Allgemeine Zeitung, Nr. 97, 7. April 1849.[Spaltenumbruch]
Hülse zu kommen. Die Artillerie hatte in acht Tagen die weite Reise von Die neuesten Nachrichten aus Kiel und Schleswig (1 April) wol- Oesterreich. Wien, 3 April. Puchner also befindet sich in Rückkehr des gesammten Hofs nach der Hauptstadt noch in diesem Monat erwartete. Ischl, 1 April. Der ganze Flecken erschallt von Juchzern und Donaufürstenthümer. Galatz, 18 März. Nach einem Privatschreiben aus Bucharest Galatz, 22 März. Gestern und vorgestern ist die hiesige türki- Großbritannien. London, 2 April. Am Sonnabend Nachmittags saß auf dem auswärtigen Amt ein drei- *) Unsere Briefe aus den Donaufürstenthümern, sowie die siebenbürgischen
Nachrichten, die wir von guter Quelle aus Wien erhalten, melden jene Gräuel einstimmig als traurige Wahrheit. [Spaltenumbruch]
Hülſe zu kommen. Die Artillerie hatte in acht Tagen die weite Reiſe von Die neueſten Nachrichten aus Kiel und Schleswig (1 April) wol- Oeſterreich. ⵔ Wien, 3 April. Puchner alſo befindet ſich in Rückkehr des geſammten Hofs nach der Hauptſtadt noch in dieſem Monat erwartete. ✕ Iſchl, 1 April. Der ganze Flecken erſchallt von Juchzern und Donaufürſtenthümer. ♂ Galatz, 18 März. Nach einem Privatſchreiben aus Buchareſt ♂ Galatz, 22 März. Geſtern und vorgeſtern iſt die hieſige türki- Großbritannien. London, 2 April. Am Sonnabend Nachmittags ſaß auf dem auswärtigen Amt ein drei- *) Unſere Briefe aus den Donaufürſtenthümern, ſowie die ſiebenbürgiſchen
Nachrichten, die wir von guter Quelle aus Wien erhalten, melden jene Gräuel einſtimmig als traurige Wahrheit. <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0005" n="1485"/><cb/> Hülſe zu kommen. Die Artillerie hatte in acht Tagen die weite Reiſe von<lb/> Nürnberg nach Schleswig zurückgelegt. Es überraſchte der Anblick die-<lb/> ſer kräftigen, gewandten und trefflich ausgerüſteten Truppen. Die 16<lb/> metallenen Geſchütze von der Augsburger Gießerei von 1841, mit den Wa-<lb/> gen nach dem Zoller’ſchen Syſtem, erregen bei allen Kundigen Bewunde-<lb/> rung. Die Bayern ſprechen durch ihr biederes gutmüthiges Benehmen<lb/> ſehr an, und haben ſich durch die Kampfbegier, die ſie lebhaft äußern, ſchon<lb/> im voraus die dankbarſte Anerkennung verſchafft. Sie werden auch bald<lb/> den nachträglichen Dank zu empfangen Gelegenheit haben; denn morgen<lb/> marſchirt die bayeriſche Diviſion gegen Flensburg, und es wird in den<lb/> nächſten Tagen ein Angriff däniſcherſeits von Alſen aus erwartet. Nach<lb/> heute eingetroffenen Nachrichten von Hadersleben waren die Dänen von<lb/> Jütland noch nicht auf ſchleswig’ſchem Boden. Doch kann täglich der An-<lb/> fang der Feindſeligkeiten auch dort erwartet werden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"><lb/> <p>Die neueſten Nachrichten aus <hi rendition="#g">Kiel</hi> und <hi rendition="#g">Schleswig</hi> (1 April) wol-<lb/> len, übereinſtimmend mit obiger Hamburger Correſpondenz, wiſſen daß die<lb/> Waffenruhe alsbald (3 April) mit dem Krieg vertauſcht werden ſolle.<lb/> Der Kieler Hafen war bereits von den Dänen blokirt, welche Schiffen<lb/> die einlaufen wollten, auch einem engliſchen, den Eingang wehrten.<lb/> In der Landesverſammlung erklärte der Departementschef des Auswärti-<lb/> gen am 31 März ausdrücklich, es fänden gegenwärtig keine Friedens-<lb/> unterhandlungen ſtatt, der Krieg werde wohl beginnen ſowie die Friſt des<lb/> Waffenſtands abgelaufen ſey.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">Oeſterreich</hi>.