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Allgemeine Zeitung, Nr. 86, 26. März 1848.

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[Spaltenumbruch] Theil werden. So eben organisiren und bewaffnen sich die Studirenden
der Universität unter ihren Lehrern, auch die Bürger werden aufgeboten
hier und im ganzen Lande, die Einigkeit unter allen Ständen, jetzt wo
die Rettung des Vaterlandes vor dem schmachvollsten Anfalle gilt, hat
nur Ein Ziel im Auge, die Begeisterung flammt hoch empor. Keiner
von jenen Vermessenen wird über den Rhein zurückgelangen. Und wir
Deutschen werden aus diesem voreiligen Anfall unserer Erbfeinde die
Lehre schöpfen, was von ihnen zu erwarten sey, trotz ihrer Versprechun-
gen allgemeiner Bruderliebe. Wir werden desto einiger und stärker im
Innern unsere Organisation vollenden. Deutsche, Völker und Fürsten,
Stärke durch Einigkeit!"

Wir haben den ganzen Tag in großer Be-
stürzung gelebt. Es war durch mehrere Couriere bei der königl. Re-
gierung und dem Oberamt die amtliche Anzeige gemacht worden daß
ein Trupp französisches Raubgesindel -- welches das Gerücht bis zu
40,000 Mann taxirte -- den Rhein und den Kniebis überschritten
habe, im Badischen raube, morde, und brenne und ins württembergische
Land einzufallen drohe, ja, bereits nicht allzuweit hinter Ehingen ein-
gefallen sey. Da das Gerücht die Demonstrationen der deutschen De-
mokraten in Paris mit Herwegh an der Spitze damit in Verbindung
brachte, steigerte sich die Besorgniß nicht wenig, und man sah in allen
Straßen Gruppen zusammenstehen welche sich über die möglichen Fol-
gen dieser Nachricht lebhaft unterhielten. Der Stadtschultheiß ließ die
Bürgerschaft alsbald durch öffentlichen Ausruf auf heute Nachmittag
2 Uhr zu einer Versammlung in den Hof des deutschen Hauses mit
der Aufforderung einladen daß jeder Gewehre und Wassen, welcher Form
und Art sie auch seyn möchten, mitbringen solle. Das Gouvernement
hatte von Stuttgart aus Befehl bekommen alle drei Regimenter zu jeder
Stunde marschfertig zu halten. Die Hechinger Officiere, welche seit dem
Exil aus ihrem Fürstenthum hier ihren Aufenhalt genommen, erhielten
gleichfalls in voriger Nacht durch Estaffette Ordre alsbald zurückzukehren.
Zur bestimmten Stunde eilten nun eine außerordentlich große Anzahl Bür-
ger mit Waffen aller Gattung, Gewehren, Spießen, Sensen, Rapieren, De-
gen etc. auf den Sammelplatz, allwo Hr. Schuster die Versammelten auf
die bedrohliche Lage der Gegenwart aufmerksam machte, sie sofort in
4 Rotten eintheilte und ihnen Sammelplätze anwies. Von morgen an
wird auf beiden Ufern unserer Bundesfestung das schwarz-roth-goldne
Banner und der deutsche Reichsadler wehen: württembergischerseits auf
der Wilhelmsburg, und bayerischerseits auf dem Augsburger Thor. So
will es der deutsche Bund laut gestern Abend eingetroffener Anzeige an
die Festungsbaudirection. Nachschrift. So eben, Abends halb 6 Uhr,
erhielt ein Theil der hiesigen Cavallerie Befehl sogleich abzumarschiren.
Um halb 8 Uhr rückt das ganze zweite Infanterieregiment ebenfalls
nach, und das dritte steht marschfertig in der Caserne.

Gr. Baden.

In der heutigen Sitzung
der zweiten Kammer zeigte der Präsident an daß die Abg. Junghanns
und Weizel ihre Stellen niedergelegt haben. Hecker als Mitglied der
Commission für den Gesetzentwurf über Volksbewaffnung bemerkt: man
habe sich wegen Dringlichkeit der Sache vorläufig mit der Regierungs-
commission dahin vereinigt eine provisorische Volksbewaffnung zu orga-
nifiren, um das Gesetz selbst mit mehr Ruhe berathen zu können. Mathy
erstattet Bericht über seine und des Abg. Straub jüngst vorgenommene
Reise, und gibt den Bewohnern des Seekreises das Zeugniß eines ern-
sten männlichen Verhaltens und eines kräftigen Geistes, der mit dersel-
ben Festigkeit sowohl der rohen Gewalt als auch jedem Rückschritte
entgenwirken werde, der aber auch keine Sympathien für eine Vereini-
gung mit der Schweiz noch für eine "Winkelrepublik" habe, welche uns
von dem übrigen Deutschland nur lostrennen müßte, und der vielmehr
ein einziges freies Deutschland mit freien Institutionen verlange.
Straub spricht im ähnlichen Sinne und beklagt einen Vorfall in Engen,
bei welchem er eine unwürdige Behandlung erfahren habe. (Bad. Bl.)

