Allgemeine Zeitung, Nr. 82, 25. März 1900.Sonntag, Zweites Blatt Nr. 82 der Allgemeinen Zeitung. 25. März 1900.Oesterreich-Ungarn. Zur Vertagung der Verständigungskonferenz. * Die Stimmung, in der die Theilnehmer der deutsch- Sanktion der neuen Wiener Gemeindewahlordnung. * Wien, 23. März.Gegenüber dem Obmann des fort- Nikolaus Dumba +. * Dem am Freitag in Budapest plötzlich verstorbenen Schweiz. Parlamentarisches. g. Bern, 23. März. Seit Montag tagt die Bundes- Feuilleton. O. M. Münchener Allerlei. Mutter, der Mann mit * Aus Freiburg i. Br. wird der "Südd. Reichskorr." Sonntag, Zweites Blatt Nr. 82 der Allgemeinen Zeitung. 25. März 1900.Oeſterreich-Ungarn. Zur Vertagung der Verſtändigungskonferenz. * Die Stimmung, in der die Theilnehmer der deutſch- Sanktion der neuen Wiener Gemeindewahlordnung. * Wien, 23. März.Gegenüber dem Obmann des fort- Nikolaus Dumba †. * Dem am Freitag in Budapeſt plötzlich verſtorbenen Schweiz. Parlamentariſches. g. Bern, 23. März. Seit Montag tagt die Bundes- Feuilleton. O. M. Münchener Allerlei. Mutter, der Mann mit * Aus Freiburg i. Br. wird der „Südd. Reichskorr.“ <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0005"/> <div n="1"> <floatingText> <front> <titlePage type="heading"> <docDate> <hi rendition="#b">Sonntag,</hi> </docDate> <docTitle> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Zweites Blatt Nr. 82 der Allgemeinen Zeitung.</hi> </titlePart> </docTitle> <docDate>25. März 1900.</docDate> </titlePage> </front><lb/> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Oeſterreich-Ungarn.</hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="3"> <head>Zur Vertagung der Verſtändigungskonferenz.</head><lb/> <p>* Die Stimmung, in der die Theilnehmer der deutſch-<lb/> tſchechiſchen <hi rendition="#g">Verſtändigungskonferenz</hi> am Donnerſtag<lb/> auseinandergingen, war nicht ungünſtig und läßt ein ſpäteres<lb/> Wiederzuſammentreten wünſchenswerth und nicht ausſichtslos<lb/> erſcheinen. Endgültige Vereinbarungen wurden bisher aller-<lb/> dings auf keinem Gebiet erzielt, das kommt aber zu einem<lb/> guten Theil daher, daß ſich ſämmtliche zur Berathung<lb/> vorgelegenen Gegenſtände je an einem oder an mehreren<lb/> Punkten eng berühren, der eine Gegenſtand alſo nicht ohne<lb/> den anderen erledigt werden kann und überdies beide Parteien<lb/> ihre Zuſtimmung im einzelnen von der ſchließlichen Annahme<lb/> des Geſammtausgleichs abhängig machen. Jedenfalls iſt der<lb/> Bereich der kontroverſen Punkte bereits weſentlich eingeſchränkt<lb/> und der Weg gezeigt worden, auf dem ein Einvernehmen im<lb/> ganzen erreicht werden kann. Nach den troſtloſen Wirren<lb/> der letzten Jahre lag auch darin ſchon ein Zeichen der Beſſe-<lb/> rung, daß es überhaupt möglich war, die Konferenz durch<lb/> faſt ſieben Wochen am Leben zu erhalten, zumal mitten in<lb/> dieſe Zeit eine Reichsrathsſeſſion ſiel, die mannichfache gefahr-<lb/> volle Anläſſe zum Wiederausbruch der alten Leidenſchaften in<lb/> ſich ſchloß. Man erinnere ſich vergleichsweiſe nur der Ver-<lb/> ſtändigungsaktion des Graſen Thun vom Sommer 1898, die<lb/> gleich bei den erſten Anfängen ſcheiterte. Entgegenkommend<lb/> konnte man die Haltung der beiden Parteien während der<lb/> jetzigen Konferenzverhandlungen nicht nennen, es überwog<lb/> vielmehr ein beiderſeitiges Mißtrauen. Das hatte aber wenigſtens<lb/> das Gute, daß keine voreiligen Zuſagen gemacht wurden, die<lb/> ſpäter hätten zurückgenommen werden müſſen. Günſtig, viel-<lb/> leicht entſcheidend für den Fortgang der Konferenz war das<lb/> Reſultat der während der Reichsrathstagung erfolgten Ab-<lb/> rechnung der Parteien der Rechten untereinander: da<lb/> die Tſchechen ſahen, daß ſie bei ihren alten Freunden<lb/> keine genügende Unterſtützung finden würden, wenn<lb/> ſie fortfuhren, die Erfüllung ihrer Forderungen im rückſichts-<lb/> loſen parlamentariſchen Kampſe zu ertrotzen, ſo waren ſie ge-<lb/> nöthigt, auf den Weg der friedlichen Verſtändigung zurück-<lb/> zukehren. Die Verdienſte der Regierung Koerber um die<lb/> Konferenz dürfen nicht verkannt werden, aber man wäre doch<lb/> vielleicht heute ſchon weiter, wenn ſich die Miniſter nicht<lb/> immer nur aufs Referiren und Informiren verlegt, ſondern<lb/> mehr Initiative gezeigt hätten und in geeigneten Momenten mit<lb/> eigenen Vorſchlägen hervorgetreten wären. Wie nothwendig<lb/> und zweckdienlich eine beſtimmte Stellungnahme der Negierung<lb/> iſt, zeigte ſich gerade in den letzten Tagen, als Herr<lb/> v. <hi rendition="#g">Koerber</hi> auf Verlangen der Tſchechen ſeinen Standpunkt<lb/> bezüglich der Wiedereinführung der inneren tſchechiſchen Amts-<lb/> ſprache bei den landesfürſtlichen Behörden präziſirte. Die<lb/> Tſchechen hätten nicht übel Luſt gehabt, die Konferenz zu<lb/> ſprengen, wofern ſie nicht betreffs dieſes, ihnen beſonders am<lb/> Herzen liegenden Punktes eine ſie leidlich befriedigende Ant-<lb/> wort erhalten hätten. Nachdem ihnen dieſe zutheil geworden,<lb/> haben ſie eine Rückendeckung gegen ihre Wähler und<lb/> bleiben ſie zu weiteren Verhandlungen bereit. Wie Herr<lb/> v. Koerber in dieſem Fall, ohne die Deutſchen gegen ſich auf-<lb/> zubringen, die Tſchechen wenigſtens halbwegs zufriedenſtellen<lb/> konnte und ſo nicht unweſentlich zur Förderung des geſammten<lb/> Verſtändigungswerks beitrug, ſo hätte er, die allzu peinliche<lb/> Vorſicht außer acht laſſend, wohl auch in anderen Fällen<lb/> durch reſolutes Eingreifen und entſchiedenere Stellungnahme nütz-<lb/> lich wirken können; die Verhältniſſe ſind dazu nachgerade hin-<lb/> länglich geklärt, die Wünſche und Forderungen der Parteien<lb/> bekannt genng. Doch der Miniſterpräſident wird zufrieden<lb/> ſein, ſeinerſeits bisher am Ausgleichswerk wenigſtens nichts<lb/> verdorben zu haben. — Die Konferenzabtheilung ſür Böhmen<lb/> hat geſtern zum Schluß noch <hi rendition="#g">zwei Subkomitees</hi> gewählt,<lb/> das eine zur Berathung der Sprachenfrage bei den landes-<lb/> fürſtlichen Behörden, das zweite zur Berathung der Frage der<lb/> Minoritätsſchulen. Wann die Arbeiten fortgeſetzt werden, iſt<lb/> vorläufig unbeſtimmt. Die Tſchechen wünſchten, daß das<lb/> erſtgenannte Subkomitee während der Landtagsſeſſion in<lb/> Prag Berathungen abhalten möge, damit ſobald als möglich<lb/><cb/> die <hi rendition="#g">innere tſchechiſche Amtsſprache</hi> feſtgeſtellt werde.