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Allgemeine Zeitung, Nr. 86, 26. März 1848.

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[Spaltenumbruch] tikel Ihrer außerordentlichen Beilage von heute aufgenommen wurde,
werden Sie errathen. Gestern Abend war zum Abschied Willichs ein
freundliches Zusammentreffen von Abgeordneten und hiesigen Einwoh-
nern, an dem auch einige der Minister theilnahmen. Hier wurde durch
Ihre Extrabeilage die preußische Proclamation vom 21 zuerst bekannt,
und es erhielt die Aeußerung eines Redners volle Zustimmung: daß
eine deutsche Kaiserkrone nie in mit Bürgerblut befleckte Hände kommen
könne." Uebrigens ist nicht zu bezweifeln daß Norddeutschland selbst
in dieser Beziehung nicht mit seinen süddeutschen Brüdern in Collision
gerathen werde.

Der frühere Ministerverweser v. Heres
ist von Sr. Maj. dem König zum Staatsrath im ordentlichen Dienste
und zum Präsidenten des obersten Rechnungshofes, der vormalige Po-
lizeidirector Mark zum Rathe bei der königl. Regierung von Mittel-
franken ernannt worden.

Die neueste Allg. Preuß. Ztg. vom
23 d. trägt schwarze Trauerränder, die wohl der vorausgegangenen Ber-
liner Bartholomäusnacht gelten, aber in dieser düstern Einfassung gibt
sie den fröhlichen Bericht über des Königs Festumzug in Berlin, nachdem
er die Proclamation an die deutsche Nation erlassen. Sie gibt
diesen Bericht mit all den von uns schon gestern aus der Spenerschen Ztg.
mitgetheilten Details über die Zurufe die dem König von seinen Mini-
stern, den Studenten und der Bevölkerung geworden seyen: es lebe der
deutsche König!
Wir haben schon gestern Verwahrung eingelegt
daß wir noch nicht so weit seyen, daß die Berliner Schlächterei noch zu nahe
liege, daß die deutsche Kaiserkrone nur von Deutschland verliehen werden,
über das ganze Werk der Wiedergeburt nur die freie Wahl der ganzen
Nation aller gleichberechtigten deutschen Stämme entscheiden dürfe.
Wenn eine Stimme in unserer gestrigen Beilage zunächst das hochher-
zige Wort: Preußen geht in Deutschland auf, ins Auge faßte,
und daran Hoffnungen knüpfte die der reinsten Vaterlandsliebe entspran-
gen, so fürchteten wir andererseits daß die Mehrzahl der Gemüther bei
jenem Worte fragen werde: soll Deutschland in Preußen auf-
gehen?
Und welche Antwort soll diese Frage erhalten unter dem er-
schütternden Eindruck der blutigen Ereignisse vom 18 auf den 19 März?
Zwar ist nicht anzunehmen daß man in Berlin thöricht genug seyn werde
Preußen für Deutschland anzusehen; aber die bloße Voraussetzung
daß dort der Gedanke vorherrschen könnte das deutsche Parlament an
der Spree zu versammeln und die nach dem verrotteten preußischen Wahl-
gesetz ernannten preußischen Provinzialstände als Kern jenes Parla-
ments anzusehen, hat für die deutschen constitutionellen Staaten -- zu
geschweigen von dem wiederverjüngten Oesterreich -- etwas so abstoßen-
des, fast lächerliches, daß man fast von allen Seiten das Urtheil der Ver-
werfung darüber fällen hört. Das Mißtrauen ist gerechtfertigt, und nie
darf die deutsche Nationalvertretung ihren Sitz in Berlin suchen. Aber
man vergesse über den unheilvollen Ereignissen und den Mißgriffen in
der preußischen Hauptstadt nicht die jener Bluttaufe entsprungene große
Errungenschaft, die trotz allem in der Erklärung liegt: Preußen wirft
alle Sonderinteressen hinter sich, es geht in Deutschland auf. Wird
dieses inhaltschwere bindende Wort von allen Staaten Deutschlands
wiederholt*), so soll -- das gebietet die Größe und der Ernst des Mo-
ments -- alle Schuld, die auf dieser und jener Regierung noch von der
Vergangenheit haftet, vergessen seyn. Dann haben wir einen Ge-
winn, der -- wie die Deutsche Zeitung mit Wahrheit sagt -- selbst
die Manen der Gefallenen sühnen wird. Nur um Gotteswillen
jetzt kein neues Zerwürfniß, keine Abmarkung von Nord- und
Süddeutschland, von bisher constitutionellen und absoluten Staaten,
von Preußen und Oesterreich -- sondern Einigkeit über dem Grab derer
die in den ersten Morgenstunden der Freiheit gefallen -- Einigkeit, denn
in kurzer Frist kann das Schicksal für unser Vaterland noch viel ernster
die Loose werfen, und was würde unser harren, wenn es uns hadernd
fände über die Krone die einem einigen Deutschland voranleuchten soll,
die aber auch nur das einige und gesammte Deutschland verleihen darf.

