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Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848.

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[Spaltenumbruch] etwas gemerkt. Die Damen in Deutschland sind feiner als die Männer."
Und was will das sagen gegen einen abendlichen Auftritt im Caffe delle
Belle Arti! Die dortigen Liberalen brachten den Oesterreichern ein
Vivat! Es schallte seltsam wieder in den einsamen nächtlichen Straßen,
ein eigenthümlicher Schluß der Faschingslustbarkeit.

Ich war mit meinen Freunden der Warnung unserer Wirthe nicht
gefolgt; wir hielten als beobachtende Zuschauer bis nach dem Kanonen-
schuß auf dem Balcon des Corso aus. Die Unruhe war nicht ver-
schwunden, aber der Aufregung fehlte ein Ziel, vielleicht geschickte Len-
ker. Was konnten die Römer wollen? Eine Republik? Unter Tausen-
den denkt kaum einer daran. Eine Constitution? Sie ist in der Arbeit,
nach Andern schon unter der Presse. Zum Ueberfluß, unseres Erachtens
sehr zum Ueberfluß, hatte der Senat, in der Angst vor einer Demon-
stration, eine Proclamation erlassen, die dem ungestümen Verlangen
vorbeugen sollte. Der Senat bittet mit dem Volk den heiligen Vater
sich zu beeilen, und der heilige Vater hatte darauf geantwortet daß er
sich ja beeile! Was konnte man mehr wollen? Aber man war im
Fieber des Mehrwollens. Vor Fiebernden muß der Gesunde sich in
Acht nehmen. Eine imposante Colonne neu bewaffneter Civicisten mar-
schirte durch den Corso und stellte sich als Spalier auf; man meint sie
sey sehr geschickt da vertheilt worden, wo die heftigsten Fieberkranken
und Schreier standen. Noch konnte man eine Opposition erwarten --
die römischen Lichtfreunde. Wäre ein Moccolilicht entzündet worden, so
war es möglich daß Tausende im Augenblick aufflammten. Die Licht-
freunde konnten verschiedener Art seyn, solche denen es um das Ver-
gnügen, um einen Scandal, irgendwelchen, oder einen besondern zu
thun war, und die Lichtzieher, die sich um ihren Verdienst betrogen
sahen. Man erwartete einzelne Birbaccionen mit Kerzchen sich in die
Menge stürzen zu sehen, die Lichter andern aufdrängend mit dem alten
Verruf: ammazato sia chi non porta moccolo! Dann hätten die
Furchtsamen, die Gleichgültigen die Lichter ergriffen, und mit dem
Lichtermeer wäre der Tumult losgebrochen; aber kein Licht flackerte auf,
es ward dunkel und still, und ruhig verlor sich die Menge. Keine offi-
cielle Obrigkeit hatte es geboten, die stille Obrigkeit mußte geschickt zu
Werke gegangen seyn.

Ob es überhaupt denn nöthig gewesen den Moccolispaß zu ver-
bieten! Viele jetzt plötzlich muthig gewordene Fremde bezweifeln es.
Mich interessirt mehr die Frage: in welcher Absicht jene Luftblase von
der Wiener Republik in die Luft geschleudert ward? Diese meinen: das
Volk noch mehr zu entflammen, jene: seine Stimmung gegen die Deut-
schen zu beruhigen. Beides scheint mir unrichtig.

Heute ist ein grauer, regniger, stiller Aschermittwoch. Man er-
wartet mit äußerster Spannung die folgenden Nachrichten aus Frank-
reich. Wie ein wohlthätiger Balsam wirkt Gioberti's Brief aus Paris.
Er hat, wenn dessen Gefahr gewesen, die italienischen Staaten vielleicht
vor der Gefahr eines neuen republicanischen Umschwungs bewahrt.



Deutschland.

