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Allgemeine Zeitung, Nr. 82, 25. März 1900.

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Sonntag,
Zweites Blatt Nr. 82 der Allgemeinen Zeitung.
25. März 1900.
Oesterreich-Ungarn.
Zur Vertagung der Verständigungskonferenz.

* Die Stimmung, in der die Theilnehmer der deutsch-
tschechischen Verständigungskonferenz am Donnerstag
auseinandergingen, war nicht ungünstig und läßt ein späteres
Wiederzusammentreten wünschenswerth und nicht aussichtslos
erscheinen. Endgültige Vereinbarungen wurden bisher aller-
dings auf keinem Gebiet erzielt, das kommt aber zu einem
guten Theil daher, daß sich sämmtliche zur Berathung
vorgelegenen Gegenstände je an einem oder an mehreren
Punkten eng berühren, der eine Gegenstand also nicht ohne
den anderen erledigt werden kann und überdies beide Parteien
ihre Zustimmung im einzelnen von der schließlichen Annahme
des Gesammtausgleichs abhängig machen. Jedenfalls ist der
Bereich der kontroversen Punkte bereits wesentlich eingeschränkt
und der Weg gezeigt worden, auf dem ein Einvernehmen im
ganzen erreicht werden kann. Nach den trostlosen Wirren
der letzten Jahre lag auch darin schon ein Zeichen der Besse-
rung, daß es überhaupt möglich war, die Konferenz durch
fast sieben Wochen am Leben zu erhalten, zumal mitten in
diese Zeit eine Reichsrathssession siel, die mannichfache gefahr-
volle Anlässe zum Wiederausbruch der alten Leidenschaften in
sich schloß. Man erinnere sich vergleichsweise nur der Ver-
ständigungsaktion des Grasen Thun vom Sommer 1898, die
gleich bei den ersten Anfängen scheiterte. Entgegenkommend
konnte man die Haltung der beiden Parteien während der
jetzigen Konferenzverhandlungen nicht nennen, es überwog
vielmehr ein beiderseitiges Mißtrauen. Das hatte aber wenigstens
das Gute, daß keine voreiligen Zusagen gemacht wurden, die
später hätten zurückgenommen werden müssen. Günstig, viel-
leicht entscheidend für den Fortgang der Konferenz war das
Resultat der während der Reichsrathstagung erfolgten Ab-
rechnung der Parteien der Rechten untereinander: da
die Tschechen sahen, daß sie bei ihren alten Freunden
keine genügende Unterstützung finden würden, wenn
sie fortfuhren, die Erfüllung ihrer Forderungen im rücksichts-
losen parlamentarischen Kampse zu ertrotzen, so waren sie ge-
nöthigt, auf den Weg der friedlichen Verständigung zurück-
zukehren. Die Verdienste der Regierung Koerber um die
Konferenz dürfen nicht verkannt werden, aber man wäre doch
vielleicht heute schon weiter, wenn sich die Minister nicht
immer nur aufs Referiren und Informiren verlegt, sondern
mehr Initiative gezeigt hätten und in geeigneten Momenten mit
eigenen Vorschlägen hervorgetreten wären. Wie nothwendig
und zweckdienlich eine bestimmte Stellungnahme der Negierung
ist, zeigte sich gerade in den letzten Tagen, als Herr
v. Koerber auf Verlangen der Tschechen seinen Standpunkt
bezüglich der Wiedereinführung der inneren tschechischen Amts-
sprache bei den landesfürstlichen Behörden präzisirte. Die
Tschechen hätten nicht übel Lust gehabt, die Konferenz zu
sprengen, wofern sie nicht betreffs dieses, ihnen besonders am
Herzen liegenden Punktes eine sie leidlich befriedigende Ant-
wort erhalten hätten. Nachdem ihnen diese zutheil geworden,
haben sie eine Rückendeckung gegen ihre Wähler und
bleiben sie zu weiteren Verhandlungen bereit. Wie Herr
v. Koerber in diesem Fall, ohne die Deutschen gegen sich auf-
zubringen, die Tschechen wenigstens halbwegs zufriedenstellen
konnte und so nicht unwesentlich zur Förderung des gesammten
Verständigungswerks beitrug, so hätte er, die allzu peinliche
Vorsicht außer acht lassend, wohl auch in anderen Fällen
durch resolutes Eingreifen und entschiedenere Stellungnahme nütz-
lich wirken können; die Verhältnisse sind dazu nachgerade hin-
länglich geklärt, die Wünsche und Forderungen der Parteien
bekannt genng. Doch der Ministerpräsident wird zufrieden
sein, seinerseits bisher am Ausgleichswerk wenigstens nichts
verdorben zu haben. -- Die Konferenzabtheilung sür Böhmen
hat gestern zum Schluß noch zwei Subkomitees gewählt,
das eine zur Berathung der Sprachenfrage bei den landes-
fürstlichen Behörden, das zweite zur Berathung der Frage der
Minoritätsschulen. Wann die Arbeiten fortgesetzt werden, ist
vorläufig unbestimmt. Die Tschechen wünschten, daß das
erstgenannte Subkomitee während der Landtagssession in
Prag Berathungen abhalten möge, damit sobald als möglich
[Spaltenumbruch] die innere tschechische Amtssprache festgestellt werde.
Die deutschen Delegirten aber verhalten sich diesem Vegehren
gegenüber ablehnend. Die mehrerwähnte Erklärung des
Ministerpräsidenten, daß die Regierung bereit sei, die innere
tschechische Amtssprache wieder einzuführen, ist übrigens noch
nicht vollkommen positiv zu nehmen, wie die Tschechen
möchten. Hr. v. Koerber hatte selbst hinzugefügt: "wenn
dadurch der innere Friede hergestellt wird", und diese Ein-
schränkung wird vom "Fremdenblatt" dahin kommentirt, daß
die Tschechen keine einseitige Erfüllung ihrer Postulate
verlangen dürfen, weil dann eben der Friede nicht hergestellt
würde; um die innere Dienstsprache zu erlangen, müßten die
Tschechen auch den deutschen Forderungen hinsichtlich des
Sprachgebrauches bei den landesfürstlichen Behörden gerecht
werden.

Sanktion der neuen Wiener Gemeindewahlordnung.

Gegenüber dem Obmann des fort-
schrittlichen Parteiverbandes des Wiener Gemeinderaths, Dr.
Vogler, erklärte Ministerpräsident v. Koerber, daß die
Regierung zu dem Entschluß gelangt sei, das Gemeinde-
statut und die Wahlordnung der allerhöchsten
Sanktion zu unterbreiten.
Die Regierung glaube, daß
der Gesetzentwurf in seiner jetzigen Gestalt nicht mehr so
wesentliche Mängel aufweise, um die Erledigung dieser so
lange schwebenden und mit Rücksicht auf den Wahltermin
dringenden Angelegenheit neuerdings zu verzögern. Die Ver-
mehrung der Wähler des ersten und zweiten Wahlkörpers
sei gerechtfertigt; gegen das Prinzip der Vertheilung der
Mandate sei mit Rücksicht auf die im Landtage vorgenom-
menen Richtigstellungen keine gegründete Einwendung mehr
zu erheben. Der Ministerpräsident versicherte den Dr. Vogler,
daß die Sanktion der Vorlage nicht als ein gegen die Fort-
schrittspartei im Gemeinderath gerichteter Regierungsakt auf-
zufassen sei. Die Publikation der Sanktion wird für Anfang
nächster Woche erwartet. Die Mehrheit der fortschrittlichen
Gemeinderäthe werden ihre Mandate niederlegen. Die Frage
der dadurch nothwendig werdenden Nenwahlen bildet bereits
den Gegenstand einer lebhaften Kontroverse.

Nikolaus Dumba +.

* Dem am Freitag in Budapest plötzlich verstorbenen
Herrenhausmitglied Dumba, einer der bekanntesten und an-
gesehensten Persönlichkeiten Wiens, widmen die dortigen Blätter
sehr warme, ehrende Rachrufe. "Dumba war," schreibt die
"N. Fr. Pr.", "eine Individnalität, wie sie immer seltener
werden, nämlich ein Mann, dem es Bedürfniß ist und Be-
friedigung gewährt, in welcher Form immer und auf welchem
Gebiete immer dem öffentlichen Wohl und gemeinen Nutzen
zu dienen. Von einer nur wenig über den Durchschnitt
hinansragenden Begabung, aber im Besitze eines ererbten
bedentenden Vermögens, das sich ohne große Anstrengung
leicht vermehren ließ, fand er weder Geschmack daran, sich einem
stumpfen Genußleben hinzugeben, noch war es sein Ehrgeiz,
das bedeutende Handelshaus, das sein Vater begründet hatte,
nach Art der hanseatischen Kaufherren mächtig und welt-
gebietend zu machen. Aber indem er den weisen Mittelweg
einer erhaltenden Verwaltung seines Reichthums wählte, war
ihm die Empfindung dessen nicht fremd, was man heutzutage
die Pflichten des Besitzes nennt, und halb unbewußt
erfüllte er diese Pflichten, indem er mit seiner Person und
seinem Vermögen sich stets als Mitglied der Gesellschaft fühlte
und danach handelte. So ward er mit ganzem Herzen ein
Wiener Bürger, ein Förderer der Kunst und aller edlen
Zwecke, so kommt es, daß, wenn man die letzten dreißig Jahre
Wiener Geschichte zurückblättert, man fast auf jeder Seite
Dumba's Namen verzeichnet findet."

Schweiz.
Parlamentarisches.