<lb/> Die deutſchen Delegirten aber verhalten ſich dieſem Vegehren<lb/> gegenüber ablehnend. Die mehrerwähnte Erklärung des<lb/> Miniſterpräſidenten, daß die Regierung bereit ſei, die innere<lb/> tſchechiſche Amtsſprache wieder einzuführen, iſt übrigens noch<lb/> nicht vollkommen poſitiv zu nehmen, wie die Tſchechen<lb/> möchten. Hr. v. Koerber hatte ſelbſt hinzugefügt: „wenn<lb/> dadurch der innere Friede hergeſtellt wird“, und dieſe Ein-<lb/> ſchränkung wird vom „Fremdenblatt“ dahin kommentirt, daß<lb/> die Tſchechen <hi rendition="#g">keine einſeitige Erfüllung</hi> ihrer Poſtulate<lb/> verlangen dürfen, weil dann eben der Friede nicht hergeſtellt<lb/> würde; um die innere Dienſtſprache zu erlangen, müßten die<lb/> Tſchechen auch den deutſchen Forderungen hinſichtlich des<lb/> Sprachgebrauches bei den landesfürſtlichen Behörden gerecht<lb/> werden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head>Sanktion der neuen Wiener Gemeindewahlordnung.</head><lb/> <dateline>* <hi rendition="#b">Wien,</hi> 23. März.</dateline><lb/> <p>Gegenüber dem Obmann des fort-<lb/> ſchrittlichen Parteiverbandes des Wiener Gemeinderaths, <hi rendition="#aq">Dr.</hi><lb/><hi rendition="#g">Vogler,</hi> erklärte Miniſterpräſident v. <hi rendition="#g">Koerber,</hi> daß die<lb/> Regierung zu dem Entſchluß gelangt ſei, das <hi rendition="#g">Gemeinde-<lb/> ſtatut und die Wahlordnung der allerhöchſten<lb/> Sanktion zu unterbreiten.</hi> Die Regierung glaube, daß<lb/> der Geſetzentwurf in ſeiner jetzigen Geſtalt nicht mehr ſo<lb/> weſentliche Mängel aufweiſe, um die Erledigung dieſer ſo<lb/> lange ſchwebenden und mit Rückſicht auf den Wahltermin<lb/> dringenden Angelegenheit neuerdings zu verzögern. Die Ver-<lb/> mehrung der Wähler des erſten und zweiten Wahlkörpers<lb/> ſei gerechtfertigt; gegen das Prinzip der Vertheilung der<lb/> Mandate ſei mit Rückſicht auf die im Landtage vorgenom-<lb/> menen Richtigſtellungen keine gegründete Einwendung mehr<lb/> zu erheben. Der Miniſterpräſident verſicherte den <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Vogler,<lb/> daß die Sanktion der Vorlage nicht als ein gegen die Fort-<lb/> ſchrittspartei im Gemeinderath gerichteter Regierungsakt auf-<lb/> zufaſſen ſei. Die Publikation der Sanktion wird für Anfang<lb/> nächſter Woche erwartet. Die Mehrheit der fortſchrittlichen<lb/> Gemeinderäthe werden ihre Mandate niederlegen. Die Frage<lb/> der dadurch nothwendig werdenden Nenwahlen bildet bereits<lb/> den Gegenſtand einer lebhaften Kontroverſe.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head>Nikolaus Dumba †.</head><lb/> <p>* Dem am Freitag in Budapeſt plötzlich verſtorbenen<lb/> Herrenhausmitglied <hi rendition="#g">Dumba,</hi> einer der bekannteſten und an-<lb/> geſehenſten Perſönlichkeiten Wiens, widmen die dortigen Blätter<lb/> ſehr warme, ehrende Rachrufe. <cit><quote>„Dumba war,“ ſchreibt die<lb/> „N. Fr. Pr.“, „eine Individnalität, wie ſie immer ſeltener<lb/> werden, nämlich ein Mann, dem es Bedürfniß iſt und Be-<lb/> friedigung gewährt, in welcher Form immer und auf welchem<lb/> Gebiete immer dem öffentlichen Wohl und gemeinen Nutzen<lb/> zu dienen. Von einer nur wenig über den Durchſchnitt<lb/> hinansragenden Begabung, aber im Beſitze eines ererbten<lb/> bedentenden Vermögens, das ſich ohne große Anſtrengung<lb/> leicht vermehren ließ, fand er weder Geſchmack daran, ſich einem<lb/> ſtumpfen Genußleben hinzugeben, noch war es ſein Ehrgeiz,<lb/> das bedeutende Handelshaus, das ſein Vater begründet hatte,<lb/> nach Art der hanſeatiſchen Kaufherren mächtig und welt-<lb/> gebietend zu machen. Aber indem er den weiſen Mittelweg<lb/> einer erhaltenden Verwaltung ſeines Reichthums wählte, war<lb/> ihm die Empfindung deſſen nicht fremd, was man heutzutage<lb/> die <hi rendition="#g">Pflichten des Beſitzes</hi> nennt, und halb unbewußt<lb/> erfüllte er dieſe Pflichten, indem er mit ſeiner Perſon und<lb/> ſeinem Vermögen ſich ſtets als Mitglied der Geſellſchaft fühlte<lb/> und danach handelte. So ward er mit ganzem Herzen ein<lb/> Wiener Bürger, ein Förderer der Kunſt und aller edlen<lb/> Zwecke, ſo kommt es, daß, wenn man die letzten dreißig Jahre<lb/> Wiener Geſchichte zurückblättert, man faſt auf jeder Seite<lb/> Dumba’s Namen verzeichnet findet.“</quote></cit></p> </div> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Schweiz.</hi> </head><lb/> <div xml:id="a4a" next="#a4b" n="3"> <head>Parlamentariſches.</head><lb/> <dateline><hi rendition="#aq">g.</hi><hi rendition="#b">Bern,</hi> 23. März.