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Allgemeine Zeitung, Nr. 86, 26. März 1848.

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Außerordentliche Beilage zur Allgemeinen Zeitung
vom 26 März 1848.


[Spaltenumbruch]
Der Schritt des Königs von Preußen.

Wir müssen gestehen, von all den Nachrichten welche seit vier Wo-
chen Schlag auf Schlag einander folgten, hat uns keine mehr in Erstau-
nen und Bestürzung versetzt als der neueste Schritt des Königs von
Preußen. Nachdem drei Wochen lang der Aufstand des Volkes von un-
ten auf mit rasender Schnelle durch Deutschland gezogen, das morsche
Gebäude zertrümmert, und die Saat der Verwirrung in reichem Maße
ausgestreut hat, so kommt jetzt die Verwirrung von oben herunter. Eben
der König welcher noch zwei Tage zuvor mitleidslos seine Unterthanen
mit Kartätschen niederschmettern ließ, derselbe steckt jetzt selbst das Ban-
ner der Revolution auf und erklärt sich zu ihrem Führer. Bis jetzt ha-
ben alle Regierungen Deutschlands sich den Forderungen von unten her
nach Kräften widersetzt, und man möchte etwa sagen daß der König von
Preußen eben dasselbe versuchte; aber kann er den Tag nach der Nieder-
lage auf einmal Rechtsum machen und sich an die Spitze stellen? Wir
zweifeln sehr. Wohl müssen wir bei der mit jedem Tag gefährlicher
werdenden Lage Deutschlands mit Freude die Ankündigung aufnehmen
daß Einer sich entschlossen hat an die Spitze zu treten, aber ist der ein-
geschlagene Weg der rechte, und kann er zum Ziele führen? Das ist es
eben was wir bezweifeln. Was soll der wunderliche Aufzug durch Berlin
unter Vortragung der dreifarbigen Fahnen, als wäre Preußen eine Capi-
tale von welcher alle Bewegung des Landes ausgehen muß? Hätte er
einfach angekündigt daß er alsbald in Verein mit seinen Bundesgenos-
sen das Werk der Wiederherstellung Deutschlands beginnen werde, so
wäre dieß nur die Zustimmung zu dem laut ausgesprochenen Willen der
Nation gewesen, ebenso wie es von andern Fürsten geschah. Er war in
gleicher Lage, und durfte nicht anders handeln. Es haben sich seit ge-
raumer Zeit Stimmen in Deutschland erhoben welche Preußen an die
Spitze der Nation stellen wollten, aber dieser Ruf galt nicht der Person
des Königs, er galt ihm nur als Repräsentanten des preußischen Volks,
das seit zweihundert Jahren durch große Regenten, durch seinen Muth und
seine geistige Kraft sich einen so hohen Rang in Deutschland erworben.
Diese Mitgift, bei der Wahl eines Kaisers zugebracht, hätte ihm die
Stimmen der Mehrzahl gesichert, aber daß er gleich von vornherein die
Leitung der Geschäfte als Bundeshaupt übernehmen will, ist ein Fehler
der sich rächen wird an ihm und an Deutschland. Er hat alles auf einen ge-
fährlichen, kühnen Wurf gesetzt, und dieser Wurf muß fast gegen ihn
ausfallen. Wird ganz Deutschland seiner Einladung Folge leisten sich
zu Berlin scinem Landtag anzuschließen, einer aus alten Lappen zusa m-
mengeflickten Institution? Weder die Männer des Fortschritts, noch die
der Reaction können und werden dem Aufruf Folge leisten, und dann ist
die Verwirrung in Deutschland größer als zuvor. Uns beginnt zu grauen
vor dem Wirrwar, und dem Muthigsten mag das Herz sinken wenn er
die Folgen erwägt. Der Schritt des Königs von Preußen ist, wie so
manches andere, was in letzter Zeit über uns hereingebrochen, die Folge
einer gänzlich versehlten Auffassung unserer Zustände, und dieß kann zu
nichts gutem führen.

Deutschland.
Oesterreich.

