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Allgemeine Zeitung, Nr. 82, 22. März 1848.

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[Spaltenumbruch] daß der Rücktritt König Ludwigs durchaus freiwillig war. Man konnte
leicht bemerken wie tief die Liebe zu ihm fast allgemein wurzelte, trotz den
Stürmen die in neuerer und neuester Zeit das Verhältniß zwischen ihm
und seinem Volke erschüttert hatten. Es wurde heute dem vom Schauplatz
Scheidenden manche Thräne nachgeweint, und die Erschütterung selbst
starker Gemüther bei dem Gedanken daß jener feste, in mancher Bezie-
hung unbeugsame Charakter zu diesem Schritt sich gedrungen glauben
konnte, wird noch lange Zeit gefühlt werden. Uebrigens bringt sichtbar
einen guten Eindruck das Bekanntwerden der Wahl hervor, welche König
Maximilian für sein Ministerium getroffen haben soll. Die Minister-
liste wird ziemlich zuverlässig folgende Namen aufweisen: v. Thon-Ditt-
mer bleibt für das Innere, Appellations-Gerichtsrath Heintz erhält die
Justiz, Frhr. v. Lerchenfeld die Finanzen, General v. Lessuire das Porte-
feuille des Kriegs, Staatsrath v. Beisler (der seitherige Ministerverwe-
ser der Justiz) Cultus, Graf von Waldkirch Aeußeres. Letzterer wird
schwerlich bleiben (Ein anderer Brief nennt den Grafen Bray als für
die äußern Angelegenheiten in Aussicht stehend.) Der König eröffnet
morgen in Person die Ständekammern, und wird, wie er dem Magistrate
heute bemerkte, in der Thronrede Gelegenheit nehmen sich auszu-
sprechen über seine feste Absicht die von seinem Vater gegebenen
und ja auch von ihm unterzeichneten Zusagen in der Proclamation
vom 6 März zu halten. Man erwartet zugleich die Verkündigung
einer Amnestie für politische Vergehen. Welche Ausdehnung dieselbe
erhalten wird weiß man noch nicht. In meinem Briefe von gestern
Nacht findet sich eine Angabe die irrig ist. Es beißt dort: ein Adjutant
des Königs habe officiell die Nachricht von der Abdankung in die Aka-
demie gebracht; dieß ist dahin zu berichtigen daß Hr. Oberlieutenant von
der Thann sich eingeladen dort bei den Studenten befand, als ihm um
10 Uhr die Nachricht aus der Residenz durch einen Lakaien zukam; die-
selbe wurde ihm so mitgetheilt daß sie von einigen Umstehenden gehört
wurde, die dringend um Aufschluß baten, worauf er sich veranlaßt sah
laut über das Gehörte sich auszusprechen. Die Mittheilung war somit
von seiner Seite nicht officiell.

Bis gestern Nachmittag dauerte hier
die Ungewißheit über den eigentlichen Verlauf der Thronentsagung des
Königs Ludwig. Mittags traten Magistrat und Gemeindebevollmäch-
tigte in öffentlicher Sitzung zusammen, und beschlossen eine Abordnung
von fünf Mitgliedern nach München zu senden um sich genauen Auf-
schluß zu erholen, und ihn sofort der Bürgerschaft zur Kenntniß zu bringen,
damit diese nach Umständen handeln könne. Mittlerweile trafen aber
die in München erfolgten amtlichen Verkündigungen ein, unter ihnen
die ergreifenden Worte mit denen der König dem Volk seinen freige-
faßten Entschluß anzeigt. Niemand las sie ohne tiefe Bewegung. König
Ludwig hatte hier bekanntlich als Kronprinz einen Theil der schweren Zeit
zugebracht die während der französischen Herrschaft auf Deutschland
lag. Er war nie nach Augsburg gekommen ohne mit Wärme und le-
bendigster Erinnerung jener Tage zu gedenken und der Stadt zu zeigen
wie nahe sie seitdem seinem Herzen geblieben. Noch in den letzten stür-
mischen Tagen gab ein an den hiesigen Regierungspräsidenten gerichte-
tes k. Handbillet davon Zeugniß. Das alles ging an den betroffenen
Gemüthern vorüber, als wir gestern des Königs Rücktritt erfuhren.

Eine der letzten Regentenhandlungen des Königs Ludwig war die
Verleihung des Ritterkreuzes des bayerischen Kronordens an den
hiesigen Oberpostmeister Grafen v. Tauffkirchen, mittelst eines königl.
Handbillets, das mit herzlichsten Worten den frühern militärischen
Auszeichnungen des Grafen sowie seinem treuen thätigen Eifer als
k. Beamter seine volle Anerkennung zollt.