Seit Montag tagt die Bundes-
versammlung
in außerordentlicher Session, um die in der
ordentlichen Wintersitzung zurückgelegten Traktanden möglichst
zu erledigen. Der interessanteste Geschäftsgegenstand -- die
[Spaltenumbruch] sogenannte "Doppelinitiative" -- wird indeß abermals ver-
schoben werden müssen. Es sprechen offenbar auch taktische
Gründe hiefür. Dieses Initiativbegehren erstreckt sich auf
die Einführung des proportionalen Verfahrens für
die Wahl des Nationalraths und für die direkte Volkswahl
des Bundesraths, und hat daher, indem es von den Sozial-
demokraten ausgegangen, im ersten Theil auch von den Kon-
servativen lebhaft unterstützt wird, einen hochpolitischen
Charakter, der sich leicht zur Agitation eignet. Eine solche
wäre aber angesichts der auf den 20. Mai d. J. bevorstehen-
den allgemeinen Volksabstimmung über die Vorlage betressend
obligatorische Kranken- und Unfallversicherung schlecht
angebracht. Leider sind die Aussichten der Vorlage auch
jetzt noch nicht so, daß auf die Annahme des Gesetzes ge-
rechnet werden kann. Neuestens sind wieder zwei Kund-
gebungen gegen dasselbe ergangen. Die protestantisch-kon-
servative Volkspartei des Kantons Bern hat sich auf den
Antrag ihrer Führer Dürrenmatt und Dr. Heller mit
großer Mehrheit gegen das Projekt ausgesprochen, weil das-
selbe den wirklichen Vedürsnissen, speziell des bänerlichen und
gewerblichen Mittelstandes, nicht entspreche, dagegen ihm
neue, geradezu unerschwingliche Lasten auferlege und zudem
eine den republikanischen Sitten widerstreitende Bureankratie
herbeiführe. Die Parteiversammlung hielt sich bereits auch schon
verpflichtet, gegen den "offiziellen Hochdruck", mit welchem das
Versicherungsgesetz bei der Volksabstimmung durchgedrückt
werden solle, und gegen die Unterdrückung der freien
Meinungsäußerung durch den Vorstand des schweizerischen
Banernverbandes Verwahrung einzulegen. Man sieht, die
Gemüther beginnen, sich zu erhitzen, und bis zum verhängniß-
vollen Termin kann die Leidenschaft so wachsen, daß eine
nüchterne Beurtheilung des ohnehin in seinem Inhalt den
breiten Volksschichten noch fremden Gesetzentwurses kaum mehr
zu erwarten ist. Der Verein für katholische Sozial-
politik,
der unter dem Einfluß des bekannten National-
raths Dr. Decurtins aus Granbünden steht, der in der
Bundesversammlung eine seltsame Stellung einnimmt, indem
er zwar auch ausgesprochen klerikalen Tendenzen huldigt,
aber sich nicht der katholischen Fraktion der Rechten, sondern
der sogenannten sozialpolitischen (sozialdemokratischen) Gruppe
angeschlossen hat, stellt sich ebenfalls auf die Seite der
Opposition, verspricht aber, für den fehlerhasten Entwurf ein
Heilmittel zu besitzen, das gestatte, denselben in verbesserter
Gestalt ebenfalls bis zum Jahre 1903 in Kraft treten zu
lassen. Worin die Remedur bestehen soll, kann ziemlich
gleichgültig sein, da dieser kleine Zirkel eigentlich nur die
Bedeutung einer Dilettantengesellschaft hat. -- In der Zeit
der fetten Bundesfinanzen wurden auch Subventionen
an die Berufsbildung
ausgeworfen. Obschon die Mittel
bedentend knapper geworden und der Bund ja sogar ein Spar-
budget aufstellen mußte, sind die Ansprüche auf solche Unter-
stützungen noch dringender und vielseitiger geworden. In der Dis-
kussion wurde auch die Franenfrage gestreist und unter
Zustimmung des Bundesraths mit großer Mehrheit der Antrag
der Referenten angenommen, daß die subventionirten Anstalten
in Zukunst auch Schülerinnen aufnehmen müssen. --
Das aus dem Jahr 1886 datirende Bundesgesetz betreffend
gebrannte Wasser, welches Herstellung und Einfuhr ge-
brannter Wasser aus Stoffen, deren Brennen der Bundesgesetz-
gebung unterstellt ist, als Bundesmonopol erklärt, muß
bereits der Revision unterstellt werden. Die Veranlassung
dazu bietet die Bestimmung, daß annähernd ein Viertheil des
Bedarfs an gebrannten Wassern durch Lieferungsverträge
mit inländischen Produzenten beschasst werden soll. Dieselbe
war mit Rücksicht auf die kartoffelnbauenden Kantone Bern,
Solothurn u. s. w., wo das Schnapsbrennen und leider auch
das Schnapstrinken große Dimensionen angenommen hatte,
aufgenommen worden, und hatte insofern seine Verechtigung,
weil der Getreideban unrentabel geworden. Andrerseits ver-
mindert diese Inlandproduktion, welche die Verwendung
wohlfeilerer ausländischer Produkte zum Theil ausschließt,
den Ertrag des Monopols, von dem jährlich ca. 6 Mill. Fr.
nach der Vevölkerungszahl unter die sämmtlichen Kantone
vertheilt werden. Die Zunahme des Verbrauchs von denatu-



Feuilleton.
O. M. Münchener Allerlei.

Mutter, der Mann mit
dem Koks ist da -- dieser alte Gassenhauer, einst so oft ge-
sungen, ist längst verklungen. Der Mann mit dem Koks
kommt auch nicht mehr, denn wir leiden noch immer unter
der Kohlennoth, woran theilweise der Strike, der nun gottlob
zu Ende zu gehen scheint, theilweise aber auch der hartnäckige
Winter die Schuld trägt, dem es trotz Fleischbeschaugesetz und
lex Heinze noch immer vortrefflich bei uns zu gefallen scheint.
Wenigstens zu Anfang der Woche, als der Salvatorausschank
begann, lag noch tiefer Schnee -- stellenweise war es auch
Schmutz -- in den Straßen. Trotzdem blieb es für den Ur-
münchener ein Ereigniß, wenn es auch durch die vielen anderen
"Salvatormütter", die im Laufe der Zeiten gleichnamige
Kinder zur Welt gebracht, etwas eingebüßt haben mag und
der wahre Salvator am Nockherberg nicht mehr wie früher
viribus unitis vertilgt wird, was ein Ueiner angehender
Lateiner seinem minder gebildeten Erzeuger einst als "mit
vereinten Männern" übersetzte. Allerdings hat die Ur-
salvator-Mutter es im Prozeßweg durchgesetzt, daß ihre
Konkurrentinnen ihre Kinder nicht mehr Salvator taufen
dürfen und demnach haben diese alle möglichen Namen an-
genommen, sogar ein "Agitator" besindet sich darunter -- ge-
trunken werden sie aber alle. Warum kein agent provocateur?
Der Name würde doch in der Wirkung am treffendsten die
Ursache bezeichnen. Es ist zwar richtig, daß die Ursache nicht
immer unbedingt der Wirkung vorangehen muß, wie z. B.,
wenn der behandelnde Arzt dem Sarge seines Patienten folgt
oder man der lex Heinze halber, noch bevor sie Gesetz geworden,
das Vertrauen in unsern Richterstand verliert. Unsre armen
Kadis! Sie sind doch wahrhaftig nicht zu beneiden, wenn
sie es nun auch noch den Gesetzesgebern nicht mehr recht
machen können, nachdem ihr Beruf sie schon zwingt, den
Gesetzesübertretern fortwährend vor den Kopf zu stoßen. Und
dafür haben sie in dem Bibelwort: Richtet nicht, damit ihr
nicht gerichtet werdet, noch eine recht angenehme Perspektive.
Kein Wunder, daß ein altes Sprichwort sagt: Jurist -- ein
schlechter Christ. Wahrhaftig, es gehört ein guter Magen
dazu, heutzutage noch einer Korporation oder Behörde an-
zugehören, nachdem jeder Philister hinter dem Bierkruge all
diese Dinge weit besser versteht. So hatte ich jüngst im Hof-
bräuhause Gelegenheit, einer Debatte über öffentliche Angelegen-
[Spaltenumbruch] heiten an einem Nebeutische zuzuhören. Die Geister waren
heftig aufeinander geplatzt und ein Hauptrufer im Streite
ließ sich zu der höchst respektwidrigen und ganz unparla-
mentarischen Aeußerung hinreißen: "Ochsen sind's, die Esel!"
Es ist höchste Zeit, daß das Projekt eines zoologischen
Gartens in München greifbare Gestalt gewinnt, sei es
auch nur, um derartigen Leuten die zoologische Un-
möglichkeit ihrer Herzensergießungen ad oculos zu demon-
striren. Und nun scheint sich durch die Elektrisirung der
Trambahn an der Maximilianstraße schon wieder neuer
Zündstoff zur Unzufriedenheit anzusammeln. Warum versucht
man es denn bei unsrer noch in den Kinderschuhen steckenden
"Elektrischen" nicht einmal mit dem Schlitzsystem wie bei den
Knaben mit den ersten Höschen? Bis sie ihm entwachsen,
wird sich schon eine neue Mode finden. Geld kostet die
Mode -- das ist ja richtig, aber dafür ist die "Elektrische"
auch ein Weib und wer ein solches besitzt, weiß das und hat
jedenfalls das Wort "Khaki" schon gehört, was die neueste
Modefarbe und Deutschlands einzige Ervungenschaft aus dem
südafrikanischen Kriege ist. Den tertius gaudens haben wir
dem Herrn Engländer noch nicht abgeguckt. Das ist zwar
nicht viel, aber freuen thut's uns doch, namentlich unsre
-- Damen, die nunmehr in "Khaki" gehen können. Auf die
Damen scheint es auch die "weiße Internationale" abgesehen
zu haben, deren Prospekt mir vorliegt. Diese Internationale
-- jedenfalls gegründet, um einem höchst dringenden Be-
dürfuiß abzuhelfen -- ist ein Berein auf theosophischer Grund-
lage und man hat zur Anfnahme nur sieben näher bezeichnete
Tugenden zu üben und diese nur auf Ehrenwort, das man
sich selbst gibt und mindestens jährlich drei Mark zu zahlen.
So hätten wir außer der schwarzen und rothen auch noch
eine weiße Internationale.

