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Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848.

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[Spaltenumbruch] Abgeordneten niederlegen. Zur Abfassung der Antworts- (Dank-)
Adresse wurde bereits von Seite der Abgeordneten ein Ausschuß ge-
wählt, nämlich: 1) Frhr. v. Rotenhan mit 108, 2) Dr. Willich mit
107, 3) Decan Vogel mit 104, 4) Decan Bauer mit 103, 5) Frhr.
v. Closen mit 101, 6) Stockinger mit 89, 7) Dr. Edel mit 86, 8) Dr.
Müller mit 74 unter 119 Stimmen; in einem zweiten Scrutin unter
102 Stimmen erhielt Graf Hegnenberg 101 Stimme. Die Adreßbera-
thung wird zum erstenmal eine öffentliche seyn.

Se. Maj. hat sich nun bestimmt
für folgende Minister entschieden: Frhr. v. Thon-Dittmer, Inneres;
Heintz, Justiz; Frhr. v. Lerchenfeld, Finanzen; v. Beisler, Cul-
tus; von der Mark, Krieg. Bezüglich des Ministeriums des Aeußern
schweben Unterhandlungen mit dem frühern Minister Frhrn. v. Giese.
Ob sich aber derselbe mit Erfolg in die neuen Verhältnisse würde finden
und den mächtigen Anforderungen der Zeit genügen können? -- Eine
andere wichtige Frage muß in diesen Tagen zur Entscheidung kommen,
nämlich wer aus unserer zweiten Kammer zur Abgeordnetenversamm-
lung nach Frankfurt geschickt werden wird? Die öffentliche Meinung
spricht sich hier ziemlich bestimmt dafür aus daß man Willich hiezu
wählen möge, indem man in ihm die Eigenschaften vereinigt glaubt
welche für diese Sendung erfordert werden. Wie ich heute mit Be-
stimmtheit erfuhr, hat sich der Abgeordnete Graf Hegnenberg-Dur die
Petition des hiesigen Stadtmagistrats an die Kammer angeeignet und
wird alsbald Ablösung der Grundlasten, Abtretung aller Herrschafts-
gerichte an den Staat und Aufgeben des adeligen Vorrechtes der
Siegelmäßigkeit beantragen. Die Nachrichten aus Berlin regen hier
fieberhaft auf, und es wird nun wohl nöthig seyn, anstatt eines Mo-
nitoriums, den Berlinern sammt unserem Glückwunsche zu ihrem mu-
thigen Benehmen auch den Ausdruck unsers tiefen Bedauerns über eine
Politik auszudrücken welche gegen die eignen Bürger das mörderische
Feuer der Geschütze richtete, und selbst durch die Nacht, die sonst jeder
Schlacht ein Ende macht, sich nicht bestimmen ließ dem blutigen Wü-
then Einhalt zu gebieten.

Sicheren Nachrichten aus München
zufolge hat Bayern beschlossen an dem in Dresden abzuhaltenden Mini-
stercongreß keinen Theil zu nehmen. *) Man scheint in München die
Besorgniß zu hegen daß ein Ministercongreß in Dresden unter den
Auspicien unter denen er projectirt wurde sich schwerlich des Vertrauens
der deutschen Nation zu erfreuen haben würde. Auch in Stuttgart
schien man geneigt sich der Ansicht Bayerns anzuschließen. Da jedoch
daselbst in der Zwischenzeit eine neue Aufforderung zur Theilnahme an
jenem Congresse von Seite Preußens eingegangen war, so wurde die
Sache in eine neuerliche Berathung genommen über deren Resultat
noch nichts bekannt geworden. Bayern und einige andere deutsche Fürsten
schlagen Frankfurt als den Ort vor wo die Revision der deutschen
Bundesverfassung vorgenommen werden soll. In einem Schreiben aus
Wien vom 17 d. heißt es, der Bundespräsidialgesandte Graf Münch-
Bellinghausen sey willens abzudanken und sich vom öffentlichen Dienst
zurückzuziehen. Wahrscheinlich wird Graf Colloredo definitiv für diese
Stelle ernannt werden.

Württemberg.