Ein Wiener "Volksblatt ohne Censur" sagt: Das große
Werk ist vollbracht,
-- leider aber ist es mit Thaten verbunden
gewesen deren jeder Bürger sich schämen müßte, wenn es nicht be-
kannt wäre daß nur Räuber am Zerstören und Brennen Vergnü-
gen finden. Wir wollen keine Räuber und Mordbrenner
seyn!
Viele wissen nicht wieviel wir erlangt haben. Die Aufhe-
bung der Censur erlaubt uns jetzt unsere Wünsche auszusprechen,
drucken zu lassen und in Tausenden von Blättern zu verbreiten. Wißt
Ihr was ein Preßgesetz ist? Ein Preßgesetz ist ein Gesetz darüber
daß man Euere Kinder nicht zur Unsittlichkeit reizen und verführen
soll, daß man keine Lügen verbreiten soll, daß man den ehrliebenden
Bürger nicht verleumden soll. Soll ein Spitzbube, der selbst keine
Religion hat, über unsere Religion schimpfen? Nein, wir wollen die
Religion, wir wollen uns selbst nicht schimpfen lassen. Wißt Ihr,
wer nach dem Preßgesetz gestraft werden kann? Nur der Schrift-
steller kann gestraft werden.
Wir wollen Euch jetzt durch Zeitun-
gen unterrichten, wir werden Euch zeigen daß wir Muth haben
die Wünsche des Volkes auszusprechen; was Ihr auch wünscht, braucht
Ihr nicht in den Straßen auszurufen, Ihr könnt es drucken lassen.
Wir, die wir Bücher und Zeitungen schreiben wollen, wir allein kön-
nen gestraft werden, und wir wissen welche Gesetze in den freiesten
Staaten bestehen, wir werden uns schon selbst Hülfe schaffen; denn
[Spaltenumbruch] der gesetzliche Weg zur Hülfe ist uns gegeben. Die Stände aller
Provinzen werden sich jetzt versammeln; die Stände waren die ersten
die muthig und ohne Scheu die Wünsche des Volkes ausgesprochen
haben; ihnen wollen wir Vertrauen schenken. Wer soll uns künftig
Gesetze geben? Wer soll das Preßgesetz berathen? Die Stände sol-
len es thun, das sind Männer aus dem Volke, die kennen unsere
Bedürfnisse, die werden viel bessere Gesetze geben als wenn jetzt
in aller Eile -- vielleicht über Nacht -- ein neues Gesetz gege-
ben werden sollte. Also Vertrauen auf die Stände! Es sind fal-
sche Freunde unter uns, die uns aufreizen wollen, weil sie Ver-
gnügen am Scandal haben. Jeder ordentliche Bürger muß jetzt
wünschen wieder in Ruhe zu kommen, wieder seinem Geschäft nachzu-
gehen. Wem nützt es etwas -- Fenster einzuschlagen, Häuser anzu-
zünden. Niemand! Und auf den Nutzen müssen wir sehen. Diebe
gibt es in jeder großen Stadt, und wo ist am leichtesten zu stehlen?
Dort wo Unordnung herrscht. Diebe wollen das Volk zur Unordnung
verleiten, damit sie stehlen können. Wer ein gutes Werkzeug hat der
liebt es, die Maschinen sind auch Werkzeuge. Bevor die Maschinen er-
funden waren, hat das halbe Volk in Lumpen gehen müssen, jetzt kann
jeder fleißige Mensch seinen ordentlichen Rock haben, weil die Maschi-
nen uns bei der Arbeit helfen. Hat jemand Lust rohes Getreide zu
essen, ich nicht; wenn keine Mühlen wären, so müßten wir einen
ganzen Tag mit einem Stein auf den andern klopfen um Mehl zum
Brod zu haben. Wer geht gerne im Finstern? Nur die Spitzbuben.
Also keine Laternen einschlagen, davon haben nur die Glaser
Verdienst. Jeder ordentliche Bürger, jeder Arbeiter der es redlich
meint freue sich dessen was uns der Kaiser bewilligt hat, und verderbe
andern nicht das Vergnügen dadurch daß er ihr Eigenthum zerstört.
Die Bürger haben ihr Eigenthum mühsam erworben, darum ist es der
erste Grundsatz eines vernünftigen Menschen die Person und das Ei-
genthum
unserer Mitmenschen zu achten. Seyd Christen! Die
armen Frauen und Kinder die so einen Lärm, wie er seit drei Tagen
in unserer Stadt herrscht, nicht gewohnt sind, leben in Furcht und
Schrecken. Laßt ihnen Ruhe. Der Kaiser hat bewilligt daß die Bürger
selbst die Waffen führen, begreift ihr das große Vertrauen das darin
liegt? Die Bürgersoldaten werden überall mit Jubel empfangen, die
größte Ehre erweist ihr ihnen wenn ihr die Ordnung so herstellt wie
die Bürgersoldaten sie einrichten. Mancher hat jetzt die Zeichen und
die Waffen eines guten Bürgers angenommen der die Absicht hat die
andern aufzureizen. Glaubt ihnen nicht; wer es mit der Freiheit
hält, der ist jetzt schon ruhig.
Glaubt keine Gerüchte als was
öffentlich angeschlagen ist. Der Kaiser hat selbst zu uns gesprochen,
denn die Berufung der Stände ist von ihm selbst unterschrieben. Je-
der gute Bürger gehört zur Nationalgarde, aber ihr müßt euch selbst
dazu melden und einschreiben lassen. Wir haben das bekommen was
wir verlangt haben. Jetzt möchten wir es genießen. Wir werden jetzt
schon dafür sorgen daß das Volk belehrt werde, und dann werdet ihr
schon sehen daß wir drei große Dinge erlangt haben: National-
garde, Censurfreiheit, Reichsstände.
Neue Gesetze sollen uns
die Reichsstände berathen, und unser guter Kaiser wird alle unsere
Wünsche durch die Reichsstände erfahren.

