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Allgemeine Zeitung, Nr. 81, 21. März 1848.

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[Spaltenumbruch] Bundes wenden müssen, welchem die Pflicht obli egt in einer so tief be-
wegten Zeit für den äußern Schutz Deutschlands und dessen innere
Wohlfahrt Sorge zu tragen. Wenn je, so bedarf es jetzt der ganzen
Weisheit der Regierungen und der ganzen Eintracht der Nation, um
die Gefahren abzuwenden mit denen das gemeinsame Vaterland be-
droht ist. Oesterreich und Preußen haben daher ihre deutschen Bun-
desgenossen ersucht sich mit ihnen ungesäumt zu einer umfassenden Be-
rathung alles dessen zu vereinigen was unter den gegebenen Umständen
das Wohl Deutschlands erheischt. Diese Versammlung wird am 25sten
März zu Dresden eröffnet werden. Beide Regierungen hegen die
vertrauensvolle Erwartung daß es auf diesem geordneten Wege gelin-
gen werde den wohlbegründeten nationalen Bedürfnissen zu entsprechen
und diejenigen Institutionen zu sichern durch welche Deutschland ge-
kräftigt und erhoben, dem Auslande gegenüber in der ihm gebührenden
Stellung unter den europäischen Nationen befestigt werde. Sie wer-
den aber auch im Vereine mit ihren deutschen Bundesgenossen ebenso
ernst und nachdrücklich solchen Versuchen entgegentreten die auf die
Vernichtung der rechtlichen Ordnung in Deutschland hinausgehen und
im deutschen Bunde einen Zustand von Zwietracht und Auflösung er-
zeugen würden der ihn wehrlos in die Hände jedes Feindes gäbe. In-
dem die deutschen Regierungen sich zu diesem Werke vereinigen, nehmen
sie für dasselbe den bessern Geist der Nation in Anspruch, die Einsicht
und den Willen aller welche es vermögen inmitten der Aufregun-
gen und Täuschungen der Gegenwart auch die Zukunft ins Auge zu fas-
sen, und die Bedingungen zu erkennen unter welchen allein eine heil-
same Entwicklung des alle deutschen Stämme umfassenden Bundes mög-
lich ist."


In Wien ist nur noch alles freudig
aufgeregt. Auch diesen Morgen suhr Se. Maj. der Kaiser aus und be-
gab sich zur Universität, wo die Studenten versammelt waren. Aus
allen Häusern flogen Kränze und roth und weiße Fähnchen auf den kai-
serlichen Wagen nieder, der ganz davon bedeckt war. Zwei Fahnen
flatterten am Kutschersitz. Se. Maj. war von den Anstrengungen des
Tages zu angegriffen und ließ auch heute für den beabsichtigten Fackel-
zug danken. Im Carltheater wurde heute mit freiem Eintritt zum er-
stenmal wieder gespielt. Die Nationalhymne wurde gesungen, das
Haus war überfüllt und alles ging, obgleich ohne Polizei, dennoch mit
großer Ordnung zu. Die freie Presse fängt an sich zu äußern. Von
dem Dichter des "Habsburgliedes" und des "Don Juan d'Austria," Dr.
L. A. Frankl, erschien ein Lied "An die Universität,"*) das mit Jubel
aufgenommen wurde. Man trug den Dichter, nicht bloß bildlich, auf den
Armen. Das Lied trägt die Unterschrift: "Erstes censurfreies Blatt."
Auch von Castelli ist ein "Lied für die Nationalgarde" erschienen. Au-
ßerdem erschienen noch Gedichte und Aufrufe, von mehr oder minder Be-
rufenen, doch alle wohlgemeint und wackerer Gesinnung entströmt.
Wenn Einem diese Sachen vor die Augen kommen, fragt man sich ob
man noch in dem Wien lebe wo vor fünf Tagen ein Censor von den drei
[Spaltenumbruch] Worten: "der ermordete Wallenstein," das eine -- "ermordete" -- strich
und "der Wallenstein" stehen ließ.