Graf Kolowrat ist nur
provisorisch zum Präsidenten des Ministerraths ernannt worden. Er
soll gewisse Bedingungen in Bezug auf den Hofstaat Sr. Maj. bei der
Uebernahme seines Postens gestellt haben. Das Preßgefetz welches eben
der Revision des Staatsraths unterliegt, soll unter andern die Bestim-
mung enthalten daß zur Begründung einer jeden neuen politischen Zei-
tung eine Caution von 10,000 fl. CM. hinterlegt werden muß. Das
in der heutigen Wiener Zeitung veröffentlichte Staatsbudget ist von
Baron Kübeck schon seit zwei Jahren allerhöchsten Orts unterbreitet,
und weist nur für das Jahr 1847 ein bedeutendes Deficit nach. Die
hier wohnenden Engländer haben eine bemerkenswerthe Adresse an ihre
"österreichischen Brüder" erlassen, worin sie wieder das allgemeine Ge-
fühl ihrer Landsleute auszusprechen glauben, wenn sie dem Heldenmuth,
der Mäßigung und der Selbstaufopferung der Wiener in den großen
drei Märztagen und dem erhabenen Schauspiel eines Monarchen ihre
Bewunderung und Huldigung zollen, der in dem Augenblick einer so
fürchterlichen moralischen Aufregung vertrauensvoll in der Mitte seiner
Unterthanen erschien, und zugleich den Wunsch aussprechen daß Oester-
[Spaltenumbruch] reich und England, die vieljährigen Bundesgenossen in guten und schlim-
men Zeiten, sich nun durch das gemeinsame Band constitutioneller Frei-
heit unauflöslich zusammenknüpfen mögen. Die bisher nur unvoll-
ständig (seit zwei Tagen fehlt die preußische Post) hieher gelangten gräß-
lichen Nachrichten aus Berlin beschäftigen, trotz der hiesigen erwar-
tungsvollen Spannung, gegenwärtig beinahe ausschließlich die öffent-
liche Aufmerksamkeit. Einen furchtbaren Eindruck hat der Aufruf des
Königs an seine "lieben Berliner" nach dem schrecklichen Kartätschen-
feuer gemacht. Man zieht naheliegende Vergleichungen, und gibt sich
der Hoffnung hin daß nun die Idee eines "vollziehenden deutschen Bun-
deshauptes" wenigstens nicht mehr nach einer gewissen Richtung hin
ihre Verkörperlichung suchen wird.

Mit der (in der heutigen Wiener Zeitung
enthaltenen) Darstellung der österreichischen Finanzverhältnisse in der
Periode vom Verwaltungsjahre 1841 bis incl. 1847 ist nun der erste
Schritt gethan zur öffentlichen Controle über den Staatshaushalt. Aus
diesem siebenjährigen Budget der Staatseinnahmen und Ausgaben stellt
sich für die ersten sechs Jahre (nämlich vom Jahr 1841 bis zum Jahr
1847) ein Ueberschuß von durchschnittlich mehr als 7 Millionen jährlich
und nur im letzten Verwaltungsjahre 1847 ein Deficit von 5,606,000 fl.
heraus -- im ganzen also gewiß kein ungünstiges Verhältniß. Diese
Veröffentlichung hat an der Börse einen guten Eindruck gemacht, und
wäre man über die Lage der Dinge in Berlin beruhigt -- denn auch
heute erhielt man von dort keine Post -- so hätten sich die Curse noch
mehr gehoben. (Die 5proc. Metall. sowie Eisenbahnactien sind an der
heutigen Börse gestiegen.) Die Schreckensnachrichten aus Berlin, die wir
hier nur durch Reisende die aus jener Gegend kommen, erfahren, wäh-
rend uns die officiellen Berichte und directen Nachrichten über die Vor-
gänge vom 18 und weiter noch immer fehlen, bilden bereits seit drei Ta-
gen den Gegenstand der allgemeinen innigsten Theilnahme. Die jedes
menschliche Gefühl empörenden Gräuelscenen die, wie man heute erzählt,
dort stattgefunden haben sollen -- wir wollen als Deutsche an der Wahrheit
derselben noch immer zweifeln -- rufen in dem Herzen aller Wiener einen
allgemeinen Schrei des Entsetzens hervor. Hier geht alles seinen gere-
gelten Gang fort, und die Regierung entwickelt eine ungeheure Thätig-
keit, sowie den besten Willen. Im Laufe der nächsten Tage erscheint ein
provisorisches Gesetz gegen den Mißbrauch der Presse, bis das definitive
Preßgesetz unter Mitwirkung der Stände erlassen seyn wird. -- Eine
Deputation der Prager Studenten hat heute eine Adresse an die Wiener
Studentenschaft in der Aula der Universität überreicht. -- Bei dem heute
im Theater an der Wien veranstalteten Feier-Concert, dessen Ertrag der
Errichtung eines Denkmals für die in den letzten Tagen Gefallenen ge-
widmet war, wurden die Studenten, die einen von dem hier anwesen-
den Tonsetzer Litolff componirten Chorgesang der Wiener Studenten-
Legion ausführten, bei ihrem Erscheinen mit Jubel begrüßt. Das Pu-
blicum, welches fast nur der Bürger- und Mittelclasse angehörte, nahm
diese Erinnerungsfeier mit allgemeiner Begeisterung auf. -- Daß einer
Ihrer Berichterstatter über die Ereignisse des 15 März (in Nr. 78) bei
Gelegenheit als der Kaiser in Begleitung des Thronfolgers und des Erz-
herzogs Franz Karl aus der Burg in einer offenen Calesche durch die
Straßen fuhr, auch der Kaiserin erwähnt, ist wohl ein Irrthum, da die
Kaiserin an diesem Tage gar nicht ausgefahren war, und sich erst am
16 Vormittag in Begleitung des Kaisers dem Volke zeigte.