Der Redaction der Wiener Zeitung ist folgende von einer großen An-
zahl Mitglieder der Nationalgarde gefertigte Adresse zugekommen:
An die brave Garnison der Haupt- und Residenzstadt Wien und sämmt-
liche Krieger des constitutionellen österreichischen Kaiserstaates. Sol-
daten des öfterreichischen Kaiserstaates! Laßt die großen folgereichen
Begebenheiten der letzten Tage keine Kluft bilden zwischen euch und
dem Volk, nicht das alte gute Vernehmen stören. Wir grüßen euch
herzlich als Brüder, und Brüder sollt ihr uns bleiben, was immer der
Drang der Zeiten zu Tage fördern mag. Soldaten! Wir beklagen die Opfer
die der ersten Aufregung, dem Wirrsal des Augenblicks fielen -- aber
wir klagen euch nicht an. Ueber jene Leichen bieten wir euch die Hand
zum Bruderbunde, von inniger Achtung sind wir durchdrungen ob der
edlen festen Haltung die ihr bewähret, seit den Scenen des Schreckens
Einhalt geschah. Nicht für beeinträchtigt sollt ihr euch halten durch
den Aufruf der akademischen Jugend, dem die Bewaffnung der Ein-
wohner, dem auf Befehl des Monarchen die Bildung einer National-
garde folgte, welcher für jetzt ein Theil der Verrichtungen eures ehren-
vollen Berufes zugewiesen. Jene Classe der Jugend mit ihrer Ver-
zweigung in allen Fächern des Unterrichts wurzelt im Herzen aller
Stände, sie repräsentirt die Zukunft, sie zieht die Gesinnung des Volkes

[Spaltenumbruch] etwas gemerkt. Die Damen in Deutſchland ſind feiner als die Männer.“
Und was will das ſagen gegen einen abendlichen Auftritt im Caffè delle
Belle Arti! Die dortigen Liberalen brachten den Oeſterreichern ein
Vivat! Es ſchallte ſeltſam wieder in den einſamen nächtlichen Straßen,
ein eigenthümlicher Schluß der Faſchingsluſtbarkeit.

Ich war mit meinen Freunden der Warnung unſerer Wirthe nicht
gefolgt; wir hielten als beobachtende Zuſchauer bis nach dem Kanonen-
ſchuß auf dem Balcon des Corſo aus. Die Unruhe war nicht ver-
ſchwunden, aber der Aufregung fehlte ein Ziel, vielleicht geſchickte Len-
ker. Was konnten die Römer wollen? Eine Republik? Unter Tauſen-
den denkt kaum einer daran. Eine Conſtitution? Sie iſt in der Arbeit,
nach Andern ſchon unter der Preſſe. Zum Ueberfluß, unſeres Erachtens
ſehr zum Ueberfluß, hatte der Senat, in der Angſt vor einer Demon-
ſtration, eine Proclamation erlaſſen, die dem ungeſtümen Verlangen
vorbeugen ſollte. Der Senat bittet mit dem Volk den heiligen Vater
ſich zu beeilen, und der heilige Vater hatte darauf geantwortet daß er
ſich ja beeile! Was konnte man mehr wollen? Aber man war im
Fieber des Mehrwollens. Vor Fiebernden muß der Geſunde ſich in
Acht nehmen. Eine impoſante Colonne neu bewaffneter Civiciſten mar-
ſchirte durch den Corſo und ſtellte ſich als Spalier auf; man meint ſie
ſey ſehr geſchickt da vertheilt worden, wo die heftigſten Fieberkranken
und Schreier ſtanden. Noch konnte man eine Oppoſition erwarten —
die römiſchen Lichtfreunde. Wäre ein Moccolilicht entzündet worden, ſo
war es möglich daß Tauſende im Augenblick aufflammten. Die Licht-
freunde konnten verſchiedener Art ſeyn, ſolche denen es um das Ver-
gnügen, um einen Scandal, irgendwelchen, oder einen beſondern zu
thun war, und die Lichtzieher, die ſich um ihren Verdienſt betrogen
ſahen. Man erwartete einzelne Birbaccionen mit Kerzchen ſich in die
Menge ſtürzen zu ſehen, die Lichter andern aufdrängend mit dem alten
Verruf: ammazato sia chi non porta moccolo! Dann hätten die
Furchtſamen, die Gleichgültigen die Lichter ergriffen, und mit dem
Lichtermeer wäre der Tumult losgebrochen; aber kein Licht flackerte auf,
es ward dunkel und ſtill, und ruhig verlor ſich die Menge. Keine offi-
cielle Obrigkeit hatte es geboten, die ſtille Obrigkeit mußte geſchickt zu
Werke gegangen ſeyn.

