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Allgemeine Zeitung, Nr. 97, 7. April 1849.

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Einige Bedenken über deutsche Bundes- und Reichs-
verfassung.

II.

(Dritter Artikel.)Die Deutsche Zeitung
bringt in Nr. 84 vom 25 März d. J. einen Artikel, in welchem sie die
Plane der österreichischen Regierung aufdeckt. Ich nehme das thatsächlich
darin Angeführte wirklich für eine reine Thatsache, ohne mich mit den
daraus gezogenen Folgerungen einverstanden zu erklären. Darin aber
bin ich mit einer kleinen Aenderung ganz der Ansicht seines Verfassers, in
dem Satze nämlich: das ist der Kern jenes Directoriums gegen welches ich
schon lange, auch in meinem ersten Artikel, ankämpfte, und so lange be-
kämpfen werde als ich es vermag; denn über "Deutschlands Fürsten und
Völker" wäre in der That das Loos geworfen wenn -- die von Oesterreich
vorgeschlagene und von Preußen angenommene und, wie die letzten Worte
der Circularnote vom 10 März ganz klar beweisen, weiter empfohlene
kaiserliche und königliche Kreisdirectorialeinrichtung -- wenn dieselbe nur
auszuführen wäre ohne den Standpunkt des alten Staatenbundes zu ver-
lassen, auf welchem sich beide Regierungen behaupten zu wollen erklären.
Nun sagt der elfte Artikel der Bundesacte, den wir uns als ein "Ganzes"
nicht rauben lassen wollen, unter anderm auch: "Die Bundesglieder be-
halten zwar das Recht der Bündnisse aller Art; verpflichten sich jedoch in
keine Verbindungen einzugehen welche gegen die Sicherheit des Bundes
oder einzelner Bundesstaaten gerichtet wären." Daß aber ein solches
zwischen dem Kaiser und den Königen zu schließendes Bündniß gegen die
Sicherheit nicht nur einzelner Bundesglieder, sondern gegen das Wesen
des Bundes überhaupt gerichtet wäre, läßt sich nicht verkennen. Jenes
Project verstößt aber auch gegen positive, mit deutlichen Worten ausge-
sprochene Vertragsbestimmungen. Zu dem Ressort der Kreisdirectoren
gehört auch, und zwar vorzugsweise, die Vereinigung der Militärkräfte der
Kleinsten und Kleinen mit Größeren. In der pactirten, durch einen
mit Einhelligkeit im Plenum gefaßten Beschluß zustandegekommenen Ein-
theilung des Bundesheers findet sich aber auch die Bestimmung: "Kein
Bundesstaat, dessen Contingent ein oder mehrere Armeecorps für sich
allein bildet, darf Contingente anderer Bundesstaaten mit den seinigen in
Eine Abtheilung vereinigen." (Klüber, Oeffentliches Recht des deutschen
Bundes §. 153 d Ziffer 5.) Es ist dieß nicht die einzige Bestimmung
welche die rein deutschen Staaten sich erkämpfen mußten, aber diese so
wenig als alle übrigen stören die Einheit des Ganzen; fördern vielmehr
den Geist der rein deutschen Truppen. Ueber solche Dinge geht man jetzt
so leicht hinüber als hätten sie keine Geltung und keine Bedeutung mehr.
So hat man auch den kleinen Staaten die ihnen so wohlthätige, wie dem
Ganzen nützliche Vergünstigung, welche ihnen selbst ein Napoleon bewilligte,
daß sie, zum Dienste in den Festungen bestimmt, mehr Fußvolk, dagegen
weder Reiterei noch Geschütz stellen sollten, mit Einem Federstriche ent-
zogen; was freilich bei dem zahlenden Volke kein gutes Blut machen kann.

