in die Hände, und wir dürfen es verſichern daß der verſtändige
Theil der Bewohner der Herzogthümer — mochte nun ſeine politiſche
Ueberzeugung ſeyn wie ſie wollte — mit aller Kraft dieß Auftreten Preu-
ßens unterſtützte. Allein mitten in dieſem entſcheidenden Punkte, gleich-
ſam auf der erſten Stufe des factiſchen Kaiſerthrones, hielt Preußen plötz-
lich inne. Es ſchlug die Dänen bei Schleswig, aber es ließ ihre Armee ent-
kommen; es marſchirte nach Jütland, aber es kehrte ſchleunigſt zurück; es
ſiegte wie in ſeinen ſchönſten Zeiten, aber es flehte um einen Waffenſtillſtand
wie in ſeinen unglücklichſten. Warum? Weil es nicht den Muth hatte zu
wollen, was es doch den Muth hatte zu wünſchen!
Es iſt kaum
mehr zweifelhaft daß es erſt nach dem Siege bei Schleswig in das faſt in-
ſtinctartige Bewußtſeyn von der Nothwendigkeit der Vertretung Deutſch-
lands durch Preußen um Preußens willen den Berliner Staatsmännern
klar wurde, von welcher europäiſchen Bedeutung dieſe ſchleswig-holſteini-
ſche Frage ſey; da erſt begriff man daß alle andern Mächte ein mehr oder
minder großes und mehr oder minder directes Intereſſe daran hatten daß
Preußen nicht ſiege, Schleswig nicht von Dänemark getrennt werde, die
deutſche Einheit in dieſer ihrer erſten Lebensfrage nicht als eine Macht mit
der man rechnen dürfe auftrete. Jetzt war — es war am Ende Mais —
der Augenblick gekommen wo Preußen ſich zuſammennehmen mußte; es
mußte die Möglichkeit eines Krieges, die Wahrſcheinlichkeit und Unwahr-
ſcheinlichkeit eines franzöſtſchen und ruſſiſchen Angriffes gegen die hohe
Bedeutung ſeiner eigenen Stellung abwägen; es mußte wieder einmal be-
denken daß es doch ein- für allemal Deutſchland und die deutſchen Inter-
eſſen ganz fallen laſſen, das alte Preußen bleiben, oder ſich auf den euro-
päiſchen Krieg gefaßt machen mußte. Einmal mußte dieß doch geſchehen,
und dann je eher je lieber; hier war der Anlaß; es galt nur den Muth da-
zu, und Preußen hatte ihn nicht! Von da an iſt das Ganze eine klägliche
Geſchichte von der wir nicht weiter reden wollen. Allein dennoch müſſen
wir dabei beharren daß noch in dieſem Augenblick die Sachen ſtehen
wie vor einem Jahre; Preußen hat die politiſche, die deutſche Pflicht dem
übrigen Europa die entſchiedene Alternative hinzuſtellen: Krieg, oder Ein-
heit von Schleswig-Holſtein in Verbindung mit Deutſchland. Glaubt
man denn wirklich daß die Mächte von denen wir geredet um dieſer Frage
willen den Krieg vorziehen werden, einen Krieg deſſen Ausgang — ja
vielleicht deſſen Anfang ſchon das einheitliche Deutſchland conſti-
tuiren
würde? Einen Krieg deſſen Gefahr Preußen doch entgegengeht
wenn es die Kaiſerkrone annimmt? Mit unglückſeliger Halbheit hat Preu-
ßen in der ſchleswig-holſteiniſchen Sache bisher gehandelt; es hat dafür
ſchon vieles leiden müſſen; noch einmal wirft ihm die freundliche Hand des
Geſchickes die entſcheidende Alternative zu; wird es jetzt die edlere Wahl
treffen?

Von Oeſterreich, das Dänemark ferner ſteht, nur das eine: daß es
mit großer Mißgunſt ſah wie Preußen die Herzogthümer wirklich durch
alle ihm zu Gebot ſtehenden Mittel zu politiſchen Anhängſeln ſeines Sy-
ſtems machte, und jede Selbſtändigkeit derſelben tödtete. Es wußte kein
anderes Gegengewicht, als daß es ſich faſt direct mit Dänemark verbündete,
und in dem noch immer als legitim anerkannten Landesherrn ſeinen
Bundesgenoſſen aufſtellte. Das wird das ganze Benehmen Oeſterreichs in
dieſer Frage hinreichend erklären; es bildet dieß auch noch gegenwärtig die
Grundlage ſeiner Politik in der ſchleswig-holſtein’ſchen Frage, und bedarf
keiner weiteren Erörterung.

