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Allgemeine Zeitung, Nr. 97, 7. April 1849.

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[Spaltenumbruch] hohen Elbfluth des Jahrs 1845, den durch das schroffe Sandsteinufer zwi-
schen Pirna und Tetschen bedingten Eigenthümlichkeiten der Expropria-
tion (z. B. nothwendiger Ankauf von Sandsteinbrüchen, deren fernere
Ausbeutung durch den Bahnverkehr abgeschnitten wird) und den ebenda-
selbst nothwendigen hydrotechnischen Kunstbauten hergenommenen Gründe;
auch wird geltend gemacht daß die über die vorangeschlagene dreijährige
Baufrist eingetretene Ausdehnung derselben eine Erhöhung des Anlage-
capitals habe nach sich ziehen müssen. Gegen eine Einstellung des Fort-
baues dieser Bahn wird im besondern rücksichtlich des Elbbrückenbaues*)
das nämliche hervorgehoben was rücksichtlich der Zurüstungen zu den Brü-
ckenbauten über die der sächsisch bayerischen Bahn bemerkt worden war;
auch wird darauf hingewiesen daß je länger man mit der Vollendung die-
ser das Mittelglied der Eisenbahnverbindung zwischen der Nordsee und
dem adriatischen Meere bildenden Bahn zögere, desto fester die Verkehrs-
frequenz auf concurrirenden östlichen Bahnen sich consolidiren werde --
jedenfalls ein sehr beherzigenswerther Grund. Als allgemeine Gründe für
Nichteinstellung der Bauten auf beiden Staatsbahnen wird die Nothwen-
digkeit rechtzeitiger Ausführung der mit den Regierungen der betreffenden
Nachbarstaaten abgeschlossenen bezüglichen Staatsverträge und der Um-
stand geltend gemacht daß die Sistirung des Baues eine sehr ergiebige
Erwerbsquelle für eine bedeutende Anzahl von Arbeitern verstopfen
würde.

Für die Verbindungsbahn zwischen den bei Leipzig befindlichen Bahn-
höfen, zu deren Ausführung und Betrieb auf Staatskosten die Regierung
von der außerordentlichen Ständeversammlung des Jahres 1848 ermäch-
tigt worden war, werden 136,000 Thaler gefordert, ohne daß jedoch die
Regierung für die Dringlichkeit dieser Bewilligung besonders erhebliche
Gründe anführt.

Endlich wird für Herstellung eines elektro-magnetischen Telegraphen
auf der Leipzig-Dresdener Eisenbahn -- das Directorium der Gesellschaft
hat sich zu einem angemessenen Abkommen bereit erklärt -- die mäßige
Summe von 7000 Thalern postulirt -- mäßig in Verhältniß zu den un-
berechenbaren Vortheilen einer solchen Verbindung, namentlich wenn sie
sich südwärts bis nach Prag wird fortsetzen können. Da die Allg. Zeitung
bereits vor einiger Zeit einen größeren Artikel über die österreichischen
Telegraphenlinien brachte, so kann ich mich rücksichtlich der Wichtigkeit
dieser überlichtschnellen Schreibkunst auf ihn beziehen. Beispielsweise
sühre ich nur an daß die Nachricht vom Siege bei Novara am 24 März
durch telegraphische Depesche über Wien und Prag bereits am 28 März
hier bekannt war.

Der Gesammtbetrag des dießjährigen Bedarfs für diese verschiedenen
Eisenbahnbauten berechnet sich auf 2,527,000 Thaler -- wenigstens ein
Theil jener 4 Millionen Thaler welche als Unterstützung für die Arbeiter
kürzlich bei den Kammern von einem erzgebirgischen Vaterlandsverein
petirt worden sind.



Kurhessen.