Gr. Hessen.

Das vor einigen Tagen
erschienene Edict, welches den "wegen politischer Vergehen Verurtheilten
oder Beschuldigten"
Amnestie ertheilte, hat bereits einen unserer Mitbürger
in unsere Mitte zurückgeführt. Dr. Wilhelm Schulz, welcher als ehe-
maliger Officier von dem hiesigen Kriegsgerichte im Jahr 1834 in einen
fünfjährigen strengen Festungsarrest verurtheilt worden war, und
bald darauf aus der Festung Babenhausen entfloh, ist bereits von
Zürich, wo er seither wohnte, zurückgekehrt. Welcher Wechsel der
Dinge! Sein damaliges Verbrechen war außer einer andern politischen
Schrift vaterländischer Gesinnung die Herausgabe seiner im Jahr 1832
[Spaltenumbruch] in Stuttgart erschienenen Schrift: "Deutschlands Einheit durch Natio-
nalrepräsentation," die er Rotteck und Welcker widmete. Der Verfas-
ser sprach sich damals im "Vorwort" dahin aus:

"Es ist der stabile
Vorwurf der Stabilen gegen die Partei der Liberalen daß diese nur zu
zerstören, aber nicht zu erhalten, daß sie das Vorhandene nur zu ver-
nichten, aber daraus keine neue Ordnung zu erschaffen wisse. Wir
können diesen Vorwurf zurückgeben, indem wir auf die Geschichte der
letzten Jahre hinweisen, die zu Duzenden die diplomatischen Kartenhäu-
ser auseinanderwarf, welche man wähnte mit dem Schweiße und dem
Blute der Völker für eine Ewigkeit zusammen geleimt zu haben. Aber
damit hätten wir uns unsern Gegnern nur gleich gestellt, und wir ste-
hen höher als sie. Was ich seit Jahren erkannt und gedacht, was ich
im Verkehr mit andern geläutert und berichtigt, auch wohl da und dort
schon andeutend ausgesprochen habe, erscheint in diesem Buche als zu-
sammenhängendes Ganze. Es macht darauf Anspruch als solches ge-
prüft und beachtet, nicht bloß halb gebilligt und halb verworfen, halb
bejaht und halb verneint zu werden. Von dem Bestehenden ausgehend
und sowohl das Ziel als den Weg zum Ziele ins Auge fassend, fordert
es zu bestimmter That auf."

Diese Zeit der That ist erschienen, und der
Verfasser will selbst am nahen 30 März im nahen Frankfurt tagen
helfen. Er schloß sein Buch mit den Worten:

"Sind nicht endlich der
Zeichen genug geschehen auch in unserm deutschen Vaterlande, und kön-
net Ihr zu behaupten wagen daß der erzürnte Geist des immer von
neuem gereizten Volkes versöhnt sey, und daß er durch eitle Worte ver-
söhnt werden könne, weil bis zu dieser Stunde auch der Streit der Par-
teien nur mit Worten geführt wird? In diesem Streit werden erst die
Waffen für den entscheidenden Kampf geschärft; die Leidenschaften wer-
den geweckt ohne befriedigt zu werden. Aber immer feindlicher fallen
die Parteien auseinander, und eine Versöhnung ist nicht zu hoffen so
lange die Vereinigung aller Deutschen nur angepriesen und vorgepre-
digt aber nicht erlebt; solange noch die Einheit unsers Vaterlandes
keine sichtbare Thatsache geworden ist. Das ist sie nicht eher gewor-
den, bis das gesammte deutsche Volk die Männer seines Vertrauens zu
einer Gesammtheit verbunden sieht."

Erst nach vielen Jahren soll der
Prophet im Vaterland gelten.

Freie Städte.