</dateline> <p>Seit Montag tagt die <hi rendition="#g">Bundes-<lb/> verſammlung</hi> in außerordentlicher Seſſion, um die in der<lb/> ordentlichen Winterſitzung zurückgelegten Traktanden möglichſt<lb/> zu erledigen. Der intereſſanteſte Geſchäftsgegenſtand — die<lb/><cb/> ſogenannte „Doppelinitiative“ — wird indeß abermals ver-<lb/> ſchoben werden müſſen. Es ſprechen offenbar auch taktiſche<lb/> Gründe hiefür. Dieſes Initiativbegehren erſtreckt ſich auf<lb/> die Einführung des <hi rendition="#g">proportionalen Verfahrens</hi> für<lb/> die <hi rendition="#g">Wahl</hi> des Nationalraths und für die direkte Volkswahl<lb/> des Bundesraths, und hat daher, indem es von den Sozial-<lb/> demokraten ausgegangen, im erſten Theil auch von den Kon-<lb/> ſervativen lebhaft unterſtützt wird, einen hochpolitiſchen<lb/> Charakter, der ſich leicht zur Agitation eignet. Eine ſolche<lb/> wäre aber angeſichts der auf den 20. Mai d. J. bevorſtehen-<lb/> den allgemeinen Volksabſtimmung über die Vorlage betreſſend<lb/> obligatoriſche <hi rendition="#g">Kranken- und Unfallverſicherung</hi> ſchlecht<lb/> angebracht. Leider ſind die Ausſichten der Vorlage auch<lb/> jetzt noch nicht ſo, daß auf die Annahme des Geſetzes ge-<lb/> rechnet werden kann. Neueſtens ſind wieder zwei Kund-<lb/> gebungen gegen dasſelbe ergangen. Die proteſtantiſch-kon-<lb/> ſervative Volkspartei des Kantons Bern hat ſich auf den<lb/> Antrag ihrer Führer <hi rendition="#g">Dürrenmatt</hi> und <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Heller</hi> mit<lb/> großer Mehrheit gegen das Projekt ausgeſprochen, weil das-<lb/> ſelbe den wirklichen Vedürſniſſen, ſpeziell des bänerlichen und<lb/> gewerblichen Mittelſtandes, nicht entſpreche, dagegen ihm<lb/> neue, geradezu unerſchwingliche Laſten auferlege und zudem<lb/> eine den republikaniſchen Sitten widerſtreitende Bureankratie<lb/> herbeiführe. Die Parteiverſammlung hielt ſich bereits auch ſchon<lb/> verpflichtet, gegen den „offiziellen Hochdruck“, mit welchem das<lb/> Verſicherungsgeſetz bei der Volksabſtimmung durchgedrückt<lb/> werden ſolle, und gegen die Unterdrückung der freien<lb/> Meinungsäußerung durch den Vorſtand des ſchweizeriſchen<lb/> Banernverbandes Verwahrung einzulegen. Man ſieht, die<lb/> Gemüther beginnen, ſich zu erhitzen, und bis zum verhängniß-<lb/> vollen Termin kann die Leidenſchaft ſo wachſen, daß eine<lb/> nüchterne Beurtheilung des ohnehin in ſeinem Inhalt den<lb/> breiten Volksſchichten noch fremden Geſetzentwurſes kaum mehr<lb/> zu erwarten iſt. Der <hi rendition="#g">Verein für katholiſche Sozial-<lb/> politik,</hi> der unter dem Einfluß des bekannten National-<lb/> raths <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Decurtins</hi> aus Granbünden ſteht, der in der<lb/> Bundesverſammlung eine ſeltſame Stellung einnimmt, indem<lb/> er zwar auch ausgeſprochen klerikalen Tendenzen huldigt,<lb/> aber ſich nicht der katholiſchen Fraktion der Rechten, ſondern<lb/> der ſogenannten ſozialpolitiſchen (ſozialdemokratiſchen) Gruppe<lb/> angeſchloſſen hat, ſtellt ſich ebenfalls auf die Seite der<lb/> Oppoſition, verſpricht aber, für den fehlerhaſten Entwurf ein<lb/> Heilmittel zu beſitzen, das geſtatte, denſelben in verbeſſerter<lb/> Geſtalt ebenfalls bis zum Jahre 1903 in Kraft treten zu<lb/> laſſen. Worin die Remedur beſtehen ſoll, kann ziemlich<lb/> gleichgültig ſein, da dieſer kleine Zirkel eigentlich nur die<lb/> Bedeutung einer Dilettantengeſellſchaft hat. — In der Zeit<lb/> der fetten Bundesfinanzen wurden auch <hi rendition="#g">Subventionen<lb/> an die Berufsbildung</hi> ausgeworfen. Obſchon die Mittel<lb/> bedentend knapper geworden und der Bund ja ſogar ein Spar-<lb/> budget aufſtellen mußte, ſind die Anſprüche auf ſolche Unter-<lb/> ſtützungen noch dringender und vielſeitiger geworden. In der Dis-<lb/> kuſſion wurde auch die <hi rendition="#g">Franenfrage</hi> geſtreiſt und unter<lb/> Zuſtimmung des Bundesraths mit großer Mehrheit der Antrag<lb/> der Referenten angenommen, daß die ſubventionirten Anſtalten<lb/> in Zukunſt <hi rendition="#g">auch Schülerinnen</hi> aufnehmen <hi rendition="#g">müſſen.</hi> —<lb/> Das aus dem Jahr 1886 datirende Bundesgeſetz betreffend<lb/><hi rendition="#g">gebrannte Waſſer,</hi> welches Herſtellung und Einfuhr ge-<lb/> brannter Waſſer aus Stoffen, deren Brennen der Bundesgeſetz-<lb/> gebung unterſtellt iſt, als <hi rendition="#g">Bundesmonopol</hi> erklärt, muß<lb/> bereits der <hi rendition="#g">Reviſion</hi> unterſtellt werden. Die Veranlaſſung<lb/> dazu bietet die Beſtimmung, daß annähernd ein Viertheil des<lb/> Bedarfs an gebrannten Waſſern durch Lieferungsverträge<lb/> mit inländiſchen Produzenten beſchaſſt werden ſoll. Dieſelbe<lb/> war mit Rückſicht auf die kartoffelnbauenden Kantone Bern,<lb/> Solothurn u. ſ. w., wo das Schnapsbrennen und leider auch<lb/> das Schnapstrinken große Dimenſionen angenommen hatte,<lb/> aufgenommen worden, und hatte inſofern ſeine Verechtigung,<lb/> weil der Getreideban unrentabel geworden. Andrerſeits ver-<lb/> mindert dieſe Inlandproduktion, welche die Verwendung<lb/> wohlfeilerer ausländiſcher Produkte zum Theil ausſchließt,<lb/> den Ertrag des Monopols, von dem jährlich ca. 6 Mill. Fr.<lb/> nach der Vevölkerungszahl unter die ſämmtlichen Kantone<lb/> vertheilt werden. Die Zunahme des Verbrauchs von denatu-</p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Feuilleton.</hi> </hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#aq">O. M.</hi> <hi rendition="#b">Münchener Allerlei.</hi> </head><lb/> <p>Mutter, der Mann mit<lb/> dem Koks iſt da — dieſer alte Gaſſenhauer, einſt ſo oft ge-<lb/> ſungen, iſt längſt verklungen. Der Mann mit dem Koks<lb/> kommt auch nicht mehr, denn wir leiden noch immer unter<lb/> der Kohlennoth, woran theilweiſe der Strike, der nun gottlob<lb/> zu Ende zu gehen ſcheint, theilweiſe aber auch der hartnäckige<lb/> Winter die Schuld trägt, dem es trotz Fleiſchbeſchaugeſetz und<lb/><hi rendition="#aq">lex</hi> Heinze noch immer vortrefflich bei uns zu gefallen ſcheint.<lb/> Wenigſtens zu Anfang der Woche, als der Salvatorausſchank<lb/> begann, lag noch tiefer Schnee — ſtellenweiſe war es auch<lb/> Schmutz — in den Straßen. Trotzdem blieb es für den Ur-<lb/> münchener ein Ereigniß, wenn es auch durch die vielen anderen<lb/> „Salvatormütter“, die im Laufe der Zeiten gleichnamige<lb/> Kinder zur Welt gebracht, etwas eingebüßt haben mag und<lb/> der wahre Salvator am Nockherberg nicht mehr wie früher<lb/><hi rendition="#aq">viribus unitis</hi> vertilgt wird, was ein Ueiner angehender<lb/> Lateiner ſeinem minder gebildeten Erzeuger einſt als „mit<lb/> vereinten Männern“ überſetzte. Allerdings hat die Ur-<lb/> ſalvator-Mutter es im Prozeßweg durchgeſetzt, daß ihre<lb/> Konkurrentinnen ihre Kinder nicht mehr Salvator taufen<lb/> dürfen und demnach haben dieſe alle möglichen Namen an-<lb/> genommen, ſogar ein „Agitator“ beſindet ſich darunter — ge-<lb/> trunken werden ſie aber alle. Warum kein <hi rendition="#aq">agent provocateur?