</head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">ⵔ Wien,</hi> 3 April.</dateline><lb/> <p>Puchner alſo befindet ſich in<lb/> Rimnik, während wir allen bisherigen Berichten zufolge Bem daſelbſt vermu-<lb/> theten. So wäre Siebenbürgen von den Kaiſerlichen gänzlich geräumt, denn<lb/> nachdem die Ruſſen ſich auch aus Kronſtadt in die Walachei zurückgezo-<lb/> gen haben, wird die Beſetzung dieſer Stadt ohne viel Schwierigkeit erfolgt<lb/> ſeyn. Einen Troſt jedoch ſchöpfen wir aus eben erſt angelangten Briefen<lb/> daß die meiſten Grauſamkeiten, welche hieſige Blätter den Honveds an-<lb/> dichten, ſich als ebenſo grundlos beweiſen<note place="foot" n="*)">Unſere Briefe aus den Donaufürſtenthümern, ſowie die ſiebenbürgiſchen<lb/> Nachrichten, die wir von guter Quelle aus Wien erhalten, melden jene<lb/> Gräuel einſtimmig als traurige Wahrheit.</note> wie ihre früheren Angaben.<lb/> Räthſelhaft in allen Fällen ſteht das Benehmen Rußlands in dieſem Kriege<lb/> da. An Truppenmacht gebrach es den ruſſiſchen Generalen nicht um mit<lb/> namhafter entſcheidender Verſtärkung in Siebenbürgen einzurücken, und<lb/> doch geſchah nichts um die anfangs geſtellten Hülfscontingente zu unter-<lb/> ſtützen. Rechnet man dazu die Erklärung der Wiener Zeitung welche den<lb/> Einmarſch der Ruſſen in Galizien ein-für allemal in Abrede ſtellt, und<lb/> eine erſt geſtern geſchehene Aeußerung des hieſigen ruſſiſchen Botſchafters<lb/> daß kein Mann ruſſiſcher Truppen ſich auf öſterreichiſchem Gebiet befinde —<lb/> er wußte alſo ſchon von ihrem Rückzuge in die Walachei — ſo wird man<lb/> leicht auf den Gedanken geführt daß unſer Cabinet ſich ſchwer zu dieſem<lb/> äußerſten Schritt entſchließt, oder auch daß Rußland als Preis für ſeine<lb/> bewaffnete Intervention Bedingungen — möglich principielle — ſtellte<lb/> welche das Miniſterium Stadion-Schwarzenberg nicht für annehmbar er-<lb/> achtet. Daß Dembinski über die Donau gegangen ſey und von Weißen-<lb/> burg aus Ofen bedrohe, geben wir Ihnen als Tagesgerücht; es fehlen hier-<lb/> über noch alle verläßlichen Nachrichten. Ein Miniſterialerlaß an das<lb/> Nationalcomando zu Gratz ſpricht die Drohung aus Gratz in Belage-<lb/> rungszuſtand zu erklären, ſobald die Nationalgarde ſich noch einmal an<lb/> einem Volkskrawall betheiligt, oder durch ihre paſſive Haltung einen ſol-<lb/> chen gewähren läßt.</p><lb/> <trailer>* Die neueſte Poſt aus <hi rendition="#b">Wien</hi> vom 4 April meldet daß man die<lb/> Rückkehr des geſammten Hofs nach der Hauptſtadt noch in dieſem Monat<lb/> erwartete.</trailer> </div><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">✕ Iſchl,</hi> 1 April.</dateline><lb/> <p>Der ganze Flecken erſchallt von Juchzern und<lb/> luſtigen Liedern — die Burſchen ziehen mit grünen, mit Blumen und<lb/> Geierfedern geſchmückten Hüten, kurzen Gebirgsjacken und gemsledernen<lb/> geſtickten Hoſen durch die Gaſſen und ſagen dem Gebirge Lebewohl — die<lb/> Recruten ſind geſtern nach dem neuen Recrutirungsgeſetz zum erſtenmal<lb/> durch das Loos ausgehoben worden, nachdem eine unglaubliche Anzahl von<lb/> durch körperliche Gebrechen Untauglichen beſeitigt werden mußte. 