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Allgemeine Zeitung, Nr. 83, 23. März 1848.

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Nr. 83.
[Spaltenumbruch]
Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
[Spaltenumbruch] 23 März 1848.


[Spaltenumbruch]
Deutschlands Wehrlosigkeit zur See und die Lage Nord-
albingiens.

Seit Jahren ist in der ge-
sammten deutschen Presse und vor allem in diesen Blättern oft von
der Nothwendigkeit einer deutschen Flotte die Rede gewesen. Als vor
vier oder fünf Jahren die preußische "Amazone" ihre Lustreisen begann,
begrüßten alle guten Patrioten sie freudig als den Anfang einer deut-
schen Seemacht. Freilich nur als einen schwachen Anfang; indeß wenn
die preußische Regierung seitdem nur die zwei bis drei Millionen Thaler
die sie so unnütz in die Spree geworfen hat um die Fundamente eines
nie zu vollendenden Doms herzustellen, und die ebenso vielen Millionen
die sie für überflüssige Uniformirungsexperimente an ihrem Heer un-
nütz verausgabt hat auf den Bau von Kriegsschiffen verwendet hätte,
so könnte sie jetzt einige Fregatten und Corvetten zwischen fünfzig und
zwanzig Geschützen, einige Dampfboote mit schweren Paixhans und
einige Duzend Kanonenboote für jenes Geld besitzen: gerade genug um
die deutschen Herzogthümer vor den Gefahren zu schützen die ihnen in
diesem Augenblick drohen. Denn der Tag ist nahe wo zum erstenmal
seit Jahrhunderten wieder deutsche Geschütze auf den Wassern der Ostsee
erkrachen werden. Dänemark rüstet Schiffe um Kiel zu bedrohen, um
die Freischaaren die es gegen das Herzogthum Schleswig loszulassen im
Begriff steht von der Seeseite zu unterstützen. Hätte Preußen nur zwei-
hundert Geschütze schwimmend, so könnte es durch Eine diplomatische
Note diese ganze Gefahr abwenden.

Besser wäre besser; indeß können wir im schlimmsten Fall uns auch
ohne preußische Kriegsschiffe des Dänen erwehren. Nur dürfen die
Herzogthümer nicht säumen sich zu rüsten, das übrige
Deutschland darf nicht säumen ihnen beizustehen.
Zum Krieg
bedarf es vor allem Geld und Waffen. Daher ist das erste: Geld-
beiträge, aber in großen Summen, nach Schleswig-Holstein; das zweite
sind Waffen. Schweres Geschütz und Flinten können Rendsburg, Ham-
burg und Lübeck liefern. Man errichte schleunig Batterien am Eingang
des Kieler und des Flensburger Hafens. Dann müssen von den größern
Seeschiffen Flensburgs, Apenrade's, Kiels so viele bewaffnet werden wie
eben da sind; die dritte Wehr sind die Brander nach dem Vorgange der
Griechen. Dazu soll das Geld aus dem übrigen Deutschland dienen die
Schiffseigenthümer zu entschädigen und die Brander zu rüsten. Bei der
jetzigen Schnelligkeit der Verbindungen kann man, wenn man nur will und
rasch handelt, in weniger als vier Wochen ein Duzend erfahrene Brander-
capitäne aus Griechenland kommen lassen; und früher sind auch die
dänischen Schiffe nicht bereit in See zu stechen. Die dänische Marine
zehrt von den Erinnerungen vergangener Zeiten; die Officiere sind trotz
aller ihrer theoretischen Bildung, ohne praktische Uebung, ohne Kriegs-
erfahrung; die Nordalbingischen Handelscapitäne sind ihnen im prakti-
schen Seewesen, im Manövriren, ebenso weit überlegen wie die Grie-
chen den Türken.