Die
Herzogin v. Orleans bewährte sich als die Frau von Verstand und Cha-
rakter für welche sie schon früher galt, denn sie schlug ganz ihren eige-
nen Weg ein. Nach ihren bekannten Schritten in Paris, und nachdem
sie dieses verlassen hielt sie sich zwei Tage in der Nähe verborgen; dann
wandte sie sich mit thren Kindern und einer Kammerjungfer, ohne wei-
tere Begleitung, nach Brüssel und kam ohne Geld, ohne alle Effecten
und in demselben Hemde worin sie Paris verlassen nach Koblenz, und
wohnt seitdem in der tiefsten Zurückgezogenheit in dem Gasthof zu den
"vier Thürmen" zu Ems, wo sie bis zur Saison bleiben und dann nach
Würzburg gehen wird. Man fängt in Frankfurt bereits an sich der
Preßfreiheit zu Angriffen auf die Verfassung der Stadt zu bedienen.
Sugenheim ließ als Beiblatt zum Frankfurter Journal hier in diesen
Tagen ein Flugblatt ausgehen: "Frankfurter Reformen," worin nach
dem Urtheil der besonnensten Männer unläugbare Mängel der Verfas-
sung Frankfurts gerügt werden, welches dieselbe aber minder glücklich
mit den Verfassungen der Schweizerkantone zu vergleichen scheint. Da
die Israeliten mit dem Venehmen der Christen gegen sie in diesem Au-
genblick wohl nicht ohne Grund unzufrieden sind, so erlaube ich mir
Ihnen folgendes mitzutheilen. Nach den ganz zuverlässigen Angaben
des "Comite's für statistische Arbeiten des geographischen Vereins" vom
Jahr 1847 beträgt die israelitische Bevölkerung Frankfurts, mit Ein-
schluß der im Ausland etablirten hier verbürgerten Personen, 3237
(1759 männlich, 1478 weiblich). In den letzten 25 Jahren sind im
Durchschnitt jährlich kaum 2 fremde Juden durch Einheirathung hieher
gekommen, und im Ganzen kann man annehmen daß die israelitische
Bevölkerung eher im Ab- als im Zunehmen ist. Die Geldaristokratie
der Juden hat durch die letzten Ereignisse einen bedeutenden Stoß
erhalten und wird sich so leicht nicht wieder erheben, daher der Einfluß
von dieser Seite nicht mehr zu fürchten ist. Die Juden betreiben Hand-
werke, und befördern daß dieß geschehe durch einen zu diesem Zweck unter
ihnen bestehenden Verein. Ihre Gemeinde-, Schul-, Armen- und Kran-
kenanstalten sind musterhaft. Bei christlichen wissenschaftlichen und
andern Vereinen werden jetzt auch häufig Israeliten in den Vorstand
gewählt, die sich als redliche, tüchtige und brauchbare Männer erweisen.
Hier in Frankfurt scheint also das christliche Vorurtheil das einzige

[Spaltenumbruch] Theil werden. So eben organiſiren und bewaffnen ſich die Studirenden
der Univerſität unter ihren Lehrern, auch die Bürger werden aufgeboten
hier und im ganzen Lande, die Einigkeit unter allen Ständen, jetzt wo
die Rettung des Vaterlandes vor dem ſchmachvollſten Anfalle gilt, hat
nur Ein Ziel im Auge, die Begeiſterung flammt hoch empor. Keiner
von jenen Vermeſſenen wird über den Rhein zurückgelangen. Und wir
Deutſchen werden aus dieſem voreiligen Anfall unſerer Erbfeinde die
Lehre ſchöpfen, was von ihnen zu erwarten ſey, trotz ihrer Verſprechun-
gen allgemeiner Bruderliebe. Wir werden deſto einiger und ſtärker im
Innern unſere Organiſation vollenden. Deutſche, Völker und Fürſten,
Stärke durch Einigkeit!“