Für die Bürger, die am Montag den 13 März 1848 in Wien
gefallen.
Das schwarze Band, den schwarzen Flor
Laßt in den Lüften wallen,
Den Todten finget ein Klagelied
Die für die Freiheit gefallen.
Grabt auf der Freiung ein weites Grab,
Dort mögen die Braven liegen --
Und hinter den Särgen zieht Alle mit --
Laßt ferner uns friedlich fiegen.
Und wenn die Gruft die Todten birgt,
Erheb sich über dem Grabe --
Ein Denkmal; daß an den Unglückstag
Die Nachwelt ein Zeichen habe.
Am Denkmal prange in leuchtender Schrift:
"Dieß gilt den Bürgern, Allen --
Die durch eines Einzigen unglücklich Wort
Für die gute Sache gefallen." Friedrich Uhl.


Der gestrige Tag schloß,
wie er begonnen, mit unendlichem Jubel. Die Bataillone von Bewaffne-
ten, theils Nationalgarden, theils Studenten, eingetheilt in vier große
Legionen, theils Handwerker, Lehrburschen und Volk aller Art, mehren
sich von Stunde zu Stunde, und Wien, wo alle Provinzen und alle
Sprachstämme Oesterreichs so zahlreich vertreten sind, hallt wieder von
einem wahrhaft babylonischen Sprachgewirr. Am wildesten aber ist der
Jubel und das Geschrei der Ungarn, von denen immer neue Haufen aus
Preßburg und Pesth eintreffen. Weniger lärmend treten die hier so zahl-
reichen Böhmen auf, und ihr Slawa-Ruf dringt nicht durch; die Italie-
ner, welche anfangs so brausend waren, scheinen sich in der massenhaften
Entwicklung der übrigen Nationalitäten verloren zu haben. Dagegen
tritt der deutsche Charakter immer schärfer, immer kräftiger hervor, ohne
jedoch zu irgendeiner Reibung Veranlassung zu bieten. Verbrüderung
aller Nationen auf dem Boden der Freiheit, und befestigt durch das ge-
meinsame Band einer allgemein geliebten Herrscherfamilie, ist die Lo-
sung des Tages, und wird überall auf Fahnen und in Reden gepredigt.
Dabei kommt oft vorzügliches Rednertalent zum Vorschein. So hörte
ich als Antwort auf meine kurze Anrede an die in der Nacht vom 16 an-
gekommenen Stände und Juraten aus Preßburg eine ganz vorzügliche
Rede des Hrn. Andorft, welcher, da ich Oesterreichs neue Stellung
in der Weltgeschichte berührt hatte, mir die Ansichten eines Ungarn
über Ungarns Stellung und Hoffnung, Vergangenheit und Zukunft,
mit ebensoviel Klarheit als Ruhe und tiefer Kenntniß entwickelte. Gegen
3 Uhr versammelten sich zahlreiche Haufen von Bewaffneten und zogen
zum Hause des verhaßten Bürgermeister Czapka; man drang mit Ge-
walt in sein Zimmer, fand ihn aber nicht. Wenige Momente nachher
las man seine Abdankung, und der Bürger Bergmüller ist an seine
Stelle getreten. Wo Czapka geblieben weiß man ebensowenig als den
Aufenthalt des noch verhaßteren Sedlnetzky. Ueber Fürst Metternich kann
ich Jhnen aus guter Quelle folgendes mittheilen. In der Nacht vom 13
auf den 14 flüchtete er aus seinem Palast über die damals ganz vom Mi-
litär besetzte Bastei in den benachbarten Palast des Fürsten Liechtenstein,
wo er bis in der Frühe blieb, und dann mit seiner Frau, verkleidet, je-
doch unter starker Husarenbedeckung durch das Kärnthnerthor abreiste;
er kam am 14 Abends in dem fürstl. Liechtenstein'schen Schloß Felskirch
an der Leitha an; ob er noch dort, ist mir zu Zeit noch nicht bekannt;
daß aber auch dort sein Leben nicht sicher, scheint gewiß. Abends
8 Uhr
. Ein ungeheurer Zug von Bewaffneten, in mehr als 200 gro-
ßen Abtheilungen, der Männergesangverein mit Fackeln an der Spitze,
durchzieht von der Universität aus die Stadt. Die Beleuchtung ist noch
glänzender als gestern; zahlreiche Inschriften, künstliche Illuminationen,
Büsten und Bilder des Kaisers Ferdinand, symbolische Darstellung der
Völkerfreiheit, der Preßfreiheit etc. werden von den zahlreichen Massen
mit Jubel begrüßt. Bei allem dem die größte Ordnung und Ruhe; ja
eine Gemüthlichkeit in Wort und That, wie man sie nur in Wien finden
kann. Auf dem Josephsplatz, vor der mit der Fahne der Freiheit ge-
schmückten Statue des großen Kaisers Joseph, hält der Zug an und singt
das österreichische Nationallied; keine Trommel rührt sich bei der Linie,
kein Geschrei wird laut, denn es heißt: der Kaiser sey unwohl, weil zu