Seit meinem
letzten Briefe, nach welchem die Kammer sich bereits für die Auflösung
selbst ausgesprochen hatte, traten Zwischenvorfälle höherer Wichtigkeit
ein welche diese Maßregel noch aufschoben. Allen frühern Vorgängen
entgegen hat der höhere grundbesitzende Adel in der ersten Kammer
repräsentirt, die Ablösungsfrage aufgenommen, und zu dem Zweck die
Enleitungsmaßregeln begonnen. Die Vorschläge die von ihm ausgin-
gen, und worüber bereits Privatunterhandlungen stattgefunden haben,
sind unerwarteter Weise so billig ausgefallen wie sie selbst von der ent-
schiedensten liberalen Partei nicht anders ausgehen können. Das Volk,
wenn es sein Vertrauen der frühern Opposition bewahrt, würde in der
nächsten Kammer keine andern Gesetzvorschläge zu erwarten haben. **)
Somit ist die Kammersession noch nicht beendet; gestern und heute sind
zwei Sitzungen der zweiten Kammer gehalten worden, indeß die er-
wähnte Mittheilung der ersten Kammer ist noch nicht erfolgt. Der
[Spaltenumbruch] Präsident hatte wegen jener die Auflösung verzögernden Zwischenvor-
fälle die Gesetzesvorschläge die Minister über Volksbewaffnung und
öffentliche Versammlung der Commission überwiesen, und eine Art
Verhandlung hierüber, sowie einige Interpellationen und die Vor-
lage zweier Gesetzentwürfe von Seite des Kriegsministers über
Einberufung der Landwehr und den Zwangsverkauf von Pferden im
Fall eines Kriegs füllten die Sitzungen aus, wobei aber eine eigent-
liche Discussion so wenig stattfinden konnte wie früher. Zuletzt so-
gar wurde ein jeder der einen Einwurf vorbrachte, von einem nach ihm
auftretenden Deputirten an die Dringlichkeit der Umstände erinnert
welche die eigentliche Verhandlung unmöglich machten, oder in diesem
Sinne unterbrochen.

Gr. Baden.

"Die Freundschafts-
bündnisse und Verträge welche Rußland mit den benachbarten Mächten ver-
binden, legen uns die heilige Pflicht auf frühzeitige Anordnungen zu treffen
einen Theil unserer Truppen auf den Kriegsfuß zu stellen um, wenn es die
Umstände erheischen, der verderblichen Ausbreitung der Anarchie einen
festen Schutz entgegenzustellen." So spricht der russische Kaiser. Wer
sind die "benachbarten Mächte" mit denen der Czaar Freundschaftsbünd-
nisse und Verträge geschlossen hat die ihn ermächtigen den Gedanken aus-
zusprechen daß sie seine Hülfe in Anspruch nehmen könnten, und zwar
seine Hülfe nicht gegen äußere sondern gegen innere Gefahr? Ist es die
Türkei, ist es Schweden, ist es der Schah von Persien oder der Kaiser
von China? Nächst diesen Ländern kennen wir nur zwei Rußland "be-
nachbarte Mächte," nämlich Preußen und Oesterreich. Könnte Rußland
wirklich gewagt haben zwei deutsche Staaten, die beiden Hauptmächte
Deutschlands, zu verdächtigen daß sie sich auf moskowitischen Beistand
stützen könnten, gegenüber den Forderungen ihrer eigenen Völker? Es
klingt wie eine Unmöglichkeit, aber es ist wahr. Ja, Rußland hat sich
erkühnt zwei deutsche Regierungen solcher Schuld anzuklagen. Russen
im Lande als Damm gegen die große, die gewaltige Bewegung des deut-
schen Volkes! Der bloße Gedanke ist eine Schmach der jeden Blutstro-
pfen in uns zur Empörung treibt. Russen im Lande zur Wiederher-
stellung dessen was man in St. Petersburg gesetzliche Ordnung nennt!
Eine solche Drohung verlangt eine tödtliche Erwiederung, und eine tödt-
liche Erwiederung wird es seyn wenn das Volk in Preußen und Oester-
reich ausspricht wie es von Rußland denkt, und was es von seinen
Kriegsrüstungen hält. Es ist eine Ehrenpflicht für einen jeden von
uns zu reden. Die Presse wird zunächst ihre Schuldigkeit thun. Wir
haben aber auch die feste Zuversicht daß jede Stadt, jede ständische Ver-
sammlung, jede Behörde die in öffentlichen Dingen eine Stimme hat,
mit aller Kraft der sittlichen Entrüstung und des beleidigten National-
gefühls den russischen Drohungen entgegentreten wird. Dem Ukas des
Czaren wird von den Deutschen die Antwort werden die ihm gebührt.
Die Regierungen von Preußen und Oesterreich aber werden hoffentlich
diese Antwort nicht abwarten um ihrerseits jene Schmach zurückzu-
weisen.