Das Finanzgesetz ward heute von den Stän-
den in geheimer Abstimmung mit 24 Stimmen gegen 16 angenom-
men. Diejenigen Deputirten die für Verwerfung waren, erklärten
nach dem Beispiel Bayrhoffers, sie hätten gegen das Gesetz gestimmt weil
die hohe Civilliste in den Etat aufgenommen worden sey. Dann erstattete
Nebelthau Bericht über Eingaben des Dr. Eichelberg. Als politischer
Gefangener hatte dieser während einer 101/2 jährigen Haft auf verschiede-
nen Festungen Leiden erlitten von denen Oetker mit Recht äußerte: man
müsse sich zusammennehmen um nicht bei ihrer Schilderung vom Zorn
übermannt zu werden. Vergebens hatten wiederholte Verfügungen des
zuständigen Strafgerichts sich dahin ausgesprochen daß die Festungs-
strafe nur in Entziehung der Freibeit ohne schärfende Zusätze bestehe.
Dem Gefangenen wurde dem allem zum Trotz nach Laune und Willkür
bald litterarische Beschäftigung gestattet, bald versagt, es wurde ihm die
Bewegung in freier Luft verwehrt, es wurde ihm Luft und Licht durch
Fensterblenden benommen, zur Abfassung einer Beschwerde wurde ihm Fe-
der und Dinte versagt. Um dem Dulder nachträglich doch wenigstens
einige Genugthuung zu geben, beschloß die Versammlung die Regierung
um eine Entschädigung für den Dr. Eichelberg zu ersuchen und ertheilte
eventuell ihre Zustimmung zu der Verwendung eines Betrags von
4000 Rthlr. (Hess. Bl.)


Heute Morgen hat die Ständeversammlung das
Gesetz zur Einführung des neuen Wahlgesetzes einstimmig (mit 41 Stim-
men) angenommen. Es steht zu erwarten daß die Verkündigung des Ge-
[Spaltenumbruch] setzes alsbald stattfinden und zur Einleitung der Wahlen neuer Landes-
vertreter sofort geschritten werden wird.



Niederland und Wilhem II.

Der Tod Wilhelms II hat uns in
eine Art politischer Windstille gebracht. Die Generalstaaten sind auf
drei Wochen vertagt, und statt Ihnen von den Debatten über Colonial-
und Finanzangelegenheiten, Ministerveränderungen u. dgl. berichten zu
können, muß ich mich für heute darauf beschränken einige Neuigkeiten
mitzutheilen. Die zweite und erste Kammer haben Wilhelm III Trauer-
adressen angeboten, welche sowie deren Beantwortung Sie aus den Blät-
tern kennen werden. Gleiches that auch das diplomatische Corps durch
den englischen Gesandten. Truppen und Nationalgarden haben bereits
geschworen, und die Proclamation des neuen Königs ward in feierlichen
Sitzungen des hohen Raths, der Provincialhöfe und Arrondissements-
gerichte, sowie auch von den Rathhäusern herab verlesen. Glockengeläute
und die Trauerzeichen an der niederländischen Flagge erinnern die Haupt-
stadt an das Ableben Wilhelms II. Die Thronbesteigung Wilhelms III
wird vom Grafen Randwyck in Brüssel und Paris, von Baron Sloet in
Nassau, vom Contreadmiral Arriens in Berlin und Petersburg, Prinz
Heinrich in London, General Omphal in Stockholm und von Baron
Forstner in Stuttgart angezeigt werden. Einige englische Waffengefährten
des verstorbenen Königs sind bereits im Haag angekommen, um dem
Leichenbegängnisse, das am 4 April in Delft stattfindet, beizuwohnen. Die
Bahre wird von Officieren, welche mit oder unter Wilhelm II gefochten
haben, getragen; der Leichnam wurde, einem letzten Willen zufolge, nicht
einbalsamirt. Die Einhuldigung Wilhelms III in Amsterdam wird
schwerlich vor Ablauf der Trauerzeit geschehen. Da der verstorbene König
auch an den allgemeinen Weltereignissen theilgenommen, mögen einige
Worte über sein Leben in Ihrem Blau Raum finden. Im Dec. 1792
geboren, flüchtete er als dreijähriger Knabe nach England an Bord einer
Schifferpinke, welche seinen Großvater Wilhelm V in Scheveningen auf-
nahm Die Erziehung an der Universität Orford und der Aufenthalt in
England übten auf seinen Geist den glücklichen Einfluß, daß er hier einsah
wie man es nicht machen müsse, und sich nie aristokratischen Ideen hingab.
Auch war seine politische Denkungsweise, als Kronprinz und als König,
durchaus unenglisch. Später lernte er in Berlin das Kriegshandwerk,
das er in Spanien unter Wellington praktisch ausübte; er zeichnete sich
besonders in Ciudad Rodrigo, Salamanca und Bajadoz aus. Sein
Heldenmuth bei Quatre-Bras und Waterloo (wo er verwundet wurde),
ist seiner Zeit so bekannt geworden daß wir hier flüchtig darüber hingehen
können. Die Schlachtgemälde des genialen Pieneman im Pavillon zu
Haarlem haben den Ruhm dieser Tage verewigt. Im Jahr 1816 ver-
mählte sich der damalige Prinz von Oranien mit einer Schwester Kaisers
Alexander. Nach dem Frieden war ihm unter Wilhelm I wenig oder
kein Einfluß in Staatssachen gegönnt, vergeblich trachtete er, dem unver-
ständigen System welches Belgien gegenüber besonders von den HH.
van Maanen und Asser beobachtet wurde, zu widerstreben; und ward deß-
halb der Liebling der Belgier. Beim Ausbruch der Revolution kam er
von England, und machte den Versuch durch seine Anwesenheit in Brüssel
die Parteien zu versöhnen. Es war zu spät; nur seine unvergleichliche
Gewandtheit im Reiten über Brüssels Barricaden rettete sein Leben. Die
friedliche Ausgleichung gelang nicht; es galt mit dem Schwert zu ent-
scheiden. Als Generalissimus errang er die Siege bei Hasselt, Leuven,
Bautersem. Der zehntägige Feldzug hatte den Prinzen von Oranien den
Holländern populär gemacht, und seine Rückkehr ward ein Triumphzug.
An den Unterhandlungen in London nahm er auch einige Zeit Theil. Die
Abdankung seines Vaters rief ihn im Jahr 1840 auf den Thron. Die
Entdeckung der so lange im Dunkeln verborgenen Finanzzustände waren
sehr ungünstige Auspicien für seinen Regierungsantritt. Trotzdem wußte
er sich besonders durch seine Leutseligkeit als Liebling der Nation zu er-
halten. Die Verfassungsreform im vergangenen Jahr, deren eigentlicher
Schöpfer der König war, erhöhte seine Popularität nicht wenig; und daher
die ungewöhnliche Bestürzung welche sein Ableben hervorrief. Das Ur-
theil der Nation über Wilhelm II liegt in folgenden ungeschminkten Wor-
ten des Dichters Tollens unter seinem Bildniß:

t'Penseel beeldt Tweeden Willem af,
Wat byschrist zal het volk hem geven,
Dien God ten zetel hat verheven,
Die Koning'szepter droeg en staf!
Dat hy gemind werd in zyn leven
Dat hy beschreid wordt in het graf.

Außer Wilhelm III hinterließ Wilhelm II noch Prinz Heinrich, Seeoffi-
cier, und Prinzessin Luise, Gemahlin des Erbgroßherzogs von Weimar.



*) Nach Vollendung der Grundpfeiler könnte nunmehr Hand an die Bögen-
wölbung gelegt werden.

[Spaltenumbruch] hohen Elbfluth des Jahrs 1845, den durch das ſchroffe Sandſteinufer zwi-
ſchen Pirna und Tetſchen bedingten Eigenthümlichkeiten der Expropria-
tion (z. B. nothwendiger Ankauf von Sandſteinbrüchen, deren fernere
Ausbeutung durch den Bahnverkehr abgeſchnitten wird) und den ebenda-
ſelbſt nothwendigen hydrotechniſchen Kunſtbauten hergenommenen Gründe;
auch wird geltend gemacht daß die über die vorangeſchlagene dreijährige
Baufriſt eingetretene Ausdehnung derſelben eine Erhöhung des Anlage-
capitals habe nach ſich ziehen müſſen. Gegen eine Einſtellung des Fort-
baues dieſer Bahn wird im beſondern rückſichtlich des Elbbrückenbaues*)
das nämliche hervorgehoben was rückſichtlich der Zurüſtungen zu den Brü-
ckenbauten über die der ſächſiſch bayeriſchen Bahn bemerkt worden war;
auch wird darauf hingewieſen daß je länger man mit der Vollendung die-
ſer das Mittelglied der Eiſenbahnverbindung zwiſchen der Nordſee und
dem adriatiſchen Meere bildenden Bahn zögere, deſto feſter die Verkehrs-
frequenz auf concurrirenden öſtlichen Bahnen ſich conſolidiren werde —
jedenfalls ein ſehr beherzigenswerther Grund. Als allgemeine Gründe für
Nichteinſtellung der Bauten auf beiden Staatsbahnen wird die Nothwen-
digkeit rechtzeitiger Ausführung der mit den Regierungen der betreffenden
Nachbarſtaaten abgeſchloſſenen bezüglichen Staatsverträge und der Um-
ſtand geltend gemacht daß die Siſtirung des Baues eine ſehr ergiebige
Erwerbsquelle für eine bedeutende Anzahl von Arbeitern verſtopfen
würde.

