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Allgemeine Zeitung, Nr. 83, 23. März 1848.

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[Spaltenumbruch] vom 23 Februar vergleichen, um -- wenn man konnte -- die Schauer
und den Schreck zu überwinden. Lauter wohlgekleidete, anständige
Leute, die auch ihrerseits Revolution spielen wollten. Wollt Ihr auch
eine Republik? fragte ich den Cameriere des Restaurants, der uns an
das Fenster rief den Aufzug mit anzusehen: "Wir!" er schüttelte freund-
lich den Kopf. "Wir, Signor, haben ja einen guten Papst der uns
alles gibt was wir wünschen. Er hat uns eine Civica gegeben, und das
übrige auch; was brauchen wir noch eine Republik!"

Abends. Der Carneval tobt, mit unheimlicher Heftigkeit, nicht
mit der heitern Lust von sonst. Wie sollte es auch anders seyn, wo man
noch bei solchem Gewitter draußen spielen kann! Man wirft sich die
Blumensträuße wie Geschosse an den Kopf. Die Piushymne summt wie
ein tyrtäus'scher Kriegsgesang. All' armi! All' armi! tönt es durch das
Gekicher, die päpstlichen Musketiere, und noch mehr die Gendarmen
werden angejauchzt, mit Blumen beworfen, wenn sie vorübersprengen,
zum erstenmal päpstliche Soldaten vom Volke bewillkommt, weil sie --
Waffen in der Hand haben. Mit den Confetti und Blumensträußen wird
ein Schreckensgerücht nach dem andern sich zugestreut: Karl Albert mar-
schirt mit 60,000 Mann nach der lombardischen Gränze -- Preußen läßt
ein Armeecorps nach Böhmen rücken um den Oesterreichern beizustehen
-- in Neapel eine neue Revolution: der König, dessen geheime Cor-
respondenz mit Ludwig Philipp man aufgefangen, ist abgesetzt und ent-
flohen -- es gährt in der Bevölkerung gegen die Fremden, morgen in
der Moccolinacht wird es ein Blutbat geben, die Namen aller Deutschen
sind notirt, eine sicilische Vesper steht vor der Thür. Ob man das alles
glaubt, ich weiß es nicht, aber der Schreck ist ansteckend; und wer darf
das Unglaubliche für unmöglich erklären, wo die Pariser Ereignisse ein-
getreten sind? Heute Morgen haben 300, nach andern 600 Fremde ihre
Pässe gefordert. Aus Furcht? Gestern im Caffe Belle Arti trat ein
piemontesischer Geistlicher auf die Bänke, und improvisirte ein patrioti-
sches Gedicht. Pio IX der Kern, fromm, religiös, blutig: fuori i Tedes-
chi!
der Refrain. Alles jubelte. Da erhob sich eine Stimme: "Wohl-
verstanden, unter den Tedeschi nur die Austriaci!" Allgemeine Beistim-
mung. Noch ein Amendement: doch nur die nicht liberalgesinnten
Austriaci. Auch dieß wird einstimmig angenommen.

Später. Und der Carneval tobte fort, für mich und andere
Fremde mit empörender Lustigkeit. Die Blumensträuße erschienen
mir wie bluttriefende Herzen, die man sich zuschleudert. Nicht Fremde
allein, auch Italiener grollen. Zwar aus sehr verschiedenen Gründen.
[Spaltenumbruch] Eine Partei manifestirt sich welche den Carneval überhaupt für ein
barbarisches Vergnügen, unpassend für die italienische Gesittung erklärt.
Empörender in einem Augenblick wo "die lombardischen Brüder blute-
ten." Andere werfen der Regierung geradezu vor daß sie den Carneval
so illustrire um die Römer von ernsten, heiligen Gedanken abzuhalten.
Noch andere lassen ihn durch österreichisches Geld (!), die gewöhnliche
Phrase, so brillant erscheinen! Im allgemeinen spricht sich der Gedanke
aus: es ist unwürdig Italiens daß der Fremde des Carnevals wegen
nach Rom kommt; dieser Ruf, daß wir nur da sind um den Fremden
tolle Faxen vorzumachen, stellt uns dem Thiere nahe. In diesem Sinne
werden Schriftchen, Gedichte mit den Blumen in die Wagen und Fen-
ster geworfen. Man ist unwillig daß auch Civicisten sich in den Reihen
der Faschingstumultuanten zeigten (ich habe keine gesehen); dieß dürfe,
aus Respect vor dem Vaterlande, so wenig geschehen als aus gerechter
Achtung vor der Religion sich Masken mit geistlichen Attributen zeigen
dürften.