Hohenzollern.

Ein Correspondenz-
artikel aus Stuttgart theilte in dieser Zeitung das Gerücht mit daß sich
alle Israeliten von hier nach Tübingen geflüchtet haben sollen. Zur
Ehre der Stadt, des Landes und der israelitischen Gemeinde kann dieser
Angabe als durchaus unbegründet widersprochen werden, indem sich
nur vier Israeliten am Tag vor der allgemeinen Volksversammlung
von hier entfernt hatten. Die politische Aufregung bringt so viele
traurige Ereignisse hervor, daß dieselben nicht noch durch falsche Ge-
rüchte vermehrt werden sollten.

Großh. Baden.

Zu dem vorgestern mitgetheilten Amnestie-
decret ist der Großherzog, wie das Actenstück selbst sagt, durch die Be-
trachtung bestimmt worden daß die Zeitereignisse vielfach die Vorstel-
lungen von Recht und Unrecht verwirrten, und daß unter den jetzigen
Verhältnissen eine Vergebung politischer Vergehen zur Versöhnung der
[Spaltenumbruch] leidenschaftlich erregten Parteien beitragen werde, sowie endlich, daß es
dann um so gerechtfertigter erscheint, wenn da wo von nun an wieder
Verbrechen gleicher Art verübt werden, die volle Strenge des Gesetzes
zur Anwendung kommt.

In der ersten Kammer erstattete der Frhr. v. And-
law
einen Commissionsbericht über die Petition von 30 Heidelberger
Professoren in Betreff der deutschen Nationalanliegen. Er sagt in der
Einleitung: "Wir dürfen uns jedoch nicht in eine falsche Sicherheit wie-
gen. Außerordentliche Verhältnisse erzeugen außerordentliche Folgerun-
gen, und die Gewitter welche sich entladen, reinigen nicht bloß die Lüfte
von verderblichen Dünsten, sie bergen in dem Dunkel ihrer Wolken auch
verheerende Blitze. Soll sich die Gestaltung der Dinge zum Segen wen-
den, so müssen wir vor allem festhalten an der Grundlage unserer deut-
schen Staaten, an dem bisherigen Verbande. Die Erfahrung zeigt
wohl in verschiedenen Ländern den raschen Umschwung der Regierungs-
formen, den Wechsel zwischen Ein- und Vielherrschaft, überall nur
selten mit jener Beschränkung welche die Interessen der Völker sicher
stellt. Hat dieser Wechsel das Glück der Völker befördert? Was in den
Stürmen sich aufrecht erhält und gleichsam ein Palladium der Völker
bildet, das ist das Gute, das Zeitgemäße und das Dauernde. Jene Er-
schütterungen welche immer solche Bewegungen begleiten: die Verletzun-
gen der Personen und des Eigenthums, die Unsicherheit und die bange
Furcht, das jeden Verkehr störende Mißtrauen und die Unterhöhlung aller
Rechtszustände sind zwar die unerwünschte, durchaus unheilvolle, aber schwer
zu vermeidende Zugabe des Wechsels in den Regierungsformen. Sie för-
dern nicht, sie hemmen das Wohlseyn der Staaten. Möge die Vorsehung
und das richtige Volksgefühl solche Zustände von Deutschland fern halten!
Das Wohl des Vaterlandes erheischt mithin daß seine erblichen Fürsten-
thümer forbestehen, es muß daher zunächst die Sache des Fürsten seyn
die Bedürfnisse der Zeit zu erfassen und ihren Anforderungen zu entspre-
chen; die Sache der Völker muß es sofort seyn dieses erkannte Streben
des Fürsten mit aller Hingebung und aller Kraft zu unterstützen, deren
es bedarf um die Ansprüche des Augenblicks vollgenügend zu erfüllen.
Aus dieser doppelten Richtung ergibt sich die Befriedigung eines zweifa-
chen Bedürfnisses. Die Fürsten vermögen und vermochten nie etwas Gutes
zu schaffen ohne ihre Völker;
die Völker hingegen welche gewalt-
sam das Band lösen das sie an ihren Fürsten knüpft, durchlaufen rauhe
Bahnen unheilvoller Geschicke, und gelangen spät und häufig nur unter
der Gunst seltener Wechselfälle zu einem beruhigten Zustande. Diese Lage
bedingt ein festes Band zwischen dem einzelnen Fürsten und dem einzelnen
Volk, sodann zwischen allen deutschen Fürsten und allen deutschen Böl-
kern zur starken Abwehr kühner Angriffe von außen, von welcher Seite
es sey, und frevelnder Rechtsstörungen im Innern der Länder. Wir be-
dürfen mithin zur doppelten Befestigung unserer Zustände: 1) einen deut-
schen Fürstentag zur augenblicklichen Ergreifung gemeinsamer Maß-
regeln im Interesse des gesammten Vaterlandes, und 2) ein deutsches
Parlament zur nachhaltigen Belebung des Volksgeistes im Sinne natio-
naler Erhebung, zum Schutze nach außen und zur Erkräftigung gemein-
samer, unabweisbarer Schöpfungen im Innern." Nachdem der Redner
diese zwei Forderungen näher motivirt hatte, schloß er mit den Worten:
"Vergönnen Sie, durchlauchtigste, hochgeehrteste Herren! Ihrem Bericht-
erstatter sich mit wenigen Worten noch darüber auszusprechen was ihm
als der eigentliche Schlußstein des deutschen Staatssystems erscheint. Die
deutsche Einheit erheischt für die Energie und Schnellkraft der Aussührung
der Grundgesetze und der Stellung nach außen unbedingt ein sichtba-
res Haupt, einen deutschen Kaiser,
nicht etwa eine "Leiche der
Gruft," sondern eine erhabene, lebensvolle Gestalt der Wirklichkeit, den
Ausdruck deutscher Kraft und deutscher Majestät. Der Fürsten-
tag erwähle diesen Kaiser.
Er sey ein primus inter pares, der Fürst
der deutschen Fürsten, und der Mann der deutschen Hoffnung und des
deutschen Volkes, jedem nahe und über allen stehend; er sey der oberste
Heerführer zur Abwehr feindlichen Uebermuths, kein Eroberer anderer
Länder, nicht ein Gefährder fremder Nationalitäten, sondern der allge-
meine Hort deu scher Nationalität und der moralische Schutz gegen
mögliche Willkür im Innern von oben und von unten. Ein solches
Oberhaupt thut Deutschland, thut seinen Fürsten wie seinen Völkern
noth."