*)

Die Universität.
Was kommt heran mit kühnem Gange?
Die Waffe blinkt, die Fahne weht,
Es naht mit hellem Trommelklange
Die Universität.
Die Stunde ist des Lichts gekommen:
Was wir ersehnt, umsonst ersteht,
Im jungen Herzen ist's entglommen
Der Universität.
Das freie Wort, das sie gefangen
Seit Joseph arg verhöhnt, geschmäht,
Vorkämpfend sprengte seine Spangen
Die Universität.
Zugleich erwacht's mit Lerchenliedern,
Horcht, wie es dithyrambisch geht!
Und wie die Herzen sich erwiedern:
Hoch die Universität!
Und wendet ihr euch zu den bleichen
Gefallen Freiheitsopfern, seht:
Bezahlt hat mit den ersten Leichen
Die Universität.
Doch wird dereinst die Nachwelt blättern,
Im Buche der Geschichte steht
Die lichte That, mit goldnen Lettern:
Die Universität.
Während des Wachstehens geschrieben von
Lud. Aug. Frankl.

[Spaltenumbruch] Bundes wenden müſſen, welchem die Pflicht obli egt in einer ſo tief be-
wegten Zeit für den äußern Schutz Deutſchlands und deſſen innere
Wohlfahrt Sorge zu tragen. Wenn je, ſo bedarf es jetzt der ganzen
Weisheit der Regierungen und der ganzen Eintracht der Nation, um
die Gefahren abzuwenden mit denen das gemeinſame Vaterland be-
droht iſt. Oeſterreich und Preußen haben daher ihre deutſchen Bun-
desgenoſſen erſucht ſich mit ihnen ungeſäumt zu einer umfaſſenden Be-
rathung alles deſſen zu vereinigen was unter den gegebenen Umſtänden
das Wohl Deutſchlands erheiſcht. Dieſe Verſammlung wird am 25ſten
März zu Dresden eröffnet werden. Beide Regierungen hegen die
vertrauensvolle Erwartung daß es auf dieſem geordneten Wege gelin-
gen werde den wohlbegründeten nationalen Bedürfniſſen zu entſprechen
und diejenigen Inſtitutionen zu ſichern durch welche Deutſchland ge-
kräftigt und erhoben, dem Auslande gegenüber in der ihm gebührenden
Stellung unter den europäiſchen Nationen befeſtigt werde. Sie wer-
den aber auch im Vereine mit ihren deutſchen Bundesgenoſſen ebenſo
ernſt und nachdrücklich ſolchen Verſuchen entgegentreten die auf die
Vernichtung der rechtlichen Ordnung in Deutſchland hinausgehen und
im deutſchen Bunde einen Zuſtand von Zwietracht und Auflöſung er-
zeugen würden der ihn wehrlos in die Hände jedes Feindes gäbe. In-
dem die deutſchen Regierungen ſich zu dieſem Werke vereinigen, nehmen
ſie für dasſelbe den beſſern Geiſt der Nation in Anſpruch, die Einſicht
und den Willen aller welche es vermögen inmitten der Aufregun-
gen und Täuſchungen der Gegenwart auch die Zukunft ins Auge zu faſ-
ſen, und die Bedingungen zu erkennen unter welchen allein eine heil-
ſame Entwicklung des alle deutſchen Stämme umfaſſenden Bundes mög-
lich iſt.“