K. Sachsen.

In Leipzig fand am 18 März (im Odeonssaale) eine
Arbeiterversammlung statt, an welcher gegen 2500 Arbeiter theilnahmen.
Ein Schriftsetzer Namens Skrobek war Hauptredner. Er beantragte die
Bildung eines Gesellenvereins und sprach sich dabei gegen den Commu-
nismus aus, was noch drei andere Arbeiter nach ihm thaten. Zuletzt
beantragte Skrobek eine Petition an das Ministerium, worin um Aner-
kennung des vierten Standes und Errichtung eines Arbeiterministeriums
gebeten werden solle. Letzterer Gegenstand wurde auf den 25 zu weite-
rer Debatte vertagt.

Hannover.

Auch wir hier rücken unserm
Ziele immer näher. In meinem gestrigen Schreiben hatte ich berichtet wie
die Adresse der Bürgerschaft an den Magistrat wegen der allgemeinen
und besondern Desiderien die an den König zu stellen seyen, nebst der die-
selbe befürwortenden Petition des Magistrats von einer Deputation der
Bürgerschaft und dem Magistrate unter Begleitung mehrerer tausend
Bürger am 17 d. dem König überbracht wurde, wie der König, wirklich
krank und bettlägerig, die Annahme der Deputation verweigert, auf den
nachdrücklichen Wunsch der versammelten Menge aber die Petition
dem Könige vom Cabinetsrath v. Münchhausen eingehändigt und vor-
gelesen wurde, wie darauf der Cabinetsrath v. Münchhausen der draußen
harrenden Menge eröffnete: "daß der König einen Theil der an ihn ge-
richteten Bitten, nämlich um Preßfreiheit, Anerkennung des Associations-
rechts, Amnestie und Rehabilitation der wegen politischer Vergehen Ver-

*) Wir haben das bereits von München aus gemeldet.
**) Die Hauptbestimmungen sind: der Ablösungspreis des Zehnten ist der
16fache Reinertrag, für andere Grundlasten der 12fache, beide in 25
Jahreszielern zu entrichten.

[Spaltenumbruch] Abgeordneten niederlegen. Zur Abfaſſung der Antworts- (Dank-)
Adreſſe wurde bereits von Seite der Abgeordneten ein Ausſchuß ge-
wählt, nämlich: 1) Frhr. v. Rotenhan mit 108, 2) Dr. Willich mit
107, 3) Decan Vogel mit 104, 4) Decan Bauer mit 103, 5) Frhr.
v. Cloſen mit 101, 6) Stockinger mit 89, 7) Dr. Edel mit 86, 8) Dr.
Müller mit 74 unter 119 Stimmen; in einem zweiten Scrutin unter
102 Stimmen erhielt Graf Hegnenberg 101 Stimme. Die Adreßbera-
thung wird zum erſtenmal eine öffentliche ſeyn.

Se. Maj. hat ſich nun beſtimmt
für folgende Miniſter entſchieden: Frhr. v. Thon-Dittmer, Inneres;
Heintz, Juſtiz; Frhr. v. Lerchenfeld, Finanzen; v. Beisler, Cul-
tus; von der Mark, Krieg. Bezüglich des Miniſteriums des Aeußern
ſchweben Unterhandlungen mit dem frühern Miniſter Frhrn. v. Gieſe.
Ob ſich aber derſelbe mit Erfolg in die neuen Verhältniſſe würde finden
und den mächtigen Anforderungen der Zeit genügen können? — Eine
andere wichtige Frage muß in dieſen Tagen zur Entſcheidung kommen,
nämlich wer aus unſerer zweiten Kammer zur Abgeordnetenverſamm-
lung nach Frankfurt geſchickt werden wird? Die öffentliche Meinung
ſpricht ſich hier ziemlich beſtimmt dafür aus daß man Willich hiezu
wählen möge, indem man in ihm die Eigenſchaften vereinigt glaubt
welche für dieſe Sendung erfordert werden. Wie ich heute mit Be-
ſtimmtheit erfuhr, hat ſich der Abgeordnete Graf Hegnenberg-Dur die
Petition des hieſigen Stadtmagiſtrats an die Kammer angeeignet und
wird alsbald Ablöſung der Grundlaſten, Abtretung aller Herrſchafts-
gerichte an den Staat und Aufgeben des adeligen Vorrechtes der
Siegelmäßigkeit beantragen. Die Nachrichten aus Berlin regen hier
fieberhaft auf, und es wird nun wohl nöthig ſeyn, anſtatt eines Mo-
nitoriums, den Berlinern ſammt unſerem Glückwunſche zu ihrem mu-
thigen Benehmen auch den Ausdruck unſers tiefen Bedauerns über eine
Politik auszudrücken welche gegen die eignen Bürger das mörderiſche
Feuer der Geſchütze richtete, und ſelbſt durch die Nacht, die ſonſt jeder
Schlacht ein Ende macht, ſich nicht beſtimmen ließ dem blutigen Wü-
then Einhalt zu gebieten.