Nach amtlicher Mittheilung von württembergischer Seite an die
bayerische Behörde in Neu-Ulm, die gestern Abend durch Staffette nach
Augsburg gelangt ist, ist ein Haufen Gesindel, der Mehrzahl nach aus
brodlosen Arbeitern bestehend die Frankreich verlassen mußten, bei
Kehl über den Rhein gegangen, und soll sich sengend und brennend das
[Spaltenumbruch] Kinzinger Thal hinauf gegen den Schwarzwald ziehen. Diese Neuigkeit war,
wie man uns aus Stuttgart schreibt, auch dort verbreitet: sie soll auf
Aussagen von Postconducteurs beruhen. Aus Offenburg selbst bringt
die Karlsr. Z. Nachrichten von vorgestern: diese Stadt war am Abend
des 23 März durch Gerüchte von Plünderern die aus dem Elsaß herüber
bei Lahr eingebrochen seyn sollten, daß Sturm geläutet worden u. s. f.,
in Schrecken gesetzt worden -- sogar Gränzwächter hatten es gemel-
det. Das ganze zeigte sich als ein blinder Lärm, der sich am andern
Morgen noch einmal wiederholte. Jetzt sollte der Einbruch bei
Kehl geschehen seyn. Auf gleiche Weise war man in der Nacht vom
22shi23 März in Freiburg erschreckt worden. Die entlassenen Arbeiter
aus den Fabriken des Elsaßes sollten bei Breisach eingefallen seyn und
auch das demokratische Corps des Dichters Herwegh bezeichnete die Sage.
Augenblicklich wurde das Militär und die Bürgerwehr unter die Waffen
gerufen -- gleichfalls ein blinder Lärm! Am andern Morgen sah man
ganze Züge von Flüchtlingen aus der Umgegend sich in die Stadt retten
-- auch jetzt wieder ein blinder Lärm. Das neueste Schreckgerücht, das
von 24,000 Proletariern spricht, wovon 4000 Bewaffnete seyen und
an deren Spitze wiederum der Dichter Herwegh stehen solle dürfte daher
wohl die mit der Entfernung wachsende Fama seyn. Mit dem demokra-
tischen Corps Herweghs hat es wohl vorläufig noch keine Gefahr, das müßte
sich in einen Luftballon gesetzt haben und so durch Frankreich über den Rhein
geflogen seyn. Denn um dieselbe Zeit feierte dasselbe den Sturz des Für-
sten v. Metternich durch Festaufzüge in Paris. Aber die Nothwendig-
keit einiger militärischen Aufstellungen am Rhein ist wohl durch diese
Thatsachen hinlänglich gerechtfertigt. Noch heute in der Nacht sind
drei neue Staffetten in Augsburg eingetroffen, welche das Lärmgerücht
vom Einfall bei Offenburg wiederholen. Die 20 bis 40,000 Eindring-
linge sollen schon bis Wolfach gegen Rippoldsau zu vorgedrungen seyn,
ja ein Gerücht läßt einen Haufen bei Reuttlingen, mitten in Württem-
berg, erscheinen. Sind das nicht Uebertreibungen des Schreckens?

Württemberg.

Stuttgart, 23 März. Mehrere öffentliche
Blätter haben in neuester Zeit mit meiner Person in einer Weise sich be-
schäftigt welche geeignet seyn könnte allgemeines Mißtrauen gegen mich
hervorzurufen. Ueber den Werth oder Unwerth meiner jetzt 45jährigen
Dienstleistungen wird -- in wohl nicht entfernter Zeit, das Gericht über
den Todten sich aussprechen. Ich klammere mich nicht an meine Stelle;
denn gleich bei dem Eintritte der neuen Staatsverwaltung habe ich den
verehrlichen Mitgliedern derselben erklärt daß, wenn sie jetzt oder später in
mir ein Hinderniß bei der Erfüllung der von ihnen übernommenen schwie-
rigen Aufgabe erblickten, ich mich sofort zurückzuziehen entschlossen sey.
Auf die mir hierauf ertheilte Antwort bin ich geblieben. An den Be-
rathungen des Ministerraths nehme ich keinen Theil.