In Wien iſt nur noch alles freudig
aufgeregt. Auch dieſen Morgen ſuhr Se. Maj. der Kaiſer aus und be-
gab ſich zur Univerſität, wo die Studenten verſammelt waren. Aus
allen Häuſern flogen Kränze und roth und weiße Fähnchen auf den kai-
ſerlichen Wagen nieder, der ganz davon bedeckt war. Zwei Fahnen
flatterten am Kutſcherſitz. Se. Maj. war von den Anſtrengungen des
Tages zu angegriffen und ließ auch heute für den beabſichtigten Fackel-
zug danken. Im Carltheater wurde heute mit freiem Eintritt zum er-
ſtenmal wieder geſpielt. Die Nationalhymne wurde geſungen, das
Haus war überfüllt und alles ging, obgleich ohne Polizei, dennoch mit
großer Ordnung zu. Die freie Preſſe fängt an ſich zu äußern. Von
dem Dichter des „Habsburgliedes“ und des „Don Juan d’Auſtria,“ Dr.
L. A. Frankl, erſchien ein Lied „An die Univerſität,“*) das mit Jubel
aufgenommen wurde. Man trug den Dichter, nicht bloß bildlich, auf den
Armen. Das Lied trägt die Unterſchrift: „Erſtes cenſurfreies Blatt.“
Auch von Caſtelli iſt ein „Lied für die Nationalgarde“ erſchienen. Au-
ßerdem erſchienen noch Gedichte und Aufrufe, von mehr oder minder Be-
rufenen, doch alle wohlgemeint und wackerer Geſinnung entſtrömt.
Wenn Einem dieſe Sachen vor die Augen kommen, fragt man ſich ob
man noch in dem Wien lebe wo vor fünf Tagen ein Cenſor von den drei
[Spaltenumbruch] Worten: „der ermordete Wallenſtein,“ das eine — „ermordete“ — ſtrich
und „der Wallenſtein“ ſtehen ließ.

Für die Bürger, die am Montag den 13 März 1848 in Wien
gefallen.
Das ſchwarze Band, den ſchwarzen Flor
Laßt in den Lüften wallen,
Den Todten finget ein Klagelied
Die für die Freiheit gefallen.
Grabt auf der Freiung ein weites Grab,
Dort mögen die Braven liegen —
Und hinter den Särgen zieht Alle mit —
Laßt ferner uns friedlich fiegen.
Und wenn die Gruft die Todten birgt,
Erheb ſich über dem Grabe —
Ein Denkmal; daß an den Unglückstag
Die Nachwelt ein Zeichen habe.
Am Denkmal prange in leuchtender Schrift:
„Dieß gilt den Bürgern, Allen —
Die durch eines Einzigen unglücklich Wort
Für die gute Sache gefallen.“ Friedrich Uhl.