Faſſen wir nun dieſe Verhältniſſe zuſammen, was ergibt ergibt ſich
als allgemeinſtes Reſultat? Preußen hat nicht gewagt den Knoten zu
durchhauen, weil es den Krieg fürchtete; die andern Mächte kannten dieſe
Furcht und haben ſie trefflich benutzt; dennoch iſt es gewiß daß zwar keine
Macht die Herzogthümer dem deutſchen Reiche gönnt, daß aber keine von
ihnen — außer Rußland — auch nur Luſt haben würde einen Krieg um
ihretwillen zu beginnen; daß auch Rußland dieß jetzt nicht wollen kann;
daß ſie aber alle mit großen Drohungen und Intriguen das preußiſche
Cabinet umlagern, um dasſelbe mit der Furcht vor einem Kriege von der
Erwerbung der Herzogthümer für Deutſchland wegzuſcheuchen; daß nie-
mand von ihnen an den wirklichen Krieg denkt wenn Preußen Garantie
gibt daß es nicht erobern will — etwa eine Theilung des nördlichen Schles-
wig ſoweit es däniſch ſeyn will; daß aber Preußen nicht die rechte Energie
hat die Sache zu enden, weil es noch immer von allerlei Verhandlungen
hofft was es durch ein entſchiedenes Wort und durch hunderttauſend
Mann im vorigen Jahre ſchon lange ohne wirklichen Krieg erreicht hätte;
und daß endlich Rußland ſich unendlich freut dieß Preußen im Norden
fortwährend beſchäftigt zu ſehen mit einem europäiſchen Kriegsgeſpenſt,
während es ſelber an der Donau ganz ſtille ſeine kleinen Erwerbungen
macht. Die beklagenswerthen Folgen dieſes unglücklichen Verhältniſſes
werden ein trauriger Frieden ſeyn, deſſen Beſtimmungen höchſt wahr-
ſcheinlich Schleswig von Holſtein trennen, dem erſtern eine angebliche
Selbſtändigkeit zuſichern und ſomit den Lebenskeim der Herzogthümer
brechen und die Zukunft einer deutſchen Seemacht ſchon im Keime erſticken
werden! Solches geſchieht, wenn nicht ein klarer großartiger Geiſt die
Kräfte der deutſchen Staaten lenkt; die kommende Zeit wird ihr ernſtes
Urtheil darüber nicht zurückhalten, und wir fürchten ſchon die Gegenwart
wird die Folgen gewiß empfinden, ungewiß ob ſie ſie ertragen wird. Die
Fremden aber, und vor allen Rußland und Frankreich, werden ſich freuen.

Werfen wir jetzt einen Blick auf die Verhältniſſe in den Herzogthü-
mern. Als im vorigen Jahre die Herzogthümer ſich erhoben, gab es in
der Maſſe des Volkes ſowie der Intelligenz zwei Parteien, die aber beide
keineswegs zur rechten Klarheit über ihr Endziel gekommen waren. Die
erſte war aus der ſogenannten altſchleswig-holſteiniſchen Schule und aus
der Ariſtokratie des Landes gebildet; ſie ging durchaus von dem hiſtori-
ſchen Rechte aus, kümmerte ſich wenig um das Verhältniß zu Deutſch-
lands Zukunft, und wollte nichts anderes als die Erhaltung des alten
Verhältniſſes zu Dänemark mit etwaiger gemeinſamer Verfaſſung und
adminiſtrativer Selbſtändigkeit Dänemark gegenüber. Die andere war
die eigentlich deutſche Partei oder Richtung. Sie wollte, in der feſten
Ueberzeugung daß jede Verbindung mit Dänemark nur zum Unſegen
führe, eine völlige Trennung von demſelben, eine abſolute Hingabe an
Deutſchland. Die Ereigniſſe gingen ſo raſch daß beide Parteien gar nicht
zur gegenſeitigen Erörterung gelangten. Die erſte Partei trug durch die
höchſt gewandte Befitzergreifung der Regierungsgewalt den entſchiedenen
Sieg davon. Sie begann mit der vollkommenſten und allerunterthänig-
ſten Anerkennung des Königs von Dänemark als des legitimen Landes-