So läßt sich, wenn es wirklich, wie es jetzt unvermeidlich scheint,
zum Kriege kommt, der Gefahr zur See mit Erfolg begegnen. Zu
Lande aber ist den Schleswig-Holsteinern der Sieg gewiß. Wenn sie
nur 20 bis 30,000 Mann auf die Beine bringen, wenn ihnen 10 bis
20,000 andere Deutsche zu Hülfe ziehen, und sie mit dieser Macht das
offene Jütland überschwemmen und besetzen: so ist das weiland Kö-
nigreich Dänemark aufgelöst und die gesammte cimbrische Halbinsel gibt
einen hübschen Zuwachs Deutschlands, bis die hülflos gebliebenen
Inseln freiwillig sich zum Anschlusse bequemen. Der ganze Krieg
kann vor der Ernte entschieden seyn und muß es, denn die Zeit schreitet
schnell, und wer die Gelegenheit nicht beim Schopfe faßt, dem ent-
geht sie.



Die neue Zeit in Deutschland.
IV. Hegemonie oder Republik?

Es ist ein altes Sprüchwort: man soll das Bärenfell nicht ver-
kaufen, als bis man den Bären geschossen. Hier preisen einige vor-
eilige Menschen die Republik an, dort wollen sich einige furchtsame
Gemüther rasch und ohne viel Umschauens unter den Schirm des
preußischen Adlers flüchten, beide ohne zu bedenken, daß das Erste
[Spaltenumbruch] was Deutschland noth thut, eine Bundesmacht ist, und daß erst wenn
man die Grundlage dieser Macht gegründet, davon die Rede seyn
kann wem man sie übertragen soll. Preußen selbst will, ehe es
auch nur seine Stände ruft,*) einen Fürstentag in Dresden versammeln,
ein höchst unglücklicher Gedanke, denn da die möglichen Ergebnisse
desselben nur geheimer Art seyn können, so ist die natürliche Folge
daß das Mißtrauen erwacht, und daß man einen neuen Congreß
von Pillnitz darin sehen wird, auf welchem Plane geschmiedet wür-
den, um das frisch Errungene der Nation durch allerlei geheime
Mittel wieder zu entreißen. Wohl bemerkt, wir sagen nicht, daß
letzteres beabsichtigt wird, aber das öffentliche Mißtrauen wird es
argwöhnen, und darum ist eine solche Versammlung zu vermeiden,
denn sie kann nur Uebel stiften und nichts erreichen, was man nicht
durch gewöhnliche Correspondenzen auch erreichen könnte. Man kann
unter den jetzigen Umständen die Regierungen nicht genug warnen
alles zu vermeiden was irgend Mißtrauen erwecken kann, denn der
öffentliche Geist ist unter Umständen, wie sie jetzt vorwalten, zum
Mißtrauen ganz besonders geneigt. Aus beinahe demselben Grunde
können wir auch von einem zweiten Schritt, Notabeln nach Frank-
furt zu berufen, und zwar einen auf jede der 17 Stimmen des en-
gern Raths der Bundesversammlung, nur so viel an uns ist ab-
rathen. Wer soll die Notabeln wählen? Wenn die Wahl der Bun-
destagsgesandten nicht allenthalben auf Männer von so anerkannter
Gesinnung fällt, wie Welcker und Uhland, auf Männer die ohne
sich zu entehren, gar nicht anders als im Geist der öffentlichen Mei-
nung handeln können, so wird das Mißtrauen sich auch an die Ferse
dieser Notabelnversammlung fesseln. Soll Vertrauen in einer Zeit
wie die jetzige gewonnen werden, so muß eine ziemlich zahlreiche Ver-
sammlung zusammentreten, und in wenigen allgemeinen Zügen die
Grundlage einer Bundesregierung entwerfen. Dann, aber auch dann
erst kann die Rede davon seyn ein Bundeshaupt zu wählen, das vor
seiner Einsetzung eine Wahlcapitulation unterzeichnet, die nicht mehr,
wie in den letzten Zeiten des deutschen Reichs, von den Fürsten allein,
sondern von den Vertretern des Volkes mit entworfen ist. Lauter
und lauter lassen sich Stimmen hören welche Preußens König zu
dieser Stellung berufen; es geht jetzt dieser Ruf von den Fürsten
aus, wie er vor siebzehn Jahren auch in Süddeutschland von einem
entschiedenen Manne des Volkes, an dessen redlichem Willen niemand
zweifeln kann, von Paul Pfizer ausgesprochen wurde. Die Nothwen-
digkeit ein starkes Oberhaupt zu haben führte vor 17 Jahren den
Mann des Volks, wie jetzt die Fürsten zu dem gleichen Schluß. Aber
manche Vordersätze sind nothwendig: Preußen stand seit geraumer
Zeit in allzu enger Verbindung mit Rußland, es hat noch vor weni-
gen Jahren trotz aller Abmahnungen und aller Bitten seiner Unter-
thanen den verhaßten Cartellvertrag erneuert, und sich damit zum
Helfershelfer der russischen Tyrannei erniedrigt; es hat in neuester
Zeit einigermaßen sich von Rußland getrennt, aber in demselben Au-
genblick mit England geliebäugelt, gleich als könne es ohne fremde
Stütze nicht leben; es hat mit Einem Wort, ohne auf die frühere
Zeit zurückzugehen, seit dreißig Jahren nie seinen Stützpunkt da ge-
sucht, wo er allein zu finden war, in Deutschland. Wir sagen dieß
nicht, um Preußen jetzt Feinde oder Gegner zu erwecken, sondern um
das tiefgewurzelte Mißtrauen zu erklären das in einem großen Theile
Deutschlands gegen die preußische Regierung vorwaltet.