Ob es überhaupt denn nöthig geweſen den Moccoliſpaß zu ver-
bieten! Viele jetzt plötzlich muthig gewordene Fremde bezweifeln es.
Mich intereſſirt mehr die Frage: in welcher Abſicht jene Luftblaſe von
der Wiener Republik in die Luft geſchleudert ward? Dieſe meinen: das
Volk noch mehr zu entflammen, jene: ſeine Stimmung gegen die Deut-
ſchen zu beruhigen. Beides ſcheint mir unrichtig.

Heute iſt ein grauer, regniger, ſtiller Aſchermittwoch. Man er-
wartet mit äußerſter Spannung die folgenden Nachrichten aus Frank-
reich. Wie ein wohlthätiger Balſam wirkt Gioberti’s Brief aus Paris.
Er hat, wenn deſſen Gefahr geweſen, die italieniſchen Staaten vielleicht
vor der Gefahr eines neuen republicaniſchen Umſchwungs bewahrt.



Deutſchland.

Ein Wiener „Volksblatt ohne Cenſur“ ſagt: Das große
Werk iſt vollbracht,
— leider aber iſt es mit Thaten verbunden
geweſen deren jeder Bürger ſich ſchämen müßte, wenn es nicht be-
kannt wäre daß nur Räuber am Zerſtören und Brennen Vergnü-
gen finden. Wir wollen keine Räuber und Mordbrenner
ſeyn!
Viele wiſſen nicht wieviel wir erlangt haben. Die Aufhe-
bung der Cenſur erlaubt uns jetzt unſere Wünſche auszuſprechen,
drucken zu laſſen und in Tauſenden von Blättern zu verbreiten. Wißt
Ihr was ein Preßgeſetz iſt? Ein Preßgeſetz iſt ein Geſetz darüber
daß man Euere Kinder nicht zur Unſittlichkeit reizen und verführen
ſoll, daß man keine Lügen verbreiten ſoll, daß man den ehrliebenden
Bürger nicht verleumden ſoll. Soll ein Spitzbube, der ſelbſt keine
Religion hat, über unſere Religion ſchimpfen? Nein, wir wollen die
Religion, wir wollen uns ſelbſt nicht ſchimpfen laſſen. Wißt Ihr,
wer nach dem Preßgeſetz geſtraft werden kann? Nur der Schrift-
ſteller kann geſtraft werden.
Wir wollen Euch jetzt durch Zeitun-
gen unterrichten, wir werden Euch zeigen daß wir Muth haben
die Wünſche des Volkes auszuſprechen; was Ihr auch wünſcht, braucht
Ihr nicht in den Straßen auszurufen, Ihr könnt es drucken laſſen.
Wir, die wir Bücher und Zeitungen ſchreiben wollen, wir allein kön-
nen geſtraft werden, und wir wiſſen welche Geſetze in den freieſten
Staaten beſtehen, wir werden uns ſchon ſelbſt Hülfe ſchaffen; denn
[Spaltenumbruch] der geſetzliche Weg zur Hülfe iſt uns gegeben. Die Stände aller
Provinzen werden ſich jetzt verſammeln; die Stände waren die erſten
die muthig und ohne Scheu die Wünſche des Volkes ausgeſprochen
haben; ihnen wollen wir Vertrauen ſchenken. Wer ſoll uns künftig
Geſetze geben? Wer ſoll das Preßgeſetz berathen? Die Stände ſol-
len es thun, das ſind Männer aus dem Volke, die kennen unſere
Bedürfniſſe, die werden viel beſſere Geſetze geben als wenn jetzt
in aller Eile — vielleicht über Nacht — ein neues Geſetz gege-
ben werden ſollte. Alſo Vertrauen auf die Stände! Es ſind fal-
ſche Freunde unter uns, die uns aufreizen wollen, weil ſie Ver-
gnügen am Scandal haben. Jeder ordentliche Bürger muß jetzt
wünſchen wieder in Ruhe zu kommen, wieder ſeinem Geſchäft nachzu-
gehen. Wem nützt es etwas — Fenſter einzuſchlagen, Häuſer anzu-
zünden. Niemand! Und auf den Nutzen müſſen wir ſehen. Diebe
gibt es in jeder großen Stadt, und wo iſt am leichteſten zu ſtehlen?
Dort wo Unordnung herrſcht. Diebe wollen das Volk zur Unordnung
verleiten, damit ſie ſtehlen können. Wer ein gutes Werkzeug hat der
liebt es, die Maſchinen ſind auch Werkzeuge. Bevor die Maſchinen er-
funden waren, hat das halbe Volk in Lumpen gehen müſſen, jetzt kann
jeder fleißige Menſch ſeinen ordentlichen Rock haben, weil die Maſchi-
nen uns bei der Arbeit helfen. Hat jemand Luſt rohes Getreide zu
eſſen, ich nicht; wenn keine Mühlen wären, ſo müßten wir einen
ganzen Tag mit einem Stein auf den andern klopfen um Mehl zum
Brod zu haben. Wer geht gerne im Finſtern? Nur die Spitzbuben.
Alſo keine Laternen einſchlagen, davon haben nur die Glaſer
Verdienſt. Jeder ordentliche Bürger, jeder Arbeiter der es redlich
meint freue ſich deſſen was uns der Kaiſer bewilligt hat, und verderbe
andern nicht das Vergnügen dadurch daß er ihr Eigenthum zerſtört.
Die Bürger haben ihr Eigenthum mühſam erworben, darum iſt es der
erſte Grundſatz eines vernünftigen Menſchen die Perſon und das Ei-
genthum
unſerer Mitmenſchen zu achten. Seyd Chriſten! Die
armen Frauen und Kinder die ſo einen Lärm, wie er ſeit drei Tagen
in unſerer Stadt herrſcht, nicht gewohnt ſind, leben in Furcht und
Schrecken. Laßt ihnen Ruhe. Der Kaiſer hat bewilligt daß die Bürger
ſelbſt die Waffen führen, begreift ihr das große Vertrauen das darin
liegt? Die Bürgerſoldaten werden überall mit Jubel empfangen, die
größte Ehre erweist ihr ihnen wenn ihr die Ordnung ſo herſtellt wie
die Bürgerſoldaten ſie einrichten. Mancher hat jetzt die Zeichen und
die Waffen eines guten Bürgers angenommen der die Abſicht hat die
andern aufzureizen. Glaubt ihnen nicht; wer es mit der Freiheit
hält, der iſt jetzt ſchon ruhig.
Glaubt keine Gerüchte als was
öffentlich angeſchlagen iſt. Der Kaiſer hat ſelbſt zu uns geſprochen,
denn die Berufung der Stände iſt von ihm ſelbſt unterſchrieben. Je-
der gute Bürger gehört zur Nationalgarde, aber ihr müßt euch ſelbſt
dazu melden und einſchreiben laſſen. Wir haben das bekommen was
wir verlangt haben. Jetzt möchten wir es genießen. Wir werden jetzt
ſchon dafür ſorgen daß das Volk belehrt werde, und dann werdet ihr
ſchon ſehen daß wir drei große Dinge erlangt haben: National-
garde, Cenſurfreiheit, Reichsſtände.
Neue Geſetze ſollen uns
die Reichsſtände berathen, und unſer guter Kaiſer wird alle unſere
Wünſche durch die Reichsſtände erfahren.