Wir haben den ganzen Tag in großer Be-
ſtürzung gelebt. Es war durch mehrere Couriere bei der königl. Re-
gierung und dem Oberamt die amtliche Anzeige gemacht worden daß
ein Trupp franzöſiſches Raubgeſindel — welches das Gerücht bis zu
40,000 Mann taxirte — den Rhein und den Kniebis überſchritten
habe, im Badiſchen raube, morde, und brenne und ins württembergiſche
Land einzufallen drohe, ja, bereits nicht allzuweit hinter Ehingen ein-
gefallen ſey. Da das Gerücht die Demonſtrationen der deutſchen De-
mokraten in Paris mit Herwegh an der Spitze damit in Verbindung
brachte, ſteigerte ſich die Beſorgniß nicht wenig, und man ſah in allen
Straßen Gruppen zuſammenſtehen welche ſich über die möglichen Fol-
gen dieſer Nachricht lebhaft unterhielten. Der Stadtſchultheiß ließ die
Bürgerſchaft alsbald durch öffentlichen Ausruf auf heute Nachmittag
2 Uhr zu einer Verſammlung in den Hof des deutſchen Hauſes mit
der Aufforderung einladen daß jeder Gewehre und Waſſen, welcher Form
und Art ſie auch ſeyn möchten, mitbringen ſolle. Das Gouvernement
hatte von Stuttgart aus Befehl bekommen alle drei Regimenter zu jeder
Stunde marſchfertig zu halten. Die Hechinger Officiere, welche ſeit dem
Exil aus ihrem Fürſtenthum hier ihren Aufenhalt genommen, erhielten
gleichfalls in voriger Nacht durch Eſtaffette Ordre alsbald zurückzukehren.
Zur beſtimmten Stunde eilten nun eine außerordentlich große Anzahl Bür-
ger mit Waffen aller Gattung, Gewehren, Spießen, Senſen, Rapieren, De-
gen ꝛc. auf den Sammelplatz, allwo Hr. Schuſter die Verſammelten auf
die bedrohliche Lage der Gegenwart aufmerkſam machte, ſie ſofort in
4 Rotten eintheilte und ihnen Sammelplätze anwies. Von morgen an
wird auf beiden Ufern unſerer Bundesfeſtung das ſchwarz-roth-goldne
Banner und der deutſche Reichsadler wehen: württembergiſcherſeits auf
der Wilhelmsburg, und bayeriſcherſeits auf dem Augsburger Thor. So
will es der deutſche Bund laut geſtern Abend eingetroffener Anzeige an
die Feſtungsbaudirection. Nachſchrift. So eben, Abends halb 6 Uhr,
erhielt ein Theil der hieſigen Cavallerie Befehl ſogleich abzumarſchiren.
Um halb 8 Uhr rückt das ganze zweite Infanterieregiment ebenfalls
nach, und das dritte ſteht marſchfertig in der Caſerne.

Gr. Baden.

In der heutigen Sitzung
der zweiten Kammer zeigte der Präſident an daß die Abg. Junghanns
und Weizel ihre Stellen niedergelegt haben. Hecker als Mitglied der
Commiſſion für den Geſetzentwurf über Volksbewaffnung bemerkt: man
habe ſich wegen Dringlichkeit der Sache vorläufig mit der Regierungs-
commiſſion dahin vereinigt eine proviſoriſche Volksbewaffnung zu orga-
nifiren, um das Geſetz ſelbſt mit mehr Ruhe berathen zu können. Mathy
erſtattet Bericht über ſeine und des Abg. Straub jüngſt vorgenommene
Reiſe, und gibt den Bewohnern des Seekreiſes das Zeugniß eines ern-
ſten männlichen Verhaltens und eines kräftigen Geiſtes, der mit derſel-
ben Feſtigkeit ſowohl der rohen Gewalt als auch jedem Rückſchritte
entgenwirken werde, der aber auch keine Sympathien für eine Vereini-
gung mit der Schweiz noch für eine „Winkelrepublik“ habe, welche uns
von dem übrigen Deutſchland nur lostrennen müßte, und der vielmehr
ein einziges freies Deutſchland mit freien Inſtitutionen verlange.
Straub ſpricht im ähnlichen Sinne und beklagt einen Vorfall in Engen,
bei welchem er eine unwürdige Behandlung erfahren habe. (Bad. Bl.)

Gr. Heſſen.

Das vor einigen Tagen
erſchienene Edict, welches den „wegen politiſcher Vergehen Verurtheilten
oder Beſchuldigten“
Amneſtie ertheilte, hat bereits einen unſerer Mitbürger
in unſere Mitte zurückgeführt. Dr. Wilhelm Schulz, welcher als ehe-
maliger Officier von dem hieſigen Kriegsgerichte im Jahr 1834 in einen
fünfjährigen ſtrengen Feſtungsarreſt verurtheilt worden war, und
bald darauf aus der Feſtung Babenhauſen entfloh, iſt bereits von
Zürich, wo er ſeither wohnte, zurückgekehrt. Welcher Wechſel der
Dinge! Sein damaliges Verbrechen war außer einer andern politiſchen
Schrift vaterländiſcher Geſinnung die Herausgabe ſeiner im Jahr 1832
[Spaltenumbruch] in Stuttgart erſchienenen Schrift: „Deutſchlands Einheit durch Natio-
nalrepräſentation,“ die er Rotteck und Welcker widmete. Der Verfaſ-
ſer ſprach ſich damals im „Vorwort“ dahin aus:

„Es iſt der ſtabile
Vorwurf der Stabilen gegen die Partei der Liberalen daß dieſe nur zu
zerſtören, aber nicht zu erhalten, daß ſie das Vorhandene nur zu ver-
nichten, aber daraus keine neue Ordnung zu erſchaffen wiſſe. Wir
können dieſen Vorwurf zurückgeben, indem wir auf die Geſchichte der
letzten Jahre hinweiſen, die zu Duzenden die diplomatiſchen Kartenhäu-
ſer auseinanderwarf, welche man wähnte mit dem Schweiße und dem
Blute der Völker für eine Ewigkeit zuſammen geleimt zu haben. Aber
damit hätten wir uns unſern Gegnern nur gleich geſtellt, und wir ſte-
hen höher als ſie. Was ich ſeit Jahren erkannt und gedacht, was ich
im Verkehr mit andern geläutert und berichtigt, auch wohl da und dort
ſchon andeutend ausgeſprochen habe, erſcheint in dieſem Buche als zu-
ſammenhängendes Ganze. Es macht darauf Anſpruch als ſolches ge-
prüft und beachtet, nicht bloß halb gebilligt und halb verworfen, halb
bejaht und halb verneint zu werden. Von dem Beſtehenden ausgehend
und ſowohl das Ziel als den Weg zum Ziele ins Auge faſſend, fordert
es zu beſtimmter That auf.“

Dieſe Zeit der That iſt erſchienen, und der
Verfaſſer will ſelbſt am nahen 30 März im nahen Frankfurt tagen
helfen. Er ſchloß ſein Buch mit den Worten:

„Sind nicht endlich der
Zeichen genug geſchehen auch in unſerm deutſchen Vaterlande, und kön-
net Ihr zu behaupten wagen daß der erzürnte Geiſt des immer von
neuem gereizten Volkes verſöhnt ſey, und daß er durch eitle Worte ver-
ſöhnt werden könne, weil bis zu dieſer Stunde auch der Streit der Par-
teien nur mit Worten geführt wird? In dieſem Streit werden erſt die
Waffen für den entſcheidenden Kampf geſchärft; die Leidenſchaften wer-
den geweckt ohne befriedigt zu werden. Aber immer feindlicher fallen
die Parteien auseinander, und eine Verſöhnung iſt nicht zu hoffen ſo
lange die Vereinigung aller Deutſchen nur angeprieſen und vorgepre-
digt aber nicht erlebt; ſolange noch die Einheit unſers Vaterlandes
keine ſichtbare Thatſache geworden iſt. Das iſt ſie nicht eher gewor-
den, bis das geſammte deutſche Volk die Männer ſeines Vertrauens zu
einer Geſammtheit verbunden ſieht.“

Erſt nach vielen Jahren ſoll der
Prophet im Vaterland gelten.

Freie Städte.

Die
Herzogin v. Orleans bewährte ſich als die Frau von Verſtand und Cha-
rakter für welche ſie ſchon früher galt, denn ſie ſchlug ganz ihren eige-
nen Weg ein. Nach ihren bekannten Schritten in Paris, und nachdem
ſie dieſes verlaſſen hielt ſie ſich zwei Tage in der Nähe verborgen; dann
wandte ſie ſich mit thren Kindern und einer Kammerjungfer, ohne wei-
tere Begleitung, nach Brüſſel und kam ohne Geld, ohne alle Effecten
und in demſelben Hemde worin ſie Paris verlaſſen nach Koblenz, und
wohnt ſeitdem in der tiefſten Zurückgezogenheit in dem Gaſthof zu den
„vier Thürmen“ zu Ems, wo ſie bis zur Saiſon bleiben und dann nach
Würzburg gehen wird. Man fängt in Frankfurt bereits an ſich der
Preßfreiheit zu Angriffen auf die Verfaſſung der Stadt zu bedienen.
Sugenheim ließ als Beiblatt zum Frankfurter Journal hier in dieſen
Tagen ein Flugblatt ausgehen: „Frankfurter Reformen,“ worin nach
dem Urtheil der beſonnenſten Männer unläugbare Mängel der Verfaſ-
ſung Frankfurts gerügt werden, welches dieſelbe aber minder glücklich
mit den Verfaſſungen der Schweizerkantone zu vergleichen ſcheint. Da
die Iſraeliten mit dem Venehmen der Chriſten gegen ſie in dieſem Au-
genblick wohl nicht ohne Grund unzufrieden ſind, ſo erlaube ich mir
Ihnen folgendes mitzutheilen. Nach den ganz zuverläſſigen Angaben
des „Comité’s für ſtatiſtiſche Arbeiten des geographiſchen Vereins“ vom
Jahr 1847 beträgt die iſraelitiſche Bevölkerung Frankfurts, mit Ein-
ſchluß der im Ausland etablirten hier verbürgerten Perſonen, 3237
(1759 männlich, 1478 weiblich). In den letzten 25 Jahren ſind im
Durchſchnitt jährlich kaum 2 fremde Juden durch Einheirathung hieher
gekommen, und im Ganzen kann man annehmen daß die iſraelitiſche
Bevölkerung eher im Ab- als im Zunehmen iſt. Die Geldariſtokratie
der Juden hat durch die letzten Ereigniſſe einen bedeutenden Stoß
erhalten und wird ſich ſo leicht nicht wieder erheben, daher der Einfluß
von dieſer Seite nicht mehr zu fürchten iſt. Die Juden betreiben Hand-
werke, und befördern daß dieß geſchehe durch einen zu dieſem Zweck unter
ihnen beſtehenden Verein. Ihre Gemeinde-, Schul-, Armen- und Kran-
kenanſtalten ſind muſterhaft. Bei chriſtlichen wiſſenſchaftlichen und
andern Vereinen werden jetzt auch häufig Iſraeliten in den Vorſtand
gewählt, die ſich als redliche, tüchtige und brauchbare Männer erweiſen.
Hier in Frankfurt ſcheint alſo das chriſtliche Vorurtheil das einzige