</hi><lb/> Der Name würde doch in der Wirkung am treffendſten die<lb/> Urſache bezeichnen. Es iſt zwar richtig, daß die Urſache nicht<lb/> immer unbedingt der Wirkung vorangehen muß, wie z. B.,<lb/> wenn der behandelnde Arzt dem Sarge ſeines Patienten folgt<lb/> oder man der <hi rendition="#aq">lex</hi> Heinze halber, noch bevor ſie Geſetz geworden,<lb/> das Vertrauen in unſern Richterſtand verliert. Unſre armen<lb/> Kadis! Sie ſind doch wahrhaftig nicht zu beneiden, wenn<lb/> ſie es nun auch noch den Geſetzesgebern nicht mehr recht<lb/> machen können, nachdem ihr Beruf ſie ſchon zwingt, den<lb/> Geſetzesübertretern fortwährend vor den Kopf zu ſtoßen. Und<lb/> dafür haben ſie in dem Bibelwort: Richtet nicht, damit ihr<lb/> nicht gerichtet werdet, noch eine recht angenehme Perſpektive.<lb/> Kein Wunder, daß ein altes Sprichwort ſagt: Juriſt — ein<lb/> ſchlechter Chriſt. Wahrhaftig, es gehört ein guter Magen<lb/> dazu, heutzutage noch einer Korporation oder Behörde an-<lb/> zugehören, nachdem jeder Philiſter hinter dem Bierkruge all<lb/> dieſe Dinge weit beſſer verſteht. So hatte ich jüngſt im Hof-<lb/> bräuhauſe Gelegenheit, einer Debatte über öffentliche Angelegen-<lb/><cb/> heiten an einem Nebeutiſche zuzuhören. Die Geiſter waren<lb/> heftig aufeinander geplatzt und ein Hauptrufer im Streite<lb/> ließ ſich zu der höchſt reſpektwidrigen und ganz unparla-<lb/> mentariſchen Aeußerung hinreißen: „Ochſen ſind’s, die Eſel!“<lb/> Es iſt höchſte Zeit, daß das Projekt eines zoologiſchen<lb/> Gartens in München greifbare Geſtalt gewinnt, ſei es<lb/> auch nur, um derartigen Leuten die zoologiſche Un-<lb/> möglichkeit ihrer Herzensergießungen <hi rendition="#aq">ad oculos</hi> zu demon-<lb/> ſtriren. Und nun ſcheint ſich durch die Elektriſirung der<lb/> Trambahn an der Maximilianſtraße ſchon wieder neuer<lb/> Zündſtoff zur Unzufriedenheit anzuſammeln. Warum verſucht<lb/> man es denn bei unſrer noch in den Kinderſchuhen ſteckenden<lb/> „Elektriſchen“ nicht einmal mit dem Schlitzſyſtem wie bei den<lb/> Knaben mit den erſten Höschen? Bis ſie ihm entwachſen,<lb/> wird ſich ſchon eine neue Mode finden. Geld koſtet die<lb/> Mode — das iſt ja richtig, aber dafür iſt die „Elektriſche“<lb/> auch ein Weib und wer ein ſolches beſitzt, weiß das und hat<lb/> jedenfalls das Wort „Khaki“ ſchon gehört, was die neueſte<lb/> Modefarbe und Deutſchlands einzige Ervungenſchaft aus dem<lb/> ſüdafrikaniſchen Kriege iſt. Den <hi rendition="#aq">tertius gaudens</hi> haben wir<lb/> dem Herrn Engländer noch nicht abgeguckt. Das iſt zwar<lb/> nicht viel, aber freuen thut’s uns doch, namentlich unſre<lb/> — Damen, die nunmehr in „Khaki“ gehen können. Auf die<lb/> Damen ſcheint es auch die „weiße Internationale“ abgeſehen<lb/> zu haben, deren Proſpekt mir vorliegt. Dieſe Internationale<lb/> — jedenfalls gegründet, um einem höchſt dringenden Be-<lb/> dürfuiß abzuhelfen — iſt ein Berein auf theoſophiſcher Grund-<lb/> lage und man hat zur Anfnahme nur ſieben näher bezeichnete<lb/> Tugenden zu üben und dieſe nur auf Ehrenwort, das man<lb/> ſich ſelbſt gibt und mindeſtens jährlich drei Mark zu zahlen.<lb/> So hätten wir außer der ſchwarzen und rothen auch noch<lb/> eine weiße Internationale.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="2"> <p>* Aus <hi rendition="#b">Freiburg i. Br.</hi> wird der „Südd. Reichskorr.“<lb/> geſchrieben: Die Aula des alten Kollegienhauſes übt in dieſen<lb/> Tagen eine ungewohnte Anziehungskraft aus. Der beſcheidene<lb/> Raum wird ſonſt nur bei Feſtakten und öffentlichen Vorträgen<lb/> betreten und hat wohl nie als eine Sehenswürdigkeit Frei-<lb/> burgs gegolten. Jetzt iſt er es geworden durch das pracht-<lb/> volle Geſchenk, mit dem die Gnade des Landesherrn unſre<lb/> Hochſchule bedachte. Den Wandſchmuck der Aula bilden be-<lb/> kanntlich acht umfangreiche ältere Oelgemälde, Fürſtenportraits,<lb/> in denen die Vergangenheit der <hi rendition="#aq">Alberto-Ludoviciana</hi> lebendig<lb/> wird. Geſchichtliche Erinnerungen, nicht künſtleriſche Quali-<lb/> täten machen uns dieſe Portraits werthvoll. Es ſind die<lb/> alten Familienbilder, denen die Univerſität mit Recht den<lb/><cb/> Platz in ihrer „guten Stube“ einräumt und denen ſie neuer-<lb/> dings die Sorgfalt einer umfaſſenden Reſtauration angedeihen<lb/> ließ. Nur eine Geſtalt hat man bisher in der Reihe der<lb/> „Familienbilder“ vermißt: den gegenwärtigen <hi rendition="#aq">Rector magni-<lb/> ficentissimus,</hi> deſſen Namen mit der Auferſtehung Deutſch-<lb/> lands ebenſo innig verknüpft iſt, wie mit dem ungeahnten<lb/> Aufblühen unſrer Univerſität während des letzten Menſchen-<lb/> alters. Nun hat <hi rendition="#g">Großherzog Friedrich</hi> ſelbſt unſern<lb/> Wunſch erfüllt. Das von <hi rendition="#g">Ferdinand Keller</hi> gemalte<lb/> Portrait iſt, wie die anderen Bildniſſe der Aula, ein Re-<lb/> präſentationsbild. Es zeigt den Fürſten in großer Generals-<lb/> uniform, lebensgroß, in ganzer Figur. Unbedeckten Hauptes,<lb/> den Helm mit dem Reiherbuſch in der Linken haltend, ſteht<lb/> er auf der Plattform der Treppe, die vom Schloßportal ins<lb/> Freie führt. Wenn das Auge die anderen Portraits ſtreift,<lb/> wo die dargeſtellten Fürſtlichkeiten in den bekannten, von der<lb/> franzöſiſchen Hoſkunſt ausgeprägten Poſen geſtikuliren, wird<lb/> uns die Wohlthat dieſer ruhigen Erſcheinung doppelt fühlbar.<lb/> Die Arme ſind in ungezwungener Lage nach innen genommen,<lb/> die ganze Geſtalt iſt feſt zuſammen gefaßt und in ſich ge-<lb/> ſchloſſen, wodurch der Eindruck majeſtätiſcher Würde entſteht.