Sicheren Nachrichten aus München
zufolge hat Bayern beſchloſſen an dem in Dresden abzuhaltenden Mini-
ſtercongreß keinen Theil zu nehmen. *) Man ſcheint in München die
Beſorgniß zu hegen daß ein Miniſtercongreß in Dresden unter den
Auſpicien unter denen er projectirt wurde ſich ſchwerlich des Vertrauens
der deutſchen Nation zu erfreuen haben würde. Auch in Stuttgart
ſchien man geneigt ſich der Anſicht Bayerns anzuſchließen. Da jedoch
daſelbſt in der Zwiſchenzeit eine neue Aufforderung zur Theilnahme an
jenem Congreſſe von Seite Preußens eingegangen war, ſo wurde die
Sache in eine neuerliche Berathung genommen über deren Reſultat
noch nichts bekannt geworden. Bayern und einige andere deutſche Fürſten
ſchlagen Frankfurt als den Ort vor wo die Reviſion der deutſchen
Bundesverfaſſung vorgenommen werden ſoll. In einem Schreiben aus
Wien vom 17 d. heißt es, der Bundespräſidialgeſandte Graf Münch-
Bellinghauſen ſey willens abzudanken und ſich vom öffentlichen Dienſt
zurückzuziehen. Wahrſcheinlich wird Graf Colloredo definitiv für dieſe
Stelle ernannt werden.

Württemberg.

Seit meinem
letzten Briefe, nach welchem die Kammer ſich bereits für die Auflöſung
ſelbſt ausgeſprochen hatte, traten Zwiſchenvorfälle höherer Wichtigkeit
ein welche dieſe Maßregel noch aufſchoben. Allen frühern Vorgängen
entgegen hat der höhere grundbeſitzende Adel in der erſten Kammer
repräſentirt, die Ablöſungsfrage aufgenommen, und zu dem Zweck die
Enleitungsmaßregeln begonnen. Die Vorſchläge die von ihm ausgin-
gen, und worüber bereits Privatunterhandlungen ſtattgefunden haben,
ſind unerwarteter Weiſe ſo billig ausgefallen wie ſie ſelbſt von der ent-
ſchiedenſten liberalen Partei nicht anders ausgehen können. Das Volk,
wenn es ſein Vertrauen der frühern Oppoſition bewahrt, würde in der
nächſten Kammer keine andern Geſetzvorſchläge zu erwarten haben. **)
Somit iſt die Kammerſeſſion noch nicht beendet; geſtern und heute ſind
zwei Sitzungen der zweiten Kammer gehalten worden, indeß die er-
wähnte Mittheilung der erſten Kammer iſt noch nicht erfolgt. Der
[Spaltenumbruch] Präſident hatte wegen jener die Auflöſung verzögernden Zwiſchenvor-
fälle die Geſetzesvorſchläge die Miniſter über Volksbewaffnung und
öffentliche Verſammlung der Commiſſion überwieſen, und eine Art
Verhandlung hierüber, ſowie einige Interpellationen und die Vor-
lage zweier Geſetzentwürfe von Seite des Kriegsminiſters über
Einberufung der Landwehr und den Zwangsverkauf von Pferden im
Fall eines Kriegs füllten die Sitzungen aus, wobei aber eine eigent-
liche Discuſſion ſo wenig ſtattfinden konnte wie früher. Zuletzt ſo-
gar wurde ein jeder der einen Einwurf vorbrachte, von einem nach ihm
auftretenden Deputirten an die Dringlichkeit der Umſtände erinnert
welche die eigentliche Verhandlung unmöglich machten, oder in dieſem
Sinne unterbrochen.