* Aus Freiburg i. Br. wird der "Südd. Reichskorr."
geschrieben: Die Aula des alten Kollegienhauses übt in diesen
Tagen eine ungewohnte Anziehungskraft aus. Der bescheidene
Raum wird sonst nur bei Festakten und öffentlichen Vorträgen
betreten und hat wohl nie als eine Sehenswürdigkeit Frei-
burgs gegolten. Jetzt ist er es geworden durch das pracht-
volle Geschenk, mit dem die Gnade des Landesherrn unsre
Hochschule bedachte. Den Wandschmuck der Aula bilden be-
kanntlich acht umfangreiche ältere Oelgemälde, Fürstenportraits,
in denen die Vergangenheit der Alberto-Ludoviciana lebendig
wird. Geschichtliche Erinnerungen, nicht künstlerische Quali-
täten machen uns diese Portraits werthvoll. Es sind die
alten Familienbilder, denen die Universität mit Recht den
[Spaltenumbruch] Platz in ihrer "guten Stube" einräumt und denen sie neuer-
dings die Sorgfalt einer umfassenden Restauration angedeihen
ließ. Nur eine Gestalt hat man bisher in der Reihe der
"Familienbilder" vermißt: den gegenwärtigen Rector magni-
ficentissimus,
dessen Namen mit der Auferstehung Deutsch-
lands ebenso innig verknüpft ist, wie mit dem ungeahnten
Aufblühen unsrer Universität während des letzten Menschen-
alters. Nun hat Großherzog Friedrich selbst unsern
Wunsch erfüllt. Das von Ferdinand Keller gemalte
Portrait ist, wie die anderen Bildnisse der Aula, ein Re-
präsentationsbild. Es zeigt den Fürsten in großer Generals-
uniform, lebensgroß, in ganzer Figur. Unbedeckten Hauptes,
den Helm mit dem Reiherbusch in der Linken haltend, steht
er auf der Plattform der Treppe, die vom Schloßportal ins
Freie führt. Wenn das Auge die anderen Portraits streift,
wo die dargestellten Fürstlichkeiten in den bekannten, von der
französischen Hoskunst ausgeprägten Posen gestikuliren, wird
uns die Wohlthat dieser ruhigen Erscheinung doppelt fühlbar.
Die Arme sind in ungezwungener Lage nach innen genommen,
die ganze Gestalt ist fest zusammen gefaßt und in sich ge-
schlossen, wodurch der Eindruck majestätischer Würde entsteht.
Die strenge Vertikale der Figur ist aber in der glücklichsten
Weise ausgeglichen durch die leichte Neigung des Kopfes nach
rechts. Mit ihr wird erreicht, daß die ruhige Gestalt von
lebhafter innerer Bewegung beseelt erscheint. Ergreifend in
seiner natürlichen Einfachheit ist der Ausdruck väterlicher
Güte. Man wird selten ein Nepräsentationsbild von so in-
timer Wirkung sehen. Wir müssen Meister Keller besonderen
Dauk dafür wissen, daß er unsern Fürsten so und nicht
anders gemalt hat, daß er nichts fremdes zwischen ihn und
uns treten ließ und unsre Aufmerksamkeit nicht theilte. Der
Versuchung, seine dekorativen Künste spielen zu lassen, hat
der "badische Makart" durchaus widerstanden. Das Interesse
ist auf die dargestellte Persönlichkeit konzentrirt. Mit vor-
nehmer Zurückhaltung dämpft er die übrigens prächtig zu-
sammengestimmten Farben der reichen Uniform und läßt auch
koloristisch den Kopf dominiren. Die virtnose Beherrschung
der Technik versteht sich bei Ferdinand Keller von selbst.
Wir bewundern, wie gleichmäßig sorgfältig alles durch-
geführt ist, und beglückwünschen uns im Hinblick auf die
lokalen Verhältnisse der Aula, daß der Künstler nicht
"modernes" gemalt hat: die Vorzüge seiner Arbeit lassen sich
aus der Nähe genießen. Dem Gemälde ist der einzig mög-
liche Platz angewiesen worden, der auch als der würdigste
gelten darf, zwischen den Stiftern Albrecht und Mechtild.

Sonntag,
Zweites Blatt Nr. 82 der Allgemeinen Zeitung.
25. März 1900.
Oeſterreich-Ungarn.
Zur Vertagung der Verſtändigungskonferenz.

* Die Stimmung, in der die Theilnehmer der deutſch-
tſchechiſchen Verſtändigungskonferenz am Donnerſtag
auseinandergingen, war nicht ungünſtig und läßt ein ſpäteres
Wiederzuſammentreten wünſchenswerth und nicht ausſichtslos
erſcheinen. Endgültige Vereinbarungen wurden bisher aller-
dings auf keinem Gebiet erzielt, das kommt aber zu einem
guten Theil daher, daß ſich ſämmtliche zur Berathung
vorgelegenen Gegenſtände je an einem oder an mehreren
Punkten eng berühren, der eine Gegenſtand alſo nicht ohne
den anderen erledigt werden kann und überdies beide Parteien
ihre Zuſtimmung im einzelnen von der ſchließlichen Annahme
des Geſammtausgleichs abhängig machen. Jedenfalls iſt der
Bereich der kontroverſen Punkte bereits weſentlich eingeſchränkt
und der Weg gezeigt worden, auf dem ein Einvernehmen im
ganzen erreicht werden kann. Nach den troſtloſen Wirren
der letzten Jahre lag auch darin ſchon ein Zeichen der Beſſe-
rung, daß es überhaupt möglich war, die Konferenz durch
faſt ſieben Wochen am Leben zu erhalten, zumal mitten in
dieſe Zeit eine Reichsrathsſeſſion ſiel, die mannichfache gefahr-
volle Anläſſe zum Wiederausbruch der alten Leidenſchaften in
ſich ſchloß. Man erinnere ſich vergleichsweiſe nur der Ver-
ſtändigungsaktion des Graſen Thun vom Sommer 1898, die
gleich bei den erſten Anfängen ſcheiterte. Entgegenkommend
konnte man die Haltung der beiden Parteien während der
jetzigen Konferenzverhandlungen nicht nennen, es überwog
vielmehr ein beiderſeitiges Mißtrauen. Das hatte aber wenigſtens
das Gute, daß keine voreiligen Zuſagen gemacht wurden, die
ſpäter hätten zurückgenommen werden müſſen. Günſtig, viel-
leicht entſcheidend für den Fortgang der Konferenz war das
Reſultat der während der Reichsrathstagung erfolgten Ab-
rechnung der Parteien der Rechten untereinander: da
die Tſchechen ſahen, daß ſie bei ihren alten Freunden
keine genügende Unterſtützung finden würden, wenn
ſie fortfuhren, die Erfüllung ihrer Forderungen im rückſichts-
loſen parlamentariſchen Kampſe zu ertrotzen, ſo waren ſie ge-
nöthigt, auf den Weg der friedlichen Verſtändigung zurück-
zukehren. Die Verdienſte der Regierung Koerber um die
Konferenz dürfen nicht verkannt werden, aber man wäre doch
vielleicht heute ſchon weiter, wenn ſich die Miniſter nicht
immer nur aufs Referiren und Informiren verlegt, ſondern
mehr Initiative gezeigt hätten und in geeigneten Momenten mit
eigenen Vorſchlägen hervorgetreten wären. Wie nothwendig
und zweckdienlich eine beſtimmte Stellungnahme der Negierung
iſt, zeigte ſich gerade in den letzten Tagen, als Herr
v. Koerber auf Verlangen der Tſchechen ſeinen Standpunkt
bezüglich der Wiedereinführung der inneren tſchechiſchen Amts-
ſprache bei den landesfürſtlichen Behörden präziſirte. Die
Tſchechen hätten nicht übel Luſt gehabt, die Konferenz zu
ſprengen, wofern ſie nicht betreffs dieſes, ihnen beſonders am
Herzen liegenden Punktes eine ſie leidlich befriedigende Ant-
wort erhalten hätten. Nachdem ihnen dieſe zutheil geworden,
haben ſie eine Rückendeckung gegen ihre Wähler und
bleiben ſie zu weiteren Verhandlungen bereit. Wie Herr
v. Koerber in dieſem Fall, ohne die Deutſchen gegen ſich auf-
zubringen, die Tſchechen wenigſtens halbwegs zufriedenſtellen
konnte und ſo nicht unweſentlich zur Förderung des geſammten
Verſtändigungswerks beitrug, ſo hätte er, die allzu peinliche
Vorſicht außer acht laſſend, wohl auch in anderen Fällen
durch reſolutes Eingreifen und entſchiedenere Stellungnahme nütz-
lich wirken können; die Verhältniſſe ſind dazu nachgerade hin-
länglich geklärt, die Wünſche und Forderungen der Parteien
bekannt genng. Doch der Miniſterpräſident wird zufrieden
ſein, ſeinerſeits bisher am Ausgleichswerk wenigſtens nichts
verdorben zu haben. — Die Konferenzabtheilung ſür Böhmen
hat geſtern zum Schluß noch zwei Subkomitees gewählt,
das eine zur Berathung der Sprachenfrage bei den landes-
fürſtlichen Behörden, das zweite zur Berathung der Frage der
Minoritätsſchulen. Wann die Arbeiten fortgeſetzt werden, iſt
vorläufig unbeſtimmt. Die Tſchechen wünſchten, daß das
erſtgenannte Subkomitee während der Landtagsſeſſion in
Prag Berathungen abhalten möge, damit ſobald als möglich
[Spaltenumbruch] die innere tſchechiſche Amtsſprache feſtgeſtellt werde.
Die deutſchen Delegirten aber verhalten ſich dieſem Vegehren
gegenüber ablehnend. Die mehrerwähnte Erklärung des
Miniſterpräſidenten, daß die Regierung bereit ſei, die innere
tſchechiſche Amtsſprache wieder einzuführen, iſt übrigens noch
nicht vollkommen poſitiv zu nehmen, wie die Tſchechen
möchten. Hr. v. Koerber hatte ſelbſt hinzugefügt: „wenn
dadurch der innere Friede hergeſtellt wird“, und dieſe Ein-
ſchränkung wird vom „Fremdenblatt“ dahin kommentirt, daß
die Tſchechen keine einſeitige Erfüllung ihrer Poſtulate
verlangen dürfen, weil dann eben der Friede nicht hergeſtellt
würde; um die innere Dienſtſprache zu erlangen, müßten die
Tſchechen auch den deutſchen Forderungen hinſichtlich des
Sprachgebrauches bei den landesfürſtlichen Behörden gerecht
werden.