Maucler, Ge-
heimer-Rathspräsident.

Abends halb 9 Uhr. Nach einer mehr
als 7stündigen Kammersitzung, die bis 6 Uhr heute Abend gedauert, und
worin die Ablösungsgesetze angenommen wurden, nach Hause zurückge-
kehrt, durchkreuzen die beunruhigendsten Gerüchte die Stadt. In der
That sind diesen Abend drei Couriere nach einander von der westlichen
Gränze, namentlich von Freudenstadt her, hier eingetroffen. Verichte
aus letzterer Stadt besagen daß dort die Nachricht verbreitet war: die
Franzosen -- ob bloßes Raubgesindel, ob Streifcorps, oder ein wirkliches
Armeecorps, scheint unermittelt -- seyen in Baden eingefallen und befin-
den sich bereits nicht über 4 bis 6 Stunden von der württembergischen
Gränze (dem Kniebis) entfernt. Nach 5 Uhr wurde der Departements-
chef des Innern aus der Kammer plötzlich abgerufen, Se. Maj. der Kö-
nig von der Tafel weggerufen, und heute Abend durch Expresse in das
ganze Land hin alle Beurlaubten und sogar die Kriegsreserven vollends
einberufen, da die Mobilisirung des 8ten Armeecorps und dessen Aus-
marsch an den Rhein dringend geboten und befohlen ist. Morgen schon
soll ein Regiment von hier, eines von Ludwigsburg ausmarschiren
(Ulm. Schnellp.)

* Eben geht uns noch folgendes Schreiben aus Tübingen,
24 März, Abends 6 Uhr von einem der Lehrer der Hochschule zu. "So
eben eintreffende Couriere aus Oberndorf und Rottweil melden den Ein-
fall großer Schaaren französischen Raubgesindels, mit Militärs unter-
mischt, im Badenschen, welche plündernd und brennend durch das Land
ziehen und Offenburg angezündet haben. Schon dringen sie über den
Schwarzwald hervor und bedrohen das Innere von Deutschland. In
diesen Depeschen wird ihre Zahl auf 20,000 angegeben. Unsere deutschen
Brüder flehen um Zuzug des Nachbarlandes. Dieser wird ihnen zu

*) Braunschweig hat es zuerst gethan. S. unten.

[Spaltenumbruch] tikel Ihrer außerordentlichen Beilage von heute aufgenommen wurde,
werden Sie errathen. Geſtern Abend war zum Abſchied Willichs ein
freundliches Zuſammentreffen von Abgeordneten und hieſigen Einwoh-
nern, an dem auch einige der Miniſter theilnahmen. Hier wurde durch
Ihre Extrabeilage die preußiſche Proclamation vom 21 zuerſt bekannt,
und es erhielt die Aeußerung eines Redners volle Zuſtimmung: daß
eine deutſche Kaiſerkrone nie in mit Bürgerblut befleckte Hände kommen
könne.“ Uebrigens iſt nicht zu bezweifeln daß Norddeutſchland ſelbſt
in dieſer Beziehung nicht mit ſeinen ſüddeutſchen Brüdern in Colliſion
gerathen werde.

Der frühere Miniſterverweſer v. Heres
iſt von Sr. Maj. dem König zum Staatsrath im ordentlichen Dienſte
und zum Präſidenten des oberſten Rechnungshofes, der vormalige Po-
lizeidirector Mark zum Rathe bei der königl. Regierung von Mittel-
franken ernannt worden.