Um dieß Mißtrauen zu bezwingen, gibt es nur Ein Mittel:
eine Nationalversammlung in Frankfurt muß die Bedingungen der
Bundesgewalt festsetzen, und erst wenn dieß geschehen ist, kann Preu-
ßen zum Bundeshaupt berufen werden. Jeder andere Weg wird
Schwierigkeiten in Menge herbeiführen, und Deutschlands Lage ist
nicht der Art daß wir muthwilliger Weise unsere Schwierigkeiten
noch vermehren sollten. Daß Preußen seine russischen Verbindungen
aufgibt, ist eine Sache, die sich dann erst, wenn mit der Mehr-
zahl eines deutschen Parlaments regiert werden muß, von selbst ver-
steht, und die man nicht mehr zur Bedingung zu machen braucht.
Aber Hand muß ans Werk gelegt werden, und zwar möglichst schnell;
die allgemeine Erhebung gegen den bisherigen, unleidlich gewordenen

*) Seitdem wurde der Vereinigte Landtag bekanntlich auf den 2 April berufen
Nr. 83.
[Spaltenumbruch]
Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
[Spaltenumbruch] 23 März 1848.


[Spaltenumbruch]
Deutſchlands Wehrloſigkeit zur See und die Lage Nord-
albingiens.

Seit Jahren iſt in der ge-
ſammten deutſchen Preſſe und vor allem in dieſen Blättern oft von
der Nothwendigkeit einer deutſchen Flotte die Rede geweſen. Als vor
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begrüßten alle guten Patrioten ſie freudig als den Anfang einer deut-
ſchen Seemacht. Freilich nur als einen ſchwachen Anfang; indeß wenn
die preußiſche Regierung ſeitdem nur die zwei bis drei Millionen Thaler
die ſie ſo unnütz in die Spree geworfen hat um die Fundamente eines
nie zu vollendenden Doms herzuſtellen, und die ebenſo vielen Millionen
die ſie für überflüſſige Uniformirungsexperimente an ihrem Heer un-
nütz verausgabt hat auf den Bau von Kriegsſchiffen verwendet hätte,
ſo könnte ſie jetzt einige Fregatten und Corvetten zwiſchen fünfzig und
zwanzig Geſchützen, einige Dampfboote mit ſchweren Paixhans und
einige Duzend Kanonenboote für jenes Geld beſitzen: gerade genug um
die deutſchen Herzogthümer vor den Gefahren zu ſchützen die ihnen in
dieſem Augenblick drohen. Denn der Tag iſt nahe wo zum erſtenmal
ſeit Jahrhunderten wieder deutſche Geſchütze auf den Waſſern der Oſtſee
erkrachen werden. Dänemark rüſtet Schiffe um Kiel zu bedrohen, um
die Freiſchaaren die es gegen das Herzogthum Schleswig loszulaſſen im
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hundert Geſchütze ſchwimmend, ſo könnte es durch Eine diplomatiſche
Note dieſe ganze Gefahr abwenden.