Sanktion der neuen Wiener Gemeindewahlordnung.

Gegenüber dem Obmann des fort-
ſchrittlichen Parteiverbandes des Wiener Gemeinderaths, Dr.
Vogler, erklärte Miniſterpräſident v. Koerber, daß die
Regierung zu dem Entſchluß gelangt ſei, das Gemeinde-
ſtatut und die Wahlordnung der allerhöchſten
Sanktion zu unterbreiten.
Die Regierung glaube, daß
der Geſetzentwurf in ſeiner jetzigen Geſtalt nicht mehr ſo
weſentliche Mängel aufweiſe, um die Erledigung dieſer ſo
lange ſchwebenden und mit Rückſicht auf den Wahltermin
dringenden Angelegenheit neuerdings zu verzögern. Die Ver-
mehrung der Wähler des erſten und zweiten Wahlkörpers
ſei gerechtfertigt; gegen das Prinzip der Vertheilung der
Mandate ſei mit Rückſicht auf die im Landtage vorgenom-
menen Richtigſtellungen keine gegründete Einwendung mehr
zu erheben. Der Miniſterpräſident verſicherte den Dr. Vogler,
daß die Sanktion der Vorlage nicht als ein gegen die Fort-
ſchrittspartei im Gemeinderath gerichteter Regierungsakt auf-
zufaſſen ſei. Die Publikation der Sanktion wird für Anfang
nächſter Woche erwartet. Die Mehrheit der fortſchrittlichen
Gemeinderäthe werden ihre Mandate niederlegen. Die Frage
der dadurch nothwendig werdenden Nenwahlen bildet bereits
den Gegenſtand einer lebhaften Kontroverſe.

Nikolaus Dumba †.

* Dem am Freitag in Budapeſt plötzlich verſtorbenen
Herrenhausmitglied Dumba, einer der bekannteſten und an-
geſehenſten Perſönlichkeiten Wiens, widmen die dortigen Blätter
ſehr warme, ehrende Rachrufe. „Dumba war,“ ſchreibt die
„N. Fr. Pr.“, „eine Individnalität, wie ſie immer ſeltener
werden, nämlich ein Mann, dem es Bedürfniß iſt und Be-
friedigung gewährt, in welcher Form immer und auf welchem
Gebiete immer dem öffentlichen Wohl und gemeinen Nutzen
zu dienen. Von einer nur wenig über den Durchſchnitt
hinansragenden Begabung, aber im Beſitze eines ererbten
bedentenden Vermögens, das ſich ohne große Anſtrengung
leicht vermehren ließ, fand er weder Geſchmack daran, ſich einem
ſtumpfen Genußleben hinzugeben, noch war es ſein Ehrgeiz,
das bedeutende Handelshaus, das ſein Vater begründet hatte,
nach Art der hanſeatiſchen Kaufherren mächtig und welt-
gebietend zu machen. Aber indem er den weiſen Mittelweg
einer erhaltenden Verwaltung ſeines Reichthums wählte, war
ihm die Empfindung deſſen nicht fremd, was man heutzutage
die Pflichten des Beſitzes nennt, und halb unbewußt
erfüllte er dieſe Pflichten, indem er mit ſeiner Perſon und
ſeinem Vermögen ſich ſtets als Mitglied der Geſellſchaft fühlte
und danach handelte. So ward er mit ganzem Herzen ein
Wiener Bürger, ein Förderer der Kunſt und aller edlen
Zwecke, ſo kommt es, daß, wenn man die letzten dreißig Jahre
Wiener Geſchichte zurückblättert, man faſt auf jeder Seite
Dumba’s Namen verzeichnet findet.“

Schweiz.
Parlamentariſches.

Seit Montag tagt die Bundes-
verſammlung
in außerordentlicher Seſſion, um die in der
ordentlichen Winterſitzung zurückgelegten Traktanden möglichſt
zu erledigen. Der intereſſanteſte Geſchäftsgegenſtand — die
[Spaltenumbruch] ſogenannte „Doppelinitiative“ — wird indeß abermals ver-
ſchoben werden müſſen. Es ſprechen offenbar auch taktiſche
Gründe hiefür. Dieſes Initiativbegehren erſtreckt ſich auf
die Einführung des proportionalen Verfahrens für
die Wahl des Nationalraths und für die direkte Volkswahl
des Bundesraths, und hat daher, indem es von den Sozial-
demokraten ausgegangen, im erſten Theil auch von den Kon-
ſervativen lebhaft unterſtützt wird, einen hochpolitiſchen
Charakter, der ſich leicht zur Agitation eignet. Eine ſolche
wäre aber angeſichts der auf den 20. Mai d. J. bevorſtehen-
den allgemeinen Volksabſtimmung über die Vorlage betreſſend
obligatoriſche Kranken- und Unfallverſicherung ſchlecht
angebracht. Leider ſind die Ausſichten der Vorlage auch
jetzt noch nicht ſo, daß auf die Annahme des Geſetzes ge-
rechnet werden kann. Neueſtens ſind wieder zwei Kund-
gebungen gegen dasſelbe ergangen. Die proteſtantiſch-kon-
ſervative Volkspartei des Kantons Bern hat ſich auf den
Antrag ihrer Führer Dürrenmatt und Dr. Heller mit
großer Mehrheit gegen das Projekt ausgeſprochen, weil das-
ſelbe den wirklichen Vedürſniſſen, ſpeziell des bänerlichen und
gewerblichen Mittelſtandes, nicht entſpreche, dagegen ihm
neue, geradezu unerſchwingliche Laſten auferlege und zudem
eine den republikaniſchen Sitten widerſtreitende Bureankratie
herbeiführe. Die Parteiverſammlung hielt ſich bereits auch ſchon
verpflichtet, gegen den „offiziellen Hochdruck“, mit welchem das
Verſicherungsgeſetz bei der Volksabſtimmung durchgedrückt
werden ſolle, und gegen die Unterdrückung der freien
Meinungsäußerung durch den Vorſtand des ſchweizeriſchen
Banernverbandes Verwahrung einzulegen. Man ſieht, die
Gemüther beginnen, ſich zu erhitzen, und bis zum verhängniß-
vollen Termin kann die Leidenſchaft ſo wachſen, daß eine
nüchterne Beurtheilung des ohnehin in ſeinem Inhalt den
breiten Volksſchichten noch fremden Geſetzentwurſes kaum mehr
zu erwarten iſt. Der Verein für katholiſche Sozial-
politik,
der unter dem Einfluß des bekannten National-
raths Dr. Decurtins aus Granbünden ſteht, der in der
Bundesverſammlung eine ſeltſame Stellung einnimmt, indem
er zwar auch ausgeſprochen klerikalen Tendenzen huldigt,
aber ſich nicht der katholiſchen Fraktion der Rechten, ſondern
der ſogenannten ſozialpolitiſchen (ſozialdemokratiſchen) Gruppe
angeſchloſſen hat, ſtellt ſich ebenfalls auf die Seite der
Oppoſition, verſpricht aber, für den fehlerhaſten Entwurf ein
Heilmittel zu beſitzen, das geſtatte, denſelben in verbeſſerter
Geſtalt ebenfalls bis zum Jahre 1903 in Kraft treten zu
laſſen. Worin die Remedur beſtehen ſoll, kann ziemlich
gleichgültig ſein, da dieſer kleine Zirkel eigentlich nur die
Bedeutung einer Dilettantengeſellſchaft hat. — In der Zeit
der fetten Bundesfinanzen wurden auch Subventionen
an die Berufsbildung
ausgeworfen. Obſchon die Mittel
bedentend knapper geworden und der Bund ja ſogar ein Spar-
budget aufſtellen mußte, ſind die Anſprüche auf ſolche Unter-
ſtützungen noch dringender und vielſeitiger geworden. In der Dis-
kuſſion wurde auch die Franenfrage geſtreiſt und unter
Zuſtimmung des Bundesraths mit großer Mehrheit der Antrag
der Referenten angenommen, daß die ſubventionirten Anſtalten
in Zukunſt auch Schülerinnen aufnehmen müſſen.
Das aus dem Jahr 1886 datirende Bundesgeſetz betreffend
gebrannte Waſſer, welches Herſtellung und Einfuhr ge-
brannter Waſſer aus Stoffen, deren Brennen der Bundesgeſetz-
gebung unterſtellt iſt, als Bundesmonopol erklärt, muß
bereits der Reviſion unterſtellt werden. Die Veranlaſſung
dazu bietet die Beſtimmung, daß annähernd ein Viertheil des
Bedarfs an gebrannten Waſſern durch Lieferungsverträge
mit inländiſchen Produzenten beſchaſſt werden ſoll. Dieſelbe
war mit Rückſicht auf die kartoffelnbauenden Kantone Bern,
Solothurn u. ſ. w., wo das Schnapsbrennen und leider auch
das Schnapstrinken große Dimenſionen angenommen hatte,
aufgenommen worden, und hatte inſofern ſeine Verechtigung,
weil der Getreideban unrentabel geworden. Andrerſeits ver-
mindert dieſe Inlandproduktion, welche die Verwendung
wohlfeilerer ausländiſcher Produkte zum Theil ausſchließt,
den Ertrag des Monopols, von dem jährlich ca. 6 Mill. Fr.
nach der Vevölkerungszahl unter die ſämmtlichen Kantone
vertheilt werden. Die Zunahme des Verbrauchs von denatu-



Feuilleton.
O. M. Münchener Allerlei.