Die neueſte Allg. Preuß. Ztg. vom
23 d. trägt ſchwarze Trauerränder, die wohl der vorausgegangenen Ber-
liner Bartholomäusnacht gelten, aber in dieſer düſtern Einfaſſung gibt
ſie den fröhlichen Bericht über des Königs Feſtumzug in Berlin, nachdem
er die Proclamation an die deutſche Nation erlaſſen. Sie gibt
dieſen Bericht mit all den von uns ſchon geſtern aus der Spenerſchen Ztg.
mitgetheilten Details über die Zurufe die dem König von ſeinen Mini-
ſtern, den Studenten und der Bevölkerung geworden ſeyen: es lebe der
deutſche König!
Wir haben ſchon geſtern Verwahrung eingelegt
daß wir noch nicht ſo weit ſeyen, daß die Berliner Schlächterei noch zu nahe
liege, daß die deutſche Kaiſerkrone nur von Deutſchland verliehen werden,
über das ganze Werk der Wiedergeburt nur die freie Wahl der ganzen
Nation aller gleichberechtigten deutſchen Stämme entſcheiden dürfe.
Wenn eine Stimme in unſerer geſtrigen Beilage zunächſt das hochher-
zige Wort: Preußen geht in Deutſchland auf, ins Auge faßte,
und daran Hoffnungen knüpfte die der reinſten Vaterlandsliebe entſpran-
gen, ſo fürchteten wir andererſeits daß die Mehrzahl der Gemüther bei
jenem Worte fragen werde: ſoll Deutſchland in Preußen auf-
gehen?
Und welche Antwort ſoll dieſe Frage erhalten unter dem er-
ſchütternden Eindruck der blutigen Ereigniſſe vom 18 auf den 19 März?
Zwar iſt nicht anzunehmen daß man in Berlin thöricht genug ſeyn werde
Preußen für Deutſchland anzuſehen; aber die bloße Vorausſetzung
daß dort der Gedanke vorherrſchen könnte das deutſche Parlament an
der Spree zu verſammeln und die nach dem verrotteten preußiſchen Wahl-
geſetz ernannten preußiſchen Provinzialſtände als Kern jenes Parla-
ments anzuſehen, hat für die deutſchen conſtitutionellen Staaten — zu
geſchweigen von dem wiederverjüngten Oeſterreich — etwas ſo abſtoßen-
des, faſt lächerliches, daß man faſt von allen Seiten das Urtheil der Ver-
werfung darüber fällen hört. Das Mißtrauen iſt gerechtfertigt, und nie
darf die deutſche Nationalvertretung ihren Sitz in Berlin ſuchen. Aber
man vergeſſe über den unheilvollen Ereigniſſen und den Mißgriffen in
der preußiſchen Hauptſtadt nicht die jener Bluttaufe entſprungene große
Errungenſchaft, die trotz allem in der Erklärung liegt: Preußen wirft
alle Sonderintereſſen hinter ſich, es geht in Deutſchland auf. Wird
dieſes inhaltſchwere bindende Wort von allen Staaten Deutſchlands
wiederholt*), ſo ſoll — das gebietet die Größe und der Ernſt des Mo-
ments — alle Schuld, die auf dieſer und jener Regierung noch von der
Vergangenheit haftet, vergeſſen ſeyn. Dann haben wir einen Ge-
winn, der — wie die Deutſche Zeitung mit Wahrheit ſagt — ſelbſt
die Manen der Gefallenen ſühnen wird. Nur um Gotteswillen
jetzt kein neues Zerwürfniß, keine Abmarkung von Nord- und
Süddeutſchland, von bisher conſtitutionellen und abſoluten Staaten,
von Preußen und Oeſterreich — ſondern Einigkeit über dem Grab derer
die in den erſten Morgenſtunden der Freiheit gefallen — Einigkeit, denn
in kurzer Friſt kann das Schickſal für unſer Vaterland noch viel ernſter
die Looſe werfen, und was würde unſer harren, wenn es uns hadernd
fände über die Krone die einem einigen Deutſchland voranleuchten ſoll,
die aber auch nur das einige und geſammte Deutſchland verleihen darf.