Für die Verbindungsbahn zwiſchen den bei Leipzig befindlichen Bahn-
höfen, zu deren Ausführung und Betrieb auf Staatskoſten die Regierung
von der außerordentlichen Ständeverſammlung des Jahres 1848 ermäch-
tigt worden war, werden 136,000 Thaler gefordert, ohne daß jedoch die
Regierung für die Dringlichkeit dieſer Bewilligung beſonders erhebliche
Gründe anführt.

Endlich wird für Herſtellung eines elektro-magnetiſchen Telegraphen
auf der Leipzig-Dresdener Eiſenbahn — das Directorium der Geſellſchaft
hat ſich zu einem angemeſſenen Abkommen bereit erklärt — die mäßige
Summe von 7000 Thalern poſtulirt — mäßig in Verhältniß zu den un-
berechenbaren Vortheilen einer ſolchen Verbindung, namentlich wenn ſie
ſich ſüdwärts bis nach Prag wird fortſetzen können. Da die Allg. Zeitung
bereits vor einiger Zeit einen größeren Artikel über die öſterreichiſchen
Telegraphenlinien brachte, ſo kann ich mich rückſichtlich der Wichtigkeit
dieſer überlichtſchnellen Schreibkunſt auf ihn beziehen. Beiſpielsweiſe
ſühre ich nur an daß die Nachricht vom Siege bei Novara am 24 März
durch telegraphiſche Depeſche über Wien und Prag bereits am 28 März
hier bekannt war.

Der Geſammtbetrag des dießjährigen Bedarfs für dieſe verſchiedenen
Eiſenbahnbauten berechnet ſich auf 2,527,000 Thaler — wenigſtens ein
Theil jener 4 Millionen Thaler welche als Unterſtützung für die Arbeiter
kürzlich bei den Kammern von einem erzgebirgiſchen Vaterlandsverein
petirt worden ſind.



Kurheſſen.

Das Finanzgeſetz ward heute von den Stän-
den in geheimer Abſtimmung mit 24 Stimmen gegen 16 angenom-
men. Diejenigen Deputirten die für Verwerfung waren, erklärten
nach dem Beiſpiel Bayrhoffers, ſie hätten gegen das Geſetz geſtimmt weil
die hohe Civilliſte in den Etat aufgenommen worden ſey. Dann erſtattete
Nebelthau Bericht über Eingaben des Dr. Eichelberg. Als politiſcher
Gefangener hatte dieſer während einer 10½ jährigen Haft auf verſchiede-
nen Feſtungen Leiden erlitten von denen Oetker mit Recht äußerte: man
müſſe ſich zuſammennehmen um nicht bei ihrer Schilderung vom Zorn
übermannt zu werden. Vergebens hatten wiederholte Verfügungen des
zuſtändigen Strafgerichts ſich dahin ausgeſprochen daß die Feſtungs-
ſtrafe nur in Entziehung der Freibeit ohne ſchärfende Zuſätze beſtehe.
Dem Gefangenen wurde dem allem zum Trotz nach Laune und Willkür
bald litterariſche Beſchäftigung geſtattet, bald verſagt, es wurde ihm die
Bewegung in freier Luft verwehrt, es wurde ihm Luft und Licht durch
Fenſterblenden benommen, zur Abfaſſung einer Beſchwerde wurde ihm Fe-
der und Dinte verſagt. Um dem Dulder nachträglich doch wenigſtens
einige Genugthuung zu geben, beſchloß die Verſammlung die Regierung
um eine Entſchädigung für den Dr. Eichelberg zu erſuchen und ertheilte
eventuell ihre Zuſtimmung zu der Verwendung eines Betrags von
4000 Rthlr. (Heſſ. Bl.)


Heute Morgen hat die Ständeverſammlung das
Geſetz zur Einführung des neuen Wahlgeſetzes einſtimmig (mit 41 Stim-
men) angenommen. Es ſteht zu erwarten daß die Verkündigung des Ge-
[Spaltenumbruch] ſetzes alsbald ſtattfinden und zur Einleitung der Wahlen neuer Landes-
vertreter ſofort geſchritten werden wird.



Niederland und Wilhem II.