Der Redaction der Wiener Zeitung iſt folgende von einer großen An-
zahl Mitglieder der Nationalgarde gefertigte Adreſſe zugekommen:
An die brave Garniſon der Haupt- und Reſidenzſtadt Wien und ſämmt-
liche Krieger des conſtitutionellen öſterreichiſchen Kaiſerſtaates. Sol-
daten des öfterreichiſchen Kaiſerſtaates! Laßt die großen folgereichen
Begebenheiten der letzten Tage keine Kluft bilden zwiſchen euch und
dem Volk, nicht das alte gute Vernehmen ſtören. Wir grüßen euch
herzlich als Brüder, und Brüder ſollt ihr uns bleiben, was immer der
Drang der Zeiten zu Tage fördern mag. Soldaten! Wir beklagen die Opfer
die der erſten Aufregung, dem Wirrſal des Augenblicks fielen — aber
wir klagen euch nicht an. Ueber jene Leichen bieten wir euch die Hand
zum Bruderbunde, von inniger Achtung ſind wir durchdrungen ob der
edlen feſten Haltung die ihr bewähret, ſeit den Scenen des Schreckens
Einhalt geſchah. Nicht für beeinträchtigt ſollt ihr euch halten durch
den Aufruf der akademiſchen Jugend, dem die Bewaffnung der Ein-
wohner, dem auf Befehl des Monarchen die Bildung einer National-
garde folgte, welcher für jetzt ein Theil der Verrichtungen eures ehren-
vollen Berufes zugewieſen. Jene Claſſe der Jugend mit ihrer Ver-
zweigung in allen Fächern des Unterrichts wurzelt im Herzen aller
Stände, ſie repräſentirt die Zukunft, ſie zieht die Geſinnung des Volkes