*) Mehrere Correspondenzartikel der Allg.
Zeitung vom 17 und 18 d. beurkunden in der unrichtigen Darstellung
der hiesigen Ereignisse vom 13 d. bezüglich des Militärs allzu sehr das
Gepräge leidenschaftlicher Aufregung, als daß sie sich bei Verständigen
einige Glaubwürdigkeit erwerben können. Wenn sich der Sturm der
Leidenschaften gelegt, und Ruhe wieder in die Gemüther zurückgekehrt
seyn wird, dann wird auch zweifelsohne die Wahrheit ihren Triumph
feiern, und die höchst würdige Haltung des k. k. Militärs an dem be-
sagten Tage, wie jederzeit, im schönsten Lichte erscheinen lassen. In-
dessen dürften die Truppen der hiesigen Garnison und ihre Führer doch
auch schon gegenwärtig zur Begegnung jedes weitern Versuchs ihr da-
maliges Benehmen zu verunglimpfen eine actenmäßig richtige Schilde-

*) Der Allg. Zeitung von einem höhern Officier des Generalstabs zuge-
kommen.
30
Außerordentliche Beilage zur Allgemeinen Zeitung
vom 26 März 1848.


[Spaltenumbruch]
Der Schritt des Königs von Preußen.

Wir müſſen geſtehen, von all den Nachrichten welche ſeit vier Wo-
chen Schlag auf Schlag einander folgten, hat uns keine mehr in Erſtau-
nen und Beſtürzung verſetzt als der neueſte Schritt des Königs von
Preußen. Nachdem drei Wochen lang der Aufſtand des Volkes von un-
ten auf mit raſender Schnelle durch Deutſchland gezogen, das morſche
Gebäude zertrümmert, und die Saat der Verwirrung in reichem Maße
ausgeſtreut hat, ſo kommt jetzt die Verwirrung von oben herunter. Eben
der König welcher noch zwei Tage zuvor mitleidslos ſeine Unterthanen
mit Kartätſchen niederſchmettern ließ, derſelbe ſteckt jetzt ſelbſt das Ban-
ner der Revolution auf und erklärt ſich zu ihrem Führer. Bis jetzt ha-
ben alle Regierungen Deutſchlands ſich den Forderungen von unten her
nach Kräften widerſetzt, und man möchte etwa ſagen daß der König von
Preußen eben dasſelbe verſuchte; aber kann er den Tag nach der Nieder-
lage auf einmal Rechtsum machen und ſich an die Spitze ſtellen? Wir
zweifeln ſehr. Wohl müſſen wir bei der mit jedem Tag gefährlicher
werdenden Lage Deutſchlands mit Freude die Ankündigung aufnehmen
daß Einer ſich entſchloſſen hat an die Spitze zu treten, aber iſt der ein-
geſchlagene Weg der rechte, und kann er zum Ziele führen? Das iſt es
eben was wir bezweifeln. Was ſoll der wunderliche Aufzug durch Berlin
unter Vortragung der dreifarbigen Fahnen, als wäre Preußen eine Capi-
tale von welcher alle Bewegung des Landes ausgehen muß? Hätte er
einfach angekündigt daß er alsbald in Verein mit ſeinen Bundesgenoſ-
ſen das Werk der Wiederherſtellung Deutſchlands beginnen werde, ſo
wäre dieß nur die Zuſtimmung zu dem laut ausgeſprochenen Willen der
Nation geweſen, ebenſo wie es von andern Fürſten geſchah. Er war in
gleicher Lage, und durfte nicht anders handeln. Es haben ſich ſeit ge-
raumer Zeit Stimmen in Deutſchland erhoben welche Preußen an die
Spitze der Nation ſtellen wollten, aber dieſer Ruf galt nicht der Perſon
des Königs, er galt ihm nur als Repräſentanten des preußiſchen Volks,
das ſeit zweihundert Jahren durch große Regenten, durch ſeinen Muth und