Geschehen denn nun jene Mißgriffe welche die österreichische und die
preußische Regierung machen und die von der Nationalversammlung nicht
weniger begangen werden, aus bösem Willen? Gewiß nicht! Die Schuld
liegt zuverlässig daran daß die österreichischen und preußischen Staats-
männer welche den Staatenbund oder den Bundesstaat festgehalten wissen
wollen -- daß die Staatsmänner minder mächtiger Staaten welche den
Bund mit Gleichgültigkeit betrachten -- und daß die Publicisten der
Paulskirche welche, Bund, Bundestag und Bundesversammlung mit ein-
ander verwechselnd, von dem alten Bunde gar nichts mehr wissen wollen,
von dem reichen Inhalt der Verfassung dieses Bundes und den darin
liegenden Mitteln zum herrlichsten Ausbau derselben gar nichts wissen.
Kennten die letzteren nichts weiter davon als was die provisorische Com-
petenzbestimmung und die durch Beschluß zur provisorischen Geltung ge-
brachten Anträge der zur Begutachtung der Reihenfolge der Geschäfte
niedergesetzt gewesenen Commission -- beim Himmel! sie würden es nicht
für einen Raub balten alle ihre Kraft daran zu setzen aus diesem Pro-
visorischen ein Definitives herauszuarbeiten und -- wenn einseitige und
schlecht verstandene österreichische und preußische Vorurtheile sich, was ich
nicht hoffe, entgegenstemmen sollten -- für das ganze, das rein deutsche
als relativ Selbständiges einschließendes Deutschland zu erkämpfen. Aber
auch die Fürsten würden im Einverständniß mit ihren Landesversamm-
lungen, sofern diese nicht am Schwindel alleiniger Herrschergewalt im
Spital krank liegen sollten, durch ihre Bevollmächtigten bei dem Reichs-
verweser s. v. v. aus ganzem Holze Bretter schneiden lassen, und so ge-
wissen Zweiflern den Trost nehmen daß die deutschen Fürsten unter ein-
ander selbst nicht einig werden würden. Mit den Kräften welche dem
Verfassungsausschusse unverkennbar zu Gebote stehen, könnte die refor-
mirte oder vielmehr vervollständigte Verfassung des Bundesstaats bis auf
[Spaltenumbruch] die Oberhauptsfrage -- von der in meinem nächsten Artikel -- fix und
fertig seyn.

Erinnern wir uns alle an ein sehr wahres, vom trefflichen Dahlmann
gesprochenes Wort: "In Tagen der politischen Abspannung wird be-
sonders deßhalb nichts von Dauer gebaut, weil die Möglichkeit zu allem
vorhanden ist, aber für nichts die bestimmende Nothwendigkeit."

Die bestimmendste aller bestimmenden Nothwendigkeiten aber sollte
doch wohl die Würdigung und Achtung eines gegebenen und zugleich fort-
bildsamen Rechts seyn. K. A. v. Wangenheim.



Der politische Proceß in Freiburg.
I.

Mit welcher Sorgsamkeit die Untersuchung
gegen die des Hochverraths Angeklagten, die zur Zeit vor den Schranken
unseres Geschwornengerichts stehen, Struve und Blind, geführt worden
ist, das zeigt die unendliche Masse des Belastungsmaterials welches die
öffentlichen Ankläger herbeigeschafft haben. Und dennoch hat man nicht
alles in die öffentlichen Sitzungen gebracht was man dahin bringen konnte,
sondern sich mit dem Gravirendsten begnügt. So waren die 95 Zeugen
die man den Angeklagten gegenüberstellte kaum der fünfte Theil von
den Zeugen die man in der Voruntersuchung vernommen hatte, und von
den Schriftstücken die man vorlegte hatte man auch nur die bedeutendsten
ausgesucht.

Die beigebrachten Beweise reichten mehr als zu das den Angeklagten
zur Last gelegte Verbrechen im Großen und Kleinen, mittelbar und un-
mittelbar bis zu vollster Evidenz zu beweisen, und sie nahmen auch nicht
den mindesten Anstand alles einzugestehen was sie persönlich betraf. Nur
da verweigerten sie Auskunft wo andere dadurch bloßgestellt werden konn-
ten, und nur da suchten sie zu mäkeln und sich zu rechtfertigen wo etwas
zu Tage trat was in politischer oder rein menschlicher Weise ihnen nach-
theilig werden konnte, z. B. Zeichen antirepublicanischer oder ihrem Un-
ternehmen sonst feindlicher Volksstimmung, Vorwürfe wegen Unlauter-
keit ihrer Absichten, Feigheit u. s. w. Diese gerade Offenheit hat beson-
ders Struve in der Meinung aller Anwesenden sehr genützt, zumal in
allem was er sprach, eine große Kraft persönlicher Ueberzeugung, verbun-
den mit einer gewissen Würde, nicht zu mißkennen war.