Unterschriften werden gesammelt den Papst um Beschleunigung der
Constitution zu bitten. Andere sehen in diesen Unterschriften eine Sub-
scription zur Ermordung aller Deutschen. Eben wird ein Anschlag des
Senats bekannt, eine Ermahnung an die Römer ruhig zu seyn, und
zugleich eine Aufforderung an Pius mit der Constitution zu eilen, und
sie den Bedürfnissen der Zeit anzupassen.

7 Morgens. -- Die Nacht verging ruhig. Die heutige Moccoli-
nacht ist verboten. Weßhalb? Um den Anlaß zu einer steilianischen
Vesper gegen die Deutschen zu vermeiden? Oder weil die Bourgoisie
des Corso die brennenden Lichter in den Händen brennender Gemü-
ther fürchtet? Heimliche Druckschriften die ausgetheilt werden billi-
gen das Verbot aus den obigen Gründen. Dennoch steht man einem
bewegten Schluß des Carnevals entgegen. Es ist eine größere Zahl
Civicisten consignirt. -- Ernstlich, höre ich eben, sey von einer ge-
wissen kleinen Zahl Unruhiger eine Demonstration gegen die Deut-
schen beschlossen gewesen, aber man werde es zu hintertreiben wissen.
Ja sogar -- es habe gestern ein Anfall gegen zwei Preußen statt-
gefunden die man für Oesterreicher gehalten, weil sie für Oesterreich
gesprochen. Sie seyen leicht verwundet worden!? -- Der Brief muß
zur Post wenn ich sie noch offen finde. Aber eben höre ich noch daß
die Constitution am Freitag publicirt wird. Die Gerüchte von gestern
über Sardinien und Sicilien haben sich sämmtlich als leere Schreckschüsse
und glücklicherweise bewährt.

[irrelevantes Material]

[Spaltenumbruch] vom 23 Februar vergleichen, um — wenn man konnte — die Schauer
und den Schreck zu überwinden. Lauter wohlgekleidete, anſtändige
Leute, die auch ihrerſeits Revolution ſpielen wollten. Wollt Ihr auch
eine Republik? fragte ich den Cameriere des Reſtaurants, der uns an
das Fenſter rief den Aufzug mit anzuſehen: „Wir!“ er ſchüttelte freund-
lich den Kopf. „Wir, Signor, haben ja einen guten Papſt der uns
alles gibt was wir wünſchen. Er hat uns eine Civica gegeben, und das
übrige auch; was brauchen wir noch eine Republik!“