<lb/> Die ſtrenge Vertikale der Figur iſt aber in der glücklichſten<lb/> Weiſe ausgeglichen durch die leichte Neigung des Kopfes nach<lb/> rechts. Mit ihr wird erreicht, daß die ruhige Geſtalt von<lb/> lebhafter innerer Bewegung beſeelt erſcheint. Ergreifend in<lb/> ſeiner natürlichen Einfachheit iſt der Ausdruck väterlicher<lb/> Güte. Man wird ſelten ein Nepräſentationsbild von ſo in-<lb/> timer Wirkung ſehen. Wir müſſen Meiſter Keller beſonderen<lb/> Dauk dafür wiſſen, daß er unſern Fürſten ſo und nicht<lb/> anders gemalt hat, daß er nichts fremdes zwiſchen ihn und<lb/> uns treten ließ und unſre Aufmerkſamkeit nicht theilte. Der<lb/> Verſuchung, ſeine dekorativen Künſte ſpielen zu laſſen, hat<lb/> der „badiſche Makart“ durchaus widerſtanden. Das Intereſſe<lb/> iſt auf die dargeſtellte Perſönlichkeit konzentrirt. Mit vor-<lb/> nehmer Zurückhaltung dämpft er die übrigens prächtig zu-<lb/> ſammengeſtimmten Farben der reichen Uniform und läßt auch<lb/> koloriſtiſch den Kopf dominiren. Die virtnoſe Beherrſchung<lb/> der Technik verſteht ſich bei Ferdinand Keller von ſelbſt.<lb/> Wir bewundern, wie gleichmäßig ſorgfältig alles durch-<lb/> geführt iſt, und beglückwünſchen uns im Hinblick auf die<lb/> lokalen Verhältniſſe der Aula, daß der Künſtler nicht<lb/> „modernes“ gemalt hat: die Vorzüge ſeiner Arbeit laſſen ſich<lb/> aus der Nähe genießen. Dem Gemälde iſt der einzig mög-<lb/> liche Platz angewieſen worden, der auch als der würdigſte<lb/> gelten darf, zwiſchen den Stiftern Albrecht und Mechtild.</p> </div> </div><lb/> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [0005]
Sonntag, Zweites Blatt Nr. 82 der Allgemeinen Zeitung. 25. März 1900.
Oeſterreich-Ungarn.
Zur Vertagung der Verſtändigungskonferenz.
* Die Stimmung, in der die Theilnehmer der deutſch-
tſchechiſchen Verſtändigungskonferenz am Donnerſtag
auseinandergingen, war nicht ungünſtig und läßt ein ſpäteres
Wiederzuſammentreten wünſchenswerth und nicht ausſichtslos
erſcheinen. Endgültige Vereinbarungen wurden bisher aller-
dings auf keinem Gebiet erzielt, das kommt aber zu einem
guten Theil daher, daß ſich ſämmtliche zur Berathung
vorgelegenen Gegenſtände je an einem oder an mehreren
Punkten eng berühren, der eine Gegenſtand alſo nicht ohne
den anderen erledigt werden kann und überdies beide Parteien
ihre Zuſtimmung im einzelnen von der ſchließlichen Annahme
des Geſammtausgleichs abhängig machen. Jedenfalls iſt der
Bereich der kontroverſen Punkte bereits weſentlich eingeſchränkt
und der Weg gezeigt worden, auf dem ein Einvernehmen im
ganzen erreicht werden kann. Nach den troſtloſen Wirren
der letzten Jahre lag auch darin ſchon ein Zeichen der Beſſe-
rung, daß es überhaupt möglich war, die Konferenz durch
faſt ſieben Wochen am Leben zu erhalten, zumal mitten in
dieſe Zeit eine Reichsrathsſeſſion ſiel, die mannichfache gefahr-
volle Anläſſe zum Wiederausbruch der alten Leidenſchaften in
ſich ſchloß. Man erinnere ſich vergleichsweiſe nur der Ver-
ſtändigungsaktion des Graſen Thun vom Sommer 1898, die
gleich bei den erſten Anfängen ſcheiterte. Entgegenkommend
konnte man die Haltung der beiden Parteien während der
jetzigen Konferenzverhandlungen nicht nennen, es überwog
vielmehr ein beiderſeitiges Mißtrauen. Das hatte aber wenigſtens
das Gute, daß keine voreiligen Zuſagen gemacht wurden, die
ſpäter hätten zurückgenommen werden müſſen. Günſtig, viel-
leicht entſcheidend für den Fortgang der Konferenz war das
Reſultat der während der Reichsrathstagung erfolgten Ab-
rechnung der Parteien der Rechten untereinander: da
die Tſchechen ſahen, daß ſie bei ihren alten Freunden
keine genügende Unterſtützung finden würden, wenn
ſie fortfuhren, die Erfüllung ihrer Forderungen im rückſichts-
loſen parlamentariſchen Kampſe zu ertrotzen, ſo waren ſie ge-
nöthigt, auf den Weg der friedlichen Verſtändigung zurück-
zukehren. Die Verdienſte der Regierung Koerber um die
Konferenz dürfen nicht verkannt werden, aber man wäre doch
vielleicht heute ſchon weiter, wenn ſich die Miniſter nicht
immer nur aufs Referiren und Informiren verlegt, ſondern
mehr Initiative gezeigt hätten und in geeigneten Momenten mit
eigenen Vorſchlägen hervorgetreten wären. Wie nothwendig
und zweckdienlich eine beſtimmte Stellungnahme der Negierung
iſt, zeigte ſich gerade in den letzten Tagen, als Herr
v. Koerber auf Verlangen der Tſchechen ſeinen Standpunkt
bezüglich der Wiedereinführung der inneren tſchechiſchen Amts-
ſprache bei den landesfürſtlichen Behörden präziſirte. Die
Tſchechen hätten nicht übel Luſt gehabt, die Konferenz zu
ſprengen, wofern ſie nicht betreffs dieſes, ihnen beſonders am
Herzen liegenden Punktes eine ſie leidlich befriedigende Ant-
wort erhalten hätten. Nachdem ihnen dieſe zutheil geworden,
haben ſie eine Rückendeckung gegen ihre Wähler und
bleiben ſie zu weiteren Verhandlungen bereit. Wie Herr
v. Koerber in dieſem Fall, ohne die Deutſchen gegen ſich auf-
zubringen, die Tſchechen wenigſtens halbwegs zufriedenſtellen
konnte und ſo nicht unweſentlich zur Förderung des geſammten
Verſtändigungswerks beitrug, ſo hätte er, die allzu peinliche
Vorſicht außer acht laſſend, wohl auch in anderen Fällen
durch reſolutes Eingreifen und entſchiedenere Stellungnahme nütz-
lich wirken können; die Verhältniſſe ſind dazu nachgerade hin-
länglich geklärt, die Wünſche und Forderungen der Parteien
bekannt genng. Doch der Miniſterpräſident wird zufrieden
ſein, ſeinerſeits bisher am Ausgleichswerk wenigſtens nichts
verdorben zu haben. — Die Konferenzabtheilung ſür Böhmen
hat geſtern zum Schluß noch zwei Subkomitees gewählt,
das eine zur Berathung der Sprachenfrage bei den landes-
fürſtlichen Behörden, das zweite zur Berathung der Frage der
Minoritätsſchulen. Wann die Arbeiten fortgeſetzt werden, iſt
vorläufig unbeſtimmt. Die Tſchechen wünſchten, daß das
erſtgenannte Subkomitee während der Landtagsſeſſion in
Prag Berathungen abhalten möge, damit ſobald als möglich
die innere tſchechiſche Amtsſprache feſtgeſtellt werde.