Aus dem Zeugenverhör und den vorgelegten schriftlichen Documenten
(großentheils Actenstücken welche die Unterschrift der Angeklagten trugen)
ergibt sich daß Struve in Verein mit Hecker im April v. J. in Constanz
auftrat, um von da aus vermittelst eines bewaffneten Zuges nach Karls-
ruhe die bestehende Staatsform umzustürzen und die republicanische an
ihre Stelle zu setzen -- ein Plan der übrigens nicht sogleich klar ausge-
sprochen wurde, sondern erst während des Zuges selbst hervortrat. Die
Volksstimmung, auf deren Erforschung in dem Zeugenverhör beiderseitig
großer Nachdruck gelegt wurde, war dem Unternehmen insofern günstig
als sich kaum irgendwo eine politische Abneigung gegen den Zweck des-
selben vernehmen ließ, und die Einsprachen die Struve von Seite vieler
Gemeindebehörden und hervorragender Männer der Gegend erfuhr be-
ruhten nicht so fast auf principiellem Widerspruch gegen die Sache selbst,
als vielmehr auf Bedenklichkeiten über die Ausführbarkeit derselben.
Struve und Hecker ließen sich nicht irre machen, weder durch diese Ab-
mahnungen noch durch die zweifelhafte Entschließung des Landesaus-
schusses, d. h. des Vorstandes der demokratischen Vereine des Landes.
Sie organisirten den Zug, der anfangs spärlich genug zu Stande kam.
Struve wirkte für das Unternehmen in Ueberlingen, und von da aus auf
dem ganzen Wege den die von ihm geführte Colonne (deren politischer,
nicht militärischer Führer er war) nahm, besonders in Donaueschingen,
Grießen, Thiengen, Säckingen, Steinen, Güntersthal. Nach der Volks-
versammlung zu Grießen trat er entschiedener auf, von da an sprach er
offen von der "Republik" und nahm einige Staatscassen zu Gunsten seines
Unternehmens weg. Nachdem die Schaar unter Hecker auf der Scheidegg
zersprengt worden war, traf er mit der von ihm und Weißhaar geführten
Schaar bei Steinen (in der Nähe von Lörrach) auf das Militär. Es
wurden einige Schüsse gewechselt, worauf sich der Volkshaufen auflöste.
Struve suchte sich nach der Schweiz zu retten, wurde aber zu Säckingen
erkannt und verhaftet. Nachdem er in Folge von Drohungen seiner An-
hänger wieder freigelassen war, eilte er zu der Colonne welche sich durch
das Gebirge gegen Freiburg zog und nahm an dem Gefecht von Gün-
tersthal Theil, bei welchem drei Soldaten fielen und eine größere An-
zahl mehr oder minder stark verwundet wurde.

Struve flüchtete sich ins Ausland, gab jedoch seine Plane nicht auf,
sondern traf alle Anstalten um den Versuch zum zweitenmal zu wagen,
und wartete nur auf den günstigen Augenblick um wiederholt loszuschlagen.
Er umgab die ganze Rheingränze mit einem Netz von Ausschüssen, setzte

[Spaltenumbruch]
Einige Bedenken über deutſche Bundes- und Reichs-
verfaſſung.

II.