ſeine geiſtige Kraft ſich einen ſo hohen Rang in Deutſchland erworben.
Dieſe Mitgift, bei der Wahl eines Kaiſers zugebracht, hätte ihm die
Stimmen der Mehrzahl geſichert, aber daß er gleich von vornherein die
Leitung der Geſchäfte als Bundeshaupt übernehmen will, iſt ein Fehler
der ſich rächen wird an ihm und an Deutſchland. Er hat alles auf einen ge-
fährlichen, kühnen Wurf geſetzt, und dieſer Wurf muß faſt gegen ihn
ausfallen. Wird ganz Deutſchland ſeiner Einladung Folge leiſten ſich
zu Berlin ſcinem Landtag anzuſchließen, einer aus alten Lappen zuſa m-
mengeflickten Inſtitution? Weder die Männer des Fortſchritts, noch die
der Reaction können und werden dem Aufruf Folge leiſten, und dann iſt
die Verwirrung in Deutſchland größer als zuvor. Uns beginnt zu grauen
vor dem Wirrwar, und dem Muthigſten mag das Herz ſinken wenn er
die Folgen erwägt. Der Schritt des Königs von Preußen iſt, wie ſo
manches andere, was in letzter Zeit über uns hereingebrochen, die Folge
einer gänzlich verſehlten Auffaſſung unſerer Zuſtände, und dieß kann zu
nichts gutem führen.

Deutſchland.
Oeſterreich.

Graf Kolowrat iſt nur
proviſoriſch zum Präſidenten des Miniſterraths ernannt worden. Er
ſoll gewiſſe Bedingungen in Bezug auf den Hofſtaat Sr. Maj. bei der
Uebernahme ſeines Poſtens geſtellt haben. Das Preßgefetz welches eben
der Reviſion des Staatsraths unterliegt, ſoll unter andern die Beſtim-
mung enthalten daß zur Begründung einer jeden neuen politiſchen Zei-
tung eine Caution von 10,000 fl. CM. hinterlegt werden muß. Das
in der heutigen Wiener Zeitung veröffentlichte Staatsbudget iſt von
Baron Kübeck ſchon ſeit zwei Jahren allerhöchſten Orts unterbreitet,
und weist nur für das Jahr 1847 ein bedeutendes Deficit nach. Die
hier wohnenden Engländer haben eine bemerkenswerthe Adreſſe an ihre
„öſterreichiſchen Brüder“ erlaſſen, worin ſie wieder das allgemeine Ge-
fühl ihrer Landsleute auszuſprechen glauben, wenn ſie dem Heldenmuth,
der Mäßigung und der Selbſtaufopferung der Wiener in den großen
drei Märztagen und dem erhabenen Schauſpiel eines Monarchen ihre
Bewunderung und Huldigung zollen, der in dem Augenblick einer ſo
fürchterlichen moraliſchen Aufregung vertrauensvoll in der Mitte ſeiner
Unterthanen erſchien, und zugleich den Wunſch ausſprechen daß Oeſter-
[Spaltenumbruch] reich und England, die vieljährigen Bundesgenoſſen in guten und ſchlim-
men Zeiten, ſich nun durch das gemeinſame Band conſtitutioneller Frei-
heit unauflöslich zuſammenknüpfen mögen. Die bisher nur unvoll-
ſtändig (ſeit zwei Tagen fehlt die preußiſche Poſt) hieher gelangten gräß-
lichen Nachrichten aus Berlin beſchäftigen, trotz der hieſigen erwar-
tungsvollen Spannung, gegenwärtig beinahe ausſchließlich die öffent-
liche Aufmerkſamkeit. Einen furchtbaren Eindruck hat der Aufruf des
Königs an ſeine „lieben Berliner“ nach dem ſchrecklichen Kartätſchen-
feuer gemacht. Man zieht naheliegende Vergleichungen, und gibt ſich
der Hoffnung hin daß nun die Idee eines „vollziehenden deutſchen Bun-
deshauptes“ wenigſtens nicht mehr nach einer gewiſſen Richtung hin
ihre Verkörperlichung ſuchen wird.