Die deutſchen Delegirten aber verhalten ſich dieſem Vegehren
gegenüber ablehnend. Die mehrerwähnte Erklärung des
Miniſterpräſidenten, daß die Regierung bereit ſei, die innere
tſchechiſche Amtsſprache wieder einzuführen, iſt übrigens noch
nicht vollkommen poſitiv zu nehmen, wie die Tſchechen
möchten. Hr. v. Koerber hatte ſelbſt hinzugefügt: „wenn
dadurch der innere Friede hergeſtellt wird“, und dieſe Ein-
ſchränkung wird vom „Fremdenblatt“ dahin kommentirt, daß
die Tſchechen keine einſeitige Erfüllung ihrer Poſtulate
verlangen dürfen, weil dann eben der Friede nicht hergeſtellt
würde; um die innere Dienſtſprache zu erlangen, müßten die
Tſchechen auch den deutſchen Forderungen hinſichtlich des
Sprachgebrauches bei den landesfürſtlichen Behörden gerecht
werden.
Sanktion der neuen Wiener Gemeindewahlordnung.
* Wien, 23. März.
Gegenüber dem Obmann des fort-
ſchrittlichen Parteiverbandes des Wiener Gemeinderaths, Dr.
Vogler, erklärte Miniſterpräſident v. Koerber, daß die
Regierung zu dem Entſchluß gelangt ſei, das Gemeinde-
ſtatut und die Wahlordnung der allerhöchſten
Sanktion zu unterbreiten. Die Regierung glaube, daß
der Geſetzentwurf in ſeiner jetzigen Geſtalt nicht mehr ſo
weſentliche Mängel aufweiſe, um die Erledigung dieſer ſo
lange ſchwebenden und mit Rückſicht auf den Wahltermin
dringenden Angelegenheit neuerdings zu verzögern. Die Ver-
mehrung der Wähler des erſten und zweiten Wahlkörpers
ſei gerechtfertigt; gegen das Prinzip der Vertheilung der
Mandate ſei mit Rückſicht auf die im Landtage vorgenom-
menen Richtigſtellungen keine gegründete Einwendung mehr
zu erheben. Der Miniſterpräſident verſicherte den Dr. Vogler,
daß die Sanktion der Vorlage nicht als ein gegen die Fort-
ſchrittspartei im Gemeinderath gerichteter Regierungsakt auf-
zufaſſen ſei. Die Publikation der Sanktion wird für Anfang
nächſter Woche erwartet. Die Mehrheit der fortſchrittlichen
Gemeinderäthe werden ihre Mandate niederlegen. Die Frage
der dadurch nothwendig werdenden Nenwahlen bildet bereits
den Gegenſtand einer lebhaften Kontroverſe.
Nikolaus Dumba †.
* Dem am Freitag in Budapeſt plötzlich verſtorbenen
Herrenhausmitglied Dumba, einer der bekannteſten und an-
geſehenſten Perſönlichkeiten Wiens, widmen die dortigen Blätter
ſehr warme, ehrende Rachrufe. „Dumba war,“ ſchreibt die
„N. Fr. Pr.“, „eine Individnalität, wie ſie immer ſeltener
werden, nämlich ein Mann, dem es Bedürfniß iſt und Be-
friedigung gewährt, in welcher Form immer und auf welchem
Gebiete immer dem öffentlichen Wohl und gemeinen Nutzen
zu dienen. Von einer nur wenig über den Durchſchnitt
hinansragenden Begabung, aber im Beſitze eines ererbten
bedentenden Vermögens, das ſich ohne große Anſtrengung
leicht vermehren ließ, fand er weder Geſchmack daran, ſich einem
ſtumpfen Genußleben hinzugeben, noch war es ſein Ehrgeiz,
das bedeutende Handelshaus, das ſein Vater begründet hatte,
nach Art der hanſeatiſchen Kaufherren mächtig und welt-
gebietend zu machen. Aber indem er den weiſen Mittelweg
einer erhaltenden Verwaltung ſeines Reichthums wählte, war
ihm die Empfindung deſſen nicht fremd, was man heutzutage
die Pflichten des Beſitzes nennt, und halb unbewußt
erfüllte er dieſe Pflichten, indem er mit ſeiner Perſon und
ſeinem Vermögen ſich ſtets als Mitglied der Geſellſchaft fühlte
und danach handelte. So ward er mit ganzem Herzen ein
Wiener Bürger, ein Förderer der Kunſt und aller edlen
Zwecke, ſo kommt es, daß, wenn man die letzten dreißig Jahre
Wiener Geſchichte zurückblättert, man faſt auf jeder Seite
Dumba’s Namen verzeichnet findet.“
Schweiz.