(Dritter Artikel.)Die Deutſche Zeitung
bringt in Nr. 84 vom 25 März d. J. einen Artikel, in welchem ſie die
Plane der öſterreichiſchen Regierung aufdeckt. Ich nehme das thatſächlich
darin Angeführte wirklich für eine reine Thatſache, ohne mich mit den
daraus gezogenen Folgerungen einverſtanden zu erklären. Darin aber
bin ich mit einer kleinen Aenderung ganz der Anſicht ſeines Verfaſſers, in
dem Satze nämlich: das iſt der Kern jenes Directoriums gegen welches ich
ſchon lange, auch in meinem erſten Artikel, ankämpfte, und ſo lange be-
kämpfen werde als ich es vermag; denn über „Deutſchlands Fürſten und
Völker“ wäre in der That das Loos geworfen wenn — die von Oeſterreich
vorgeſchlagene und von Preußen angenommene und, wie die letzten Worte
der Circularnote vom 10 März ganz klar beweiſen, weiter empfohlene
kaiſerliche und königliche Kreisdirectorialeinrichtung — wenn dieſelbe nur
auszuführen wäre ohne den Standpunkt des alten Staatenbundes zu ver-
laſſen, auf welchem ſich beide Regierungen behaupten zu wollen erklären.
Nun ſagt der elfte Artikel der Bundesacte, den wir uns als ein „Ganzes“
nicht rauben laſſen wollen, unter anderm auch: „Die Bundesglieder be-
halten zwar das Recht der Bündniſſe aller Art; verpflichten ſich jedoch in
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oder einzelner Bundesſtaaten gerichtet wären.“ Daß aber ein ſolches
zwiſchen dem Kaiſer und den Königen zu ſchließendes Bündniß gegen die
Sicherheit nicht nur einzelner Bundesglieder, ſondern gegen das Weſen
des Bundes überhaupt gerichtet wäre, läßt ſich nicht verkennen. Jenes
Project verſtößt aber auch gegen poſitive, mit deutlichen Worten ausge-
ſprochene Vertragsbeſtimmungen. Zu dem Reſſort der Kreisdirectoren
gehört auch, und zwar vorzugsweiſe, die Vereinigung der Militärkräfte der
Kleinſten und Kleinen mit Größeren. In der pactirten, durch einen
mit Einhelligkeit im Plenum gefaßten Beſchluß zuſtandegekommenen Ein-
theilung des Bundesheers findet ſich aber auch die Beſtimmung: „Kein
Bundesſtaat, deſſen Contingent ein oder mehrere Armeecorps für ſich
allein bildet, darf Contingente anderer Bundesſtaaten mit den ſeinigen in
Eine Abtheilung vereinigen.“ (Klüber, Oeffentliches Recht des deutſchen
Bundes §. 153 d Ziffer 5.) Es iſt dieß nicht die einzige Beſtimmung
welche die rein deutſchen Staaten ſich erkämpfen mußten, aber dieſe ſo
wenig als alle übrigen ſtören die Einheit des Ganzen; fördern vielmehr
den Geiſt der rein deutſchen Truppen. Ueber ſolche Dinge geht man jetzt
ſo leicht hinüber als hätten ſie keine Geltung und keine Bedeutung mehr.
So hat man auch den kleinen Staaten die ihnen ſo wohlthätige, wie dem
Ganzen nützliche Vergünſtigung, welche ihnen ſelbſt ein Napoleon bewilligte,
daß ſie, zum Dienſte in den Feſtungen beſtimmt, mehr Fußvolk, dagegen
weder Reiterei noch Geſchütz ſtellen ſollten, mit Einem Federſtriche ent-
zogen; was freilich bei dem zahlenden Volke kein gutes Blut machen kann.

Geſchehen denn nun jene Mißgriffe welche die öſterreichiſche und die
preußiſche Regierung machen und die von der Nationalverſammlung nicht
weniger begangen werden, aus böſem Willen? Gewiß nicht! Die Schuld
liegt zuverläſſig daran daß die öſterreichiſchen und preußiſchen Staats-
männer welche den Staatenbund oder den Bundesſtaat feſtgehalten wiſſen
wollen — daß die Staatsmänner minder mächtiger Staaten welche den
Bund mit Gleichgültigkeit betrachten — und daß die Publiciſten der
Paulskirche welche, Bund, Bundestag und Bundesverſammlung mit ein-
ander verwechſelnd, von dem alten Bunde gar nichts mehr wiſſen wollen,
von dem reichen Inhalt der Verfaſſung dieſes Bundes und den darin
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Kennten die letzteren nichts weiter davon als was die proviſoriſche Com-
petenzbeſtimmung und die durch Beſchluß zur proviſoriſchen Geltung ge-
brachten Anträge der zur Begutachtung der Reihenfolge der Geſchäfte
niedergeſetzt geweſenen Commiſſion — beim Himmel! ſie würden es nicht
für einen Raub balten alle ihre Kraft daran zu ſetzen aus dieſem Pro-
viſoriſchen ein Definitives herauszuarbeiten und — wenn einſeitige und
ſchlecht verſtandene öſterreichiſche und preußiſche Vorurtheile ſich, was ich
nicht hoffe, entgegenſtemmen ſollten — für das ganze, das rein deutſche
als relativ Selbſtändiges einſchließendes Deutſchland zu erkämpfen. Aber
auch die Fürſten würden im Einverſtändniß mit ihren Landesverſamm-
lungen, ſofern dieſe nicht am Schwindel alleiniger Herrſchergewalt im
Spital krank liegen ſollten, durch ihre Bevollmächtigten bei dem Reichs-
verweſer s. v. v. aus ganzem Holze Bretter ſchneiden laſſen, und ſo ge-
wiſſen Zweiflern den Troſt nehmen daß die deutſchen Fürſten unter ein-
ander ſelbſt nicht einig werden würden. Mit den Kräften welche dem
Verfaſſungsausſchuſſe unverkennbar zu Gebote ſtehen, könnte die refor-
mirte oder vielmehr vervollſtändigte Verfaſſung des Bundesſtaats bis auf
[Spaltenumbruch] die Oberhauptsfrage — von der in meinem nächſten Artikel — fix und
fertig ſeyn.