Mutter, der Mann mit
dem Koks iſt da — dieſer alte Gaſſenhauer, einſt ſo oft ge-
ſungen, iſt längſt verklungen. Der Mann mit dem Koks
kommt auch nicht mehr, denn wir leiden noch immer unter
der Kohlennoth, woran theilweiſe der Strike, der nun gottlob
zu Ende zu gehen ſcheint, theilweiſe aber auch der hartnäckige
Winter die Schuld trägt, dem es trotz Fleiſchbeſchaugeſetz und
lex Heinze noch immer vortrefflich bei uns zu gefallen ſcheint.
Wenigſtens zu Anfang der Woche, als der Salvatorausſchank
begann, lag noch tiefer Schnee — ſtellenweiſe war es auch
Schmutz — in den Straßen. Trotzdem blieb es für den Ur-
münchener ein Ereigniß, wenn es auch durch die vielen anderen
„Salvatormütter“, die im Laufe der Zeiten gleichnamige
Kinder zur Welt gebracht, etwas eingebüßt haben mag und
der wahre Salvator am Nockherberg nicht mehr wie früher
viribus unitis vertilgt wird, was ein Ueiner angehender
Lateiner ſeinem minder gebildeten Erzeuger einſt als „mit
vereinten Männern“ überſetzte. Allerdings hat die Ur-
ſalvator-Mutter es im Prozeßweg durchgeſetzt, daß ihre
Konkurrentinnen ihre Kinder nicht mehr Salvator taufen
dürfen und demnach haben dieſe alle möglichen Namen an-
genommen, ſogar ein „Agitator“ beſindet ſich darunter — ge-
trunken werden ſie aber alle. Warum kein agent provocateur?
Der Name würde doch in der Wirkung am treffendſten die
Urſache bezeichnen. Es iſt zwar richtig, daß die Urſache nicht
immer unbedingt der Wirkung vorangehen muß, wie z. B.,
wenn der behandelnde Arzt dem Sarge ſeines Patienten folgt
oder man der lex Heinze halber, noch bevor ſie Geſetz geworden,
das Vertrauen in unſern Richterſtand verliert. Unſre armen
Kadis! Sie ſind doch wahrhaftig nicht zu beneiden, wenn
ſie es nun auch noch den Geſetzesgebern nicht mehr recht
machen können, nachdem ihr Beruf ſie ſchon zwingt, den
Geſetzesübertretern fortwährend vor den Kopf zu ſtoßen. Und
dafür haben ſie in dem Bibelwort: Richtet nicht, damit ihr
nicht gerichtet werdet, noch eine recht angenehme Perſpektive.
Kein Wunder, daß ein altes Sprichwort ſagt: Juriſt — ein
ſchlechter Chriſt. Wahrhaftig, es gehört ein guter Magen
dazu, heutzutage noch einer Korporation oder Behörde an-
zugehören, nachdem jeder Philiſter hinter dem Bierkruge all
dieſe Dinge weit beſſer verſteht. So hatte ich jüngſt im Hof-
bräuhauſe Gelegenheit, einer Debatte über öffentliche Angelegen-
[Spaltenumbruch] heiten an einem Nebeutiſche zuzuhören. Die Geiſter waren
heftig aufeinander geplatzt und ein Hauptrufer im Streite
ließ ſich zu der höchſt reſpektwidrigen und ganz unparla-
mentariſchen Aeußerung hinreißen: „Ochſen ſind’s, die Eſel!“
Es iſt höchſte Zeit, daß das Projekt eines zoologiſchen
Gartens in München greifbare Geſtalt gewinnt, ſei es
auch nur, um derartigen Leuten die zoologiſche Un-
möglichkeit ihrer Herzensergießungen ad oculos zu demon-
ſtriren. Und nun ſcheint ſich durch die Elektriſirung der
Trambahn an der Maximilianſtraße ſchon wieder neuer
Zündſtoff zur Unzufriedenheit anzuſammeln. Warum verſucht
man es denn bei unſrer noch in den Kinderſchuhen ſteckenden
„Elektriſchen“ nicht einmal mit dem Schlitzſyſtem wie bei den
Knaben mit den erſten Höschen? Bis ſie ihm entwachſen,
wird ſich ſchon eine neue Mode finden. Geld koſtet die
Mode — das iſt ja richtig, aber dafür iſt die „Elektriſche“
auch ein Weib und wer ein ſolches beſitzt, weiß das und hat
jedenfalls das Wort „Khaki“ ſchon gehört, was die neueſte
Modefarbe und Deutſchlands einzige Ervungenſchaft aus dem
ſüdafrikaniſchen Kriege iſt. Den tertius gaudens haben wir
dem Herrn Engländer noch nicht abgeguckt. Das iſt zwar
nicht viel, aber freuen thut’s uns doch, namentlich unſre
— Damen, die nunmehr in „Khaki“ gehen können. Auf die
Damen ſcheint es auch die „weiße Internationale“ abgeſehen
zu haben, deren Proſpekt mir vorliegt. Dieſe Internationale
— jedenfalls gegründet, um einem höchſt dringenden Be-
dürfuiß abzuhelfen — iſt ein Berein auf theoſophiſcher Grund-
lage und man hat zur Anfnahme nur ſieben näher bezeichnete
Tugenden zu üben und dieſe nur auf Ehrenwort, das man
ſich ſelbſt gibt und mindeſtens jährlich drei Mark zu zahlen.
So hätten wir außer der ſchwarzen und rothen auch noch
eine weiße Internationale.

* Aus Freiburg i. Br. wird der „Südd. Reichskorr.“
geſchrieben: Die Aula des alten Kollegienhauſes übt in dieſen
Tagen eine ungewohnte Anziehungskraft aus. Der beſcheidene
Raum wird ſonſt nur bei Feſtakten und öffentlichen Vorträgen
betreten und hat wohl nie als eine Sehenswürdigkeit Frei-
burgs gegolten. Jetzt iſt er es geworden durch das pracht-
volle Geſchenk, mit dem die Gnade des Landesherrn unſre
Hochſchule bedachte. Den Wandſchmuck der Aula bilden be-
kanntlich acht umfangreiche ältere Oelgemälde, Fürſtenportraits,
in denen die Vergangenheit der Alberto-Ludoviciana lebendig
wird. Geſchichtliche Erinnerungen, nicht künſtleriſche Quali-
täten machen uns dieſe Portraits werthvoll. Es ſind die
alten Familienbilder, denen die Univerſität mit Recht den
[Spaltenumbruch] Platz in ihrer „guten Stube“ einräumt und denen ſie neuer-
dings die Sorgfalt einer umfaſſenden Reſtauration angedeihen
ließ. Nur eine Geſtalt hat man bisher in der Reihe der
„Familienbilder“ vermißt: den gegenwärtigen Rector magni-
ficentissimus,
deſſen Namen mit der Auferſtehung Deutſch-
lands ebenſo innig verknüpft iſt, wie mit dem ungeahnten
Aufblühen unſrer Univerſität während des letzten Menſchen-
alters. Nun hat Großherzog Friedrich ſelbſt unſern
Wunſch erfüllt. Das von Ferdinand Keller gemalte
Portrait iſt, wie die anderen Bildniſſe der Aula, ein Re-
präſentationsbild. Es zeigt den Fürſten in großer Generals-
uniform, lebensgroß, in ganzer Figur. Unbedeckten Hauptes,
den Helm mit dem Reiherbuſch in der Linken haltend, ſteht
er auf der Plattform der Treppe, die vom Schloßportal ins
Freie führt. Wenn das Auge die anderen Portraits ſtreift,
wo die dargeſtellten Fürſtlichkeiten in den bekannten, von der
franzöſiſchen Hoſkunſt ausgeprägten Poſen geſtikuliren, wird
uns die Wohlthat dieſer ruhigen Erſcheinung doppelt fühlbar.
Die Arme ſind in ungezwungener Lage nach innen genommen,
die ganze Geſtalt iſt feſt zuſammen gefaßt und in ſich ge-
ſchloſſen, wodurch der Eindruck majeſtätiſcher Würde entſteht.
Die ſtrenge Vertikale der Figur iſt aber in der glücklichſten
Weiſe ausgeglichen durch die leichte Neigung des Kopfes nach
rechts. Mit ihr wird erreicht, daß die ruhige Geſtalt von
lebhafter innerer Bewegung beſeelt erſcheint. Ergreifend in
ſeiner natürlichen Einfachheit iſt der Ausdruck väterlicher
Güte. Man wird ſelten ein Nepräſentationsbild von ſo in-
timer Wirkung ſehen. Wir müſſen Meiſter Keller beſonderen
Dauk dafür wiſſen, daß er unſern Fürſten ſo und nicht
anders gemalt hat, daß er nichts fremdes zwiſchen ihn und
uns treten ließ und unſre Aufmerkſamkeit nicht theilte. Der
Verſuchung, ſeine dekorativen Künſte ſpielen zu laſſen, hat
der „badiſche Makart“ durchaus widerſtanden. Das Intereſſe
iſt auf die dargeſtellte Perſönlichkeit konzentrirt. Mit vor-
nehmer Zurückhaltung dämpft er die übrigens prächtig zu-
ſammengeſtimmten Farben der reichen Uniform und läßt auch
koloriſtiſch den Kopf dominiren. Die virtnoſe Beherrſchung
der Technik verſteht ſich bei Ferdinand Keller von ſelbſt.
Wir bewundern, wie gleichmäßig ſorgfältig alles durch-
geführt iſt, und beglückwünſchen uns im Hinblick auf die
lokalen Verhältniſſe der Aula, daß der Künſtler nicht
„modernes“ gemalt hat: die Vorzüge ſeiner Arbeit laſſen ſich
aus der Nähe genießen. Dem Gemälde iſt der einzig mög-
liche Platz angewieſen worden, der auch als der würdigſte
gelten darf, zwiſchen den Stiftern Albrecht und Mechtild.