Der Tod Wilhelms II hat uns in
eine Art politiſcher Windſtille gebracht. Die Generalſtaaten ſind auf
drei Wochen vertagt, und ſtatt Ihnen von den Debatten über Colonial-
und Finanzangelegenheiten, Miniſterveränderungen u. dgl. berichten zu
können, muß ich mich für heute darauf beſchränken einige Neuigkeiten
mitzutheilen. Die zweite und erſte Kammer haben Wilhelm III Trauer-
adreſſen angeboten, welche ſowie deren Beantwortung Sie aus den Blät-
tern kennen werden. Gleiches that auch das diplomatiſche Corps durch
den engliſchen Geſandten. Truppen und Nationalgarden haben bereits
geſchworen, und die Proclamation des neuen Königs ward in feierlichen
Sitzungen des hohen Raths, der Provincialhöfe und Arrondiſſements-
gerichte, ſowie auch von den Rathhäuſern herab verleſen. Glockengeläute
und die Trauerzeichen an der niederländiſchen Flagge erinnern die Haupt-
ſtadt an das Ableben Wilhelms II. Die Thronbeſteigung Wilhelms III
wird vom Grafen Randwyck in Brüſſel und Paris, von Baron Sloet in
Naſſau, vom Contreadmiral Arriens in Berlin und Petersburg, Prinz
Heinrich in London, General Omphal in Stockholm und von Baron
Forſtner in Stuttgart angezeigt werden. Einige engliſche Waffengefährten
des verſtorbenen Königs ſind bereits im Haag angekommen, um dem
Leichenbegängniſſe, das am 4 April in Delft ſtattfindet, beizuwohnen. Die
Bahre wird von Officieren, welche mit oder unter Wilhelm II gefochten
haben, getragen; der Leichnam wurde, einem letzten Willen zufolge, nicht
einbalſamirt. Die Einhuldigung Wilhelms III in Amſterdam wird
ſchwerlich vor Ablauf der Trauerzeit geſchehen. Da der verſtorbene König
auch an den allgemeinen Weltereigniſſen theilgenommen, mögen einige
Worte über ſein Leben in Ihrem Blau Raum finden. Im Dec. 1792
geboren, flüchtete er als dreijähriger Knabe nach England an Bord einer
Schifferpinke, welche ſeinen Großvater Wilhelm V in Scheveningen auf-
nahm Die Erziehung an der Univerſität Orford und der Aufenthalt in
England übten auf ſeinen Geiſt den glücklichen Einfluß, daß er hier einſah
wie man es nicht machen müſſe, und ſich nie ariſtokratiſchen Ideen hingab.
Auch war ſeine politiſche Denkungsweiſe, als Kronprinz und als König,
durchaus unengliſch. Später lernte er in Berlin das Kriegshandwerk,
das er in Spanien unter Wellington praktiſch ausübte; er zeichnete ſich
beſonders in Ciudad Rodrigo, Salamanca und Bajadoz aus. Sein
Heldenmuth bei Quatre-Bras und Waterloo (wo er verwundet wurde),
iſt ſeiner Zeit ſo bekannt geworden daß wir hier flüchtig darüber hingehen
können. Die Schlachtgemälde des genialen Pieneman im Pavillon zu
Haarlem haben den Ruhm dieſer Tage verewigt. Im Jahr 1816 ver-
mählte ſich der damalige Prinz von Oranien mit einer Schweſter Kaiſers
Alexander. Nach dem Frieden war ihm unter Wilhelm I wenig oder
kein Einfluß in Staatsſachen gegönnt, vergeblich trachtete er, dem unver-
ſtändigen Syſtem welches Belgien gegenüber beſonders von den HH.
van Maanen und Aſſer beobachtet wurde, zu widerſtreben; und ward deß-
halb der Liebling der Belgier. Beim Ausbruch der Revolution kam er
von England, und machte den Verſuch durch ſeine Anweſenheit in Brüſſel
die Parteien zu verſöhnen. Es war zu ſpät; nur ſeine unvergleichliche
Gewandtheit im Reiten über Brüſſels Barricaden rettete ſein Leben. Die
friedliche Ausgleichung gelang nicht; es galt mit dem Schwert zu ent-
ſcheiden. Als Generaliſſimus errang er die Siege bei Haſſelt, Leuven,
Bauterſem. Der zehntägige Feldzug hatte den Prinzen von Oranien den
Holländern populär gemacht, und ſeine Rückkehr ward ein Triumphzug.
An den Unterhandlungen in London nahm er auch einige Zeit Theil. Die
Abdankung ſeines Vaters rief ihn im Jahr 1840 auf den Thron. Die
Entdeckung der ſo lange im Dunkeln verborgenen Finanzzuſtände waren
ſehr ungünſtige Auſpicien für ſeinen Regierungsantritt. Trotzdem wußte
er ſich beſonders durch ſeine Leutſeligkeit als Liebling der Nation zu er-
halten. Die Verfaſſungsreform im vergangenen Jahr, deren eigentlicher
Schöpfer der König war, erhöhte ſeine Popularität nicht wenig; und daher
die ungewöhnliche Beſtürzung welche ſein Ableben hervorrief. Das Ur-
theil der Nation über Wilhelm II liegt in folgenden ungeſchminkten Wor-
ten des Dichters Tollens unter ſeinem Bildniß:

t’Penseel beeldt Tweeden Willem af,
Wat byschriſt zal het volk hem geven,
Dien God ten zetel hat verheven,
Die Koning’szepter droeg en staf!
Dat hy gemind werd in zyn leven
Dat hy beschreid wordt in het graf.

Außer Wilhelm III hinterließ Wilhelm II noch Prinz Heinrich, Seeoffi-
cier, und Prinzeſſin Luiſe, Gemahlin des Erbgroßherzogs von Weimar.



*) Nach Vollendung der Grundpfeiler könnte nunmehr Hand an die Bögen-
wölbung gelegt werden.
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[1494/0014] hohen Elbfluth des Jahrs 1845, den durch das ſchroffe Sandſteinufer zwi- ſchen Pirna und Tetſchen bedingten Eigenthümlichkeiten der Expropria- tion (z. B. nothwendiger Ankauf von Sandſteinbrüchen, deren fernere Ausbeutung durch den Bahnverkehr abgeſchnitten wird) und den ebenda- ſelbſt nothwendigen hydrotechniſchen Kunſtbauten hergenommenen Gründe; auch wird geltend gemacht daß die über die vorangeſchlagene dreijährige Baufriſt eingetretene Ausdehnung derſelben eine Erhöhung des Anlage- capitals habe nach ſich ziehen müſſen. Gegen eine Einſtellung des Fort- baues dieſer Bahn wird im beſondern rückſichtlich des Elbbrückenbaues *) das nämliche hervorgehoben was rückſichtlich der Zurüſtungen zu den Brü- ckenbauten über die der ſächſiſch bayeriſchen Bahn bemerkt worden war; auch wird darauf hingewieſen daß je länger man mit der Vollendung die- ſer das Mittelglied der Eiſenbahnverbindung zwiſchen der Nordſee und dem adriatiſchen Meere bildenden Bahn zögere, deſto feſter die Verkehrs- frequenz auf concurrirenden öſtlichen Bahnen ſich conſolidiren werde — jedenfalls ein ſehr beherzigenswerther Grund. Als allgemeine Gründe für Nichteinſtellung der Bauten auf beiden Staatsbahnen wird die Nothwen- digkeit rechtzeitiger Ausführung der mit den Regierungen der betreffenden Nachbarſtaaten abgeſchloſſenen bezüglichen Staatsverträge und der Um- ſtand geltend gemacht daß die Siſtirung des Baues eine ſehr ergiebige Erwerbsquelle für eine bedeutende Anzahl von Arbeitern verſtopfen würde. Für die Verbindungsbahn zwiſchen den bei Leipzig befindlichen Bahn- höfen, zu deren Ausführung und Betrieb auf Staatskoſten die Regierung von der außerordentlichen Ständeverſammlung des Jahres 1848 ermäch- tigt worden war, werden 136,000 Thaler gefordert, ohne daß jedoch die Regierung für die Dringlichkeit dieſer Bewilligung beſonders erhebliche Gründe anführt. Endlich wird für Herſtellung eines elektro-magnetiſchen Telegraphen auf der Leipzig-Dresdener Eiſenbahn — das Directorium der Geſellſchaft hat ſich zu einem angemeſſenen Abkommen bereit erklärt — die mäßige Summe von 7000 Thalern poſtulirt — mäßig in Verhältniß zu den un- berechenbaren Vortheilen einer ſolchen Verbindung, namentlich wenn ſie ſich ſüdwärts bis nach Prag wird fortſetzen können. Da die Allg. Zeitung bereits vor einiger Zeit einen größeren Artikel über die öſterreichiſchen Telegraphenlinien brachte, ſo kann ich mich rückſichtlich der Wichtigkeit dieſer überlichtſchnellen Schreibkunſt auf ihn beziehen. Beiſpielsweiſe ſühre ich nur an daß die Nachricht vom Siege bei Novara am 24 März durch telegraphiſche Depeſche über Wien und Prag bereits am 28 März hier bekannt war. Der Geſammtbetrag des dießjährigen Bedarfs für dieſe verſchiedenen Eiſenbahnbauten berechnet ſich auf 2,527,000 Thaler — wenigſtens ein Theil jener 4 Millionen Thaler welche als Unterſtützung für die Arbeiter