Die Offenburger Volksversamm-
lung von der man seit mehreren Tagen mit den lächerlichsten Aeng-
sten sprach, ist ganz so abgelaufen wie alle besonnenen Köpfe voraus-
gesehen hatten, nämlich in der friedlichsten Stimmung und mit der

[Spaltenumbruch] daß der Rücktritt König Ludwigs durchaus freiwillig war. Man konnte
leicht bemerken wie tief die Liebe zu ihm faſt allgemein wurzelte, trotz den
Stürmen die in neuerer und neueſter Zeit das Verhältniß zwiſchen ihm
und ſeinem Volke erſchüttert hatten. Es wurde heute dem vom Schauplatz
Scheidenden manche Thräne nachgeweint, und die Erſchütterung ſelbſt
ſtarker Gemüther bei dem Gedanken daß jener feſte, in mancher Bezie-
hung unbeugſame Charakter zu dieſem Schritt ſich gedrungen glauben
konnte, wird noch lange Zeit gefühlt werden. Uebrigens bringt ſichtbar
einen guten Eindruck das Bekanntwerden der Wahl hervor, welche König
Maximilian für ſein Miniſterium getroffen haben ſoll. Die Miniſter-
liſte wird ziemlich zuverläſſig folgende Namen aufweiſen: v. Thon-Ditt-
mer bleibt für das Innere, Appellations-Gerichtsrath Heintz erhält die
Juſtiz, Frhr. v. Lerchenfeld die Finanzen, General v. Leſſuire das Porte-
feuille des Kriegs, Staatsrath v. Beisler (der ſeitherige Miniſterverwe-
ſer der Juſtiz) Cultus, Graf von Waldkirch Aeußeres. Letzterer wird
ſchwerlich bleiben (Ein anderer Brief nennt den Grafen Bray als für
die äußern Angelegenheiten in Ausſicht ſtehend.) Der König eröffnet
morgen in Perſon die Ständekammern, und wird, wie er dem Magiſtrate
heute bemerkte, in der Thronrede Gelegenheit nehmen ſich auszu-
ſprechen über ſeine feſte Abſicht die von ſeinem Vater gegebenen
und ja auch von ihm unterzeichneten Zuſagen in der Proclamation
vom 6 März zu halten. Man erwartet zugleich die Verkündigung
einer Amneſtie für politiſche Vergehen. Welche Ausdehnung dieſelbe
erhalten wird weiß man noch nicht. In meinem Briefe von geſtern
Nacht findet ſich eine Angabe die irrig iſt. Es beißt dort: ein Adjutant
des Königs habe officiell die Nachricht von der Abdankung in die Aka-
demie gebracht; dieß iſt dahin zu berichtigen daß Hr. Oberlieutenant von
der Thann ſich eingeladen dort bei den Studenten befand, als ihm um
10 Uhr die Nachricht aus der Reſidenz durch einen Lakaien zukam; die-
ſelbe wurde ihm ſo mitgetheilt daß ſie von einigen Umſtehenden gehört
wurde, die dringend um Aufſchluß baten, worauf er ſich veranlaßt ſah
laut über das Gehörte ſich auszuſprechen. Die Mittheilung war ſomit
von ſeiner Seite nicht officiell.