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[0009] Beilage zu Nr. 99 der Allgemeinen Zeitung vom 9 April 1849. Die augenblickliche Lage der ſchleswig-holſtein’ſchenAngelegenheit. ᘣ Schleswig-Holſtein, 30 März. (Beſchluß.) Was nun Deutſchland und ſeine Centralgewalt betrifft, ſo werden wir kurz ſeyn. Es iſt nicht erfreulich dieß Gebiet zu berühren. Niemals hatte man beſſern Anlaß ein Reichsgebiet zu ſchaffen. Die Intereſſen Schleswig-Holſteins ſind nur allgemein deutſche; der Kampf war ein allgemein deutſcher; der Geiſt der Herzogthümer glühte für Deutſchland; aber man hat in Frank- furt dieß Schleswig-Holſtein förmlich an Preußen mit gebundenen Hän- den übergeben. Ob zum unmittelbaren Heile beider oder nicht, iſt jetzt nutzlos zu unterſuchen. Gewiß iſt daß die Entſcheidung jetzt allein in Preu- ßens Händen liegt; wenden wir uns ihm und ſeinem großen Rivalen — dem alten Kaiſerreich — Oeſterreich zu. Im März des vorigen Jahrs übernahm Preußen die Angelegenheit der Herzogthümer, nicht aus freiem und großem politiſchen Geſichtspunkte, ſondern aus einer Reihe von kleineren die man in Berlin mehr oder weni- ger richtig auffaßte. Es lag in der Natur der Sache daß man bei einem ſolchen Anfange gar kein letztes Ziel hatte, und daher außer Stande war, bei dem Mangel aller eigenen Politik, den politiſchen Einflüſſen von Ruß- land, Oeſterreich und Dänemark zu widerſtehen. Noch in dieſem Augen- blick weiß kein Menſch was Preußen eigentlich in Schleswig-Holſtein will; die Rathloſtgkeit iſt die unausbleibliche Folge der Planloſigkeit mit der man dieſe ſo hochwichtige Frage im vorigen Jahre erfaßte, und jetzt leidet das Cabinet darunter daß es ſich nie ein Ende dieſes Streites, und nie ein rechtes Ziel ſeiner Betheiligung dabei klar gedacht hat. Denn alle die Er- wägungen die Preußen damals beſtimmten einzugreifen, waren bis auf Eine höchſt untergeordneter Natur, und die einzig wahrhaft ſtaatsmänni- ſche hätte, wenn man ſie recht verſtanden hätte, durchaus ein ganz anderes Auftreten gefordert. Was in der That konnte es werth ſeyn die Garden nach Schleswig zu ſchicken, aber keinem andern Fürſten die Execution über- kommen zu laſſen, oder gar jene Angſt vor einer nordalbingiſchen Repu- blick mit der das Berliner Cabinet dem Kopenhagener gegenüber debutirte? War das alles der Mühe werth ſich mit ganz Europa zu brouilliren? Aber nein; es gab etwas anderes das man als das Entſcheidende aner- kannte. Das war die öffentliche Meinung Deutſchlands, die um jeden Preis eine Unterſtützung der Herzogthümer forderte; und mit dieſer wollte man damals nicht im Conflicte ſtehen. Es kam dazu daß Preußen, weit vorausſehend, ſchon damals in den Herzogthümern zwei, wenn auch nicht adminiſtrative, ſo doch politiſche Provinzen ſeines Staats gewinnen konnte; es tauchte vor ihm ſchon damals die Hoffnung der Kaiſerkrone auf, und dieß Schleswig-Holſtein war wie geſchaffen dazu ſich nach außen hin als Vertreter des ganzen Deutſchlands Anerkennung zu verſchaffen. Das nun hatte einen guten, einen großartigen Sinn; in dieſem Sinne nahm Preu- ßen mit vollem Recht die volle Verantwortung der Leitung unſerer Ange- legenheit in die Hände, und wir dürfen es verſichern daß der verſtändige Theil der Bewohner der Herzogthümer — mochte nun ſeine politiſche Ueberzeugung ſeyn wie ſie wollte — mit aller Kraft dieß Auftreten Preu- ßens unterſtützte. Allein mitten in dieſem entſcheidenden Punkte, gleich- ſam auf der erſten Stufe des