kürzlich bei den Kammern von einem erzgebirgiſchen Vaterlandsverein petirt worden ſind. Kurheſſen. Kaſſel, 30 März. Das Finanzgeſetz ward heute von den Stän- den in geheimer Abſtimmung mit 24 Stimmen gegen 16 angenom- men. Diejenigen Deputirten die für Verwerfung waren, erklärten nach dem Beiſpiel Bayrhoffers, ſie hätten gegen das Geſetz geſtimmt weil die hohe Civilliſte in den Etat aufgenommen worden ſey. Dann erſtattete Nebelthau Bericht über Eingaben des Dr. Eichelberg. Als politiſcher Gefangener hatte dieſer während einer 10½ jährigen Haft auf verſchiede- nen Feſtungen Leiden erlitten von denen Oetker mit Recht äußerte: man müſſe ſich zuſammennehmen um nicht bei ihrer Schilderung vom Zorn übermannt zu werden. Vergebens hatten wiederholte Verfügungen des zuſtändigen Strafgerichts ſich dahin ausgeſprochen daß die Feſtungs- ſtrafe nur in Entziehung der Freibeit ohne ſchärfende Zuſätze beſtehe. Dem Gefangenen wurde dem allem zum Trotz nach Laune und Willkür bald litterariſche Beſchäftigung geſtattet, bald verſagt, es wurde ihm die Bewegung in freier Luft verwehrt, es wurde ihm Luft und Licht durch Fenſterblenden benommen, zur Abfaſſung einer Beſchwerde wurde ihm Fe- der und Dinte verſagt. Um dem Dulder nachträglich doch wenigſtens einige Genugthuung zu geben, beſchloß die Verſammlung die Regierung um eine Entſchädigung für den Dr. Eichelberg zu erſuchen und ertheilte eventuell ihre Zuſtimmung zu der Verwendung eines Betrags von 4000 Rthlr. (Heſſ. Bl.) Kaſſel, 2 April. Heute Morgen hat die Ständeverſammlung das Geſetz zur Einführung des neuen Wahlgeſetzes einſtimmig (mit 41 Stim- men) angenommen. Es ſteht zu erwarten daß die Verkündigung des Ge- ſetzes alsbald ſtattfinden und zur Einleitung der Wahlen neuer Landes- vertreter ſofort geſchritten werden wird. Niederland und Wilhem II. ◡ Amſterdam, 28 März. Der Tod Wilhelms II hat uns in eine Art politiſcher Windſtille gebracht. Die Generalſtaaten ſind auf drei Wochen vertagt, und ſtatt Ihnen von den Debatten über Colonial- und Finanzangelegenheiten, Miniſterveränderungen u. dgl. berichten zu können, muß ich mich für heute darauf beſchränken einige Neuigkeiten mitzutheilen. Die zweite und erſte Kammer haben Wilhelm III Trauer- adreſſen angeboten, welche ſowie deren Beantwortung Sie aus den Blät- tern kennen werden. Gleiches that auch das diplomatiſche Corps durch den engliſchen Geſandten. Truppen und Nationalgarden haben bereits geſchworen, und die Proclamation des neuen Königs ward in feierlichen Sitzungen des hohen Raths, der Provincialhöfe und Arrondiſſements- gerichte, ſowie auch von den Rathhäuſern herab verleſen. Glockengeläute und die Trauerzeichen an der niederländiſchen Flagge erinnern die Haupt- ſtadt an das Ableben Wilhelms II. Die Thronbeſteigung Wilhelms III wird vom Grafen Randwyck in Brüſſel und Paris, von Baron Sloet in Naſſau, vom Contreadmiral Arriens in Berlin und Petersburg, Prinz Heinrich in London, General Omphal in Stockholm und von Baron Forſtner in Stuttgart angezeigt werden. Einige engliſche Waffengefährten des verſtorbenen Königs ſind bereits im Haag angekommen, um dem Leichenbegängniſſe, das am 4 April in Delft ſtattfindet, beizuwohnen. Die Bahre wird von Officieren, welche mit oder unter Wilhelm II gefochten haben, getragen; der Leichnam wurde, einem letzten Willen zufolge, nicht einbalſamirt. Die Einhuldigung Wilhelms III in