Erinnern wir uns alle an ein ſehr wahres, vom trefflichen Dahlmann
geſprochenes Wort: „In Tagen der politiſchen Abſpannung wird be-
ſonders deßhalb nichts von Dauer gebaut, weil die Möglichkeit zu allem
vorhanden iſt, aber für nichts die beſtimmende Nothwendigkeit.“

Die beſtimmendſte aller beſtimmenden Nothwendigkeiten aber ſollte
doch wohl die Würdigung und Achtung eines gegebenen und zugleich fort-
bildſamen Rechts ſeyn. K. A. v. Wangenheim.



Der politiſche Proceß in Freiburg.
I.

Mit welcher Sorgſamkeit die Unterſuchung
gegen die des Hochverraths Angeklagten, die zur Zeit vor den Schranken
unſeres Geſchwornengerichts ſtehen, Struve und Blind, geführt worden
iſt, das zeigt die unendliche Maſſe des Belaſtungsmaterials welches die
öffentlichen Ankläger herbeigeſchafft haben. Und dennoch hat man nicht
alles in die öffentlichen Sitzungen gebracht was man dahin bringen konnte,
ſondern ſich mit dem Gravirendſten begnügt. So waren die 95 Zeugen
die man den Angeklagten gegenüberſtellte kaum der fünfte Theil von
den Zeugen die man in der Vorunterſuchung vernommen hatte, und von
den Schriftſtücken die man vorlegte hatte man auch nur die bedeutendſten
ausgeſucht.

Die beigebrachten Beweiſe reichten mehr als zu das den Angeklagten
zur Laſt gelegte Verbrechen im Großen und Kleinen, mittelbar und un-
mittelbar bis zu vollſter Evidenz zu beweiſen, und ſie nahmen auch nicht
den mindeſten Anſtand alles einzugeſtehen was ſie perſönlich betraf. Nur
da verweigerten ſie Auskunft wo andere dadurch bloßgeſtellt werden konn-
ten, und nur da ſuchten ſie zu mäkeln und ſich zu rechtfertigen wo etwas
zu Tage trat was in politiſcher oder rein menſchlicher Weiſe ihnen nach-
theilig werden konnte, z. B. Zeichen antirepublicaniſcher oder ihrem Un-
ternehmen ſonſt feindlicher Volksſtimmung, Vorwürfe wegen Unlauter-
keit ihrer Abſichten, Feigheit u. ſ. w. Dieſe gerade Offenheit hat beſon-
ders Struve in der Meinung aller Anweſenden ſehr genützt, zumal in
allem was er ſprach, eine große Kraft perſönlicher Ueberzeugung, verbun-
den mit einer gewiſſen Würde, nicht zu mißkennen war.

Aus dem Zeugenverhör und den vorgelegten ſchriftlichen Documenten
(großentheils Actenſtücken welche die Unterſchrift der Angeklagten trugen)
ergibt ſich daß Struve in Verein mit Hecker im April v. J. in Conſtanz
auftrat, um von da aus vermittelſt eines bewaffneten Zuges nach Karls-
ruhe die beſtehende Staatsform umzuſtürzen und die republicaniſche an
ihre Stelle zu ſetzen — ein Plan der übrigens nicht ſogleich klar ausge-
ſprochen wurde, ſondern erſt während des Zuges ſelbſt hervortrat. Die
Volksſtimmung, auf deren Erforſchung in dem Zeugenverhör beiderſeitig
großer Nachdruck gelegt wurde, war dem Unternehmen inſofern günſtig
als ſich kaum irgendwo eine politiſche Abneigung gegen den Zweck des-
ſelben vernehmen ließ, und die Einſprachen die Struve von Seite vieler
Gemeindebehörden und hervorragender Männer der Gegend erfuhr be-
ruhten nicht ſo faſt auf principiellem Widerſpruch gegen die Sache ſelbſt,
als vielmehr auf Bedenklichkeiten über die Ausführbarkeit derſelben.
Struve und Hecker ließen ſich nicht irre machen, weder durch dieſe Ab-
mahnungen noch durch die zweifelhafte Entſchließung des Landesaus-
ſchuſſes, d. h. des Vorſtandes der demokratiſchen Vereine des Landes.
Sie organiſirten den Zug, der anfangs ſpärlich genug zu Stande kam.
Struve wirkte für das Unternehmen in Ueberlingen, und von da aus auf
dem ganzen Wege den die von ihm geführte Colonne (deren politiſcher,
nicht militäriſcher Führer er war) nahm, beſonders in Donaueſchingen,
Grießen, Thiengen, Säckingen, Steinen, Güntersthal. Nach der Volks-
verſammlung zu Grießen trat er entſchiedener auf, von da an ſprach er
offen von der „Republik“ und nahm einige Staatscaſſen zu Gunſten ſeines
Unternehmens weg. Nachdem die Schaar unter Hecker auf der Scheidegg
zerſprengt worden war, traf er mit der von ihm und Weißhaar geführten
Schaar bei Steinen (in der Nähe von Lörrach) auf das Militär. Es
wurden einige Schüſſe gewechſelt, worauf ſich der Volkshaufen auflöste.
Struve ſuchte ſich nach der Schweiz zu retten, wurde aber zu Säckingen
erkannt und verhaftet. Nachdem er in Folge von Drohungen ſeiner An-
hänger wieder freigelaſſen war, eilte er zu der Colonne welche ſich durch
das Gebirge gegen Freiburg zog und nahm an dem Gefecht von Gün-
tersthal Theil, bei welchem drei Soldaten fielen und eine größere An-
zahl mehr oder minder ſtark verwundet wurde.