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[1338/0010] etwas gemerkt. Die Damen in Deutſchland ſind feiner als die Männer.“ Und was will das ſagen gegen einen abendlichen Auftritt im Caffè delle Belle Arti! Die dortigen Liberalen brachten den Oeſterreichern ein Vivat! Es ſchallte ſeltſam wieder in den einſamen nächtlichen Straßen, ein eigenthümlicher Schluß der Faſchingsluſtbarkeit. Ich war mit meinen Freunden der Warnung unſerer Wirthe nicht gefolgt; wir hielten als beobachtende Zuſchauer bis nach dem Kanonen- ſchuß auf dem Balcon des Corſo aus. Die Unruhe war nicht ver- ſchwunden, aber der Aufregung fehlte ein Ziel, vielleicht geſchickte Len- ker. Was konnten die Römer wollen? Eine Republik? Unter Tauſen- den denkt kaum einer daran. Eine Conſtitution? Sie iſt in der Arbeit, nach Andern ſchon unter der Preſſe. Zum Ueberfluß, unſeres Erachtens ſehr zum Ueberfluß, hatte der Senat, in der Angſt vor einer Demon- ſtration, eine Proclamation erlaſſen, die dem ungeſtümen Verlangen vorbeugen ſollte. Der Senat bittet mit dem Volk den heiligen Vater ſich zu beeilen, und der heilige Vater hatte darauf geantwortet daß er ſich ja beeile! Was konnte man mehr wollen? Aber man war im Fieber des Mehrwollens. Vor Fiebernden muß der Geſunde ſich in Acht nehmen. Eine impoſante Colonne neu bewaffneter Civiciſten mar- ſchirte durch den Corſo und ſtellte ſich als Spalier auf; man meint ſie ſey ſehr geſchickt da vertheilt worden, wo die heftigſten Fieberkranken und Schreier ſtanden. Noch konnte man eine Oppoſition erwarten — die römiſchen Lichtfreunde. Wäre ein Moccolilicht entzündet worden, ſo war es möglich daß Tauſende im Augenblick aufflammten. Die Licht- freunde konnten verſchiedener Art ſeyn, ſolche denen es um das Ver- gnügen, um einen Scandal, irgendwelchen, oder einen beſondern zu thun war, und die Lichtzieher, die ſich um ihren Verdienſt betrogen ſahen. Man erwartete einzelne Birbaccionen mit Kerzchen ſich in die Menge ſtürzen zu ſehen, die Lichter andern aufdrängend mit dem alten Verruf: ammazato sia chi non porta moccolo! Dann hätten die Furchtſamen, die Gleichgültigen die Lichter ergriffen, und mit dem Lichtermeer wäre der Tumult losgebrochen; aber kein Licht flackerte auf, es ward dunkel und ſtill, und ruhig verlor ſich die Menge. Keine offi- cielle Obrigkeit hatte es geboten, die ſtille Obrigkeit mußte geſchickt zu Werke gegangen ſeyn. Ob es überhaupt denn nöthig geweſen den Moccoliſpaß zu ver- bieten! Viele jetzt plötzlich muthig gewordene Fremde bezweifeln es. Mich intereſſirt mehr die Frage: in welcher Abſicht jene Luftblaſe von der Wiener Republik in die Luft geſchleudert ward? Dieſe meinen: das Volk noch mehr zu entflammen, jene: ſeine Stimmung gegen die Deut- ſchen zu beruhigen. Beides ſcheint mir unrichtig. Heute iſt ein grauer, regniger, ſtiller Aſchermittwoch. Man er- wartet mit äußerſter Spannung die folgenden Nachrichten aus Frank- reich. Wie ein wohlthätiger Balſam wirkt Gioberti’s Brief aus Paris. Er hat, wenn deſſen Gefahr geweſen, die italieniſchen Staaten vielleicht vor der Gefahr eines neuen republicaniſchen Umſchwungs bewahrt. Deutſchland. Ein