Mit der (in der heutigen Wiener Zeitung
enthaltenen) Darſtellung der öſterreichiſchen Finanzverhältniſſe in der
Periode vom Verwaltungsjahre 1841 bis incl. 1847 iſt nun der erſte
Schritt gethan zur öffentlichen Controle über den Staatshaushalt. Aus
dieſem ſiebenjährigen Budget der Staatseinnahmen und Ausgaben ſtellt
ſich für die erſten ſechs Jahre (nämlich vom Jahr 1841 bis zum Jahr
1847) ein Ueberſchuß von durchſchnittlich mehr als 7 Millionen jährlich
und nur im letzten Verwaltungsjahre 1847 ein Deficit von 5,606,000 fl.
heraus — im ganzen alſo gewiß kein ungünſtiges Verhältniß. Dieſe
Veröffentlichung hat an der Börſe einen guten Eindruck gemacht, und
wäre man über die Lage der Dinge in Berlin beruhigt — denn auch
heute erhielt man von dort keine Poſt — ſo hätten ſich die Curſe noch
mehr gehoben. (Die 5proc. Metall. ſowie Eiſenbahnactien ſind an der
heutigen Börſe geſtiegen.) Die Schreckensnachrichten aus Berlin, die wir
hier nur durch Reiſende die aus jener Gegend kommen, erfahren, wäh-
rend uns die officiellen Berichte und directen Nachrichten über die Vor-
gänge vom 18 und weiter noch immer fehlen, bilden bereits ſeit drei Ta-
gen den Gegenſtand der allgemeinen innigſten Theilnahme. Die jedes
menſchliche Gefühl empörenden Gräuelſcenen die, wie man heute erzählt,
dort ſtattgefunden haben ſollen — wir wollen als Deutſche an der Wahrheit
derſelben noch immer zweifeln — rufen in dem Herzen aller Wiener einen
allgemeinen Schrei des Entſetzens hervor. Hier geht alles ſeinen gere-
gelten Gang fort, und die Regierung entwickelt eine ungeheure Thätig-
keit, ſowie den beſten Willen. Im Laufe der nächſten Tage erſcheint ein
proviſoriſches Geſetz gegen den Mißbrauch der Preſſe, bis das definitive
Preßgeſetz unter Mitwirkung der Stände erlaſſen ſeyn wird. — Eine
Deputation der Prager Studenten hat heute eine Adreſſe an die Wiener
Studentenſchaft in der Aula der Univerſität überreicht. — Bei dem heute
im Theater an der Wien veranſtalteten Feier-Concert, deſſen Ertrag der
Errichtung eines Denkmals für die in den letzten Tagen Gefallenen ge-
widmet war, wurden die Studenten, die einen von dem hier anweſen-
den Tonſetzer Litolff componirten Chorgeſang der Wiener Studenten-
Legion ausführten, bei ihrem Erſcheinen mit Jubel begrüßt. Das Pu-
blicum, welches faſt nur der Bürger- und Mittelclaſſe angehörte, nahm
dieſe Erinnerungsfeier mit allgemeiner Begeiſterung auf. — Daß einer
Ihrer Berichterſtatter über die Ereigniſſe des 15 März (in Nr. 78) bei
Gelegenheit als der Kaiſer in Begleitung des Thronfolgers und des Erz-
herzogs Franz Karl aus der Burg in einer offenen Caleſche durch die
Straßen fuhr, auch der Kaiſerin erwähnt, iſt wohl ein Irrthum, da die
Kaiſerin an dieſem Tage gar nicht ausgefahren war, und ſich erſt am
16 Vormittag in Begleitung des Kaiſers dem Volke zeigte.