Beſſer wäre beſſer; indeß können wir im ſchlimmſten Fall uns auch
ohne preußiſche Kriegsſchiffe des Dänen erwehren. Nur dürfen die
Herzogthümer nicht ſäumen ſich zu rüſten, das übrige
Deutſchland darf nicht ſäumen ihnen beizuſtehen.
Zum Krieg
bedarf es vor allem Geld und Waffen. Daher iſt das erſte: Geld-
beiträge, aber in großen Summen, nach Schleswig-Holſtein; das zweite
ſind Waffen. Schweres Geſchütz und Flinten können Rendsburg, Ham-
burg und Lübeck liefern. Man errichte ſchleunig Batterien am Eingang
des Kieler und des Flensburger Hafens. Dann müſſen von den größern
Seeſchiffen Flensburgs, Apenrade’s, Kiels ſo viele bewaffnet werden wie
eben da ſind; die dritte Wehr ſind die Brander nach dem Vorgange der
Griechen. Dazu ſoll das Geld aus dem übrigen Deutſchland dienen die
Schiffseigenthümer zu entſchädigen und die Brander zu rüſten. Bei der
jetzigen Schnelligkeit der Verbindungen kann man, wenn man nur will und
raſch handelt, in weniger als vier Wochen ein Duzend erfahrene Brander-
capitäne aus Griechenland kommen laſſen; und früher ſind auch die
däniſchen Schiffe nicht bereit in See zu ſtechen. Die däniſche Marine
zehrt von den Erinnerungen vergangener Zeiten; die Officiere ſind trotz
aller ihrer theoretiſchen Bildung, ohne praktiſche Uebung, ohne Kriegs-
erfahrung; die Nordalbingiſchen Handelscapitäne ſind ihnen im prakti-
ſchen Seeweſen, im Manövriren, ebenſo weit überlegen wie die Grie-
chen den Türken.

So läßt ſich, wenn es wirklich, wie es jetzt unvermeidlich ſcheint,
zum Kriege kommt, der Gefahr zur See mit Erfolg begegnen. Zu
Lande aber iſt den Schleswig-Holſteinern der Sieg gewiß. Wenn ſie
nur 20 bis 30,000 Mann auf die Beine bringen, wenn ihnen 10 bis
20,000 andere Deutſche zu Hülfe ziehen, und ſie mit dieſer Macht das
offene Jütland überſchwemmen und beſetzen: ſo iſt das weiland Kö-
nigreich Dänemark aufgelöst und die geſammte cimbriſche Halbinſel gibt
einen hübſchen Zuwachs Deutſchlands, bis die hülflos gebliebenen
Inſeln freiwillig ſich zum Anſchluſſe bequemen. Der ganze Krieg
kann vor der Ernte entſchieden ſeyn und muß es, denn die Zeit ſchreitet
ſchnell, und wer die Gelegenheit nicht beim Schopfe faßt, dem ent-
geht ſie.



Die neue Zeit in Deutſchland.
IV. Hegemonie oder Republik?