Abends. Der Carneval tobt, mit unheimlicher Heftigkeit, nicht
mit der heitern Luſt von ſonſt. Wie ſollte es auch anders ſeyn, wo man
noch bei ſolchem Gewitter draußen ſpielen kann! Man wirft ſich die
Blumenſträuße wie Geſchoſſe an den Kopf. Die Piushymne ſummt wie
ein tyrtäus’ſcher Kriegsgeſang. All’ armi! All’ armi! tönt es durch das
Gekicher, die päpſtlichen Musketiere, und noch mehr die Gendarmen
werden angejauchzt, mit Blumen beworfen, wenn ſie vorüberſprengen,
zum erſtenmal päpſtliche Soldaten vom Volke bewillkommt, weil ſie —
Waffen in der Hand haben. Mit den Confetti und Blumenſträußen wird
ein Schreckensgerücht nach dem andern ſich zugeſtreut: Karl Albert mar-
ſchirt mit 60,000 Mann nach der lombardiſchen Gränze — Preußen läßt
ein Armeecorps nach Böhmen rücken um den Oeſterreichern beizuſtehen
— in Neapel eine neue Revolution: der König, deſſen geheime Cor-
reſpondenz mit Ludwig Philipp man aufgefangen, iſt abgeſetzt und ent-
flohen — es gährt in der Bevölkerung gegen die Fremden, morgen in
der Moccolinacht wird es ein Blutbat geben, die Namen aller Deutſchen
ſind notirt, eine ſiciliſche Veſper ſteht vor der Thür. Ob man das alles
glaubt, ich weiß es nicht, aber der Schreck iſt anſteckend; und wer darf
das Unglaubliche für unmöglich erklären, wo die Pariſer Ereigniſſe ein-
getreten ſind? Heute Morgen haben 300, nach andern 600 Fremde ihre
Päſſe gefordert. Aus Furcht? Geſtern im Caffe Belle Arti trat ein
piemonteſiſcher Geiſtlicher auf die Bänke, und improviſirte ein patrioti-
ſches Gedicht. Pio IX der Kern, fromm, religiös, blutig: fuori i Tedes-
chi!
der Refrain. Alles jubelte. Da erhob ſich eine Stimme: „Wohl-
verſtanden, unter den Tedeschi nur die Auſtriaci!“ Allgemeine Beiſtim-
mung. Noch ein Amendement: doch nur die nicht liberalgeſinnten
Auſtriaci. Auch dieß wird einſtimmig angenommen.

Später. Und der Carneval tobte fort, für mich und andere
Fremde mit empörender Luſtigkeit. Die Blumenſträuße erſchienen
mir wie bluttriefende Herzen, die man ſich zuſchleudert. Nicht Fremde
allein, auch Italiener grollen. Zwar aus ſehr verſchiedenen Gründen.
[Spaltenumbruch] Eine Partei manifeſtirt ſich welche den Carneval überhaupt für ein
barbariſches Vergnügen, unpaſſend für die italieniſche Geſittung erklärt.
Empörender in einem Augenblick wo „die lombardiſchen Brüder blute-
ten.“ Andere werfen der Regierung geradezu vor daß ſie den Carneval
ſo illuſtrire um die Römer von ernſten, heiligen Gedanken abzuhalten.
Noch andere laſſen ihn durch öſterreichiſches Geld (!), die gewöhnliche
Phraſe, ſo brillant erſcheinen! Im allgemeinen ſpricht ſich der Gedanke
aus: es iſt unwürdig Italiens daß der Fremde des Carnevals wegen
nach Rom kommt; dieſer Ruf, daß wir nur da ſind um den Fremden
tolle Faxen vorzumachen, ſtellt uns dem Thiere nahe. In dieſem Sinne
werden Schriftchen, Gedichte mit den Blumen in die Wagen und Fen-
ſter geworfen. Man iſt unwillig daß auch Civiciſten ſich in den Reihen
der Faſchingstumultuanten zeigten (ich habe keine geſehen); dieß dürfe,
aus Reſpect vor dem Vaterlande, ſo wenig geſchehen als aus gerechter
Achtung vor der Religion ſich Masken mit geiſtlichen Attributen zeigen
dürften.

Unterſchriften werden geſammelt den Papſt um Beſchleunigung der
Conſtitution zu bitten. Andere ſehen in dieſen Unterſchriften eine Sub-
ſcription zur Ermordung aller Deutſchen. Eben wird ein Anſchlag des
Senats bekannt, eine Ermahnung an die Römer ruhig zu ſeyn, und
zugleich eine Aufforderung an Pius mit der Conſtitution zu eilen, und
ſie den Bedürfniſſen der Zeit anzupaſſen.