*) Mehrere Correſpondenzartikel der Allg.
Zeitung vom 17 und 18 d. beurkunden in der unrichtigen Darſtellung
der hieſigen Ereigniſſe vom 13 d. bezüglich des Militärs allzu ſehr das
Gepräge leidenſchaftlicher Aufregung, als daß ſie ſich bei Verſtändigen
einige Glaubwürdigkeit erwerben können. Wenn ſich der Sturm der
Leidenſchaften gelegt, und Ruhe wieder in die Gemüther zurückgekehrt
ſeyn wird, dann wird auch zweifelsohne die Wahrheit ihren Triumph
feiern, und die höchſt würdige Haltung des k. k. Militärs an dem be-
ſagten Tage, wie jederzeit, im ſchönſten Lichte erſcheinen laſſen. In-
deſſen dürften die Truppen der hieſigen Garniſon und ihre Führer doch
auch ſchon gegenwärtig zur Begegnung jedes weitern Verſuchs ihr da-
maliges Benehmen zu verunglimpfen eine actenmäßig richtige Schilde-

*) Der Allg. Zeitung von einem höhern Officier des Generalſtabs zuge-
kommen.
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[0017] Außerordentliche Beilage zur Allgemeinen Zeitungvom 26 März 1848. Der Schritt des Königs von Preußen. Wir müſſen geſtehen, von all den Nachrichten welche ſeit vier Wo- chen Schlag auf Schlag einander folgten, hat uns keine mehr in Erſtau- nen und Beſtürzung verſetzt als der neueſte Schritt des Königs von Preußen. Nachdem drei Wochen lang der Aufſtand des Volkes von un- ten auf mit raſender Schnelle durch Deutſchland gezogen, das morſche Gebäude zertrümmert, und die Saat der Verwirrung in reichem Maße ausgeſtreut hat, ſo kommt jetzt die Verwirrung von oben herunter. Eben der König welcher noch zwei Tage zuvor mitleidslos ſeine Unterthanen mit Kartätſchen niederſchmettern ließ, derſelbe ſteckt jetzt ſelbſt das Ban- ner der Revolution auf und erklärt ſich zu ihrem Führer. Bis jetzt ha- ben alle Regierungen Deutſchlands ſich den Forderungen von unten her nach Kräften widerſetzt, und man möchte etwa ſagen daß der König von Preußen eben dasſelbe verſuchte; aber kann er den Tag nach der Nieder- lage auf einmal Rechtsum machen und ſich an die Spitze ſtellen? Wir zweifeln ſehr. Wohl müſſen wir bei der mit jedem Tag gefährlicher werdenden Lage Deutſchlands mit Freude die Ankündigung aufnehmen daß Einer ſich entſchloſſen hat an die Spitze zu treten, aber iſt der ein- geſchlagene Weg der rechte, und kann er zum Ziele führen? Das iſt es eben was wir bezweifeln. Was ſoll der wunderliche Aufzug durch Berlin unter Vortragung der dreifarbigen Fahnen, als wäre Preußen eine Capi- tale von welcher alle Bewegung des Landes ausgehen muß? Hätte er einfach angekündigt daß er alsbald in Verein mit ſeinen Bundesgenoſ- ſen das Werk der Wiederherſtellung Deutſchlands beginnen werde, ſo wäre dieß nur die Zuſtimmung zu dem laut ausgeſprochenen Willen der Nation geweſen, ebenſo wie es von andern Fürſten geſchah. Er war in gleicher Lage, und durfte nicht anders handeln. Es haben ſich ſeit ge- raumer Zeit Stimmen in Deutſchland erhoben welche Preußen an die Spitze der Nation ſtellen wollten, aber dieſer Ruf galt nicht der Perſon des Königs, er galt ihm nur als Repräſentanten des preußiſchen Volks, das ſeit zweihundert Jahren durch große Regenten, durch ſeinen Muth und ſeine geiſtige Kraft ſich einen ſo hohen Rang in Deutſchland erworben. Dieſe Mitgift, bei der Wahl eines Kaiſers zugebracht, hätte ihm die Stimmen der Mehrzahl geſichert, aber daß er gleich von vornherein die Leitung der Geſchäfte als Bundeshaupt