factiſchen Kaiſerthrones, hielt Preußen plötz- lich inne. Es ſchlug die Dänen bei Schleswig, aber es ließ ihre Armee ent- kommen; es marſchirte nach Jütland, aber es kehrte ſchleunigſt zurück; es ſiegte wie in ſeinen ſchönſten Zeiten, aber es flehte um einen Waffenſtillſtand wie in ſeinen unglücklichſten. Warum? Weil es nicht den Muth hatte zu wollen, was es doch den Muth hatte zu wünſchen! Es iſt kaum mehr zweifelhaft daß es erſt nach dem Siege bei Schleswig in das faſt in- ſtinctartige Bewußtſeyn von der Nothwendigkeit der Vertretung Deutſch- lands durch Preußen um Preußens willen den Berliner Staatsmännern klar wurde, von welcher europäiſchen Bedeutung dieſe ſchleswig-holſteini- ſche Frage ſey; da erſt begriff man daß alle andern Mächte ein mehr oder minder großes und mehr oder minder directes Intereſſe daran hatten daß Preußen nicht ſiege, Schleswig nicht von Dänemark getrennt werde, die deutſche Einheit in dieſer ihrer erſten Lebensfrage nicht als eine Macht mit der man rechnen dürfe auftrete. Jetzt war — es war am Ende Mais — der Augenblick gekommen wo Preußen ſich zuſammennehmen mußte; es mußte die Möglichkeit eines Krieges, die Wahrſcheinlichkeit und Unwahr- ſcheinlichkeit eines franzöſtſchen und ruſſiſchen Angriffes gegen die hohe Bedeutung ſeiner eigenen Stellung abwägen; es mußte wieder einmal be- denken daß es doch ein- für allemal Deutſchland und die deutſchen Inter- eſſen ganz fallen laſſen, das alte Preußen bleiben, oder ſich auf den euro- päiſchen Krieg gefaßt machen mußte. Einmal mußte dieß doch geſchehen, und dann je eher je lieber; hier war der Anlaß; es galt nur den Muth da- zu, und Preußen hatte ihn nicht! Von da an iſt das Ganze eine klägliche Geſchichte von der wir nicht weiter reden wollen. Allein dennoch müſſen wir dabei beharren daß noch in dieſem Augenblick die Sachen ſtehen wie vor einem Jahre; Preußen hat die politiſche, die deutſche Pflicht dem übrigen Europa die entſchiedene Alternative hinzuſtellen: Krieg, oder Ein- heit von Schleswig-Holſtein in Verbindung mit Deutſchland. Glaubt man denn wirklich daß die Mächte von denen wir geredet um dieſer Frage willen den Krieg vorziehen werden, einen Krieg deſſen Ausgang — ja vielleicht deſſen Anfang ſchon das einheitliche Deutſchland conſti- tuiren würde? Einen Krieg deſſen Gefahr Preußen doch entgegengeht wenn es die Kaiſerkrone annimmt? Mit unglückſeliger Halbheit hat Preu- ßen in der ſchleswig-holſteiniſchen Sache bisher gehandelt; es hat dafür ſchon vieles leiden müſſen; noch einmal wirft ihm die freundliche Hand des Geſchickes die entſcheidende Alternative zu; wird es jetzt die edlere Wahl treffen? Von Oeſterreich, das Dänemark ferner ſteht, nur das eine: daß es mit großer Mißgunſt ſah wie Preußen die Herzogthümer wirklich durch alle ihm zu Gebot ſtehenden Mittel zu politiſchen Anhängſeln ſeines Sy- ſtems machte, und jede Selbſtändigkeit derſelben tödtete. Es wußte kein anderes Gegengewicht, als daß es ſich faſt direct mit Dänemark verbündete, und in dem noch immer als legitim anerkannten Landesherrn ſeinen Bundesgenoſſen aufſtellte. Das wird das ganze Benehmen Oeſterreichs in dieſer Frage hinreichend erklären; es bildet dieß auch noch gegenwärtig die Grundlage ſeiner Politik in der ſchleswig-holſtein’ſchen Frage, und bedarf keiner weiteren Erörterung. Faſſen wir nun dieſe Verhältniſſe zuſammen, was ergibt ergibt ſich als allgemeinſtes