Parlamentariſches.
g. Bern, 23. März. Seit Montag tagt die Bundes-
verſammlung in außerordentlicher Seſſion, um die in der
ordentlichen Winterſitzung zurückgelegten Traktanden möglichſt
zu erledigen. Der intereſſanteſte Geſchäftsgegenſtand — die
ſogenannte „Doppelinitiative“ — wird indeß abermals ver-
ſchoben werden müſſen. Es ſprechen offenbar auch taktiſche
Gründe hiefür. Dieſes Initiativbegehren erſtreckt ſich auf
die Einführung des proportionalen Verfahrens für
die Wahl des Nationalraths und für die direkte Volkswahl
des Bundesraths, und hat daher, indem es von den Sozial-
demokraten ausgegangen, im erſten Theil auch von den Kon-
ſervativen lebhaft unterſtützt wird, einen hochpolitiſchen
Charakter, der ſich leicht zur Agitation eignet. Eine ſolche
wäre aber angeſichts der auf den 20. Mai d. J. bevorſtehen-
den allgemeinen Volksabſtimmung über die Vorlage betreſſend
obligatoriſche Kranken- und Unfallverſicherung ſchlecht
angebracht. Leider ſind die Ausſichten der Vorlage auch
jetzt noch nicht ſo, daß auf die Annahme des Geſetzes ge-
rechnet werden kann. Neueſtens ſind wieder zwei Kund-
gebungen gegen dasſelbe ergangen. Die proteſtantiſch-kon-
ſervative Volkspartei des Kantons Bern hat ſich auf den
Antrag ihrer Führer Dürrenmatt und Dr. Heller mit
großer Mehrheit gegen das Projekt ausgeſprochen, weil das-
ſelbe den wirklichen Vedürſniſſen, ſpeziell des bänerlichen und
gewerblichen Mittelſtandes, nicht entſpreche, dagegen ihm
neue, geradezu unerſchwingliche Laſten auferlege und zudem
eine den republikaniſchen Sitten widerſtreitende Bureankratie
herbeiführe. Die Parteiverſammlung hielt ſich bereits auch ſchon
verpflichtet, gegen den „offiziellen Hochdruck“, mit welchem das
Verſicherungsgeſetz bei der Volksabſtimmung durchgedrückt
werden ſolle, und gegen die Unterdrückung der freien
Meinungsäußerung durch den Vorſtand des ſchweizeriſchen
Banernverbandes Verwahrung einzulegen. Man ſieht, die
Gemüther beginnen, ſich zu erhitzen, und bis zum verhängniß-
vollen Termin kann die Leidenſchaft ſo wachſen, daß eine
nüchterne Beurtheilung des ohnehin in ſeinem Inhalt den
breiten Volksſchichten noch fremden Geſetzentwurſes kaum mehr
zu erwarten iſt. Der Verein für katholiſche Sozial-
politik, der unter dem Einfluß des bekannten National-
raths Dr. Decurtins aus Granbünden ſteht, der in der
Bundesverſammlung eine ſeltſame Stellung einnimmt, indem
er zwar auch ausgeſprochen klerikalen Tendenzen huldigt,
aber ſich nicht der katholiſchen Fraktion der Rechten, ſondern
der ſogenannten ſozialpolitiſchen (ſozialdemokratiſchen) Gruppe
angeſchloſſen hat, ſtellt ſich ebenfalls auf die Seite der
Oppoſition, verſpricht aber, für den fehlerhaſten Entwurf ein
Heilmittel zu beſitzen, das geſtatte, denſelben in verbeſſerter
Geſtalt ebenfalls bis zum Jahre 1903 in Kraft treten zu
laſſen. Worin die Remedur beſtehen ſoll, kann ziemlich
gleichgültig ſein, da dieſer kleine Zirkel eigentlich nur die
Bedeutung einer Dilettantengeſellſchaft hat. — In der Zeit
der fetten Bundesfinanzen wurden auch Subventionen
an die Berufsbildung ausgeworfen. Obſchon die Mittel
bedentend knapper geworden und der Bund ja ſogar ein Spar-
budget aufſtellen mußte, ſind die Anſprüche auf ſolche Unter-
ſtützungen noch dringender und vielſeitiger geworden. In der Dis-
kuſſion wurde auch die Franenfrage geſtreiſt und unter
Zuſtimmung des Bundesraths mit großer Mehrheit der Antrag
der Referenten angenommen, daß die ſubventionirten Anſtalten
in Zukunſt auch Schülerinnen aufnehmen müſſen. —
Das aus dem Jahr 1886 datirende Bundesgeſetz betreffend
gebrannte Waſſer, welches Herſtellung und Einfuhr ge-
brannter Waſſer aus Stoffen, deren Brennen der Bundesgeſetz-
gebung unterſtellt iſt, als Bundesmonopol erklärt, muß
bereits der Reviſion unterſtellt werden. Die Veranlaſſung
dazu bietet die Beſtimmung, daß annähernd ein Viertheil des
Bedarfs an gebrannten Waſſern durch Lieferungsverträge
mit inländiſchen Produzenten beſchaſſt werden ſoll. Dieſelbe
war mit Rückſicht auf die kartoffelnbauenden Kantone Bern,
Solothurn u. ſ. w., wo das Schnapsbrennen und leider auch
das Schnapstrinken große Dimenſionen angenommen hatte,
aufgenommen worden, und hatte inſofern ſeine Verechtigung,
weil der Getreideban unrentabel geworden. Andrerſeits ver-
mindert dieſe Inlandproduktion, welche die Verwendung
wohlfeilerer ausländiſcher Produkte zum Theil ausſchließt,
den Ertrag des Monopols, von dem jährlich ca. 6 Mill. Fr.
nach der Vevölkerungszahl unter die ſämmtlichen Kantone
vertheilt werden. Die Zunahme des Verbrauchs von denatu-
Feuilleton.
O. M. Münchener Allerlei.
Mutter, der Mann mit
dem Koks iſt da — dieſer alte Gaſſenhauer, einſt ſo oft ge-
ſungen, iſt längſt verklungen. Der Mann mit dem Koks
kommt auch nicht mehr, denn wir leiden noch immer unter
der Kohlennoth, woran theilweiſe der Strike, der nun gottlob
zu Ende zu gehen ſcheint, theilweiſe aber auch der hartnäckige
Winter die Schuld trägt, dem es trotz Fleiſchbeſchaugeſetz und
lex Heinze noch immer vortrefflich bei uns zu gefallen ſcheint.
Wenigſtens zu Anfang der Woche, als der Salvatorausſchank
begann, lag noch tiefer Schnee — ſtellenweiſe war es auch
Schmutz — in den Straßen. Trotzdem blieb es für den Ur-
münchener ein Ereigniß, wenn es auch durch die vielen anderen
„Salvatormütter“, die im Laufe der Zeiten gleichnamige
Kinder zur Welt gebracht, etwas eingebüßt haben mag und
der wahre Salvator am Nockherberg nicht mehr wie früher
viribus unitis vertilgt wird, was ein Ueiner angehender
Lateiner ſeinem minder gebildeten Erzeuger einſt als „mit
vereinten Männern“ überſetzte. Allerdings hat die Ur-
ſalvator-Mutter es im Prozeßweg durchgeſetzt, daß ihre
Konkurrentinnen ihre Kinder nicht mehr Salvator taufen
dürfen und demnach haben dieſe alle möglichen Namen an-
genommen, ſogar ein „Agitator“ beſindet ſich darunter — ge-
trunken werden ſie aber alle. Warum kein agent provocateur?
Der Name würde doch in der Wirkung am treffendſten die
Urſache bezeichnen. Es iſt zwar richtig, daß die Urſache nicht
immer unbedingt der Wirkung vorangehen muß, wie z. B.,
wenn der behandelnde Arzt dem Sarge ſeines Patienten folgt
oder man der lex Heinze halber, noch bevor ſie Geſetz geworden,
das Vertrauen in unſern Richterſtand verliert. Unſre armen
Kadis! Sie ſind doch wahrhaftig nicht zu beneiden, wenn
ſie es nun auch noch den Geſetzesgebern nicht mehr recht
machen können, nachdem ihr Beruf ſie ſchon zwingt, den
Geſetzesübertretern fortwährend vor den Kopf zu ſtoßen. Und
dafür haben ſie in dem Bibelwort: Richtet nicht, damit ihr
nicht gerichtet werdet, noch eine recht angenehme Perſpektive.