Struve flüchtete ſich ins Ausland, gab jedoch ſeine Plane nicht auf,
ſondern traf alle Anſtalten um den Verſuch zum zweitenmal zu wagen,
und wartete nur auf den günſtigen Augenblick um wiederholt loszuſchlagen.
Er umgab die ganze Rheingränze mit einem Netz von Ausſchüſſen, ſetzte

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[1492/0012] Einige Bedenken über deutſche Bundes- und Reichs- verfaſſung. II. &#x1F70D; Coburg, 28 März. (Dritter Artikel.)Die Deutſche Zeitung bringt in Nr. 84 vom 25 März d. J. einen Artikel, in welchem ſie die Plane der öſterreichiſchen Regierung aufdeckt. Ich nehme das thatſächlich darin Angeführte wirklich für eine reine Thatſache, ohne mich mit den daraus gezogenen Folgerungen einverſtanden zu erklären. Darin aber bin ich mit einer kleinen Aenderung ganz der Anſicht ſeines Verfaſſers, in dem Satze nämlich: das iſt der Kern jenes Directoriums gegen welches ich ſchon lange, auch in meinem erſten Artikel, ankämpfte, und ſo lange be- kämpfen werde als ich es vermag; denn über „Deutſchlands Fürſten und Völker“ wäre in der That das Loos geworfen wenn — die von Oeſterreich vorgeſchlagene und von Preußen angenommene und, wie die letzten Worte der Circularnote vom 10 März ganz klar beweiſen, weiter empfohlene kaiſerliche und königliche Kreisdirectorialeinrichtung — wenn dieſelbe nur auszuführen wäre ohne den Standpunkt des alten Staatenbundes zu ver- laſſen, auf welchem ſich beide Regierungen behaupten zu wollen erklären. Nun ſagt der elfte Artikel der Bundesacte, den wir uns als ein „Ganzes“ nicht rauben laſſen wollen, unter anderm auch: „Die Bundesglieder be- halten zwar das Recht der Bündniſſe aller Art; verpflichten ſich jedoch in keine Verbindungen einzugehen welche gegen die Sicherheit des Bundes oder einzelner Bundesſtaaten gerichtet wären.“ Daß aber ein ſolches zwiſchen dem Kaiſer und den Königen zu ſchließendes Bündniß gegen die Sicherheit nicht nur einzelner Bundesglieder, ſondern gegen das Weſen des Bundes überhaupt gerichtet wäre, läßt ſich nicht verkennen. Jenes Project verſtößt aber auch gegen poſitive, mit deutlichen Worten ausge- ſprochene Vertragsbeſtimmungen. Zu dem Reſſort der Kreisdirectoren gehört auch, und zwar vorzugsweiſe, die Vereinigung der Militärkräfte der Kleinſten und Kleinen mit Größeren. In der pactirten, durch einen mit Einhelligkeit im Plenum gefaßten Beſchluß zuſtandegekommenen Ein- theilung des Bundesheers findet ſich aber auch die Beſtimmung: „Kein Bundesſtaat, deſſen Contingent ein oder mehrere Armeecorps für ſich allein bildet, darf Contingente anderer Bundesſtaaten mit den ſeinigen in Eine Abtheilung vereinigen.“ (Klüber, Oeffentliches Recht des deutſchen Bundes §. 153 d Ziffer 5.) Es iſt dieß nicht die einzige Beſtimmung welche die rein deutſchen Staaten ſich erkämpfen mußten, aber dieſe ſo wenig als alle übrigen ſtören die Einheit des Ganzen; fördern vielmehr den Geiſt der rein deutſchen Truppen. Ueber ſolche Dinge geht man jetzt ſo leicht hinüber als hätten ſie keine Geltung und keine Bedeutung mehr. So hat man auch den kleinen Staaten die ihnen ſo wohlthätige, wie dem Ganzen nützliche Vergünſtigung, welche ihnen ſelbſt ein Napoleon bewilligte, daß ſie, zum Dienſte in den Feſtungen beſtimmt, mehr Fußvolk, dagegen weder Reiterei noch Geſchütz ſtellen ſollten, mit Einem Federſtriche ent- zogen; was freilich bei dem zahlenden Volke kein gutes Blut machen kann. Geſchehen denn nun jene Mißgriffe welche die öſterreichiſche