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[1363/0003] Theil werden. So eben organiſiren und bewaffnen ſich die Studirenden der Univerſität unter ihren Lehrern, auch die Bürger werden aufgeboten hier und im ganzen Lande, die Einigkeit unter allen Ständen, jetzt wo die Rettung des Vaterlandes vor dem ſchmachvollſten Anfalle gilt, hat nur Ein Ziel im Auge, die Begeiſterung flammt hoch empor. Keiner von jenen Vermeſſenen wird über den Rhein zurückgelangen. Und wir Deutſchen werden aus dieſem voreiligen Anfall unſerer Erbfeinde die Lehre ſchöpfen, was von ihnen zu erwarten ſey, trotz ihrer Verſprechun- gen allgemeiner Bruderliebe. Wir werden deſto einiger und ſtärker im Innern unſere Organiſation vollenden. Deutſche, Völker und Fürſten, Stärke durch Einigkeit!“ Ulm, 25 März.Wir haben den ganzen Tag in großer Be- ſtürzung gelebt. Es war durch mehrere Couriere bei der königl. Re- gierung und dem Oberamt die amtliche Anzeige gemacht worden daß ein Trupp franzöſiſches Raubgeſindel — welches das Gerücht bis zu 40,000 Mann taxirte — den Rhein und den Kniebis überſchritten habe, im Badiſchen raube, morde, und brenne und ins württembergiſche Land einzufallen drohe, ja, bereits nicht allzuweit hinter Ehingen ein- gefallen ſey. Da das Gerücht die Demonſtrationen der deutſchen De- mokraten in Paris mit Herwegh an der Spitze damit in Verbindung brachte, ſteigerte ſich die Beſorgniß nicht wenig, und man ſah in allen Straßen Gruppen zuſammenſtehen welche ſich über die möglichen Fol- gen dieſer Nachricht lebhaft unterhielten. Der Stadtſchultheiß ließ die Bürgerſchaft alsbald durch öffentlichen Ausruf auf heute Nachmittag 2 Uhr zu einer Verſammlung in den Hof des deutſchen Hauſes mit der Aufforderung einladen daß jeder Gewehre und Waſſen, welcher Form und Art ſie auch ſeyn möchten, mitbringen ſolle. Das Gouvernement hatte von Stuttgart aus Befehl bekommen alle drei Regimenter zu jeder Stunde marſchfertig zu halten. Die Hechinger Officiere, welche ſeit dem Exil aus ihrem Fürſtenthum hier ihren Aufenhalt genommen, erhielten gleichfalls in voriger Nacht durch Eſtaffette Ordre alsbald zurückzukehren. Zur beſtimmten Stunde eilten nun eine außerordentlich große Anzahl Bür- ger mit Waffen aller Gattung, Gewehren, Spießen, Senſen, Rapieren, De- gen ꝛc. auf den Sammelplatz, allwo Hr. Schuſter die Verſammelten auf die bedrohliche Lage der Gegenwart aufmerkſam machte, ſie ſofort in 4 Rotten eintheilte und ihnen Sammelplätze anwies. Von morgen an wird auf beiden Ufern unſerer Bundesfeſtung das ſchwarz-roth-goldne Banner und der deutſche Reichsadler wehen: württembergiſcherſeits auf der Wilhelmsburg, und bayeriſcherſeits auf dem Augsburger Thor. So will es der deutſche Bund laut geſtern Abend eingetroffener Anzeige an die Feſtungsbaudirection. Nachſchrift. So eben, Abends halb 6 Uhr, erhielt ein Theil der hieſigen Cavallerie Befehl ſogleich abzumarſchiren. Um halb 8 Uhr rückt das ganze zweite Infanterieregiment ebenfalls nach, und das dritte ſteht marſchfertig in der Caſerne. Gr. Baden. Karlsruhe, 22 März.In der heutigen Sitzung der zweiten Kammer zeigte der Präſident an daß die Abg. Junghanns und Weizel ihre Stellen niedergelegt haben. Hecker als Mitglied der Commiſſion für den Geſetzentwurf über Volksbewaffnung bemerkt: man habe