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Auch erzählt<lb/> man ſich, Bem hätte an General Lüders geſchrieben, er hoffe mit ihm zu-<lb/> ſammen die Oſtereier in Buchareſt zu verzehren. Anderen Privatnach-<lb/> richten zufolge hat Bem den Rothenthurmpaß, den Schlüſſel zur Wa-<lb/> lachei, beſetzt. Heute verbreitete ſich das Gerücht (deſſen Stichhaltigkeit<lb/> ich aber keineswegs verbürge) daß Kronſtadt ſich an die Szekler ergeben<lb/> habe und daß Bem bereits in die Walachei eingerückt ſey. Die einen ſagen<lb/> er ſtünde bei Kurte de Argiſch, die andern bei Rümnik an der Aluta, und<lb/> er beabſichtige nach Buchareſt zu marſchiren. Feldmarſchalllieutenant<lb/> Puchner ſoll mit ſeinen Truppen bis Fokſchan oder Rümnik Sarat ſich zu-<lb/> rückgezogen haben. Die nächſten Tage werden uns lehren inwieweit dieſe<lb/> Sagen, die nicht ermangelten hier große Senſation hervorzurufen, ſich be-<lb/> wahrheiten werden. Man will wiſſen daß Bem bei Hermannſtadt 4000<lb/> Ruſſen gefangen genommen habe. Ich muß Sie darauf aufmerkſam ma-<lb/> chen daß es in dem officiellen ruſſiſchen Berichte hieß, es wären nur<lb/> 2000 Ruſſen in Hermannſtadt geweſen, während es doch notoriſch iſt daß<lb/> früher daſelbſt 6000 Mann eingerückt waren, und man von einem Rück-<lb/> zug eines Theils derſelben niemals etwas gehört hatte. Die Gemüther der<lb/> hieſigen Anhänger Koſſuths und Bems haben ſich ſehr erhitzt als die Nach-<lb/> richt von der Einnahme Hermannſtadts hier anlangte. Zwei deutſche Be-<lb/> amte dahier entgingen nur mit genauer Noth einer thätlichen Mißhand-<lb/> lung, da man ſie auf ein falſches, aus Bosheit oder Muthwillen verbreite-<lb/> tes Gerücht hin in dem Verdacht hatte daß ſie einer hieſigen Behörde ein<lb/> Verzeichniß von etlichen und ſechzig Perſonen vorgelegt hätten, die ihrer<lb/> politiſchen Denkungsart wegen gefährlich, daher von hier zu exiliren wä-<lb/> ren. Wir haben gegenwärtig nach Abzug der Türken eine Beſatzung von<lb/> kaum mehr als einer Compagnie moldauiſcher Milizſoldaten. Wahrlich<lb/> wenig genug in einem ſolchen kritiſchen Zeitpunkt für eine Stadt von<lb/> 40,000 Einwohnern; doch erwartet man nächſtens neue türkiſche Truppen.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Großbritannien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 2 April.</dateline><lb/> <p>Am Sonnabend Nachmittags ſaß auf dem auswärtigen Amt ein drei-<lb/> ſtündiger Cabinetsrath, welcher, glaubt man, die italieniſchen Anliegen be-<lb/> traf. Im Beginn der <hi rendition="#g">Oberhausſitzung</hi> vom 2 April fragte Lord<lb/><hi rendition="#g">Brougham:</hi> ob es wahr ſey daß der polniſche General, welcher das pie-<lb/> montefiſche Heer befehligte, dem König Karl Albert von der engliſchen Re-<lb/> gierung empfohlen worden. 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Da, wie er glaube, ohne<lb/> brittiſche Hülfe ein Waffenſtillſtand geſchloſſen worden, ſo werde die eng-<lb/> liſche Regierung hoffentlich auch nicht bei dem Friedensſchluß vermitteln<lb/> wollen; denn die engliſche Vermittelung würde, wie die früher abgeleg-<lb/> ten Proben beweiſen, nur dazu dienen den Kriegszuſtand zu verlän-<lb/> gern. Der König von Sardinien ſey vertragsbrüchig geworden nicht bloß<lb/> gegen Oeſterreich ſondern auch gegen England, und folglich könne England<lb/> keinen Beruf fühlen zu Sardiniens Gunſten zu vermitteln. „In Gottes<lb/> Namen,“ ſo ſchloß der edle Graf, „gönnen wir der franzöſiſchen Regierung<lb/> die ganze Ehre Piemonts Integrität zu bewahren, wenn ſie das für ge-<lb/> rathen findet, aber laſſen Sie uns fern bleiben von Hrn. Lamartine’s<lb/> abenteuerlichen Träumereien!“ Lord <hi rendition="#g">Lansdowne:</hi> „Jener polniſche Ge-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1485/0005]