Gr. Baden.

„Die Freundſchafts-
bündniſſe und Verträge welche Rußland mit den benachbarten Mächten ver-
binden, legen uns die heilige Pflicht auf frühzeitige Anordnungen zu treffen
einen Theil unſerer Truppen auf den Kriegsfuß zu ſtellen um, wenn es die
Umſtände erheiſchen, der verderblichen Ausbreitung der Anarchie einen
feſten Schutz entgegenzuſtellen.“ So ſpricht der ruſſiſche Kaiſer. Wer
ſind die „benachbarten Mächte“ mit denen der Czaar Freundſchaftsbünd-
niſſe und Verträge geſchloſſen hat die ihn ermächtigen den Gedanken aus-
zuſprechen daß ſie ſeine Hülfe in Anſpruch nehmen könnten, und zwar
ſeine Hülfe nicht gegen äußere ſondern gegen innere Gefahr? Iſt es die
Türkei, iſt es Schweden, iſt es der Schah von Perſien oder der Kaiſer
von China? Nächſt dieſen Ländern kennen wir nur zwei Rußland „be-
nachbarte Mächte,“ nämlich Preußen und Oeſterreich. Könnte Rußland
wirklich gewagt haben zwei deutſche Staaten, die beiden Hauptmächte
Deutſchlands, zu verdächtigen daß ſie ſich auf moskowitiſchen Beiſtand
ſtützen könnten, gegenüber den Forderungen ihrer eigenen Völker? Es
klingt wie eine Unmöglichkeit, aber es iſt wahr. Ja, Rußland hat ſich
erkühnt zwei deutſche Regierungen ſolcher Schuld anzuklagen. Ruſſen
im Lande als Damm gegen die große, die gewaltige Bewegung des deut-
ſchen Volkes! Der bloße Gedanke iſt eine Schmach der jeden Blutstro-
pfen in uns zur Empörung treibt. Ruſſen im Lande zur Wiederher-
ſtellung deſſen was man in St. Petersburg geſetzliche Ordnung nennt!
Eine ſolche Drohung verlangt eine tödtliche Erwiederung, und eine tödt-
liche Erwiederung wird es ſeyn wenn das Volk in Preußen und Oeſter-
reich ausſpricht wie es von Rußland denkt, und was es von ſeinen
Kriegsrüſtungen hält. Es iſt eine Ehrenpflicht für einen jeden von
uns zu reden. Die Preſſe wird zunächſt ihre Schuldigkeit thun. Wir
haben aber auch die feſte Zuverſicht daß jede Stadt, jede ſtändiſche Ver-
ſammlung, jede Behörde die in öffentlichen Dingen eine Stimme hat,
mit aller Kraft der ſittlichen Entrüſtung und des beleidigten National-
gefühls den ruſſiſchen Drohungen entgegentreten wird. Dem Ukas des
Czaren wird von den Deutſchen die Antwort werden die ihm gebührt.
Die Regierungen von Preußen und Oeſterreich aber werden hoffentlich
dieſe Antwort nicht abwarten um ihrerſeits jene Schmach zurückzu-
weiſen.

K. Sachſen.

In Leipzig fand am 18 März (im Odeonsſaale) eine
Arbeiterverſammlung ſtatt, an welcher gegen 2500 Arbeiter theilnahmen.
Ein Schriftſetzer Namens Skrobek war Hauptredner. Er beantragte die
Bildung eines Geſellenvereins und ſprach ſich dabei gegen den Commu-
nismus aus, was noch drei andere Arbeiter nach ihm thaten. Zuletzt
beantragte Skrobek eine Petition an das Miniſterium, worin um Aner-
kennung des vierten Standes und Errichtung eines Arbeiterminiſteriums
gebeten werden ſolle. Letzterer Gegenſtand wurde auf den 25 zu weite-
rer Debatte vertagt.

Hannover.