Nach amtlicher Mittheilung von württembergiſcher Seite an die
bayeriſche Behörde in Neu-Ulm, die geſtern Abend durch Staffette nach
Augsburg gelangt iſt, iſt ein Haufen Geſindel, der Mehrzahl nach aus
brodloſen Arbeitern beſtehend die Frankreich verlaſſen mußten, bei
Kehl über den Rhein gegangen, und ſoll ſich ſengend und brennend das
[Spaltenumbruch] Kinzinger Thal hinauf gegen den Schwarzwald ziehen. Dieſe Neuigkeit war,
wie man uns aus Stuttgart ſchreibt, auch dort verbreitet: ſie ſoll auf
Ausſagen von Poſtconducteurs beruhen. Aus Offenburg ſelbſt bringt
die Karlsr. Z. Nachrichten von vorgeſtern: dieſe Stadt war am Abend
des 23 März durch Gerüchte von Plünderern die aus dem Elſaß herüber
bei Lahr eingebrochen ſeyn ſollten, daß Sturm geläutet worden u. ſ. f.,
in Schrecken geſetzt worden — ſogar Gränzwächter hatten es gemel-
det. Das ganze zeigte ſich als ein blinder Lärm, der ſich am andern
Morgen noch einmal wiederholte. Jetzt ſollte der Einbruch bei
Kehl geſchehen ſeyn. Auf gleiche Weiſe war man in der Nacht vom
22ᔑ23 März in Freiburg erſchreckt worden. Die entlaſſenen Arbeiter
aus den Fabriken des Elſaßes ſollten bei Breiſach eingefallen ſeyn und
auch das demokratiſche Corps des Dichters Herwegh bezeichnete die Sage.
Augenblicklich wurde das Militär und die Bürgerwehr unter die Waffen
gerufen — gleichfalls ein blinder Lärm! Am andern Morgen ſah man
ganze Züge von Flüchtlingen aus der Umgegend ſich in die Stadt retten
— auch jetzt wieder ein blinder Lärm. Das neueſte Schreckgerücht, das
von 24,000 Proletariern ſpricht, wovon 4000 Bewaffnete ſeyen und
an deren Spitze wiederum der Dichter Herwegh ſtehen ſolle dürfte daher
wohl die mit der Entfernung wachſende Fama ſeyn. Mit dem demokra-
tiſchen Corps Herweghs hat es wohl vorläufig noch keine Gefahr, das müßte
ſich in einen Luftballon geſetzt haben und ſo durch Frankreich über den Rhein
geflogen ſeyn. Denn um dieſelbe Zeit feierte dasſelbe den Sturz des Für-
ſten v. Metternich durch Feſtaufzüge in Paris. Aber die Nothwendig-
keit einiger militäriſchen Aufſtellungen am Rhein iſt wohl durch dieſe
Thatſachen hinlänglich gerechtfertigt. Noch heute in der Nacht ſind
drei neue Staffetten in Augsburg eingetroffen, welche das Lärmgerücht
vom Einfall bei Offenburg wiederholen. Die 20 bis 40,000 Eindring-
linge ſollen ſchon bis Wolfach gegen Rippoldsau zu vorgedrungen ſeyn,
ja ein Gerücht läßt einen Haufen bei Reuttlingen, mitten in Württem-
berg, erſcheinen. Sind das nicht Uebertreibungen des Schreckens?

Württemberg.

Stuttgart, 23 März. Mehrere öffentliche
Blätter haben in neueſter Zeit mit meiner Perſon in einer Weiſe ſich be-
ſchäftigt welche geeignet ſeyn könnte allgemeines Mißtrauen gegen mich
hervorzurufen. Ueber den Werth oder Unwerth meiner jetzt 45jährigen
Dienſtleiſtungen wird — in wohl nicht entfernter Zeit, das Gericht über
den Todten ſich ausſprechen. Ich klammere mich nicht an meine Stelle;
denn gleich bei dem Eintritte der neuen Staatsverwaltung habe ich den
verehrlichen Mitgliedern derſelben erklärt daß, wenn ſie jetzt oder ſpäter in
mir ein Hinderniß bei der Erfüllung der von ihnen übernommenen ſchwie-
rigen Aufgabe erblickten, ich mich ſofort zurückzuziehen entſchloſſen ſey.
Auf die mir hierauf ertheilte Antwort bin ich geblieben. An den Be-
rathungen des Miniſterraths nehme ich keinen Theil.

Maucler, Ge-
heimer-Rathspräſident.

Abends halb 9 Uhr. Nach einer mehr
als 7ſtündigen Kammerſitzung, die bis 6 Uhr heute Abend gedauert, und
worin die Ablöſungsgeſetze angenommen wurden, nach Hauſe zurückge-
kehrt, durchkreuzen die beunruhigendſten Gerüchte die Stadt. In der
That ſind dieſen Abend drei Couriere nach einander von der weſtlichen
Gränze, namentlich von Freudenſtadt her, hier eingetroffen. Verichte
aus letzterer Stadt beſagen daß dort die Nachricht verbreitet war: die
Franzoſen — ob bloßes Raubgeſindel, ob Streifcorps, oder ein wirkliches
Armeecorps, ſcheint unermittelt — ſeyen in Baden eingefallen und befin-
den ſich bereits nicht über 4 bis 6 Stunden von der württembergiſchen
Gränze (dem Kniebis) entfernt. Nach 5 Uhr wurde der Departements-
chef des Innern aus der Kammer plötzlich abgerufen, Se. Maj. der Kö-
nig von der Tafel weggerufen, und heute Abend durch Expreſſe in das
ganze Land hin alle Beurlaubten und ſogar die Kriegsreſerven vollends
einberufen, da die Mobiliſirung des 8ten Armeecorps und deſſen Aus-
marſch an den Rhein dringend geboten und befohlen iſt. Morgen ſchon
ſoll ein Regiment von hier, eines von Ludwigsburg ausmarſchiren
(Ulm. Schnellp.)