Hülſe zu kommen. Die Artillerie hatte in acht Tagen die weite Reiſe von
Nürnberg nach Schleswig zurückgelegt. Es überraſchte der Anblick die-
ſer kräftigen, gewandten und trefflich ausgerüſteten Truppen. Die 16
metallenen Geſchütze von der Augsburger Gießerei von 1841, mit den Wa-
gen nach dem Zoller’ſchen Syſtem, erregen bei allen Kundigen Bewunde-
rung. Die Bayern ſprechen durch ihr biederes gutmüthiges Benehmen
ſehr an, und haben ſich durch die Kampfbegier, die ſie lebhaft äußern, ſchon
im voraus die dankbarſte Anerkennung verſchafft. Sie werden auch bald
den nachträglichen Dank zu empfangen Gelegenheit haben; denn morgen
marſchirt die bayeriſche Diviſion gegen Flensburg, und es wird in den
nächſten Tagen ein Angriff däniſcherſeits von Alſen aus erwartet. Nach
heute eingetroffenen Nachrichten von Hadersleben waren die Dänen von
Jütland noch nicht auf ſchleswig’ſchem Boden. Doch kann täglich der An-
fang der Feindſeligkeiten auch dort erwartet werden.
Die neueſten Nachrichten aus Kiel und Schleswig (1 April) wol-
len, übereinſtimmend mit obiger Hamburger Correſpondenz, wiſſen daß die
Waffenruhe alsbald (3 April) mit dem Krieg vertauſcht werden ſolle.
Der Kieler Hafen war bereits von den Dänen blokirt, welche Schiffen
die einlaufen wollten, auch einem engliſchen, den Eingang wehrten.
In der Landesverſammlung erklärte der Departementschef des Auswärti-
gen am 31 März ausdrücklich, es fänden gegenwärtig keine Friedens-
unterhandlungen ſtatt, der Krieg werde wohl beginnen ſowie die Friſt des
Waffenſtands abgelaufen ſey.
Oeſterreich.
ⵔ Wien, 3 April.
Puchner alſo befindet ſich in
Rimnik, während wir allen bisherigen Berichten zufolge Bem daſelbſt vermu-
theten. So wäre Siebenbürgen von den Kaiſerlichen gänzlich geräumt, denn
nachdem die Ruſſen ſich auch aus Kronſtadt in die Walachei zurückgezo-
gen haben, wird die Beſetzung dieſer Stadt ohne viel Schwierigkeit erfolgt
ſeyn. Einen Troſt jedoch ſchöpfen wir aus eben erſt angelangten Briefen
daß die meiſten Grauſamkeiten, welche hieſige Blätter den Honveds an-
dichten, ſich als ebenſo grundlos beweiſen *) wie ihre früheren Angaben.
Räthſelhaft in allen Fällen ſteht das Benehmen Rußlands in dieſem Kriege
da. An Truppenmacht gebrach es den ruſſiſchen Generalen nicht um mit
namhafter entſcheidender Verſtärkung in Siebenbürgen einzurücken, und
doch geſchah nichts um die anfangs geſtellten Hülfscontingente zu unter-
ſtützen. Rechnet man dazu die Erklärung der Wiener Zeitung welche den
Einmarſch der Ruſſen in Galizien ein-für allemal in Abrede ſtellt, und
eine erſt geſtern geſchehene Aeußerung des hieſigen ruſſiſchen Botſchafters
daß kein Mann ruſſiſcher Truppen ſich auf öſterreichiſchem Gebiet befinde —
er wußte alſo ſchon von ihrem Rückzuge in die Walachei — ſo wird man
leicht auf den Gedanken geführt daß unſer Cabinet ſich ſchwer zu dieſem
äußerſten Schritt entſchließt, oder auch daß Rußland als Preis für ſeine
bewaffnete Intervention Bedingungen — möglich principielle — ſtellte
welche das Miniſterium Stadion-Schwarzenberg nicht für annehmbar er-
achtet. Daß Dembinski über die Donau gegangen ſey und von Weißen-
burg aus Ofen bedrohe, geben wir Ihnen als Tagesgerücht; es fehlen hier-
über noch alle verläßlichen Nachrichten. Ein Miniſterialerlaß an das
Nationalcomando zu Gratz ſpricht die Drohung aus Gratz in Belage-
rungszuſtand zu erklären, ſobald die Nationalgarde ſich noch einmal an
einem Volkskrawall betheiligt, oder durch ihre paſſive Haltung einen ſol-
chen gewähren läßt.