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Solothurn u. &#x017F;. w., wo das Schnapsbrennen und leider auch<lb/>
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&#x017F;ungen, i&#x017F;t läng&#x017F;t verklungen. Der Mann mit dem Koks<lb/>
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zu Ende zu gehen &#x017F;cheint, theilwei&#x017F;e aber auch der hartnäckige<lb/>
Winter die Schuld trägt, dem es trotz Flei&#x017F;chbe&#x017F;chauge&#x017F;etz und<lb/><hi rendition="#aq">lex</hi> Heinze noch immer vortrefflich bei uns zu gefallen &#x017F;cheint.<lb/>
Wenig&#x017F;tens zu Anfang der Woche, als der Salvatoraus&#x017F;chank<lb/>
begann, lag noch tiefer Schnee &#x2014; &#x017F;tellenwei&#x017F;e war es auch<lb/>
Schmutz &#x2014; in den Straßen. Trotzdem blieb es für den Ur-<lb/>
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&#x201E;Salvatormütter&#x201C;, die im Laufe der Zeiten gleichnamige<lb/>
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Lateiner &#x017F;einem minder gebildeten Erzeuger ein&#x017F;t als &#x201E;mit<lb/>
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&#x017F;alvator-Mutter es im Prozeßweg durchge&#x017F;etzt, daß ihre<lb/>
Konkurrentinnen ihre Kinder nicht mehr Salvator taufen<lb/>
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Kadis! Sie &#x017F;ind doch wahrhaftig nicht zu beneiden, wenn<lb/>
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Zünd&#x017F;toff zur Unzufriedenheit anzu&#x017F;ammeln. Warum ver&#x017F;ucht<lb/>
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wird &#x017F;ich &#x017F;chon eine neue Mode finden. Geld ko&#x017F;tet die<lb/>
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                <p>* Aus <hi rendition="#b">Freiburg i. Br.</hi> wird der &#x201E;Südd. Reichskorr.&#x201C;<lb/>
ge&#x017F;chrieben: Die Aula des alten Kollegienhau&#x017F;es übt in die&#x017F;en<lb/>
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Hoch&#x017F;chule bedachte. Den Wand&#x017F;chmuck der Aula bilden be-<lb/>
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&#x201E;Familienbilder&#x201C; vermißt: den gegenwärtigen <hi rendition="#aq">Rector magni-<lb/>
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[0005] Sonntag, Zweites Blatt Nr. 82 der Allgemeinen Zeitung. 25. März 1900. Oeſterreich-Ungarn. Zur Vertagung der Verſtändigungskonferenz. * Die Stimmung, in der die Theilnehmer der deutſch- tſchechiſchen Verſtändigungskonferenz am Donnerſtag auseinandergingen, war nicht ungünſtig und läßt ein ſpäteres Wiederzuſammentreten wünſchenswerth und nicht ausſichtslos erſcheinen. Endgültige Vereinbarungen wurden bisher aller- dings auf keinem Gebiet erzielt, das kommt aber zu einem guten Theil daher, daß ſich ſämmtliche zur Berathung vorgelegenen Gegenſtände je an einem oder an mehreren Punkten eng berühren, der eine Gegenſtand alſo nicht ohne den anderen erledigt werden kann und überdies beide Parteien ihre Zuſtimmung im einzelnen von der ſchließlichen Annahme des Geſammtausgleichs abhängig machen. Jedenfalls iſt der Bereich der kontroverſen Punkte bereits weſentlich eingeſchränkt und der Weg gezeigt worden, auf dem ein Einvernehmen im ganzen erreicht werden kann. Nach den troſtloſen Wirren der letzten Jahre lag auch darin ſchon ein Zeichen der Beſſe- rung, daß es überhaupt möglich war, die Konferenz durch faſt ſieben Wochen am Leben zu erhalten, zumal mitten in dieſe Zeit eine Reichsrathsſeſſion ſiel, die mannichfache gefahr- volle Anläſſe zum Wiederausbruch der alten Leidenſchaften in ſich ſchloß. Man erinnere ſich vergleichsweiſe nur der Ver- ſtändigungsaktion des Graſen Thun vom Sommer 1898, die gleich bei den erſten Anfängen ſcheiterte. Entgegenkommend konnte man die Haltung der beiden Parteien während der jetzigen Konferenzverhandlungen nicht nennen, es überwog vielmehr ein beiderſeitiges Mißtrauen. Das hatte aber wenigſtens das Gute, daß keine voreiligen Zuſagen gemacht wurden, die ſpäter hätten zurückgenommen werden müſſen. Günſtig, viel- leicht entſcheidend für den Fortgang der Konferenz war das Reſultat der während der Reichsrathstagung erfolgten Ab- rechnung der Parteien der Rechten untereinander: da die Tſchechen ſahen, daß ſie bei ihren alten Freunden keine genügende Unterſtützung finden würden, wenn ſie fortfuhren, die Erfüllung ihrer Forderungen im rückſichts- loſen parlamentariſchen Kampſe zu ertrotzen, ſo waren ſie ge- nöthigt, auf den Weg der friedlichen Verſtändigung zurück- zukehren. Die Verdienſte der Regierung Koerber um die Konferenz dürfen nicht verkannt werden, aber man wäre doch vielleicht heute ſchon weiter, wenn ſich die Miniſter nicht immer nur aufs Referiren und Informiren verlegt, ſondern mehr Initiative gezeigt hätten und in geeigneten Momenten mit eigenen Vorſchlägen hervorgetreten wären. Wie nothwendig und zweckdienlich eine beſtimmte Stellungnahme der Negierung iſt, zeigte ſich gerade in den letzten Tagen, als Herr v. Koerber auf Verlangen der Tſchechen ſeinen Standpunkt bezüglich der Wiedereinführung der inneren tſchechiſchen Amts- ſprache bei den landesfürſtlichen Behörden präziſirte. Die Tſchechen hätten nicht übel Luſt gehabt, die Konferenz zu ſprengen, wofern ſie nicht betreffs dieſes, ihnen beſonders am Herzen liegenden Punktes eine ſie leidlich befriedigende Ant- wort erhalten hätten. Nachdem ihnen dieſe zutheil geworden, haben ſie eine Rückendeckung gegen ihre Wähler und bleiben ſie zu weiteren Verhandlungen bereit. Wie Herr v. Koerber in dieſem Fall, ohne die Deutſchen gegen ſich auf- zubringen, die Tſchechen wenigſtens halbwegs zufriedenſtellen konnte und ſo nicht unweſentlich zur Förderung des geſammten Verſtändigungswerks beitrug, ſo hätte er, die allzu peinliche Vorſicht außer acht laſſend, wohl auch in anderen Fällen durch reſolutes Eingreifen und entſchiedenere Stellungnahme nütz- lich wirken können; die Verhältniſſe ſind dazu nachgerade hin- länglich geklärt, die Wünſche und Forderungen der Parteien bekannt genng. Doch der Miniſterpräſident wird zufrieden ſein, ſeinerſeits bisher am Ausgleichswerk wenigſtens nichts verdorben zu haben. — Die Konferenzabtheilung ſür Böhmen hat geſtern zum Schluß noch zwei Subkomitees gewählt, das eine zur Berathung der Sprachenfrage bei den landes- fürſtlichen Behörden, das zweite zur Berathung der Frage der Minoritätsſchulen. Wann die Arbeiten fortgeſetzt werden, iſt vorläufig unbeſtimmt. Die Tſchechen wünſchten, daß das erſtgenannte Subkomitee während der Landtagsſeſſion in Prag Berathungen abhalten möge, damit ſobald als möglich die innere tſchechiſche Amtsſprache feſtgeſtellt werde. Die deutſchen Delegirten aber verhalten ſich dieſem Vegehren gegenüber ablehnend. Die mehrerwähnte Erklärung des Miniſterpräſidenten, daß die Regierung bereit ſei, die innere tſchechiſche Amtsſprache wieder einzuführen, iſt übrigens noch nicht vollkommen poſitiv zu nehmen, wie die Tſchechen möchten. Hr. v. Koerber hatte ſelbſt hinzugefügt: „wenn dadurch der innere Friede hergeſtellt wird“, und dieſe Ein- ſchränkung wird vom „Fremdenblatt“ dahin kommentirt, daß die Tſchechen keine einſeitige Erfüllung ihrer Poſtulate verlangen dürfen, weil dann eben der Friede nicht hergeſtellt würde; um die innere Dienſtſprache zu erlangen, müßten die Tſchechen auch den deutſchen Forderungen hinſichtlich des Sprachgebrauches bei den landesfürſtlichen Behörden gerecht werden. Sanktion der neuen Wiener Gemeindewahlordnung. * Wien, 23. März. Gegenüber dem Obmann des fort- ſchrittlichen Parteiverbandes