* Eben geht uns noch folgendes Schreiben aus Tübingen,
24 März, Abends 6 Uhr von einem der Lehrer der Hochſchule zu. „So
eben eintreffende Couriere aus Oberndorf und Rottweil melden den Ein-
fall großer Schaaren franzöſiſchen Raubgeſindels, mit Militärs unter-
miſcht, im Badenſchen, welche plündernd und brennend durch das Land
ziehen und Offenburg angezündet haben. Schon dringen ſie über den
Schwarzwald hervor und bedrohen das Innere von Deutſchland. In
dieſen Depeſchen wird ihre Zahl auf 20,000 angegeben. Unſere deutſchen
Brüder flehen um Zuzug des Nachbarlandes. Dieſer wird ihnen zu

*) Braunſchweig hat es zuerſt gethan. S. unten.
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[1362/0002] tikel Ihrer außerordentlichen Beilage von heute aufgenommen wurde, werden Sie errathen. Geſtern Abend war zum Abſchied Willichs ein freundliches Zuſammentreffen von Abgeordneten und hieſigen Einwoh- nern, an dem auch einige der Miniſter theilnahmen. Hier wurde durch Ihre Extrabeilage die preußiſche Proclamation vom 21 zuerſt bekannt, und es erhielt die Aeußerung eines Redners volle Zuſtimmung: daß eine deutſche Kaiſerkrone nie in mit Bürgerblut befleckte Hände kommen könne.“ Uebrigens iſt nicht zu bezweifeln daß Norddeutſchland ſelbſt in dieſer Beziehung nicht mit ſeinen ſüddeutſchen Brüdern in Colliſion gerathen werde. ⁑ München, 25 März.Der frühere Miniſterverweſer v. Heres iſt von Sr. Maj. dem König zum Staatsrath im ordentlichen Dienſte und zum Präſidenten des oberſten Rechnungshofes, der vormalige Po- lizeidirector Mark zum Rathe bei der königl. Regierung von Mittel- franken ernannt worden. *Augsburg, 26 März.Die neueſte Allg. Preuß. Ztg. vom 23 d. trägt ſchwarze Trauerränder, die wohl der vorausgegangenen Ber- liner Bartholomäusnacht gelten, aber in dieſer düſtern Einfaſſung gibt ſie den fröhlichen Bericht über des Königs Feſtumzug in Berlin, nachdem er die Proclamation an die deutſche Nation erlaſſen. Sie gibt dieſen Bericht mit all den von uns ſchon geſtern aus der Spenerſchen Ztg. mitgetheilten Details über die Zurufe die dem König von ſeinen Mini- ſtern, den Studenten und der Bevölkerung geworden ſeyen: es lebe der deutſche König! Wir haben ſchon geſtern Verwahrung eingelegt daß wir noch nicht ſo weit ſeyen, daß die Berliner Schlächterei noch zu nahe liege, daß die deutſche Kaiſerkrone nur von Deutſchland verliehen werden, über das ganze Werk der Wiedergeburt nur die freie Wahl der ganzen Nation aller gleichberechtigten deutſchen Stämme entſcheiden dürfe. Wenn eine Stimme in unſerer geſtrigen Beilage zunächſt das hochher- zige Wort: Preußen geht in Deutſchland auf, ins Auge faßte, und daran Hoffnungen knüpfte die der reinſten Vaterlandsliebe entſpran- gen, ſo fürchteten wir andererſeits daß die Mehrzahl der Gemüther bei jenem Worte fragen werde: ſoll Deutſchland in Preußen auf- gehen? Und welche Antwort ſoll dieſe Frage erhalten unter dem er- ſchütternden Eindruck der blutigen Ereigniſſe vom 18 auf den 19 März? Zwar iſt nicht anzunehmen daß man in Berlin thöricht genug ſeyn werde Preußen für Deutſchland anzuſehen; aber die bloße Vorausſetzung daß dort der Gedanke vorherrſchen könnte das deutſche Parlament an der Spree zu verſammeln und die nach dem verrotteten preußiſchen Wahl- geſetz ernannten preußiſchen Provinzialſtände als Kern jenes Parla- ments anzuſehen, hat für die deutſchen conſtitutionellen Staaten — zu geſchweigen von dem