Bis geſtern Nachmittag dauerte hier
die Ungewißheit über den eigentlichen Verlauf der Thronentſagung des
Königs Ludwig. Mittags traten Magiſtrat und Gemeindebevollmäch-
tigte in öffentlicher Sitzung zuſammen, und beſchloſſen eine Abordnung
von fünf Mitgliedern nach München zu ſenden um ſich genauen Auf-
ſchluß zu erholen, und ihn ſofort der Bürgerſchaft zur Kenntniß zu bringen,
damit dieſe nach Umſtänden handeln könne. Mittlerweile trafen aber
die in München erfolgten amtlichen Verkündigungen ein, unter ihnen
die ergreifenden Worte mit denen der König dem Volk ſeinen freige-
faßten Entſchluß anzeigt. Niemand las ſie ohne tiefe Bewegung. König
Ludwig hatte hier bekanntlich als Kronprinz einen Theil der ſchweren Zeit
zugebracht die während der franzöſiſchen Herrſchaft auf Deutſchland
lag. Er war nie nach Augsburg gekommen ohne mit Wärme und le-
bendigſter Erinnerung jener Tage zu gedenken und der Stadt zu zeigen
wie nahe ſie ſeitdem ſeinem Herzen geblieben. Noch in den letzten ſtür-
miſchen Tagen gab ein an den hieſigen Regierungspräſidenten gerichte-
tes k. Handbillet davon Zeugniß. Das alles ging an den betroffenen
Gemüthern vorüber, als wir geſtern des Königs Rücktritt erfuhren.

Eine der letzten Regentenhandlungen des Königs Ludwig war die
Verleihung des Ritterkreuzes des bayeriſchen Kronordens an den
hieſigen Oberpoſtmeiſter Grafen v. Tauffkirchen, mittelſt eines königl.
Handbillets, das mit herzlichſten Worten den frühern militäriſchen
Auszeichnungen des Grafen ſowie ſeinem treuen thätigen Eifer als
k. Beamter ſeine volle Anerkennung zollt.

Hohenzollern.

Ein Correſpondenz-
artikel aus Stuttgart theilte in dieſer Zeitung das Gerücht mit daß ſich
alle Iſraeliten von hier nach Tübingen geflüchtet haben ſollen. Zur
Ehre der Stadt, des Landes und der iſraelitiſchen Gemeinde kann dieſer
Angabe als durchaus unbegründet widerſprochen werden, indem ſich
nur vier Iſraeliten am Tag vor der allgemeinen Volksverſammlung
von hier entfernt hatten. Die politiſche Aufregung bringt ſo viele
traurige Ereigniſſe hervor, daß dieſelben nicht noch durch falſche Ge-
rüchte vermehrt werden ſollten.

Großh. Baden.

Zu dem vorgeſtern mitgetheilten Amneſtie-
decret iſt der Großherzog, wie das Actenſtück ſelbſt ſagt, durch die Be-
trachtung beſtimmt worden daß die Zeitereigniſſe vielfach die Vorſtel-
lungen von Recht und Unrecht verwirrten, und daß unter den jetzigen
Verhältniſſen eine Vergebung politiſcher Vergehen zur Verſöhnung der
[Spaltenumbruch] leidenſchaftlich erregten Parteien beitragen werde, ſowie endlich, daß es
dann um ſo gerechtfertigter erſcheint, wenn da wo von nun an wieder
Verbrechen gleicher Art verübt werden, die volle Strenge des Geſetzes
zur Anwendung kommt.