Es iſt ein altes Sprüchwort: man ſoll das Bärenfell nicht ver-
kaufen, als bis man den Bären geſchoſſen. Hier preiſen einige vor-
eilige Menſchen die Republik an, dort wollen ſich einige furchtſame
Gemüther raſch und ohne viel Umſchauens unter den Schirm des
preußiſchen Adlers flüchten, beide ohne zu bedenken, daß das Erſte
[Spaltenumbruch] was Deutſchland noth thut, eine Bundesmacht iſt, und daß erſt wenn
man die Grundlage dieſer Macht gegründet, davon die Rede ſeyn
kann wem man ſie übertragen ſoll. Preußen ſelbſt will, ehe es
auch nur ſeine Stände ruft,*) einen Fürſtentag in Dresden verſammeln,
ein höchſt unglücklicher Gedanke, denn da die möglichen Ergebniſſe
desſelben nur geheimer Art ſeyn können, ſo iſt die natürliche Folge
daß das Mißtrauen erwacht, und daß man einen neuen Congreß
von Pillnitz darin ſehen wird, auf welchem Plane geſchmiedet wür-
den, um das friſch Errungene der Nation durch allerlei geheime
Mittel wieder zu entreißen. Wohl bemerkt, wir ſagen nicht, daß
letzteres beabſichtigt wird, aber das öffentliche Mißtrauen wird es
argwöhnen, und darum iſt eine ſolche Verſammlung zu vermeiden,
denn ſie kann nur Uebel ſtiften und nichts erreichen, was man nicht
durch gewöhnliche Correſpondenzen auch erreichen könnte. Man kann
unter den jetzigen Umſtänden die Regierungen nicht genug warnen
alles zu vermeiden was irgend Mißtrauen erwecken kann, denn der
öffentliche Geiſt iſt unter Umſtänden, wie ſie jetzt vorwalten, zum
Mißtrauen ganz beſonders geneigt. Aus beinahe demſelben Grunde
können wir auch von einem zweiten Schritt, Notabeln nach Frank-
furt zu berufen, und zwar einen auf jede der 17 Stimmen des en-
gern Raths der Bundesverſammlung, nur ſo viel an uns iſt ab-
rathen. Wer ſoll die Notabeln wählen? Wenn die Wahl der Bun-
destagsgeſandten nicht allenthalben auf Männer von ſo anerkannter
Geſinnung fällt, wie Welcker und Uhland, auf Männer die ohne
ſich zu entehren, gar nicht anders als im Geiſt der öffentlichen Mei-
nung handeln können, ſo wird das Mißtrauen ſich auch an die Ferſe
dieſer Notabelnverſammlung feſſeln. Soll Vertrauen in einer Zeit
wie die jetzige gewonnen werden, ſo muß eine ziemlich zahlreiche Ver-
ſammlung zuſammentreten, und in wenigen allgemeinen Zügen die
Grundlage einer Bundesregierung entwerfen. Dann, aber auch dann
erſt kann die Rede davon ſeyn ein Bundeshaupt zu wählen, das vor
ſeiner Einſetzung eine Wahlcapitulation unterzeichnet, die nicht mehr,
wie in den letzten Zeiten des deutſchen Reichs, von den Fürſten allein,
ſondern von den Vertretern des Volkes mit entworfen iſt. Lauter
und lauter laſſen ſich Stimmen hören welche Preußens König zu
dieſer Stellung berufen; es geht jetzt dieſer Ruf von den Fürſten
aus, wie er vor ſiebzehn Jahren auch in Süddeutſchland von einem
entſchiedenen Manne des Volkes, an deſſen redlichem Willen niemand
zweifeln kann, von Paul Pfizer ausgeſprochen wurde. Die Nothwen-
digkeit ein ſtarkes Oberhaupt zu haben führte vor 17 Jahren den
Mann des Volks, wie jetzt die Fürſten zu dem gleichen Schluß. Aber
manche Vorderſätze ſind nothwendig: Preußen ſtand ſeit geraumer
Zeit in allzu enger Verbindung mit Rußland, es hat noch vor weni-
gen Jahren trotz aller Abmahnungen und aller Bitten ſeiner Unter-
thanen den verhaßten Cartellvertrag erneuert, und ſich damit zum
Helfershelfer der ruſſiſchen Tyrannei erniedrigt; es hat in neueſter
Zeit einigermaßen ſich von Rußland getrennt, aber in demſelben Au-
genblick mit England geliebäugelt, gleich als könne es ohne fremde
Stütze nicht leben; es hat mit Einem Wort, ohne auf die frühere
Zeit zurückzugehen, ſeit dreißig Jahren nie ſeinen Stützpunkt da ge-
ſucht, wo er allein zu finden war, in Deutſchland. Wir ſagen dieß
nicht, um Preußen jetzt Feinde oder Gegner zu erwecken, ſondern um
das tiefgewurzelte Mißtrauen zu erklären das in einem großen Theile
Deutſchlands gegen die preußiſche Regierung vorwaltet.