Amſterdam wird ſchwerlich vor Ablauf der Trauerzeit geſchehen. Da der verſtorbene König auch an den allgemeinen Weltereigniſſen theilgenommen, mögen einige Worte über ſein Leben in Ihrem Blau Raum finden. Im Dec. 1792 geboren, flüchtete er als dreijähriger Knabe nach England an Bord einer Schifferpinke, welche ſeinen Großvater Wilhelm V in Scheveningen auf- nahm Die Erziehung an der Univerſität Orford und der Aufenthalt in England übten auf ſeinen Geiſt den glücklichen Einfluß, daß er hier einſah wie man es nicht machen müſſe, und ſich nie ariſtokratiſchen Ideen hingab. Auch war ſeine politiſche Denkungsweiſe, als Kronprinz und als König, durchaus unengliſch. Später lernte er in Berlin das Kriegshandwerk, das er in Spanien unter Wellington praktiſch ausübte; er zeichnete ſich beſonders in Ciudad Rodrigo, Salamanca und Bajadoz aus. Sein Heldenmuth bei Quatre-Bras und Waterloo (wo er verwundet wurde), iſt ſeiner Zeit ſo bekannt geworden daß wir hier flüchtig darüber hingehen können. Die Schlachtgemälde des genialen Pieneman im Pavillon zu Haarlem haben den Ruhm dieſer Tage verewigt. Im Jahr 1816 ver- mählte ſich der damalige Prinz von Oranien mit einer Schweſter Kaiſers Alexander. Nach dem Frieden war ihm unter Wilhelm I wenig oder kein Einfluß in Staatsſachen gegönnt, vergeblich trachtete er, dem unver- ſtändigen Syſtem welches Belgien gegenüber beſonders von den HH. van Maanen und Aſſer beobachtet wurde, zu widerſtreben; und ward deß- halb der Liebling der Belgier. Beim Ausbruch der Revolution kam er von England, und machte den Verſuch durch ſeine Anweſenheit in Brüſſel die Parteien zu verſöhnen. Es war zu ſpät; nur ſeine unvergleichliche Gewandtheit im Reiten über Brüſſels Barricaden rettete ſein Leben. Die friedliche Ausgleichung gelang nicht; es galt mit dem Schwert zu ent- ſcheiden. Als Generaliſſimus errang er die Siege bei Haſſelt, Leuven, Bauterſem. Der zehntägige Feldzug hatte den Prinzen von Oranien den Holländern populär gemacht, und ſeine Rückkehr ward ein Triumphzug. An den Unterhandlungen in London nahm er auch einige Zeit Theil. Die Abdankung ſeines Vaters rief ihn im Jahr 1840 auf den Thron. Die Entdeckung der ſo lange im Dunkeln verborgenen Finanzzuſtände waren ſehr ungünſtige Auſpicien für ſeinen Regierungsantritt. Trotzdem wußte er ſich beſonders durch ſeine Leutſeligkeit als Liebling der Nation zu er- halten. Die Verfaſſungsreform im vergangenen Jahr, deren eigentlicher Schöpfer der König war, erhöhte ſeine Popularität nicht wenig; und daher die ungewöhnliche Beſtürzung welche ſein Ableben hervorrief. Das Ur- theil der Nation über Wilhelm II liegt in folgenden ungeſchminkten Wor- ten des Dichters Tollens unter ſeinem Bildniß: t’Penseel beeldt Tweeden Willem af, Wat byschriſt zal het volk hem geven, Dien God ten zetel hat verheven, Die Koning’szepter droeg en staf! Dat hy gemind werd in zyn leven Dat hy beschreid wordt in het graf. Außer Wilhelm III hinterließ Wilhelm II noch Prinz Heinrich, Seeoffi- cier, und Prinzeſſin Luiſe, Gemahlin des Erbgroßherzogs von Weimar. *) Nach Vollendung der Grundpfeiler könnte nunmehr Hand an die Bögen- wölbung gelegt werden.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-09-09T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 97, 7. April 1849, S. 1494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine97_1849/14>, abgerufen am 09.11.2024.