wiederverjüngten Oeſterreich — etwas ſo abſtoßen- des, faſt lächerliches, daß man faſt von allen Seiten das Urtheil der Ver- werfung darüber fällen hört. Das Mißtrauen iſt gerechtfertigt, und nie darf die deutſche Nationalvertretung ihren Sitz in Berlin ſuchen. Aber man vergeſſe über den unheilvollen Ereigniſſen und den Mißgriffen in der preußiſchen Hauptſtadt nicht die jener Bluttaufe entſprungene große Errungenſchaft, die trotz allem in der Erklärung liegt: Preußen wirft alle Sonderintereſſen hinter ſich, es geht in Deutſchland auf. Wird dieſes inhaltſchwere bindende Wort von allen Staaten Deutſchlands wiederholt *), ſo ſoll — das gebietet die Größe und der Ernſt des Mo- ments — alle Schuld, die auf dieſer und jener Regierung noch von der Vergangenheit haftet, vergeſſen ſeyn. Dann haben wir einen Ge- winn, der — wie die Deutſche Zeitung mit Wahrheit ſagt — ſelbſt die Manen der Gefallenen ſühnen wird. Nur um Gotteswillen jetzt kein neues Zerwürfniß, keine Abmarkung von Nord- und Süddeutſchland, von bisher conſtitutionellen und abſoluten Staaten, von Preußen und Oeſterreich — ſondern Einigkeit über dem Grab derer die in den erſten Morgenſtunden der Freiheit gefallen — Einigkeit, denn in kurzer Friſt kann das Schickſal für unſer Vaterland noch viel ernſter die Looſe werfen, und was würde unſer harren, wenn es uns hadernd fände über die Krone die einem einigen Deutſchland voranleuchten ſoll, die aber auch nur das einige und geſammte Deutſchland verleihen darf. G. K. Nach amtlicher Mittheilung von württembergiſcher Seite an die bayeriſche Behörde in Neu-Ulm, die geſtern Abend durch Staffette nach Augsburg gelangt iſt, iſt ein Haufen Geſindel, der Mehrzahl nach aus brodloſen Arbeitern beſtehend die Frankreich verlaſſen mußten, bei Kehl über den Rhein gegangen, und ſoll ſich ſengend und brennend das Kinzinger Thal hinauf gegen den Schwarzwald ziehen. Dieſe Neuigkeit war, wie man uns aus Stuttgart ſchreibt, auch dort verbreitet: ſie ſoll auf Ausſagen von Poſtconducteurs beruhen. Aus Offenburg ſelbſt bringt die Karlsr. Z. Nachrichten von vorgeſtern: dieſe Stadt war am Abend des 23 März durch Gerüchte von Plünderern die aus dem Elſaß herüber bei Lahr eingebrochen ſeyn ſollten, daß Sturm geläutet worden u. ſ. f., in Schrecken geſetzt worden — ſogar Gränzwächter hatten es gemel- det. Das ganze zeigte ſich als ein blinder Lärm, der ſich am andern Morgen noch einmal wiederholte. Jetzt ſollte der Einbruch bei Kehl geſchehen ſeyn. Auf gleiche Weiſe war man in der Nacht vom 22ᔑ23 März in Freiburg erſchreckt worden. Die entlaſſenen Arbeiter aus den Fabriken des Elſaßes ſollten bei Breiſach eingefallen ſeyn und auch das demokratiſche Corps des Dichters Herwegh bezeichnete die Sage. Augenblicklich wurde das Militär und die Bürgerwehr unter die Waffen gerufen — gleichfalls ein blinder Lärm! Am andern Morgen ſah man ganze Züge von Flüchtlingen aus der Umgegend ſich in die Stadt retten — auch jetzt wieder ein blinder Lärm. Das neueſte Schreckgerücht, das von 24,000 Proletariern ſpricht, wovon 4000 Bewaffnete ſeyen und an deren Spitze wiederum der Dichter Herwegh ſtehen ſolle dürfte daher wohl die mit der Entfernung wachſende Fama ſeyn. Mit dem demokra- tiſchen Corps Herweghs hat es wohl vorläufig noch keine Gefahr, das müßte ſich in einen Luftballon geſetzt haben und ſo durch Frankreich über den Rhein geflogen ſeyn. Denn um dieſelbe Zeit feierte dasſelbe den