Um dieß Mißtrauen zu bezwingen, gibt es nur Ein Mittel:
eine Nationalverſammlung in Frankfurt muß die Bedingungen der
Bundesgewalt feſtſetzen, und erſt wenn dieß geſchehen iſt, kann Preu-
ßen zum Bundeshaupt berufen werden. Jeder andere Weg wird
Schwierigkeiten in Menge herbeiführen, und Deutſchlands Lage iſt
nicht der Art daß wir muthwilliger Weiſe unſere Schwierigkeiten
noch vermehren ſollten. Daß Preußen ſeine ruſſiſchen Verbindungen
aufgibt, iſt eine Sache, die ſich dann erſt, wenn mit der Mehr-
zahl eines deutſchen Parlaments regiert werden muß, von ſelbſt ver-
ſteht, und die man nicht mehr zur Bedingung zu machen braucht.
Aber Hand muß ans Werk gelegt werden, und zwar möglichſt ſchnell;
die allgemeine Erhebung gegen den bisherigen, unleidlich gewordenen

*) Seitdem wurde der Vereinigte Landtag bekanntlich auf den 2 April berufen
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[0009] Nr. 83. Beilage zur Allgemeinen Zeitung. 23 März 1848. Deutſchlands Wehrloſigkeit zur See und die Lage Nord- albingiens. * Von der Elbe, 18 März.Seit Jahren iſt in der ge- ſammten deutſchen Preſſe und vor allem in dieſen Blättern oft von der Nothwendigkeit einer deutſchen Flotte die Rede geweſen. Als vor vier oder fünf Jahren die preußiſche „Amazone“ ihre Luſtreiſen begann, begrüßten alle guten Patrioten ſie freudig als den Anfang einer deut- ſchen Seemacht. Freilich nur als einen ſchwachen Anfang; indeß wenn die preußiſche Regierung ſeitdem nur die zwei bis drei Millionen Thaler die ſie ſo unnütz in die Spree geworfen hat um die Fundamente eines nie zu vollendenden Doms herzuſtellen, und die ebenſo vielen Millionen die ſie für überflüſſige Uniformirungsexperimente an ihrem Heer un- nütz verausgabt hat auf den Bau von Kriegsſchiffen verwendet hätte, ſo könnte ſie jetzt einige Fregatten und Corvetten zwiſchen fünfzig und zwanzig Geſchützen, einige Dampfboote mit ſchweren Paixhans und einige Duzend Kanonenboote für jenes Geld beſitzen: gerade genug um die deutſchen Herzogthümer vor den Gefahren zu ſchützen die ihnen in dieſem Augenblick drohen. Denn der Tag iſt nahe wo zum erſtenmal ſeit Jahrhunderten wieder deutſche Geſchütze auf den Waſſern der Oſtſee erkrachen werden. Dänemark rüſtet Schiffe um Kiel zu bedrohen, um die Freiſchaaren die es gegen das Herzogthum Schleswig loszulaſſen im Begriff ſteht von der Seeſeite zu unterſtützen. Hätte Preußen nur zwei- hundert Geſchütze ſchwimmend, ſo könnte es durch Eine diplomatiſche Note dieſe ganze Gefahr abwenden. Beſſer wäre beſſer; indeß können wir im ſchlimmſten Fall uns auch ohne preußiſche Kriegsſchiffe des Dänen erwehren. Nur dürfen die Herzogthümer nicht ſäumen ſich zu rüſten, das übrige Deutſchland darf nicht ſäumen ihnen beizuſtehen. Zum Krieg bedarf es vor allem Geld und Waffen. Daher iſt das erſte: Geld- beiträge, aber in großen Summen, nach Schleswig-Holſtein; das zweite ſind Waffen. Schweres Geſchütz und Flinten können Rendsburg, Ham- burg und Lübeck liefern. Man errichte ſchleunig Batterien am Eingang des Kieler und des Flensburger Hafens. Dann müſſen von den größern Seeſchiffen Flensburgs, Apenrade’s, Kiels ſo viele bewaffnet werden wie eben da ſind; die dritte Wehr ſind die Brander nach dem