ſich wegen Dringlichkeit der Sache vorläufig mit der Regierungs- commiſſion dahin vereinigt eine proviſoriſche Volksbewaffnung zu orga- nifiren, um das Geſetz ſelbſt mit mehr Ruhe berathen zu können. Mathy erſtattet Bericht über ſeine und des Abg. Straub jüngſt vorgenommene Reiſe, und gibt den Bewohnern des Seekreiſes das Zeugniß eines ern- ſten männlichen Verhaltens und eines kräftigen Geiſtes, der mit derſel- ben Feſtigkeit ſowohl der rohen Gewalt als auch jedem Rückſchritte entgenwirken werde, der aber auch keine Sympathien für eine Vereini- gung mit der Schweiz noch für eine „Winkelrepublik“ habe, welche uns von dem übrigen Deutſchland nur lostrennen müßte, und der vielmehr ein einziges freies Deutſchland mit freien Inſtitutionen verlange. Straub ſpricht im ähnlichen Sinne und beklagt einen Vorfall in Engen, bei welchem er eine unwürdige Behandlung erfahren habe. (Bad. Bl.) Gr. Heſſen. ***Darmſtadt, 23 März.Das vor einigen Tagen erſchienene Edict, welches den „wegen politiſcher Vergehen Verurtheilten oder Beſchuldigten“ Amneſtie ertheilte, hat bereits einen unſerer Mitbürger in unſere Mitte zurückgeführt. Dr. Wilhelm Schulz, welcher als ehe- maliger Officier von dem hieſigen Kriegsgerichte im Jahr 1834 in einen fünfjährigen ſtrengen Feſtungsarreſt verurtheilt worden war, und bald darauf aus der Feſtung Babenhauſen entfloh, iſt bereits von Zürich, wo er ſeither wohnte, zurückgekehrt. Welcher Wechſel der Dinge! Sein damaliges Verbrechen war außer einer andern politiſchen Schrift vaterländiſcher Geſinnung die Herausgabe ſeiner im Jahr 1832 in Stuttgart erſchienenen Schrift: „Deutſchlands Einheit durch Natio- nalrepräſentation,“ die er Rotteck und Welcker widmete. Der Verfaſ- ſer ſprach ſich damals im „Vorwort“ dahin aus: „Es iſt der ſtabile Vorwurf der Stabilen gegen die Partei der Liberalen daß dieſe nur zu zerſtören, aber nicht zu erhalten, daß ſie das Vorhandene nur zu ver- nichten, aber daraus keine neue Ordnung zu erſchaffen wiſſe. Wir können dieſen Vorwurf zurückgeben, indem wir auf die Geſchichte der letzten Jahre hinweiſen, die zu Duzenden die diplomatiſchen Kartenhäu- ſer auseinanderwarf, welche man wähnte mit dem Schweiße und dem Blute der Völker für eine Ewigkeit zuſammen geleimt zu haben. Aber damit hätten wir uns unſern Gegnern nur gleich geſtellt, und wir ſte- hen höher als ſie. Was ich ſeit Jahren erkannt und gedacht, was ich im Verkehr mit andern geläutert und berichtigt, auch wohl da und dort ſchon andeutend ausgeſprochen habe, erſcheint in dieſem Buche als zu- ſammenhängendes Ganze. Es macht darauf Anſpruch als ſolches ge- prüft und beachtet, nicht bloß halb gebilligt und halb verworfen, halb bejaht und halb verneint zu werden. Von dem Beſtehenden ausgehend und ſowohl das Ziel als den Weg zum Ziele ins Auge faſſend, fordert es zu beſtimmter That auf.