Wiener „Volksblatt ohne Cenſur“ ſagt: Das große Werk iſt vollbracht, — leider aber iſt es mit Thaten verbunden geweſen deren jeder Bürger ſich ſchämen müßte, wenn es nicht be- kannt wäre daß nur Räuber am Zerſtören und Brennen Vergnü- gen finden. Wir wollen keine Räuber und Mordbrenner ſeyn! Viele wiſſen nicht wieviel wir erlangt haben. Die Aufhe- bung der Cenſur erlaubt uns jetzt unſere Wünſche auszuſprechen, drucken zu laſſen und in Tauſenden von Blättern zu verbreiten. Wißt Ihr was ein Preßgeſetz iſt? Ein Preßgeſetz iſt ein Geſetz darüber daß man Euere Kinder nicht zur Unſittlichkeit reizen und verführen ſoll, daß man keine Lügen verbreiten ſoll, daß man den ehrliebenden Bürger nicht verleumden ſoll. Soll ein Spitzbube, der ſelbſt keine Religion hat, über unſere Religion ſchimpfen? Nein, wir wollen die Religion, wir wollen uns ſelbſt nicht ſchimpfen laſſen. Wißt Ihr, wer nach dem Preßgeſetz geſtraft werden kann? Nur der Schrift- ſteller kann geſtraft werden. Wir wollen Euch jetzt durch Zeitun- gen unterrichten, wir werden Euch zeigen daß wir Muth haben die Wünſche des Volkes auszuſprechen; was Ihr auch wünſcht, braucht Ihr nicht in den Straßen auszurufen, Ihr könnt es drucken laſſen. Wir, die wir Bücher und Zeitungen ſchreiben wollen, wir allein kön- nen geſtraft werden, und wir wiſſen welche Geſetze in den freieſten Staaten beſtehen, wir werden uns ſchon ſelbſt Hülfe ſchaffen; denn der geſetzliche Weg zur Hülfe iſt uns gegeben. Die Stände aller Provinzen werden ſich jetzt verſammeln; die Stände waren die erſten die muthig und ohne Scheu die Wünſche des Volkes ausgeſprochen haben; ihnen wollen wir Vertrauen ſchenken. Wer ſoll uns künftig Geſetze geben? Wer ſoll das Preßgeſetz berathen? Die Stände ſol- len es thun, das ſind Männer aus dem Volke, die kennen unſere Bedürfniſſe, die werden viel beſſere Geſetze geben als wenn jetzt in aller Eile — vielleicht über Nacht — ein neues Geſetz gege- ben werden ſollte. Alſo Vertrauen auf die Stände! Es ſind fal- ſche Freunde unter uns, die uns aufreizen wollen, weil ſie Ver- gnügen am Scandal haben. Jeder ordentliche Bürger muß jetzt wünſchen wieder in Ruhe zu kommen, wieder ſeinem Geſchäft nachzu- gehen. Wem nützt es etwas — Fenſter einzuſchlagen, Häuſer anzu- zünden. Niemand! Und auf den Nutzen müſſen wir ſehen. Diebe gibt es in jeder großen Stadt, und wo iſt am leichteſten zu ſtehlen? Dort wo Unordnung herrſcht. Diebe wollen das Volk zur Unordnung verleiten, damit ſie ſtehlen können. Wer ein gutes Werkzeug hat der liebt es, die Maſchinen ſind auch Werkzeuge. Bevor die Maſchinen er- funden waren, hat das halbe Volk in Lumpen gehen müſſen, jetzt kann jeder fleißige Menſch ſeinen ordentlichen Rock haben, weil die Maſchi- nen uns bei der Arbeit helfen. Hat jemand Luſt rohes Getreide zu eſſen, ich nicht; wenn keine Mühlen wären, ſo müßten wir einen ganzen Tag mit einem Stein auf den andern klopfen um Mehl zum Brod zu haben. Wer geht gerne im Finſtern? Nur die Spitzbuben. Alſo keine Laternen einſchlagen, davon haben nur die Glaſer Verdienſt. Jeder ordentliche Bürger, jeder Arbeiter der es redlich meint freue ſich deſſen was uns