und die preußiſche Regierung machen und die von der Nationalverſammlung nicht weniger begangen werden, aus böſem Willen? Gewiß nicht! Die Schuld liegt zuverläſſig daran daß die öſterreichiſchen und preußiſchen Staats- männer welche den Staatenbund oder den Bundesſtaat feſtgehalten wiſſen wollen — daß die Staatsmänner minder mächtiger Staaten welche den Bund mit Gleichgültigkeit betrachten — und daß die Publiciſten der Paulskirche welche, Bund, Bundestag und Bundesverſammlung mit ein- ander verwechſelnd, von dem alten Bunde gar nichts mehr wiſſen wollen, von dem reichen Inhalt der Verfaſſung dieſes Bundes und den darin liegenden Mitteln zum herrlichſten Ausbau derſelben gar nichts wiſſen. Kennten die letzteren nichts weiter davon als was die proviſoriſche Com- petenzbeſtimmung und die durch Beſchluß zur proviſoriſchen Geltung ge- brachten Anträge der zur Begutachtung der Reihenfolge der Geſchäfte niedergeſetzt geweſenen Commiſſion — beim Himmel! ſie würden es nicht für einen Raub balten alle ihre Kraft daran zu ſetzen aus dieſem Pro- viſoriſchen ein Definitives herauszuarbeiten und — wenn einſeitige und ſchlecht verſtandene öſterreichiſche und preußiſche Vorurtheile ſich, was ich nicht hoffe, entgegenſtemmen ſollten — für das ganze, das rein deutſche als relativ Selbſtändiges einſchließendes Deutſchland zu erkämpfen. Aber auch die Fürſten würden im Einverſtändniß mit ihren Landesverſamm- lungen, ſofern dieſe nicht am Schwindel alleiniger Herrſchergewalt im Spital krank liegen ſollten, durch ihre Bevollmächtigten bei dem Reichs- verweſer s. v. v. aus ganzem Holze Bretter ſchneiden laſſen, und ſo ge- wiſſen Zweiflern den Troſt nehmen daß die deutſchen Fürſten unter ein- ander ſelbſt nicht einig werden würden. Mit den Kräften welche dem Verfaſſungsausſchuſſe unverkennbar zu Gebote ſtehen, könnte die refor- mirte oder vielmehr vervollſtändigte Verfaſſung des Bundesſtaats bis auf die Oberhauptsfrage — von der in meinem nächſten Artikel — fix und fertig ſeyn. Erinnern wir uns alle an ein ſehr wahres, vom trefflichen Dahlmann geſprochenes Wort: „In Tagen der politiſchen Abſpannung wird be- ſonders deßhalb nichts von Dauer gebaut, weil die Möglichkeit zu allem vorhanden iſt, aber für nichts die beſtimmende Nothwendigkeit.“ Die beſtimmendſte aller beſtimmenden Nothwendigkeiten aber ſollte doch wohl die Würdigung und Achtung eines gegebenen und zugleich fort- bildſamen Rechts ſeyn. K. A. v. Wangenheim. Der politiſche Proceß in Freiburg. I. § Freiburg, 30 März. Mit welcher Sorgſamkeit die Unterſuchung gegen die des Hochverraths Angeklagten, die zur Zeit vor den Schranken unſeres Geſchwornengerichts ſtehen, Struve und Blind, geführt worden iſt, das zeigt die unendliche Maſſe des Belaſtungsmaterials welches die öffentlichen Ankläger herbeigeſchafft haben. Und dennoch hat man nicht alles in die öffentlichen Sitzungen gebracht was man dahin bringen konnte, ſondern ſich mit dem Gravirendſten begnügt. So waren die 95 Zeugen die man den Angeklagten gegenüberſtellte kaum der fünfte Theil von den Zeugen die man in der Vorunterſuchung vernommen hatte, und von den Schriftſtücken die man vorlegte hatte man auch nur die bedeutendſten ausgeſucht. Die beigebrachten Beweiſe reichten mehr als zu das den Angeklagten zur Laſt gelegte Verbrechen im Großen und Kleinen, mittelbar und un- mittelbar bis zu vollſter Evidenz zu beweiſen, und ſie nahmen auch nicht den mindeſten Anſtand alles einzugeſtehen was ſie