In der erſten Kammer erſtattete der Frhr. v. And-
law
einen Commiſſionsbericht über die Petition von 30 Heidelberger
Profeſſoren in Betreff der deutſchen Nationalanliegen. Er ſagt in der
Einleitung: „Wir dürfen uns jedoch nicht in eine falſche Sicherheit wie-
gen. Außerordentliche Verhältniſſe erzeugen außerordentliche Folgerun-
gen, und die Gewitter welche ſich entladen, reinigen nicht bloß die Lüfte
von verderblichen Dünſten, ſie bergen in dem Dunkel ihrer Wolken auch
verheerende Blitze. Soll ſich die Geſtaltung der Dinge zum Segen wen-
den, ſo müſſen wir vor allem feſthalten an der Grundlage unſerer deut-
ſchen Staaten, an dem bisherigen Verbande. Die Erfahrung zeigt
wohl in verſchiedenen Ländern den raſchen Umſchwung der Regierungs-
formen, den Wechſel zwiſchen Ein- und Vielherrſchaft, überall nur
ſelten mit jener Beſchränkung welche die Intereſſen der Völker ſicher
ſtellt. Hat dieſer Wechſel das Glück der Völker befördert? Was in den
Stürmen ſich aufrecht erhält und gleichſam ein Palladium der Völker
bildet, das iſt das Gute, das Zeitgemäße und das Dauernde. Jene Er-
ſchütterungen welche immer ſolche Bewegungen begleiten: die Verletzun-
gen der Perſonen und des Eigenthums, die Unſicherheit und die bange
Furcht, das jeden Verkehr ſtörende Mißtrauen und die Unterhöhlung aller
Rechtszuſtände ſind zwar die unerwünſchte, durchaus unheilvolle, aber ſchwer
zu vermeidende Zugabe des Wechſels in den Regierungsformen. Sie för-
dern nicht, ſie hemmen das Wohlſeyn der Staaten. Möge die Vorſehung
und das richtige Volksgefühl ſolche Zuſtände von Deutſchland fern halten!
Das Wohl des Vaterlandes erheiſcht mithin daß ſeine erblichen Fürſten-
thümer forbeſtehen, es muß daher zunächſt die Sache des Fürſten ſeyn
die Bedürfniſſe der Zeit zu erfaſſen und ihren Anforderungen zu entſpre-
chen; die Sache der Völker muß es ſofort ſeyn dieſes erkannte Streben
des Fürſten mit aller Hingebung und aller Kraft zu unterſtützen, deren
es bedarf um die Anſprüche des Augenblicks vollgenügend zu erfüllen.
Aus dieſer doppelten Richtung ergibt ſich die Befriedigung eines zweifa-
chen Bedürfniſſes. Die Fürſten vermögen und vermochten nie etwas Gutes
zu ſchaffen ohne ihre Völker;
die Völker hingegen welche gewalt-
ſam das Band löſen das ſie an ihren Fürſten knüpft, durchlaufen rauhe
Bahnen unheilvoller Geſchicke, und gelangen ſpät und häufig nur unter
der Gunſt ſeltener Wechſelfälle zu einem beruhigten Zuſtande. Dieſe Lage
bedingt ein feſtes Band zwiſchen dem einzelnen Fürſten und dem einzelnen
Volk, ſodann zwiſchen allen deutſchen Fürſten und allen deutſchen Böl-
kern zur ſtarken Abwehr kühner Angriffe von außen, von welcher Seite
es ſey, und frevelnder Rechtsſtörungen im Innern der Länder. Wir be-
dürfen mithin zur doppelten Befeſtigung unſerer Zuſtände: 1) einen deut-
ſchen Fürſtentag zur augenblicklichen Ergreifung gemeinſamer Maß-
regeln im Intereſſe des geſammten Vaterlandes, und 2) ein deutſches
Parlament zur nachhaltigen Belebung des Volksgeiſtes im Sinne natio-
naler Erhebung, zum Schutze nach außen und zur Erkräftigung gemein-
ſamer, unabweisbarer Schöpfungen im Innern.“ Nachdem der Redner
dieſe zwei Forderungen näher motivirt hatte, ſchloß er mit den Worten:
„Vergönnen Sie, durchlauchtigſte, hochgeehrteſte Herren! Ihrem Bericht-
erſtatter ſich mit wenigen Worten noch darüber auszuſprechen was ihm
als der eigentliche Schlußſtein des deutſchen Staatsſyſtems erſcheint. Die
deutſche Einheit erheiſcht für die Energie und Schnellkraft der Ausſührung
der Grundgeſetze und der Stellung nach außen unbedingt ein ſichtba-
res Haupt, einen deutſchen Kaiſer,
nicht etwa eine „Leiche der
Gruft,“ ſondern eine erhabene, lebensvolle Geſtalt der Wirklichkeit, den
Ausdruck deutſcher Kraft und deutſcher Majeſtät. Der Fürſten-
tag erwähle dieſen Kaiſer.
Er ſey ein primus inter pares, der Fürſt
der deutſchen Fürſten, und der Mann der deutſchen Hoffnung und des
deutſchen Volkes, jedem nahe und über allen ſtehend; er ſey der oberſte
Heerführer zur Abwehr feindlichen Uebermuths, kein Eroberer anderer
Länder, nicht ein Gefährder fremder Nationalitäten, ſondern der allge-
meine Hort deu ſcher Nationalität und der moraliſche Schutz gegen
mögliche Willkür im Innern von oben und von unten. Ein ſolches
Oberhaupt thut Deutſchland, thut ſeinen Fürſten wie ſeinen Völkern
noth.“