Auch wir hier rücken unſerm
Ziele immer näher. In meinem geſtrigen Schreiben hatte ich berichtet wie
die Adreſſe der Bürgerſchaft an den Magiſtrat wegen der allgemeinen
und beſondern Deſiderien die an den König zu ſtellen ſeyen, nebſt der die-
ſelbe befürwortenden Petition des Magiſtrats von einer Deputation der
Bürgerſchaft und dem Magiſtrate unter Begleitung mehrerer tauſend
Bürger am 17 d. dem König überbracht wurde, wie der König, wirklich
krank und bettlägerig, die Annahme der Deputation verweigert, auf den
nachdrücklichen Wunſch der verſammelten Menge aber die Petition
dem Könige vom Cabinetsrath v. Münchhauſen eingehändigt und vor-
geleſen wurde, wie darauf der Cabinetsrath v. Münchhauſen der draußen
harrenden Menge eröffnete: „daß der König einen Theil der an ihn ge-
richteten Bitten, nämlich um Preßfreiheit, Anerkennung des Aſſociations-
rechts, Amneſtie und Rehabilitation der wegen politiſcher Vergehen Ver-

*) Wir haben das bereits von München aus gemeldet.
**) Die Hauptbeſtimmungen ſind: der Ablöſungspreis des Zehnten iſt der
16fache Reinertrag, für andere Grundlaſten der 12fache, beide in 25
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[1330/0002] Abgeordneten niederlegen. Zur Abfaſſung der Antworts- (Dank-) Adreſſe wurde bereits von Seite der Abgeordneten ein Ausſchuß ge- wählt, nämlich: 1) Frhr. v. Rotenhan mit 108, 2) Dr. Willich mit 107, 3) Decan Vogel mit 104, 4) Decan Bauer mit 103, 5) Frhr. v. Cloſen mit 101, 6) Stockinger mit 89, 7) Dr. Edel mit 86, 8) Dr. Müller mit 74 unter 119 Stimmen; in einem zweiten Scrutin unter 102 Stimmen erhielt Graf Hegnenberg 101 Stimme. Die Adreßbera- thung wird zum erſtenmal eine öffentliche ſeyn. # # München, 23 März.Se. Maj. hat ſich nun beſtimmt für folgende Miniſter entſchieden: Frhr. v. Thon-Dittmer, Inneres; Heintz, Juſtiz; Frhr. v. Lerchenfeld, Finanzen; v. Beisler, Cul- tus; von der Mark, Krieg. Bezüglich des Miniſteriums des Aeußern ſchweben Unterhandlungen mit dem frühern Miniſter Frhrn. v. Gieſe. Ob ſich aber derſelbe mit Erfolg in die neuen Verhältniſſe würde finden und den mächtigen Anforderungen der Zeit genügen können? — Eine andere wichtige Frage muß in dieſen Tagen zur Entſcheidung kommen, nämlich wer aus unſerer zweiten Kammer zur Abgeordnetenverſamm- lung nach Frankfurt geſchickt werden wird? Die öffentliche Meinung ſpricht ſich hier ziemlich beſtimmt dafür aus daß man Willich hiezu wählen möge, indem man in ihm die Eigenſchaften vereinigt glaubt welche für dieſe Sendung erfordert werden. Wie ich heute mit Be- ſtimmtheit erfuhr, hat ſich der Abgeordnete Graf Hegnenberg-Dur die Petition des hieſigen Stadtmagiſtrats an die Kammer angeeignet und wird alsbald Ablöſung der Grundlaſten, Abtretung aller Herrſchafts- gerichte an den Staat und Aufgeben des adeligen Vorrechtes der Siegelmäßigkeit beantragen. Die Nachrichten aus Berlin regen hier fieberhaft auf, und es wird nun wohl nöthig ſeyn, anſtatt eines Mo- nitoriums, den Berlinern ſammt unſerem Glückwunſche zu ihrem mu- thigen Benehmen auch den Ausdruck unſers tiefen Bedauerns über eine Politik auszudrücken welche gegen die eignen Bürger das mörderiſche Feuer der Geſchütze richtete, und ſelbſt durch die Nacht, die ſonſt jeder Schlacht ein Ende macht, ſich nicht beſtimmen ließ dem blutigen Wü- then Einhalt zu gebieten. . Vom Main, 21 März.Sicheren Nachrichten aus München zufolge hat Bayern beſchloſſen an dem in Dresden abzuhaltenden Mini- ſtercongreß keinen Theil zu nehmen. *) Man