Kein Wunder, daß ein altes Sprichwort ſagt: Juriſt — ein
ſchlechter Chriſt. Wahrhaftig, es gehört ein guter Magen
dazu, heutzutage noch einer Korporation oder Behörde an-
zugehören, nachdem jeder Philiſter hinter dem Bierkruge all
dieſe Dinge weit beſſer verſteht. So hatte ich jüngſt im Hof-
bräuhauſe Gelegenheit, einer Debatte über öffentliche Angelegen-
heiten an einem Nebeutiſche zuzuhören. Die Geiſter waren
heftig aufeinander geplatzt und ein Hauptrufer im Streite
ließ ſich zu der höchſt reſpektwidrigen und ganz unparla-
mentariſchen Aeußerung hinreißen: „Ochſen ſind’s, die Eſel!“
Es iſt höchſte Zeit, daß das Projekt eines zoologiſchen
Gartens in München greifbare Geſtalt gewinnt, ſei es
auch nur, um derartigen Leuten die zoologiſche Un-
möglichkeit ihrer Herzensergießungen ad oculos zu demon-
ſtriren. Und nun ſcheint ſich durch die Elektriſirung der
Trambahn an der Maximilianſtraße ſchon wieder neuer
Zündſtoff zur Unzufriedenheit anzuſammeln. Warum verſucht
man es denn bei unſrer noch in den Kinderſchuhen ſteckenden
„Elektriſchen“ nicht einmal mit dem Schlitzſyſtem wie bei den
Knaben mit den erſten Höschen? Bis ſie ihm entwachſen,
wird ſich ſchon eine neue Mode finden. Geld koſtet die
Mode — das iſt ja richtig, aber dafür iſt die „Elektriſche“
auch ein Weib und wer ein ſolches beſitzt, weiß das und hat
jedenfalls das Wort „Khaki“ ſchon gehört, was die neueſte
Modefarbe und Deutſchlands einzige Ervungenſchaft aus dem
ſüdafrikaniſchen Kriege iſt. Den tertius gaudens haben wir
dem Herrn Engländer noch nicht abgeguckt. Das iſt zwar
nicht viel, aber freuen thut’s uns doch, namentlich unſre
— Damen, die nunmehr in „Khaki“ gehen können. Auf die
Damen ſcheint es auch die „weiße Internationale“ abgeſehen
zu haben, deren Proſpekt mir vorliegt. Dieſe Internationale
— jedenfalls gegründet, um einem höchſt dringenden Be-
dürfuiß abzuhelfen — iſt ein Berein auf theoſophiſcher Grund-
lage und man hat zur Anfnahme nur ſieben näher bezeichnete
Tugenden zu üben und dieſe nur auf Ehrenwort, das man
ſich ſelbſt gibt und mindeſtens jährlich drei Mark zu zahlen.
So hätten wir außer der ſchwarzen und rothen auch noch
eine weiße Internationale.
* Aus Freiburg i. Br. wird der „Südd. Reichskorr.“
geſchrieben: Die Aula des alten Kollegienhauſes übt in dieſen
Tagen eine ungewohnte Anziehungskraft aus. Der beſcheidene
Raum wird ſonſt nur bei Feſtakten und öffentlichen Vorträgen
betreten und hat wohl nie als eine Sehenswürdigkeit Frei-
burgs gegolten. Jetzt iſt er es geworden durch das pracht-
volle Geſchenk, mit dem die Gnade des Landesherrn unſre
Hochſchule bedachte. Den Wandſchmuck der Aula bilden be-
kanntlich acht umfangreiche ältere Oelgemälde, Fürſtenportraits,
in denen die Vergangenheit der Alberto-Ludoviciana lebendig
wird. Geſchichtliche Erinnerungen, nicht künſtleriſche Quali-
täten machen uns dieſe Portraits werthvoll. Es ſind die
alten Familienbilder, denen die Univerſität mit Recht den
Platz in ihrer „guten Stube“ einräumt und denen ſie neuer-
dings die Sorgfalt einer umfaſſenden Reſtauration angedeihen
ließ. Nur eine Geſtalt hat man bisher in der Reihe der
„Familienbilder“ vermißt: den gegenwärtigen Rector magni-
ficentissimus, deſſen Namen mit der Auferſtehung Deutſch-
lands ebenſo innig verknüpft iſt, wie mit dem ungeahnten
Aufblühen unſrer Univerſität während des letzten Menſchen-
alters. Nun hat Großherzog Friedrich ſelbſt unſern
Wunſch erfüllt. Das von Ferdinand Keller gemalte
Portrait iſt, wie die anderen Bildniſſe der Aula, ein Re-
präſentationsbild. Es zeigt den Fürſten in großer Generals-
uniform, lebensgroß, in ganzer Figur. Unbedeckten Hauptes,
den Helm mit dem Reiherbuſch in der Linken haltend, ſteht
er auf der Plattform der Treppe, die vom Schloßportal ins
Freie führt. Wenn das Auge die anderen Portraits ſtreift,
wo die dargeſtellten Fürſtlichkeiten in den bekannten, von der
franzöſiſchen Hoſkunſt ausgeprägten Poſen geſtikuliren, wird
uns die Wohlthat dieſer ruhigen Erſcheinung doppelt fühlbar.
Die Arme ſind in ungezwungener Lage nach innen genommen,
die ganze Geſtalt iſt feſt zuſammen gefaßt und in ſich ge-
ſchloſſen, wodurch der Eindruck majeſtätiſcher Würde entſteht.
Die ſtrenge Vertikale der Figur iſt aber in der glücklichſten
Weiſe ausgeglichen durch die leichte Neigung des Kopfes nach
rechts. Mit ihr wird erreicht, daß die ruhige Geſtalt von
lebhafter innerer Bewegung beſeelt erſcheint. Ergreifend in
ſeiner natürlichen Einfachheit iſt der Ausdruck väterlicher
Güte. Man wird ſelten ein Nepräſentationsbild von ſo in-
timer Wirkung ſehen. Wir müſſen Meiſter Keller beſonderen
Dauk dafür wiſſen, daß er unſern Fürſten ſo und nicht
anders gemalt hat, daß er nichts fremdes zwiſchen ihn und
uns treten ließ und unſre Aufmerkſamkeit nicht theilte. Der
Verſuchung, ſeine dekorativen Künſte ſpielen zu laſſen, hat
der „badiſche Makart“ durchaus widerſtanden. Das Intereſſe
iſt auf die dargeſtellte Perſönlichkeit konzentrirt. Mit vor-
nehmer Zurückhaltung dämpft er die übrigens prächtig zu-
ſammengeſtimmten Farben der reichen Uniform und läßt auch
koloriſtiſch den Kopf dominiren. Die virtnoſe Beherrſchung
der Technik verſteht ſich bei Ferdinand Keller von ſelbſt.
Wir bewundern, wie gleichmäßig ſorgfältig alles durch-
geführt iſt, und beglückwünſchen uns im Hinblick auf die
lokalen Verhältniſſe der Aula, daß der Künſtler nicht
„modernes“ gemalt hat: die Vorzüge ſeiner Arbeit laſſen ſich
aus der Nähe genießen. Dem Gemälde iſt der einzig mög-
liche Platz angewieſen worden, der auch als der würdigſte
gelten darf, zwiſchen den Stiftern Albrecht und Mechtild.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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