Die Offenburger Volksverſamm-
lung von der man ſeit mehreren Tagen mit den lächerlichſten Aeng-
ſten ſprach, iſt ganz ſo abgelaufen wie alle beſonnenen Köpfe voraus-
geſehen hatten, nämlich in der friedlichſten Stimmung und mit der

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[0003] daß der Rücktritt König Ludwigs durchaus freiwillig war. Man konnte leicht bemerken wie tief die Liebe zu ihm faſt allgemein wurzelte, trotz den Stürmen die in neuerer und neueſter Zeit das Verhältniß zwiſchen ihm und ſeinem Volke erſchüttert hatten. Es wurde heute dem vom Schauplatz Scheidenden manche Thräne nachgeweint, und die Erſchütterung ſelbſt ſtarker Gemüther bei dem Gedanken daß jener feſte, in mancher Bezie- hung unbeugſame Charakter zu dieſem Schritt ſich gedrungen glauben konnte, wird noch lange Zeit gefühlt werden. Uebrigens bringt ſichtbar einen guten Eindruck das Bekanntwerden der Wahl hervor, welche König Maximilian für ſein Miniſterium getroffen haben ſoll. Die Miniſter- liſte wird ziemlich zuverläſſig folgende Namen aufweiſen: v. Thon-Ditt- mer bleibt für das Innere, Appellations-Gerichtsrath Heintz erhält die Juſtiz, Frhr. v. Lerchenfeld die Finanzen, General v. Leſſuire das Porte- feuille des Kriegs, Staatsrath v. Beisler (der ſeitherige Miniſterverwe- ſer der Juſtiz) Cultus, Graf von Waldkirch Aeußeres. Letzterer wird ſchwerlich bleiben (Ein anderer Brief nennt den Grafen Bray als für die äußern Angelegenheiten in Ausſicht ſtehend.) Der König eröffnet morgen in Perſon die Ständekammern, und wird, wie er dem Magiſtrate heute bemerkte, in der Thronrede Gelegenheit nehmen ſich auszu- ſprechen über ſeine feſte Abſicht die von ſeinem Vater gegebenen und ja auch von ihm unterzeichneten Zuſagen in der Proclamation vom 6 März zu halten. Man erwartet zugleich die Verkündigung einer Amneſtie für politiſche Vergehen. Welche Ausdehnung dieſelbe erhalten wird weiß man noch nicht. In meinem Briefe von geſtern Nacht findet ſich eine Angabe die irrig iſt. Es beißt dort: ein Adjutant des Königs habe officiell die Nachricht von der Abdankung in die Aka- demie gebracht; dieß iſt dahin zu berichtigen daß Hr. Oberlieutenant von der Thann ſich eingeladen dort bei den Studenten befand, als ihm um 10 Uhr die Nachricht aus der Reſidenz durch einen Lakaien zukam; die- ſelbe wurde ihm ſo mitgetheilt daß ſie von einigen Umſtehenden gehört wurde, die dringend um Aufſchluß baten, worauf er ſich veranlaßt ſah laut über das Gehörte ſich auszuſprechen. Die Mittheilung war ſomit von ſeiner Seite nicht officiell. * Augsburg, 22 März.Bis geſtern Nachmittag dauerte hier die Ungewißheit über den eigentlichen Verlauf der Thronentſagung des Königs Ludwig. Mittags traten Magiſtrat und Gemeindebevollmäch- tigte in öffentlicher Sitzung zuſammen, und beſchloſſen eine Abordnung von fünf Mitgliedern nach München zu ſenden um ſich genauen Auf- ſchluß zu erholen, und ihn ſofort der Bürgerſchaft zur Kenntniß zu bringen, damit dieſe nach Umſtänden handeln könne. Mittlerweile trafen aber die in München erfolgten amtlichen Verkündigungen ein, unter ihnen die ergreifenden Worte mit denen der König dem Volk ſeinen freige- faßten Entſchluß anzeigt. Niemand las ſie ohne tiefe Bewegung. König Ludwig hatte hier bekanntlich als Kronprinz einen Theil der ſchweren Zeit zugebracht die während der franzöſiſchen Herrſchaft