Vorgange der Griechen. Dazu ſoll das Geld aus dem übrigen Deutſchland dienen die Schiffseigenthümer zu entſchädigen und die Brander zu rüſten. Bei der jetzigen Schnelligkeit der Verbindungen kann man, wenn man nur will und raſch handelt, in weniger als vier Wochen ein Duzend erfahrene Brander- capitäne aus Griechenland kommen laſſen; und früher ſind auch die däniſchen Schiffe nicht bereit in See zu ſtechen. Die däniſche Marine zehrt von den Erinnerungen vergangener Zeiten; die Officiere ſind trotz aller ihrer theoretiſchen Bildung, ohne praktiſche Uebung, ohne Kriegs- erfahrung; die Nordalbingiſchen Handelscapitäne ſind ihnen im prakti- ſchen Seeweſen, im Manövriren, ebenſo weit überlegen wie die Grie- chen den Türken. So läßt ſich, wenn es wirklich, wie es jetzt unvermeidlich ſcheint, zum Kriege kommt, der Gefahr zur See mit Erfolg begegnen. Zu Lande aber iſt den Schleswig-Holſteinern der Sieg gewiß. Wenn ſie nur 20 bis 30,000 Mann auf die Beine bringen, wenn ihnen 10 bis 20,000 andere Deutſche zu Hülfe ziehen, und ſie mit dieſer Macht das offene Jütland überſchwemmen und beſetzen: ſo iſt das weiland Kö- nigreich Dänemark aufgelöst und die geſammte cimbriſche Halbinſel gibt einen hübſchen Zuwachs Deutſchlands, bis die hülflos gebliebenen Inſeln freiwillig ſich zum Anſchluſſe bequemen. Der ganze Krieg kann vor der Ernte entſchieden ſeyn und muß es, denn die Zeit ſchreitet ſchnell, und wer die Gelegenheit nicht beim Schopfe faßt, dem ent- geht ſie. Die neue Zeit in Deutſchland. IV. Hegemonie oder Republik? Es iſt ein altes Sprüchwort: man ſoll das Bärenfell nicht ver- kaufen, als bis man den Bären geſchoſſen. Hier preiſen einige vor- eilige Menſchen die Republik an, dort wollen ſich einige furchtſame Gemüther raſch und ohne viel Umſchauens unter den Schirm des preußiſchen Adlers flüchten, beide ohne zu bedenken, daß das Erſte was Deutſchland noth thut, eine Bundesmacht iſt, und daß erſt wenn man die Grundlage dieſer Macht gegründet, davon die Rede ſeyn kann wem man ſie übertragen ſoll. Preußen ſelbſt will, ehe es auch nur ſeine Stände ruft, *) einen Fürſtentag in Dresden verſammeln, ein höchſt unglücklicher Gedanke, denn da die möglichen Ergebniſſe desſelben nur geheimer Art ſeyn können, ſo iſt die natürliche Folge daß das Mißtrauen erwacht, und daß man einen neuen Congreß von Pillnitz darin ſehen wird, auf welchem Plane geſchmiedet wür- den, um das friſch Errungene der Nation durch allerlei geheime Mittel wieder zu entreißen. Wohl bemerkt, wir ſagen nicht, daß letzteres beabſichtigt wird, aber das öffentliche Mißtrauen wird es argwöhnen, und darum iſt eine ſolche Verſammlung zu vermeiden, denn ſie kann nur Uebel ſtiften und nichts erreichen, was man nicht durch gewöhnliche Correſpondenzen auch erreichen könnte. Man kann unter den jetzigen Umſtänden die Regierungen nicht genug warnen alles zu vermeiden was irgend Mißtrauen erwecken kann, denn der öffentliche Geiſt iſt unter Umſtänden, wie ſie jetzt vorwalten, zum Mißtrauen ganz beſonders geneigt. Aus beinahe demſelben Grunde können wir auch von einem zweiten Schritt, Notabeln nach Frank- furt zu berufen, und zwar einen auf jede der 17 Stimmen des en- gern Raths der Bundesverſammlung, nur