* Die neueſte Poſt aus Wien vom 4 April meldet daß man die
Rückkehr des geſammten Hofs nach der Hauptſtadt noch in dieſem Monat
erwartete.
✕ Iſchl, 1 April.
Der ganze Flecken erſchallt von Juchzern und
luſtigen Liedern — die Burſchen ziehen mit grünen, mit Blumen und
Geierfedern geſchmückten Hüten, kurzen Gebirgsjacken und gemsledernen
geſtickten Hoſen durch die Gaſſen und ſagen dem Gebirge Lebewohl — die
Recruten ſind geſtern nach dem neuen Recrutirungsgeſetz zum erſtenmal
durch das Loos ausgehoben worden, nachdem eine unglaubliche Anzahl von
durch körperliche Gebrechen Untauglichen beſeitigt werden mußte. Eines
der erſten Looſe traf einen jungen Mann von Adel — dieſer Umſtand rief
eine allgemeine gute Laune unter den übrigen hervor, und zum erſtenmal
nahm ein jeder ſein Schickſal ohne Murren hin. Dieſe Gleichheit unter
dem Geſetz iſt gewiß eine der ſchönſten Errungenſchaften, deren glückliche
Folgen ſich bald allgemein bethätigen werden, und über die man auch nicht
einen der früher Privilegirten klagen hört — das Gefühl iſt zu natürlich
daß es eine Ehre iſt die Laſten des Vaterlandes mittragen zu helfen, als
daß ein einziger ſich nicht ſchämen müßte darüber Klage zu führen.
Donaufürſtenthümer.
♂ Galatz, 18 März.
Nach einem Privatſchreiben aus Buchareſt
vom 16 d. will ſich leider Bem nun gegen Kronſtadt wenden. Die Furcht
vor einem Einfall Bems in die Donaufürſtenthümer iſt ſehr groß. Er
fände hier manche Beute, und beſonders in der Moldau, wo ſo viele Un-
garn und Polen leben, bedeutenden Anhang. Die hieſige türkiſche Garni-
ſon ſollte übermorgen nach der öſterreichiſchen Gränze aufbrechen. Heute
Abends kam jedoch durch einen Courier aus Buchareſt an den türkiſchen
Commandanten der Befehl den Abmarſch vorläufig aufzuſchieben. Wahr-
ſcheinlich will man Galatz nicht von Truppen entblößt laſſen und wartet
die Ankunft neuer ab. Daß man ſich aber jedenfalls auf ernſtliche Ereig-
niſſe vorbereitet, beweist der Umſtand daß die Türken in Galatz und
Braila den Befehl erhielten ihre Hoſpitäler über die Donau zu ſchaffen.
♂ Galatz, 22 März.
Geſtern und vorgeſtern iſt die hieſige türki-
ſche Garniſon nach Buchareſt aufgebrochen, das gegen einen etwaigen
Handſtreich Bem’s geſchützt werden ſoll. Zu gleichem Zweck ſind auch
dieſer Tage, Ausſagen von Reiſenden zufolge, neuerdings etwa 6000 Ruſ-
ſen mit 32 Geſchützen durch Fokſchan (Moldau) in die Walachei gerückt.