auf Deutſchland lag. Er war nie nach Augsburg gekommen ohne mit Wärme und le- bendigſter Erinnerung jener Tage zu gedenken und der Stadt zu zeigen wie nahe ſie ſeitdem ſeinem Herzen geblieben. Noch in den letzten ſtür- miſchen Tagen gab ein an den hieſigen Regierungspräſidenten gerichte- tes k. Handbillet davon Zeugniß. Das alles ging an den betroffenen Gemüthern vorüber, als wir geſtern des Königs Rücktritt erfuhren. Eine der letzten Regentenhandlungen des Königs Ludwig war die Verleihung des Ritterkreuzes des bayeriſchen Kronordens an den hieſigen Oberpoſtmeiſter Grafen v. Tauffkirchen, mittelſt eines königl. Handbillets, das mit herzlichſten Worten den frühern militäriſchen Auszeichnungen des Grafen ſowie ſeinem treuen thätigen Eifer als k. Beamter ſeine volle Anerkennung zollt. Hohenzollern. * Hechingen, 19 März.Ein Correſpondenz- artikel aus Stuttgart theilte in dieſer Zeitung das Gerücht mit daß ſich alle Iſraeliten von hier nach Tübingen geflüchtet haben ſollen. Zur Ehre der Stadt, des Landes und der iſraelitiſchen Gemeinde kann dieſer Angabe als durchaus unbegründet widerſprochen werden, indem ſich nur vier Iſraeliten am Tag vor der allgemeinen Volksverſammlung von hier entfernt hatten. Die politiſche Aufregung bringt ſo viele traurige Ereigniſſe hervor, daß dieſelben nicht noch durch falſche Ge- rüchte vermehrt werden ſollten. Großh. Baden. Zu dem vorgeſtern mitgetheilten Amneſtie- decret iſt der Großherzog, wie das Actenſtück ſelbſt ſagt, durch die Be- trachtung beſtimmt worden daß die Zeitereigniſſe vielfach die Vorſtel- lungen von Recht und Unrecht verwirrten, und daß unter den jetzigen Verhältniſſen eine Vergebung politiſcher Vergehen zur Verſöhnung der leidenſchaftlich erregten Parteien beitragen werde, ſowie endlich, daß es dann um ſo gerechtfertigter erſcheint, wenn da wo von nun an wieder Verbrechen gleicher Art verübt werden, die volle Strenge des Geſetzes zur Anwendung kommt. Karlsruhe.In der erſten Kammer erſtattete der Frhr. v. And- law einen Commiſſionsbericht über die Petition von 30 Heidelberger Profeſſoren in Betreff der deutſchen Nationalanliegen. Er ſagt in der Einleitung: „Wir dürfen uns jedoch nicht in eine falſche Sicherheit wie- gen. Außerordentliche Verhältniſſe erzeugen außerordentliche Folgerun- gen, und die Gewitter welche ſich entladen, reinigen nicht bloß die Lüfte von verderblichen Dünſten, ſie bergen in dem Dunkel ihrer Wolken auch verheerende Blitze. Soll ſich die Geſtaltung der Dinge zum Segen wen- den, ſo müſſen wir vor allem feſthalten an der Grundlage unſerer deut- ſchen Staaten, an dem bisherigen Verbande. Die Erfahrung zeigt wohl in verſchiedenen Ländern den raſchen Umſchwung der Regierungs- formen, den Wechſel zwiſchen Ein- und Vielherrſchaft, überall nur ſelten mit jener Beſchränkung welche die Intereſſen der Völker ſicher ſtellt. Hat dieſer Wechſel das Glück der Völker befördert? Was in den Stürmen ſich aufrecht erhält und gleichſam ein Palladium der Völker bildet, das iſt das Gute, das Zeitgemäße und das Dauernde. Jene Er- ſchütterungen welche immer ſolche Bewegungen begleiten: die Verletzun- gen der Perſonen und des Eigenthums, die Unſicherheit und die bange Furcht, das jeden Verkehr ſtörende Mißtrauen und die Unterhöhlung aller Rechtszuſtände ſind zwar die unerwünſchte, durchaus unheilvolle, aber ſchwer zu vermeidende