Reſultat? Preußen hat nicht gewagt den Knoten zu durchhauen, weil es den Krieg fürchtete; die andern Mächte kannten dieſe Furcht und haben ſie trefflich benutzt; dennoch iſt es gewiß daß zwar keine Macht die Herzogthümer dem deutſchen Reiche gönnt, daß aber keine von ihnen — außer Rußland — auch nur Luſt haben würde einen Krieg um ihretwillen zu beginnen; daß auch Rußland dieß jetzt nicht wollen kann; daß ſie aber alle mit großen Drohungen und Intriguen das preußiſche Cabinet umlagern, um dasſelbe mit der Furcht vor einem Kriege von der Erwerbung der Herzogthümer für Deutſchland wegzuſcheuchen; daß nie- mand von ihnen an den wirklichen Krieg denkt wenn Preußen Garantie gibt daß es nicht erobern will — etwa eine Theilung des nördlichen Schles- wig ſoweit es däniſch ſeyn will; daß aber Preußen nicht die rechte Energie hat die Sache zu enden, weil es noch immer von allerlei Verhandlungen hofft was es durch ein entſchiedenes Wort und durch hunderttauſend Mann im vorigen Jahre ſchon lange ohne wirklichen Krieg erreicht hätte; und daß endlich Rußland ſich unendlich freut dieß Preußen im Norden fortwährend beſchäftigt zu ſehen mit einem europäiſchen Kriegsgeſpenſt, während es ſelber an der Donau ganz ſtille ſeine kleinen Erwerbungen macht. Die beklagenswerthen Folgen dieſes unglücklichen Verhältniſſes werden ein trauriger Frieden ſeyn, deſſen Beſtimmungen höchſt wahr- ſcheinlich Schleswig von Holſtein trennen, dem erſtern eine angebliche Selbſtändigkeit zuſichern und ſomit den Lebenskeim der Herzogthümer brechen und die Zukunft einer deutſchen Seemacht ſchon im Keime erſticken werden! Solches geſchieht, wenn nicht ein klarer großartiger Geiſt die Kräfte der deutſchen Staaten lenkt; die kommende Zeit wird ihr ernſtes Urtheil darüber nicht zurückhalten, und wir fürchten ſchon die Gegenwart wird die Folgen gewiß empfinden, ungewiß ob ſie ſie ertragen wird. Die Fremden aber, und vor allen Rußland und Frankreich, werden ſich freuen. Werfen wir jetzt einen Blick auf die Verhältniſſe in den Herzogthü- mern. Als im vorigen Jahre die Herzogthümer ſich erhoben, gab es in der Maſſe des Volkes ſowie der Intelligenz zwei Parteien, die aber beide keineswegs zur rechten Klarheit über ihr Endziel gekommen waren. Die erſte war aus der ſogenannten altſchleswig-holſteiniſchen Schule und aus der Ariſtokratie des Landes gebildet; ſie ging durchaus von dem hiſtori- ſchen Rechte aus, kümmerte ſich wenig um das Verhältniß zu Deutſch- lands Zukunft, und wollte nichts anderes als die Erhaltung des alten Verhältniſſes zu Dänemark mit etwaiger gemeinſamer Verfaſſung und adminiſtrativer Selbſtändigkeit Dänemark gegenüber. Die andere war die eigentlich deutſche Partei oder Richtung. Sie wollte, in der feſten Ueberzeugung daß jede Verbindung mit Dänemark nur zum Unſegen führe, eine völlige Trennung von demſelben, eine abſolute Hingabe an Deutſchland. Die Ereigniſſe gingen ſo raſch daß beide Parteien gar nicht zur gegenſeitigen Erörterung gelangten. Die erſte Partei trug durch die höchſt gewandte Befitzergreifung der Regierungsgewalt den entſchiedenen Sieg davon. Sie begann mit der vollkommenſten und allerunterthänig- ſten Anerkennung des Königs von Dänemark als des legitimen Landes-

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 99, 9. April 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine99_1849/9>, abgerufen am 23.11.2024.