ſcheint in München die Beſorgniß zu hegen daß ein Miniſtercongreß in Dresden unter den Auſpicien unter denen er projectirt wurde ſich ſchwerlich des Vertrauens der deutſchen Nation zu erfreuen haben würde. Auch in Stuttgart ſchien man geneigt ſich der Anſicht Bayerns anzuſchließen. Da jedoch daſelbſt in der Zwiſchenzeit eine neue Aufforderung zur Theilnahme an jenem Congreſſe von Seite Preußens eingegangen war, ſo wurde die Sache in eine neuerliche Berathung genommen über deren Reſultat noch nichts bekannt geworden. Bayern und einige andere deutſche Fürſten ſchlagen Frankfurt als den Ort vor wo die Reviſion der deutſchen Bundesverfaſſung vorgenommen werden ſoll. In einem Schreiben aus Wien vom 17 d. heißt es, der Bundespräſidialgeſandte Graf Münch- Bellinghauſen ſey willens abzudanken und ſich vom öffentlichen Dienſt zurückzuziehen. Wahrſcheinlich wird Graf Colloredo definitiv für dieſe Stelle ernannt werden. Württemberg. *** Stuttgart, 22 März.Seit meinem letzten Briefe, nach welchem die Kammer ſich bereits für die Auflöſung ſelbſt ausgeſprochen hatte, traten Zwiſchenvorfälle höherer Wichtigkeit ein welche dieſe Maßregel noch aufſchoben. Allen frühern Vorgängen entgegen hat der höhere grundbeſitzende Adel in der erſten Kammer repräſentirt, die Ablöſungsfrage aufgenommen, und zu dem Zweck die Enleitungsmaßregeln begonnen. Die Vorſchläge die von ihm ausgin- gen, und worüber bereits Privatunterhandlungen ſtattgefunden haben, ſind unerwarteter Weiſe ſo billig ausgefallen wie ſie ſelbſt von der ent- ſchiedenſten liberalen Partei nicht anders ausgehen können. Das Volk, wenn es ſein Vertrauen der frühern Oppoſition bewahrt, würde in der nächſten Kammer keine andern Geſetzvorſchläge zu erwarten haben. **) Somit iſt die Kammerſeſſion noch nicht beendet; geſtern und heute ſind zwei Sitzungen der zweiten Kammer gehalten worden, indeß die er- wähnte Mittheilung der erſten Kammer iſt noch nicht erfolgt. Der Präſident hatte wegen jener die Auflöſung verzögernden Zwiſchenvor- fälle die Geſetzesvorſchläge die Miniſter über Volksbewaffnung und öffentliche Verſammlung der Commiſſion überwieſen, und eine Art Verhandlung hierüber, ſowie einige Interpellationen und die Vor- lage zweier Geſetzentwürfe von Seite des Kriegsminiſters über Einberufung der Landwehr und den Zwangsverkauf von Pferden im Fall eines Kriegs füllten die Sitzungen aus, wobei aber eine eigent- liche Discuſſion ſo wenig ſtattfinden konnte wie früher. Zuletzt ſo- gar wurde ein jeder der einen Einwurf vorbrachte, von einem nach ihm auftretenden Deputirten an die Dringlichkeit der Umſtände erinnert welche die eigentliche Verhandlung unmöglich machten, oder in dieſem Sinne unterbrochen. Gr. Baden. ⦻ Heidelberg, 21 März.„Die Freundſchafts- bündniſſe und Verträge welche Rußland mit den benachbarten Mächten ver- binden, legen uns die heilige Pflicht auf frühzeitige Anordnungen zu treffen einen Theil unſerer Truppen auf den Kriegsfuß zu ſtellen um, wenn es die Umſtände erheiſchen, der verderblichen Ausbreitung der Anarchie einen feſten Schutz entgegenzuſtellen.