Zugabe des Wechſels in den Regierungsformen. Sie för- dern nicht, ſie hemmen das Wohlſeyn der Staaten. Möge die Vorſehung und das richtige Volksgefühl ſolche Zuſtände von Deutſchland fern halten! Das Wohl des Vaterlandes erheiſcht mithin daß ſeine erblichen Fürſten- thümer forbeſtehen, es muß daher zunächſt die Sache des Fürſten ſeyn die Bedürfniſſe der Zeit zu erfaſſen und ihren Anforderungen zu entſpre- chen; die Sache der Völker muß es ſofort ſeyn dieſes erkannte Streben des Fürſten mit aller Hingebung und aller Kraft zu unterſtützen, deren es bedarf um die Anſprüche des Augenblicks vollgenügend zu erfüllen. Aus dieſer doppelten Richtung ergibt ſich die Befriedigung eines zweifa- chen Bedürfniſſes. Die Fürſten vermögen und vermochten nie etwas Gutes zu ſchaffen ohne ihre Völker; die Völker hingegen welche gewalt- ſam das Band löſen das ſie an ihren Fürſten knüpft, durchlaufen rauhe Bahnen unheilvoller Geſchicke, und gelangen ſpät und häufig nur unter der Gunſt ſeltener Wechſelfälle zu einem beruhigten Zuſtande. Dieſe Lage bedingt ein feſtes Band zwiſchen dem einzelnen Fürſten und dem einzelnen Volk, ſodann zwiſchen allen deutſchen Fürſten und allen deutſchen Böl- kern zur ſtarken Abwehr kühner Angriffe von außen, von welcher Seite es ſey, und frevelnder Rechtsſtörungen im Innern der Länder. Wir be- dürfen mithin zur doppelten Befeſtigung unſerer Zuſtände: 1) einen deut- ſchen Fürſtentag zur augenblicklichen Ergreifung gemeinſamer Maß- regeln im Intereſſe des geſammten Vaterlandes, und 2) ein deutſches Parlament zur nachhaltigen Belebung des Volksgeiſtes im Sinne natio- naler Erhebung, zum Schutze nach außen und zur Erkräftigung gemein- ſamer, unabweisbarer Schöpfungen im Innern.“ Nachdem der Redner dieſe zwei Forderungen näher motivirt hatte, ſchloß er mit den Worten: „Vergönnen Sie, durchlauchtigſte, hochgeehrteſte Herren! Ihrem Bericht- erſtatter ſich mit wenigen Worten noch darüber auszuſprechen was ihm als der eigentliche Schlußſtein des deutſchen Staatsſyſtems erſcheint. Die deutſche Einheit erheiſcht für die Energie und Schnellkraft der Ausſührung der Grundgeſetze und der Stellung nach außen unbedingt ein ſichtba- res Haupt, einen deutſchen Kaiſer, nicht etwa eine „Leiche der Gruft,“ ſondern eine erhabene, lebensvolle Geſtalt der Wirklichkeit, den Ausdruck deutſcher Kraft und deutſcher Majeſtät. Der Fürſten- tag erwähle dieſen Kaiſer. Er ſey ein primus inter pares, der Fürſt der deutſchen Fürſten, und der Mann der deutſchen Hoffnung und des deutſchen Volkes, jedem nahe und über allen ſtehend; er ſey der oberſte Heerführer zur Abwehr feindlichen Uebermuths, kein Eroberer anderer Länder, nicht ein Gefährder fremder Nationalitäten, ſondern der allge- meine Hort deu ſcher Nationalität und der moraliſche Schutz gegen mögliche Willkür im Innern von oben und von unten. Ein ſolches Oberhaupt thut Deutſchland, thut ſeinen Fürſten wie ſeinen Völkern noth.“ ⦻ Heidelberg, 20 März.Die Offenburger Volksverſamm- lung von der man ſeit mehreren Tagen mit den lächerlichſten Aeng- ſten ſprach, iſt ganz ſo abgelaufen wie alle beſonnenen Köpfe voraus- geſehen hatten, nämlich in der friedlichſten Stimmung und mit der

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 82, 22. März 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine82_1848/3>, abgerufen am 27.09.2024.