übernehmen will, iſt ein Fehler der ſich rächen wird an ihm und an Deutſchland. Er hat alles auf einen ge- fährlichen, kühnen Wurf geſetzt, und dieſer Wurf muß faſt gegen ihn ausfallen. Wird ganz Deutſchland ſeiner Einladung Folge leiſten ſich zu Berlin ſcinem Landtag anzuſchließen, einer aus alten Lappen zuſa m- mengeflickten Inſtitution? Weder die Männer des Fortſchritts, noch die der Reaction können und werden dem Aufruf Folge leiſten, und dann iſt die Verwirrung in Deutſchland größer als zuvor. Uns beginnt zu grauen vor dem Wirrwar, und dem Muthigſten mag das Herz ſinken wenn er die Folgen erwägt. Der Schritt des Königs von Preußen iſt, wie ſo manches andere, was in letzter Zeit über uns hereingebrochen, die Folge einer gänzlich verſehlten Auffaſſung unſerer Zuſtände, und dieß kann zu nichts gutem führen. E. W. Deutſchland. Oeſterreich. ×Wien, 22 März.Graf Kolowrat iſt nur proviſoriſch zum Präſidenten des Miniſterraths ernannt worden. Er ſoll gewiſſe Bedingungen in Bezug auf den Hofſtaat Sr. Maj. bei der Uebernahme ſeines Poſtens geſtellt haben. Das Preßgefetz welches eben der Reviſion des Staatsraths unterliegt, ſoll unter andern die Beſtim- mung enthalten daß zur Begründung einer jeden neuen politiſchen Zei- tung eine Caution von 10,000 fl. CM. hinterlegt werden muß. Das in der heutigen Wiener Zeitung veröffentlichte Staatsbudget iſt von Baron Kübeck ſchon ſeit zwei Jahren allerhöchſten Orts unterbreitet, und weist nur für das Jahr 1847 ein bedeutendes Deficit nach. Die hier wohnenden Engländer haben eine bemerkenswerthe Adreſſe an ihre „öſterreichiſchen Brüder“ erlaſſen, worin ſie wieder das allgemeine Ge- fühl ihrer Landsleute auszuſprechen glauben, wenn ſie dem Heldenmuth, der Mäßigung und der Selbſtaufopferung der Wiener in den großen drei Märztagen und dem erhabenen Schauſpiel eines Monarchen ihre Bewunderung und Huldigung zollen, der in dem Augenblick einer ſo fürchterlichen moraliſchen Aufregung vertrauensvoll in der Mitte ſeiner Unterthanen erſchien, und zugleich den Wunſch ausſprechen daß Oeſter- reich und England, die vieljährigen Bundesgenoſſen in guten und ſchlim- men Zeiten, ſich nun durch das gemeinſame Band conſtitutioneller Frei- heit unauflöslich zuſammenknüpfen mögen. Die bisher nur unvoll- ſtändig (ſeit zwei Tagen fehlt die preußiſche Poſt) hieher gelangten gräß- lichen Nachrichten aus Berlin beſchäftigen, trotz der hieſigen erwar- tungsvollen Spannung, gegenwärtig beinahe ausſchließlich die öffent- liche Aufmerkſamkeit. Einen furchtbaren Eindruck hat der Aufruf des Königs an ſeine „lieben Berliner“ nach dem ſchrecklichen Kartätſchen- feuer gemacht. Man zieht naheliegende Vergleichungen, und gibt ſich der Hoffnung hin daß nun die Idee eines „vollziehenden deutſchen Bun- deshauptes“ wenigſtens nicht mehr nach einer gewiſſen Richtung hin ihre Verkörperlichung ſuchen wird. ⁑Wien, 22 März.Mit der (in der heutigen Wiener Zeitung enthaltenen) Darſtellung der öſterreichiſchen Finanzverhältniſſe in der Periode vom Verwaltungsjahre 1841 bis incl. 1847 iſt nun der erſte Schritt gethan zur öffentlichen Controle über den Staatshaushalt. Aus dieſem ſiebenjährigen Budget der Staatseinnahmen und Ausgaben ſtellt ſich für die erſten ſechs Jahre (nämlich vom Jahr 1841 bis zum Jahr 1847) ein Ueberſchuß von durchſchnittlich mehr als 7 Millionen jährlich und nur im letzten Verwaltungsjahre 1847 ein