“ So ſpricht der ruſſiſche Kaiſer. Wer ſind die „benachbarten Mächte“ mit denen der Czaar Freundſchaftsbünd- niſſe und Verträge geſchloſſen hat die ihn ermächtigen den Gedanken aus- zuſprechen daß ſie ſeine Hülfe in Anſpruch nehmen könnten, und zwar ſeine Hülfe nicht gegen äußere ſondern gegen innere Gefahr? Iſt es die Türkei, iſt es Schweden, iſt es der Schah von Perſien oder der Kaiſer von China? Nächſt dieſen Ländern kennen wir nur zwei Rußland „be- nachbarte Mächte,“ nämlich Preußen und Oeſterreich. Könnte Rußland wirklich gewagt haben zwei deutſche Staaten, die beiden Hauptmächte Deutſchlands, zu verdächtigen daß ſie ſich auf moskowitiſchen Beiſtand ſtützen könnten, gegenüber den Forderungen ihrer eigenen Völker? Es klingt wie eine Unmöglichkeit, aber es iſt wahr. Ja, Rußland hat ſich erkühnt zwei deutſche Regierungen ſolcher Schuld anzuklagen. Ruſſen im Lande als Damm gegen die große, die gewaltige Bewegung des deut- ſchen Volkes! Der bloße Gedanke iſt eine Schmach der jeden Blutstro- pfen in uns zur Empörung treibt. Ruſſen im Lande zur Wiederher- ſtellung deſſen was man in St. Petersburg geſetzliche Ordnung nennt! Eine ſolche Drohung verlangt eine tödtliche Erwiederung, und eine tödt- liche Erwiederung wird es ſeyn wenn das Volk in Preußen und Oeſter- reich ausſpricht wie es von Rußland denkt, und was es von ſeinen Kriegsrüſtungen hält. Es iſt eine Ehrenpflicht für einen jeden von uns zu reden. Die Preſſe wird zunächſt ihre Schuldigkeit thun. Wir haben aber auch die feſte Zuverſicht daß jede Stadt, jede ſtändiſche Ver- ſammlung, jede Behörde die in öffentlichen Dingen eine Stimme hat, mit aller Kraft der ſittlichen Entrüſtung und des beleidigten National- gefühls den ruſſiſchen Drohungen entgegentreten wird. Dem Ukas des Czaren wird von den Deutſchen die Antwort werden die ihm gebührt. Die Regierungen von Preußen und Oeſterreich aber werden hoffentlich dieſe Antwort nicht abwarten um ihrerſeits jene Schmach zurückzu- weiſen. K. Sachſen. In Leipzig fand am 18 März (im Odeonsſaale) eine Arbeiterverſammlung ſtatt, an welcher gegen 2500 Arbeiter theilnahmen. Ein Schriftſetzer Namens Skrobek war Hauptredner. Er beantragte die Bildung eines Geſellenvereins und ſprach ſich dabei gegen den Commu- nismus aus, was noch drei andere Arbeiter nach ihm thaten. Zuletzt beantragte Skrobek eine Petition an das Miniſterium, worin um Aner- kennung des vierten Standes und Errichtung eines Arbeiterminiſteriums gebeten werden ſolle. Letzterer Gegenſtand wurde auf den 25 zu weite- rer Debatte vertagt. Hannover. * Hannover, 19 März.Auch wir hier rücken unſerm Ziele immer näher. In meinem geſtrigen Schreiben hatte ich berichtet wie die Adreſſe der Bürgerſchaft an den Magiſtrat wegen der allgemeinen und beſondern Deſiderien die an den König zu ſtellen ſeyen, nebſt der die- ſelbe befürwortenden Petition des Magiſtrats von einer Deputation der Bürgerſchaft und dem Magiſtrate unter Begleitung mehrerer tauſend Bürger am 17 d. dem König überbracht wurde, wie der König, wirklich krank und bettlägerig, die Annahme der Deputation verweigert, auf den nachdrücklichen Wunſch der verſammelten Menge aber die Petition dem Könige vom Cabinetsrath v. Münchhauſen eingehändigt und vor- geleſen wurde, wie darauf der Cabinetsrath v. Münchhauſen der draußen harrenden Menge eröffnete: „daß der König einen Theil der an ihn ge- richteten Bitten, nämlich um Preßfreiheit, Anerkennung des Aſſociations- rechts, Amneſtie und Rehabilitation der wegen politiſcher Vergehen Ver- *) Wir haben das bereits von München aus gemeldet. **) Die Hauptbeſtimmungen ſind: der Ablöſungspreis des Zehnten iſt der 16fache Reinertrag, für andere Grundlaſten der 12fache, beide in 25 Jahreszielern zu entrichten.

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848, S. 1330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine84_1848/2>, abgerufen am 21.11.2024.