des Wiener Gemeinderaths, Dr. Vogler, erklärte Miniſterpräſident v. Koerber, daß die Regierung zu dem Entſchluß gelangt ſei, das Gemeinde- ſtatut und die Wahlordnung der allerhöchſten Sanktion zu unterbreiten. Die Regierung glaube, daß der Geſetzentwurf in ſeiner jetzigen Geſtalt nicht mehr ſo weſentliche Mängel aufweiſe, um die Erledigung dieſer ſo lange ſchwebenden und mit Rückſicht auf den Wahltermin dringenden Angelegenheit neuerdings zu verzögern. Die Ver- mehrung der Wähler des erſten und zweiten Wahlkörpers ſei gerechtfertigt; gegen das Prinzip der Vertheilung der Mandate ſei mit Rückſicht auf die im Landtage vorgenom- menen Richtigſtellungen keine gegründete Einwendung mehr zu erheben. Der Miniſterpräſident verſicherte den Dr. Vogler, daß die Sanktion der Vorlage nicht als ein gegen die Fort- ſchrittspartei im Gemeinderath gerichteter Regierungsakt auf- zufaſſen ſei. Die Publikation der Sanktion wird für Anfang nächſter Woche erwartet. Die Mehrheit der fortſchrittlichen Gemeinderäthe werden ihre Mandate niederlegen. Die Frage der dadurch nothwendig werdenden Nenwahlen bildet bereits den Gegenſtand einer lebhaften Kontroverſe. Nikolaus Dumba †. * Dem am Freitag in Budapeſt plötzlich verſtorbenen Herrenhausmitglied Dumba, einer der bekannteſten und an- geſehenſten Perſönlichkeiten Wiens, widmen die dortigen Blätter ſehr warme, ehrende Rachrufe. „Dumba war,“ ſchreibt die „N. Fr. Pr.“, „eine Individnalität, wie ſie immer ſeltener werden, nämlich ein Mann, dem es Bedürfniß iſt und Be- friedigung gewährt, in welcher Form immer und auf welchem Gebiete immer dem öffentlichen Wohl und gemeinen Nutzen zu dienen. Von einer nur wenig über den Durchſchnitt hinansragenden Begabung, aber im Beſitze eines ererbten bedentenden Vermögens, das ſich ohne große Anſtrengung leicht vermehren ließ, fand er weder Geſchmack daran, ſich einem ſtumpfen Genußleben hinzugeben, noch war es ſein Ehrgeiz, das bedeutende Handelshaus, das ſein Vater begründet hatte, nach Art der hanſeatiſchen Kaufherren mächtig und welt- gebietend zu machen. Aber indem er den weiſen Mittelweg einer erhaltenden Verwaltung ſeines Reichthums wählte, war ihm die Empfindung deſſen nicht fremd, was man heutzutage die Pflichten des Beſitzes nennt, und halb unbewußt erfüllte er dieſe Pflichten, indem er mit ſeiner Perſon und ſeinem Vermögen ſich ſtets als Mitglied der Geſellſchaft fühlte und danach handelte. So ward er mit ganzem Herzen ein Wiener Bürger, ein Förderer der Kunſt und aller edlen Zwecke, ſo kommt es, daß, wenn man die letzten dreißig Jahre Wiener Geſchichte zurückblättert, man faſt auf jeder Seite Dumba’s Namen verzeichnet findet.“ Schweiz. Parlamentariſches. g. Bern, 23. März. Seit Montag tagt die Bundes- verſammlung in außerordentlicher Seſſion, um die in der ordentlichen Winterſitzung zurückgelegten Traktanden möglichſt zu erledigen. Der intereſſanteſte Geſchäftsgegenſtand — die ſogenannte „Doppelinitiative“ — wird indeß abermals ver- ſchoben werden müſſen. Es ſprechen offenbar auch taktiſche Gründe hiefür. Dieſes Initiativbegehren erſtreckt ſich auf die Einführung des proportionalen Verfahrens für die Wahl des Nationalraths und für die direkte Volkswahl des Bundesraths, und hat daher, indem es von den Sozial- demokraten ausgegangen, im erſten Theil auch von den Kon- ſervativen lebhaft unterſtützt wird, einen hochpolitiſchen Charakter, der ſich leicht zur Agitation eignet. Eine ſolche wäre aber angeſichts der auf den 20. Mai d. J. bevorſtehen- den allgemeinen Volksabſtimmung über die Vorlage betreſſend obligatoriſche Kranken- und Unfallverſicherung ſchlecht angebracht. Leider ſind die Ausſichten der Vorlage auch jetzt noch nicht ſo, daß auf die Annahme des Geſetzes ge- rechnet werden kann. Neueſtens ſind wieder zwei Kund- gebungen gegen dasſelbe ergangen. Die proteſtantiſch-kon- ſervative Volkspartei des Kantons Bern hat ſich auf den Antrag ihrer Führer Dürrenmatt und Dr. Heller mit großer Mehrheit gegen das Projekt ausgeſprochen, weil das- ſelbe den wirklichen Vedürſniſſen, ſpeziell des bänerlichen und gewerblichen Mittelſtandes, nicht entſpreche, dagegen ihm neue, geradezu unerſchwingliche Laſten auferlege und zudem eine den republikaniſchen Sitten widerſtreitende Bureankratie herbeiführe. Die Parteiverſammlung hielt ſich bereits auch ſchon verpflichtet, gegen den „offiziellen Hochdruck“, mit welchem das Verſicherungsgeſetz bei der Volksabſtimmung durchgedrückt werden ſolle, und gegen die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung durch den Vorſtand des ſchweizeriſchen Banernverbandes Verwahrung einzulegen. Man ſieht, die Gemüther beginnen, ſich zu erhitzen, und bis zum verhängniß- vollen Termin kann die Leidenſchaft ſo wachſen, daß eine nüchterne Beurtheilung des ohnehin in ſeinem Inhalt den breiten Volksſchichten noch fremden Geſetzentwurſes kaum mehr zu erwarten iſt. Der Verein für katholiſche Sozial- politik, der unter dem Einfluß des bekannten National- raths Dr. Decurtins aus Granbünden ſteht, der in der Bundesverſammlung eine ſeltſame Stellung einnimmt, indem er zwar auch ausgeſprochen klerikalen Tendenzen huldigt, aber ſich nicht der katholiſchen Fraktion der Rechten, ſondern der ſogenannten ſozialpolitiſchen (ſozialdemokratiſchen) Gruppe angeſchloſſen hat, ſtellt ſich ebenfalls auf die Seite der Oppoſition, verſpricht aber, für den fehlerhaſten Entwurf ein Heilmittel zu beſitzen, das geſtatte, denſelben in verbeſſerter Geſtalt ebenfalls bis zum Jahre 1903 in Kraft treten zu laſſen. Worin die Remedur beſtehen ſoll, kann ziemlich gleichgültig ſein, da dieſer kleine Zirkel eigentlich nur die Bedeutung einer Dilettantengeſellſchaft hat. — In der Zeit der fetten Bundesfinanzen wurden auch Subventionen an die Berufsbildung ausgeworfen. Obſchon die Mittel bedentend knapper geworden und der Bund ja ſogar ein Spar- budget aufſtellen mußte, ſind die Anſprüche auf ſolche Unter- ſtützungen noch dringender und vielſeitiger geworden. In der Dis- kuſſion wurde auch die Franenfrage geſtreiſt und unter Zuſtimmung des Bundesraths mit großer Mehrheit der Antrag der Referenten angenommen, daß die ſubventionirten Anſtalten in Zukunſt auch Schülerinnen aufnehmen müſſen. — Das aus dem Jahr 1886 datirende Bundesgeſetz betreffend gebrannte Waſſer, welches Herſtellung und Einfuhr ge- brannter Waſſer aus Stoffen, deren Brennen der Bundesgeſetz- gebung unterſtellt iſt, als Bundesmonopol erklärt, muß bereits der Reviſion unterſtellt werden. Die Veranlaſſung dazu bietet die Beſtimmung, daß annähernd ein Viertheil des Bedarfs an gebrannten Waſſern durch Lieferungsverträge mit inländiſchen Produzenten beſchaſſt werden ſoll. Dieſelbe war mit Rückſicht auf die kartoffelnbauenden Kantone Bern, Solothurn u. ſ. w., wo das Schnapsbrennen und leider auch das Schnapstrinken große Dimenſionen angenommen hatte, aufgenommen worden, und hatte inſofern ſeine Verechtigung, weil der Getreideban unrentabel geworden. Andrerſeits ver- mindert dieſe Inlandproduktion, welche die Verwendung wohlfeilerer ausländiſcher Produkte zum Theil ausſchließt, den Ertrag des Monopols, von dem jährlich ca. 6 Mill. Fr. nach der Vevölkerungszahl unter die ſämmtlichen Kantone vertheilt werden. Die Zunahme des Verbrauchs von denatu- Feuilleton. O. M. Münchener Allerlei. Mutter, der Mann mit dem Koks iſt da — dieſer alte Gaſſenhauer, einſt ſo oft ge- ſungen, iſt längſt verklungen. Der Mann mit dem Koks kommt auch nicht mehr, denn wir leiden noch immer unter der Kohlennoth, woran theilweiſe der Strike, der nun