perſönlich betraf. Nur da verweigerten ſie Auskunft wo andere dadurch bloßgeſtellt werden konn- ten, und nur da ſuchten ſie zu mäkeln und ſich zu rechtfertigen wo etwas zu Tage trat was in politiſcher oder rein menſchlicher Weiſe ihnen nach- theilig werden konnte, z. B. Zeichen antirepublicaniſcher oder ihrem Un- ternehmen ſonſt feindlicher Volksſtimmung, Vorwürfe wegen Unlauter- keit ihrer Abſichten, Feigheit u. ſ. w. Dieſe gerade Offenheit hat beſon- ders Struve in der Meinung aller Anweſenden ſehr genützt, zumal in allem was er ſprach, eine große Kraft perſönlicher Ueberzeugung, verbun- den mit einer gewiſſen Würde, nicht zu mißkennen war. Aus dem Zeugenverhör und den vorgelegten ſchriftlichen Documenten (großentheils Actenſtücken welche die Unterſchrift der Angeklagten trugen) ergibt ſich daß Struve in Verein mit Hecker im April v. J. in Conſtanz auftrat, um von da aus vermittelſt eines bewaffneten Zuges nach Karls- ruhe die beſtehende Staatsform umzuſtürzen und die republicaniſche an ihre Stelle zu ſetzen — ein Plan der übrigens nicht ſogleich klar ausge- ſprochen wurde, ſondern erſt während des Zuges ſelbſt hervortrat. Die Volksſtimmung, auf deren Erforſchung in dem Zeugenverhör beiderſeitig großer Nachdruck gelegt wurde, war dem Unternehmen inſofern günſtig als ſich kaum irgendwo eine politiſche Abneigung gegen den Zweck des- ſelben vernehmen ließ, und die Einſprachen die Struve von Seite vieler Gemeindebehörden und hervorragender Männer der Gegend erfuhr be- ruhten nicht ſo faſt auf principiellem Widerſpruch gegen die Sache ſelbſt, als vielmehr auf Bedenklichkeiten über die Ausführbarkeit derſelben. Struve und Hecker ließen ſich nicht irre machen, weder durch dieſe Ab- mahnungen noch durch die zweifelhafte Entſchließung des Landesaus- ſchuſſes, d. h. des Vorſtandes der demokratiſchen Vereine des Landes. Sie organiſirten den Zug, der anfangs ſpärlich genug zu Stande kam. Struve wirkte für das Unternehmen in Ueberlingen, und von da aus auf dem ganzen Wege den die von ihm geführte Colonne (deren politiſcher, nicht militäriſcher Führer er war) nahm, beſonders in Donaueſchingen, Grießen, Thiengen, Säckingen, Steinen, Güntersthal. Nach der Volks- verſammlung zu Grießen trat er entſchiedener auf, von da an ſprach er offen von der „Republik“ und nahm einige Staatscaſſen zu Gunſten ſeines Unternehmens weg. Nachdem die Schaar unter Hecker auf der Scheidegg zerſprengt worden war, traf er mit der von ihm und Weißhaar geführten Schaar bei Steinen (in der Nähe von Lörrach) auf das Militär. Es wurden einige Schüſſe gewechſelt, worauf ſich der Volkshaufen auflöste. Struve ſuchte ſich nach der Schweiz zu retten, wurde aber zu Säckingen erkannt und verhaftet. Nachdem er in Folge von Drohungen ſeiner An- hänger wieder freigelaſſen war, eilte er zu der Colonne welche ſich durch das Gebirge gegen Freiburg zog und nahm an dem Gefecht von Gün- tersthal Theil, bei welchem drei Soldaten fielen und eine größere An- zahl mehr oder minder ſtark verwundet wurde. Struve flüchtete ſich ins Ausland, gab jedoch ſeine Plane nicht auf, ſondern traf alle Anſtalten um den Verſuch zum zweitenmal zu wagen, und wartete nur auf den günſtigen Augenblick um wiederholt loszuſchlagen. Er umgab die ganze Rheingränze mit einem Netz von Ausſchüſſen, ſetzte

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 97, 7. April 1849, S. 1492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine97_1849/12>, abgerufen am 28.11.2024.