der Kaiſer bewilligt hat, und verderbe andern nicht das Vergnügen dadurch daß er ihr Eigenthum zerſtört. Die Bürger haben ihr Eigenthum mühſam erworben, darum iſt es der erſte Grundſatz eines vernünftigen Menſchen die Perſon und das Ei- genthum unſerer Mitmenſchen zu achten. Seyd Chriſten! Die armen Frauen und Kinder die ſo einen Lärm, wie er ſeit drei Tagen in unſerer Stadt herrſcht, nicht gewohnt ſind, leben in Furcht und Schrecken. Laßt ihnen Ruhe. Der Kaiſer hat bewilligt daß die Bürger ſelbſt die Waffen führen, begreift ihr das große Vertrauen das darin liegt? Die Bürgerſoldaten werden überall mit Jubel empfangen, die größte Ehre erweist ihr ihnen wenn ihr die Ordnung ſo herſtellt wie die Bürgerſoldaten ſie einrichten. Mancher hat jetzt die Zeichen und die Waffen eines guten Bürgers angenommen der die Abſicht hat die andern aufzureizen. Glaubt ihnen nicht; wer es mit der Freiheit hält, der iſt jetzt ſchon ruhig. Glaubt keine Gerüchte als was öffentlich angeſchlagen iſt. Der Kaiſer hat ſelbſt zu uns geſprochen, denn die Berufung der Stände iſt von ihm ſelbſt unterſchrieben. Je- der gute Bürger gehört zur Nationalgarde, aber ihr müßt euch ſelbſt dazu melden und einſchreiben laſſen. Wir haben das bekommen was wir verlangt haben. Jetzt möchten wir es genießen. Wir werden jetzt ſchon dafür ſorgen daß das Volk belehrt werde, und dann werdet ihr ſchon ſehen daß wir drei große Dinge erlangt haben: National- garde, Cenſurfreiheit, Reichsſtände. Neue Geſetze ſollen uns die Reichsſtände berathen, und unſer guter Kaiſer wird alle unſere Wünſche durch die Reichsſtände erfahren. Der Redaction der Wiener Zeitung iſt folgende von einer großen An- zahl Mitglieder der Nationalgarde gefertigte Adreſſe zugekommen: An die brave Garniſon der Haupt- und Reſidenzſtadt Wien und ſämmt- liche Krieger des conſtitutionellen öſterreichiſchen Kaiſerſtaates. Sol- daten des öfterreichiſchen Kaiſerſtaates! Laßt die großen folgereichen Begebenheiten der letzten Tage keine Kluft bilden zwiſchen euch und dem Volk, nicht das alte gute Vernehmen ſtören. Wir grüßen euch herzlich als Brüder, und Brüder ſollt ihr uns bleiben, was immer der Drang der Zeiten zu Tage fördern mag. Soldaten! Wir beklagen die Opfer die der erſten Aufregung, dem Wirrſal des Augenblicks fielen — aber wir klagen euch nicht an. Ueber jene Leichen bieten wir euch die Hand zum Bruderbunde, von inniger Achtung ſind wir durchdrungen ob der edlen feſten Haltung die ihr bewähret, ſeit den Scenen des Schreckens Einhalt geſchah. Nicht für beeinträchtigt ſollt ihr euch halten durch den Aufruf der akademiſchen Jugend, dem die Bewaffnung der Ein- wohner, dem auf Befehl des Monarchen die Bildung einer National- garde folgte, welcher für jetzt ein Theil der Verrichtungen eures ehren- vollen Berufes zugewieſen. Jene Claſſe der Jugend mit ihrer Ver- zweigung in allen Fächern des Unterrichts wurzelt im Herzen aller Stände, ſie repräſentirt die Zukunft, ſie zieht die Geſinnung des Volkes

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848, S. 1338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine84_1848/10>, abgerufen am 16.07.2024.