gottlob zu Ende zu gehen ſcheint, theilweiſe aber auch der hartnäckige Winter die Schuld trägt, dem es trotz Fleiſchbeſchaugeſetz und lex Heinze noch immer vortrefflich bei uns zu gefallen ſcheint. Wenigſtens zu Anfang der Woche, als der Salvatorausſchank begann, lag noch tiefer Schnee — ſtellenweiſe war es auch Schmutz — in den Straßen. Trotzdem blieb es für den Ur- münchener ein Ereigniß, wenn es auch durch die vielen anderen „Salvatormütter“, die im Laufe der Zeiten gleichnamige Kinder zur Welt gebracht, etwas eingebüßt haben mag und der wahre Salvator am Nockherberg nicht mehr wie früher viribus unitis vertilgt wird, was ein Ueiner angehender Lateiner ſeinem minder gebildeten Erzeuger einſt als „mit vereinten Männern“ überſetzte. Allerdings hat die Ur- ſalvator-Mutter es im Prozeßweg durchgeſetzt, daß ihre Konkurrentinnen ihre Kinder nicht mehr Salvator taufen dürfen und demnach haben dieſe alle möglichen Namen an- genommen, ſogar ein „Agitator“ beſindet ſich darunter — ge- trunken werden ſie aber alle. Warum kein agent provocateur? Der Name würde doch in der Wirkung am treffendſten die Urſache bezeichnen. Es iſt zwar richtig, daß die Urſache nicht immer unbedingt der Wirkung vorangehen muß, wie z. B., wenn der behandelnde Arzt dem Sarge ſeines Patienten folgt oder man der lex Heinze halber, noch bevor ſie Geſetz geworden, das Vertrauen in unſern Richterſtand verliert. Unſre armen Kadis! Sie ſind doch wahrhaftig nicht zu beneiden, wenn ſie es nun auch noch den Geſetzesgebern nicht mehr recht machen können, nachdem ihr Beruf ſie ſchon zwingt, den Geſetzesübertretern fortwährend vor den Kopf zu ſtoßen. Und dafür haben ſie in dem Bibelwort: Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet, noch eine recht angenehme Perſpektive. Kein Wunder, daß ein altes Sprichwort ſagt: Juriſt — ein ſchlechter Chriſt. Wahrhaftig, es gehört ein guter Magen dazu, heutzutage noch einer Korporation oder Behörde an- zugehören, nachdem jeder Philiſter hinter dem Bierkruge all dieſe Dinge weit beſſer verſteht. So hatte ich jüngſt im Hof- bräuhauſe Gelegenheit, einer Debatte über öffentliche Angelegen- heiten an einem Nebeutiſche zuzuhören. Die Geiſter waren heftig aufeinander geplatzt und ein Hauptrufer im Streite ließ ſich zu der höchſt reſpektwidrigen und ganz unparla- mentariſchen Aeußerung hinreißen: „Ochſen ſind’s, die Eſel!“ Es iſt höchſte Zeit, daß das Projekt eines zoologiſchen Gartens in München greifbare Geſtalt gewinnt, ſei es auch nur, um derartigen Leuten die zoologiſche Un- möglichkeit ihrer Herzensergießungen ad oculos zu demon- ſtriren. Und nun ſcheint ſich durch die Elektriſirung der Trambahn an der Maximilianſtraße ſchon wieder neuer Zündſtoff zur Unzufriedenheit anzuſammeln. Warum verſucht man es denn bei unſrer noch in den Kinderſchuhen ſteckenden „Elektriſchen“ nicht einmal mit dem Schlitzſyſtem wie bei den Knaben mit den erſten Höschen? Bis ſie ihm entwachſen, wird ſich ſchon eine neue Mode finden. Geld koſtet die Mode — das iſt ja richtig, aber dafür iſt die „Elektriſche“ auch ein Weib und wer ein ſolches beſitzt, weiß das und hat jedenfalls das Wort „Khaki“ ſchon gehört, was die neueſte Modefarbe und Deutſchlands einzige Ervungenſchaft aus dem ſüdafrikaniſchen Kriege iſt. Den tertius gaudens haben wir dem Herrn Engländer noch nicht abgeguckt. Das iſt zwar nicht viel, aber freuen thut’s uns doch, namentlich unſre — Damen, die nunmehr in „Khaki“ gehen können. Auf die Damen ſcheint es auch die „weiße Internationale“ abgeſehen zu haben, deren Proſpekt mir vorliegt. Dieſe Internationale — jedenfalls gegründet, um einem höchſt dringenden Be- dürfuiß abzuhelfen — iſt ein Berein auf theoſophiſcher Grund- lage und man hat zur Anfnahme nur ſieben näher bezeichnete Tugenden zu üben und dieſe nur auf Ehrenwort, das man ſich ſelbſt gibt und mindeſtens jährlich drei Mark zu zahlen. So hätten wir außer der ſchwarzen und rothen auch noch eine weiße Internationale. * Aus Freiburg i. Br. wird der „Südd. Reichskorr.“ geſchrieben: Die Aula des alten Kollegienhauſes übt in dieſen Tagen eine ungewohnte Anziehungskraft aus. Der beſcheidene Raum wird ſonſt nur bei Feſtakten und öffentlichen Vorträgen betreten und hat wohl nie als eine Sehenswürdigkeit Frei- burgs gegolten. Jetzt iſt er es geworden durch das pracht- volle Geſchenk, mit dem die Gnade des Landesherrn unſre Hochſchule bedachte. Den Wandſchmuck der Aula bilden be- kanntlich acht umfangreiche ältere Oelgemälde, Fürſtenportraits, in denen die Vergangenheit der Alberto-Ludoviciana lebendig wird. Geſchichtliche Erinnerungen, nicht künſtleriſche Quali- täten machen uns dieſe Portraits werthvoll. Es ſind die alten Familienbilder, denen die Univerſität mit Recht den Platz in ihrer „guten Stube“ einräumt und denen ſie neuer- dings die Sorgfalt einer umfaſſenden Reſtauration angedeihen ließ. Nur eine Geſtalt hat man bisher in der Reihe der „Familienbilder“ vermißt: den gegenwärtigen Rector magni- ficentissimus, deſſen Namen mit der Auferſtehung Deutſch- lands ebenſo innig verknüpft iſt, wie mit dem ungeahnten Aufblühen unſrer Univerſität während des letzten Menſchen- alters. Nun hat Großherzog Friedrich ſelbſt unſern Wunſch erfüllt. Das von Ferdinand Keller gemalte Portrait iſt, wie die anderen Bildniſſe der Aula, ein Re- präſentationsbild. Es zeigt den Fürſten in großer Generals- uniform, lebensgroß, in ganzer Figur. Unbedeckten Hauptes, den Helm mit dem Reiherbuſch in der Linken haltend, ſteht er auf der Plattform der Treppe, die vom Schloßportal ins Freie führt. Wenn das Auge die anderen Portraits ſtreift, wo die dargeſtellten Fürſtlichkeiten in den bekannten, von der franzöſiſchen Hoſkunſt ausgeprägten Poſen geſtikuliren, wird uns die Wohlthat dieſer ruhigen Erſcheinung doppelt fühlbar. Die Arme ſind in ungezwungener Lage nach innen genommen, die ganze Geſtalt iſt feſt zuſammen gefaßt und in ſich ge- ſchloſſen, wodurch der Eindruck majeſtätiſcher Würde entſteht. Die ſtrenge Vertikale der Figur iſt aber in der glücklichſten Weiſe ausgeglichen durch die leichte Neigung des Kopfes nach rechts. Mit ihr wird erreicht, daß die ruhige Geſtalt von lebhafter innerer Bewegung beſeelt erſcheint. Ergreifend in ſeiner natürlichen Einfachheit iſt der Ausdruck väterlicher Güte. Man wird ſelten ein Nepräſentationsbild von ſo in- timer Wirkung ſehen. Wir müſſen Meiſter Keller beſonderen Dauk dafür wiſſen, daß er unſern Fürſten ſo und nicht anders gemalt hat, daß er nichts fremdes zwiſchen ihn und uns treten ließ und unſre Aufmerkſamkeit nicht theilte. Der Verſuchung, ſeine dekorativen Künſte ſpielen zu laſſen, hat der „badiſche Makart“ durchaus widerſtanden. Das Intereſſe iſt auf die dargeſtellte Perſönlichkeit konzentrirt. Mit vor- nehmer Zurückhaltung dämpft er die übrigens prächtig zu- ſammengeſtimmten Farben der reichen Uniform und läßt auch koloriſtiſch den Kopf dominiren. Die virtnoſe Beherrſchung der Technik verſteht ſich bei Ferdinand Keller von ſelbſt. Wir bewundern, wie gleichmäßig ſorgfältig alles durch- geführt iſt, und beglückwünſchen uns im Hinblick auf die lokalen Verhältniſſe der Aula, daß der Künſtler nicht „modernes“ gemalt hat: die Vorzüge ſeiner Arbeit laſſen ſich aus der Nähe genießen. Dem Gemälde iſt der einzig mög- liche Platz angewieſen worden, der auch als der würdigſte gelten darf, zwiſchen den Stiftern Albrecht und Mechtild.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 82, 25. März 1900, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine82_1900/5>, abgerufen am 27.11.2024.