“Dieſe Zeit der That iſt erſchienen, und der Verfaſſer will ſelbſt am nahen 30 März im nahen Frankfurt tagen helfen. Er ſchloß ſein Buch mit den Worten: „Sind nicht endlich der Zeichen genug geſchehen auch in unſerm deutſchen Vaterlande, und kön- net Ihr zu behaupten wagen daß der erzürnte Geiſt des immer von neuem gereizten Volkes verſöhnt ſey, und daß er durch eitle Worte ver- ſöhnt werden könne, weil bis zu dieſer Stunde auch der Streit der Par- teien nur mit Worten geführt wird? In dieſem Streit werden erſt die Waffen für den entſcheidenden Kampf geſchärft; die Leidenſchaften wer- den geweckt ohne befriedigt zu werden. Aber immer feindlicher fallen die Parteien auseinander, und eine Verſöhnung iſt nicht zu hoffen ſo lange die Vereinigung aller Deutſchen nur angeprieſen und vorgepre- digt aber nicht erlebt; ſolange noch die Einheit unſers Vaterlandes keine ſichtbare Thatſache geworden iſt. Das iſt ſie nicht eher gewor- den, bis das geſammte deutſche Volk die Männer ſeines Vertrauens zu einer Geſammtheit verbunden ſieht.“ Erſt nach vielen Jahren ſoll der Prophet im Vaterland gelten. Freie Städte. ***Frankfurt a. M., 20 März.Die Herzogin v. Orleans bewährte ſich als die Frau von Verſtand und Cha- rakter für welche ſie ſchon früher galt, denn ſie ſchlug ganz ihren eige- nen Weg ein. Nach ihren bekannten Schritten in Paris, und nachdem ſie dieſes verlaſſen hielt ſie ſich zwei Tage in der Nähe verborgen; dann wandte ſie ſich mit thren Kindern und einer Kammerjungfer, ohne wei- tere Begleitung, nach Brüſſel und kam ohne Geld, ohne alle Effecten und in demſelben Hemde worin ſie Paris verlaſſen nach Koblenz, und wohnt ſeitdem in der tiefſten Zurückgezogenheit in dem Gaſthof zu den „vier Thürmen“ zu Ems, wo ſie bis zur Saiſon bleiben und dann nach Würzburg gehen wird. Man fängt in Frankfurt bereits an ſich der Preßfreiheit zu Angriffen auf die Verfaſſung der Stadt zu bedienen. Sugenheim ließ als Beiblatt zum Frankfurter Journal hier in dieſen Tagen ein Flugblatt ausgehen: „Frankfurter Reformen,“ worin nach dem Urtheil der beſonnenſten Männer unläugbare Mängel der Verfaſ- ſung Frankfurts gerügt werden, welches dieſelbe aber minder glücklich mit den Verfaſſungen der Schweizerkantone zu vergleichen ſcheint. Da die Iſraeliten mit dem Venehmen der Chriſten gegen ſie in dieſem Au- genblick wohl nicht ohne Grund unzufrieden ſind, ſo erlaube ich mir Ihnen folgendes mitzutheilen. Nach den ganz zuverläſſigen Angaben des „Comité’s für ſtatiſtiſche Arbeiten des geographiſchen Vereins“ vom Jahr 1847 beträgt die iſraelitiſche Bevölkerung Frankfurts, mit Ein- ſchluß der im Ausland etablirten hier verbürgerten Perſonen, 3237 (1759 männlich, 1478 weiblich). In den letzten 25 Jahren ſind im Durchſchnitt jährlich kaum 2 fremde Juden durch Einheirathung hieher gekommen, und im Ganzen kann man annehmen daß die iſraelitiſche Bevölkerung eher im Ab- als im Zunehmen iſt. Die Geldariſtokratie der Juden hat durch die letzten Ereigniſſe einen bedeutenden Stoß erhalten und wird ſich ſo leicht nicht wieder erheben, daher der Einfluß von dieſer Seite nicht mehr zu fürchten iſt. Die Juden betreiben Hand- werke, und befördern daß dieß geſchehe durch einen zu dieſem Zweck unter ihnen beſtehenden Verein. Ihre Gemeinde-, Schul-, Armen- und Kran- kenanſtalten ſind muſterhaft. Bei chriſtlichen wiſſenſchaftlichen und andern Vereinen werden jetzt auch häufig Iſraeliten in den Vorſtand gewählt, die ſich als redliche, tüchtige und brauchbare Männer erweiſen. Hier in Frankfurt ſcheint alſo das chriſtliche Vorurtheil das einzige

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 86, 26. März 1848, S. 1363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine86_1848/3>, abgerufen am 23.11.2024.