7 Morgens. — Die Nacht verging ruhig. Die heutige Moccoli-
nacht iſt verboten. Weßhalb? Um den Anlaß zu einer ſteilianiſchen
Veſper gegen die Deutſchen zu vermeiden? Oder weil die Bourgoiſie
des Corſo die brennenden Lichter in den Händen brennender Gemü-
ther fürchtet? Heimliche Druckſchriften die ausgetheilt werden billi-
gen das Verbot aus den obigen Gründen. Dennoch ſteht man einem
bewegten Schluß des Carnevals entgegen. Es iſt eine größere Zahl
Civiciſten conſignirt. — Ernſtlich, höre ich eben, ſey von einer ge-
wiſſen kleinen Zahl Unruhiger eine Demonſtration gegen die Deut-
ſchen beſchloſſen geweſen, aber man werde es zu hintertreiben wiſſen.
Ja ſogar — es habe geſtern ein Anfall gegen zwei Preußen ſtatt-
gefunden die man für Oeſterreicher gehalten, weil ſie für Oeſterreich
geſprochen. Sie ſeyen leicht verwundet worden!? — Der Brief muß
zur Poſt wenn ich ſie noch offen finde. Aber eben höre ich noch daß
die Conſtitution am Freitag publicirt wird. Die Gerüchte von geſtern
über Sardinien und Sicilien haben ſich ſämmtlich als leere Schreckſchüſſe
und glücklicherweiſe bewährt.

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[1326/0014] vom 23 Februar vergleichen, um — wenn man konnte — die Schauer und den Schreck zu überwinden. Lauter wohlgekleidete, anſtändige Leute, die auch ihrerſeits Revolution ſpielen wollten. Wollt Ihr auch eine Republik? fragte ich den Cameriere des Reſtaurants, der uns an das Fenſter rief den Aufzug mit anzuſehen: „Wir!“ er ſchüttelte freund- lich den Kopf. „Wir, Signor, haben ja einen guten Papſt der uns alles gibt was wir wünſchen. Er hat uns eine Civica gegeben, und das übrige auch; was brauchen wir noch eine Republik!“ Abends. Der Carneval tobt, mit unheimlicher Heftigkeit, nicht mit der heitern Luſt von ſonſt. Wie ſollte es auch anders ſeyn, wo man noch bei ſolchem Gewitter draußen ſpielen kann! Man wirft ſich die Blumenſträuße wie Geſchoſſe an den Kopf. Die Piushymne ſummt wie ein tyrtäus’ſcher Kriegsgeſang. All’ armi! 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Heimliche Druckſchriften die ausgetheilt werden billi- gen das Verbot aus den obigen Gründen. Dennoch ſteht man einem bewegten Schluß des Carnevals entgegen. Es iſt eine größere Zahl Civiciſten conſignirt. — Ernſtlich, höre ich eben, ſey von einer ge- wiſſen kleinen Zahl Unruhiger eine Demonſtration gegen die Deut- ſchen beſchloſſen geweſen, aber man werde es zu hintertreiben wiſſen. Ja ſogar — es habe geſtern ein Anfall gegen zwei Preußen ſtatt- gefunden die man für Oeſterreicher gehalten, weil ſie für Oeſterreich geſprochen. Sie ſeyen leicht verwundet worden!? — Der Brief muß zur Poſt wenn ich ſie noch offen finde. Aber eben höre ich noch daß die Conſtitution am Freitag publicirt wird. Die Gerüchte von geſtern über Sardinien und Sicilien haben ſich ſämmtlich als leere Schreckſchüſſe und glücklicherweiſe bewährt. _

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 83, 23. März 1848, S. 1326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine83_1848/14>, abgerufen am 24.11.2024.