ſo viel an uns iſt ab- rathen. Wer ſoll die Notabeln wählen? Wenn die Wahl der Bun- destagsgeſandten nicht allenthalben auf Männer von ſo anerkannter Geſinnung fällt, wie Welcker und Uhland, auf Männer die ohne ſich zu entehren, gar nicht anders als im Geiſt der öffentlichen Mei- nung handeln können, ſo wird das Mißtrauen ſich auch an die Ferſe dieſer Notabelnverſammlung feſſeln. Soll Vertrauen in einer Zeit wie die jetzige gewonnen werden, ſo muß eine ziemlich zahlreiche Ver- ſammlung zuſammentreten, und in wenigen allgemeinen Zügen die Grundlage einer Bundesregierung entwerfen. Dann, aber auch dann erſt kann die Rede davon ſeyn ein Bundeshaupt zu wählen, das vor ſeiner Einſetzung eine Wahlcapitulation unterzeichnet, die nicht mehr, wie in den letzten Zeiten des deutſchen Reichs, von den Fürſten allein, ſondern von den Vertretern des Volkes mit entworfen iſt. Lauter und lauter laſſen ſich Stimmen hören welche Preußens König zu dieſer Stellung berufen; es geht jetzt dieſer Ruf von den Fürſten aus, wie er vor ſiebzehn Jahren auch in Süddeutſchland von einem entſchiedenen Manne des Volkes, an deſſen redlichem Willen niemand zweifeln kann, von Paul Pfizer ausgeſprochen wurde. Die Nothwen- digkeit ein ſtarkes Oberhaupt zu haben führte vor 17 Jahren den Mann des Volks, wie jetzt die Fürſten zu dem gleichen Schluß. Aber manche Vorderſätze ſind nothwendig: Preußen ſtand ſeit geraumer Zeit in allzu enger Verbindung mit Rußland, es hat noch vor weni- gen Jahren trotz aller Abmahnungen und aller Bitten ſeiner Unter- thanen den verhaßten Cartellvertrag erneuert, und ſich damit zum Helfershelfer der ruſſiſchen Tyrannei erniedrigt; es hat in neueſter Zeit einigermaßen ſich von Rußland getrennt, aber in demſelben Au- genblick mit England geliebäugelt, gleich als könne es ohne fremde Stütze nicht leben; es hat mit Einem Wort, ohne auf die frühere Zeit zurückzugehen, ſeit dreißig Jahren nie ſeinen Stützpunkt da ge- ſucht, wo er allein zu finden war, in Deutſchland. Wir ſagen dieß nicht, um Preußen jetzt Feinde oder Gegner zu erwecken, ſondern um das tiefgewurzelte Mißtrauen zu erklären das in einem großen Theile Deutſchlands gegen die preußiſche Regierung vorwaltet. Um dieß Mißtrauen zu bezwingen, gibt es nur Ein Mittel: eine Nationalverſammlung in Frankfurt muß die Bedingungen der Bundesgewalt feſtſetzen, und erſt wenn dieß geſchehen iſt, kann Preu- ßen zum Bundeshaupt berufen werden. Jeder andere Weg wird Schwierigkeiten in Menge herbeiführen, und Deutſchlands Lage iſt nicht der Art daß wir muthwilliger Weiſe unſere Schwierigkeiten noch vermehren ſollten. Daß Preußen ſeine ruſſiſchen Verbindungen aufgibt, iſt eine Sache, die ſich dann erſt, wenn mit der Mehr- zahl eines deutſchen Parlaments regiert werden muß, von ſelbſt ver- ſteht, und die man nicht mehr zur Bedingung zu machen braucht. Aber Hand muß ans Werk gelegt werden, und zwar möglichſt ſchnell; die allgemeine Erhebung gegen den bisherigen, unleidlich gewordenen *) Seitdem wurde der Vereinigte Landtag bekanntlich auf den 2 April berufen

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 83, 23. März 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine83_1848/9>, abgerufen am 22.11.2024.