Privatbriefe und Reiſende melden daß Bem in Hermannſtadt alle habe
enthaupten laſſen die er von denen anweſend fand welche den Act für die
Herbeirufung der ruſſiſchen Hülfe mitunterzeichnet hatten. Auch erzählt
man ſich, Bem hätte an General Lüders geſchrieben, er hoffe mit ihm zu-
ſammen die Oſtereier in Buchareſt zu verzehren. Anderen Privatnach-
richten zufolge hat Bem den Rothenthurmpaß, den Schlüſſel zur Wa-
lachei, beſetzt. Heute verbreitete ſich das Gerücht (deſſen Stichhaltigkeit
ich aber keineswegs verbürge) daß Kronſtadt ſich an die Szekler ergeben
habe und daß Bem bereits in die Walachei eingerückt ſey. Die einen ſagen
er ſtünde bei Kurte de Argiſch, die andern bei Rümnik an der Aluta, und
er beabſichtige nach Buchareſt zu marſchiren. Feldmarſchalllieutenant
Puchner ſoll mit ſeinen Truppen bis Fokſchan oder Rümnik Sarat ſich zu-
rückgezogen haben. Die nächſten Tage werden uns lehren inwieweit dieſe
Sagen, die nicht ermangelten hier große Senſation hervorzurufen, ſich be-
wahrheiten werden. Man will wiſſen daß Bem bei Hermannſtadt 4000
Ruſſen gefangen genommen habe. Ich muß Sie darauf aufmerkſam ma-
chen daß es in dem officiellen ruſſiſchen Berichte hieß, es wären nur
2000 Ruſſen in Hermannſtadt geweſen, während es doch notoriſch iſt daß
früher daſelbſt 6000 Mann eingerückt waren, und man von einem Rück-
zug eines Theils derſelben niemals etwas gehört hatte. Die Gemüther der
hieſigen Anhänger Koſſuths und Bems haben ſich ſehr erhitzt als die Nach-
richt von der Einnahme Hermannſtadts hier anlangte. Zwei deutſche Be-
amte dahier entgingen nur mit genauer Noth einer thätlichen Mißhand-
lung, da man ſie auf ein falſches, aus Bosheit oder Muthwillen verbreite-
tes Gerücht hin in dem Verdacht hatte daß ſie einer hieſigen Behörde ein
Verzeichniß von etlichen und ſechzig Perſonen vorgelegt hätten, die ihrer
politiſchen Denkungsart wegen gefährlich, daher von hier zu exiliren wä-
ren. Wir haben gegenwärtig nach Abzug der Türken eine Beſatzung von
kaum mehr als einer Compagnie moldauiſcher Milizſoldaten. Wahrlich
wenig genug in einem ſolchen kritiſchen Zeitpunkt für eine Stadt von
40,000 Einwohnern; doch erwartet man nächſtens neue türkiſche Truppen.
Großbritannien.
London, 2 April.
Am Sonnabend Nachmittags ſaß auf dem auswärtigen Amt ein drei-
ſtündiger Cabinetsrath, welcher, glaubt man, die italieniſchen Anliegen be-
traf. Im Beginn der Oberhausſitzung vom 2 April fragte Lord
Brougham: ob es wahr ſey daß der polniſche General, welcher das pie-
montefiſche Heer befehligte, dem König Karl Albert von der engliſchen Re-
gierung empfohlen worden. Marquis v. Lansdowne antwortete: der
fragliche Militär, deſſen Namen er nicht ausſprechen könne (Gelächter),
ſey von Ihrer Maj. Regierung nicht empfohlen worden, und ebenſowenig
irgend ein anderer. Graf v. Aberdeen bemerkte: er wundere ſich nicht
daß ein ſolches Gerücht entſtanden, da die engliſche Regierung ſtch parteiiſch
genug für Sardinien und feindſelig genug gegen Oeſterreich gezeigt, und
da der fragliche Pole ſchon früher von der engliſchen Regierung verwendet
worden ſey. Was den Ausgang des Kampfes von Nord-Italien betreffe,
ſo habe er noch ſelten einen ſo vollkommenen Einklang der Meinungen in
England vernommen wie in dieſem Punkte. Da, wie er glaube, ohne
brittiſche Hülfe ein Waffenſtillſtand geſchloſſen worden, ſo werde die eng-
liſche Regierung hoffentlich auch nicht bei dem Friedensſchluß vermitteln
wollen; denn die engliſche Vermittelung würde, wie die früher abgeleg-
ten Proben beweiſen, nur dazu dienen den Kriegszuſtand zu verlän-
gern. Der König von Sardinien ſey vertragsbrüchig geworden nicht bloß
gegen Oeſterreich ſondern auch gegen England, und folglich könne England
keinen Beruf fühlen zu Sardiniens Gunſten zu vermitteln. „In Gottes
Namen,“ ſo ſchloß der edle Graf, „gönnen wir der franzöſiſchen Regierung
die ganze Ehre Piemonts Integrität zu bewahren, wenn ſie das für ge-
rathen findet, aber laſſen Sie uns fern bleiben von Hrn. Lamartine’s
abenteuerlichen Träumereien!“ Lord Lansdowne: „Jener polniſche Ge-
*) Unſere Briefe aus den Donaufürſtenthümern, ſowie die ſiebenbürgiſchen
Nachrichten, die wir von guter Quelle aus Wien erhalten, melden jene
Gräuel einſtimmig als traurige Wahrheit.
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(2022-09-09T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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