Sturz des Für- ſten v. Metternich durch Feſtaufzüge in Paris. Aber die Nothwendig- keit einiger militäriſchen Aufſtellungen am Rhein iſt wohl durch dieſe Thatſachen hinlänglich gerechtfertigt. Noch heute in der Nacht ſind drei neue Staffetten in Augsburg eingetroffen, welche das Lärmgerücht vom Einfall bei Offenburg wiederholen. Die 20 bis 40,000 Eindring- linge ſollen ſchon bis Wolfach gegen Rippoldsau zu vorgedrungen ſeyn, ja ein Gerücht läßt einen Haufen bei Reuttlingen, mitten in Württem- berg, erſcheinen. Sind das nicht Uebertreibungen des Schreckens? Württemberg.Stuttgart, 23 März. Mehrere öffentliche Blätter haben in neueſter Zeit mit meiner Perſon in einer Weiſe ſich be- ſchäftigt welche geeignet ſeyn könnte allgemeines Mißtrauen gegen mich hervorzurufen. Ueber den Werth oder Unwerth meiner jetzt 45jährigen Dienſtleiſtungen wird — in wohl nicht entfernter Zeit, das Gericht über den Todten ſich ausſprechen. Ich klammere mich nicht an meine Stelle; denn gleich bei dem Eintritte der neuen Staatsverwaltung habe ich den verehrlichen Mitgliedern derſelben erklärt daß, wenn ſie jetzt oder ſpäter in mir ein Hinderniß bei der Erfüllung der von ihnen übernommenen ſchwie- rigen Aufgabe erblickten, ich mich ſofort zurückzuziehen entſchloſſen ſey. Auf die mir hierauf ertheilte Antwort bin ich geblieben. An den Be- rathungen des Miniſterraths nehme ich keinen Theil. Maucler, Ge- heimer-Rathspräſident. Stuttgart, 24 März,Abends halb 9 Uhr. Nach einer mehr als 7ſtündigen Kammerſitzung, die bis 6 Uhr heute Abend gedauert, und worin die Ablöſungsgeſetze angenommen wurden, nach Hauſe zurückge- kehrt, durchkreuzen die beunruhigendſten Gerüchte die Stadt. In der That ſind dieſen Abend drei Couriere nach einander von der weſtlichen Gränze, namentlich von Freudenſtadt her, hier eingetroffen. Verichte aus letzterer Stadt beſagen daß dort die Nachricht verbreitet war: die Franzoſen — ob bloßes Raubgeſindel, ob Streifcorps, oder ein wirkliches Armeecorps, ſcheint unermittelt — ſeyen in Baden eingefallen und befin- den ſich bereits nicht über 4 bis 6 Stunden von der württembergiſchen Gränze (dem Kniebis) entfernt. Nach 5 Uhr wurde der Departements- chef des Innern aus der Kammer plötzlich abgerufen, Se. Maj. der Kö- nig von der Tafel weggerufen, und heute Abend durch Expreſſe in das ganze Land hin alle Beurlaubten und ſogar die Kriegsreſerven vollends einberufen, da die Mobiliſirung des 8ten Armeecorps und deſſen Aus- marſch an den Rhein dringend geboten und befohlen iſt. Morgen ſchon ſoll ein Regiment von hier, eines von Ludwigsburg ausmarſchiren (Ulm. Schnellp.) * Eben geht uns noch folgendes Schreiben aus Tübingen, 24 März, Abends 6 Uhr von einem der Lehrer der Hochſchule zu. „So eben eintreffende Couriere aus Oberndorf und Rottweil melden den Ein- fall großer Schaaren franzöſiſchen Raubgeſindels, mit Militärs unter- miſcht, im Badenſchen, welche plündernd und brennend durch das Land ziehen und Offenburg angezündet haben. Schon dringen ſie über den Schwarzwald hervor und bedrohen das Innere von Deutſchland. In dieſen Depeſchen wird ihre Zahl auf 20,000 angegeben. Unſere deutſchen Brüder flehen um Zuzug des Nachbarlandes. Dieſer wird ihnen zu *) Braunſchweig hat es zuerſt gethan. S. unten.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 86, 26. März 1848, S. 1362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine86_1848/2>, abgerufen am 06.06.2024.