Deficit von 5,606,000 fl. heraus — im ganzen alſo gewiß kein ungünſtiges Verhältniß. Dieſe Veröffentlichung hat an der Börſe einen guten Eindruck gemacht, und wäre man über die Lage der Dinge in Berlin beruhigt — denn auch heute erhielt man von dort keine Poſt — ſo hätten ſich die Curſe noch mehr gehoben. (Die 5proc. Metall. ſowie Eiſenbahnactien ſind an der heutigen Börſe geſtiegen.) Die Schreckensnachrichten aus Berlin, die wir hier nur durch Reiſende die aus jener Gegend kommen, erfahren, wäh- rend uns die officiellen Berichte und directen Nachrichten über die Vor- gänge vom 18 und weiter noch immer fehlen, bilden bereits ſeit drei Ta- gen den Gegenſtand der allgemeinen innigſten Theilnahme. Die jedes menſchliche Gefühl empörenden Gräuelſcenen die, wie man heute erzählt, dort ſtattgefunden haben ſollen — wir wollen als Deutſche an der Wahrheit derſelben noch immer zweifeln — rufen in dem Herzen aller Wiener einen allgemeinen Schrei des Entſetzens hervor. Hier geht alles ſeinen gere- gelten Gang fort, und die Regierung entwickelt eine ungeheure Thätig- keit, ſowie den beſten Willen. Im Laufe der nächſten Tage erſcheint ein proviſoriſches Geſetz gegen den Mißbrauch der Preſſe, bis das definitive Preßgeſetz unter Mitwirkung der Stände erlaſſen ſeyn wird. — Eine Deputation der Prager Studenten hat heute eine Adreſſe an die Wiener Studentenſchaft in der Aula der Univerſität überreicht. — Bei dem heute im Theater an der Wien veranſtalteten Feier-Concert, deſſen Ertrag der Errichtung eines Denkmals für die in den letzten Tagen Gefallenen ge- widmet war, wurden die Studenten, die einen von dem hier anweſen- den Tonſetzer Litolff componirten Chorgeſang der Wiener Studenten- Legion ausführten, bei ihrem Erſcheinen mit Jubel begrüßt. Das Pu- blicum, welches faſt nur der Bürger- und Mittelclaſſe angehörte, nahm dieſe Erinnerungsfeier mit allgemeiner Begeiſterung auf. — Daß einer Ihrer Berichterſtatter über die Ereigniſſe des 15 März (in Nr. 78) bei Gelegenheit als der Kaiſer in Begleitung des Thronfolgers und des Erz- herzogs Franz Karl aus der Burg in einer offenen Caleſche durch die Straßen fuhr, auch der Kaiſerin erwähnt, iſt wohl ein Irrthum, da die Kaiſerin an dieſem Tage gar nicht ausgefahren war, und ſich erſt am 16 Vormittag in Begleitung des Kaiſers dem Volke zeigte. I Wien, 21 März. *) Mehrere Correſpondenzartikel der Allg. Zeitung vom 17 und 18 d. beurkunden in der unrichtigen Darſtellung der hieſigen Ereigniſſe vom 13 d. bezüglich des Militärs allzu ſehr das Gepräge leidenſchaftlicher Aufregung, als daß ſie ſich bei Verſtändigen einige Glaubwürdigkeit erwerben können. Wenn ſich der Sturm der Leidenſchaften gelegt, und Ruhe wieder in die Gemüther zurückgekehrt ſeyn wird, dann wird auch zweifelsohne die Wahrheit ihren Triumph feiern, und die höchſt würdige Haltung des k. k. Militärs an dem be- ſagten Tage, wie jederzeit, im ſchönſten Lichte erſcheinen laſſen. In- deſſen dürften die Truppen der hieſigen Garniſon und ihre Führer doch auch ſchon gegenwärtig zur Begegnung jedes weitern Verſuchs ihr da- maliges Benehmen zu verunglimpfen eine actenmäßig richtige Schilde- *) Der Allg. Zeitung von einem höhern Officier des Generalſtabs zuge- kommen. 30

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 86, 26. März 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine86_1848/17>, abgerufen am 06.06.2024.