Der geſtrige Tag ſchloß,
wie er begonnen, mit unendlichem Jubel. Die Bataillone von Bewaffne-
ten, theils Nationalgarden, theils Studenten, eingetheilt in vier große
Legionen, theils Handwerker, Lehrburſchen und Volk aller Art, mehren
ſich von Stunde zu Stunde, und Wien, wo alle Provinzen und alle
Sprachſtämme Oeſterreichs ſo zahlreich vertreten ſind, hallt wieder von
einem wahrhaft babyloniſchen Sprachgewirr. Am wildeſten aber iſt der
Jubel und das Geſchrei der Ungarn, von denen immer neue Haufen aus
Preßburg und Peſth eintreffen. Weniger lärmend treten die hier ſo zahl-
reichen Böhmen auf, und ihr Slawa-Ruf dringt nicht durch; die Italie-
ner, welche anfangs ſo brauſend waren, ſcheinen ſich in der maſſenhaften
Entwicklung der übrigen Nationalitäten verloren zu haben. Dagegen
tritt der deutſche Charakter immer ſchärfer, immer kräftiger hervor, ohne
jedoch zu irgendeiner Reibung Veranlaſſung zu bieten. Verbrüderung
aller Nationen auf dem Boden der Freiheit, und befeſtigt durch das ge-
meinſame Band einer allgemein geliebten Herrſcherfamilie, iſt die Lo-
ſung des Tages, und wird überall auf Fahnen und in Reden gepredigt.
Dabei kommt oft vorzügliches Rednertalent zum Vorſchein. So hörte
ich als Antwort auf meine kurze Anrede an die in der Nacht vom 16 an-
gekommenen Stände und Juraten aus Preßburg eine ganz vorzügliche
Rede des Hrn. Andorft, welcher, da ich Oeſterreichs neue Stellung
in der Weltgeſchichte berührt hatte, mir die Anſichten eines Ungarn
über Ungarns Stellung und Hoffnung, Vergangenheit und Zukunft,
mit ebenſoviel Klarheit als Ruhe und tiefer Kenntniß entwickelte. Gegen
3 Uhr verſammelten ſich zahlreiche Haufen von Bewaffneten und zogen
zum Hauſe des verhaßten Bürgermeiſter Czapka; man drang mit Ge-
walt in ſein Zimmer, fand ihn aber nicht. Wenige Momente nachher
las man ſeine Abdankung, und der Bürger Bergmüller iſt an ſeine
Stelle getreten. Wo Czapka geblieben weiß man ebenſowenig als den
Aufenthalt des noch verhaßteren Sedlnetzky. Ueber Fürſt Metternich kann
ich Jhnen aus guter Quelle folgendes mittheilen. In der Nacht vom 13
auf den 14 flüchtete er aus ſeinem Palaſt über die damals ganz vom Mi-
litär beſetzte Baſtei in den benachbarten Palaſt des Fürſten Liechtenſtein,
wo er bis in der Frühe blieb, und dann mit ſeiner Frau, verkleidet, je-
doch unter ſtarker Huſarenbedeckung durch das Kärnthnerthor abreiste;
er kam am 14 Abends in dem fürſtl. Liechtenſtein’ſchen Schloß Felskirch
an der Leitha an; ob er noch dort, iſt mir zu Zeit noch nicht bekannt;
daß aber auch dort ſein Leben nicht ſicher, ſcheint gewiß. Abends
8 Uhr
. Ein ungeheurer Zug von Bewaffneten, in mehr als 200 gro-
ßen Abtheilungen, der Männergeſangverein mit Fackeln an der Spitze,
durchzieht von der Univerſität aus die Stadt. Die Beleuchtung iſt noch
glänzender als geſtern; zahlreiche Inſchriften, künſtliche Illuminationen,
Büſten und Bilder des Kaiſers Ferdinand, ſymboliſche Darſtellung der
Völkerfreiheit, der Preßfreiheit ꝛc. werden von den zahlreichen Maſſen
mit Jubel begrüßt. Bei allem dem die größte Ordnung und Ruhe; ja
eine Gemüthlichkeit in Wort und That, wie man ſie nur in Wien finden
kann. Auf dem Joſephsplatz, vor der mit der Fahne der Freiheit ge-
ſchmückten Statue des großen Kaiſers Joſeph, hält der Zug an und ſingt
das öſterreichiſche Nationallied; keine Trommel rührt ſich bei der Linie,
kein Geſchrei wird laut, denn es heißt: der Kaiſer ſey unwohl, weil zu

*)

Die Univerſität.
Was kommt heran mit kühnem Gange?
Die Waffe blinkt, die Fahne weht,
Es naht mit hellem Trommelklange
Die Univerſität.
Die Stunde iſt des Lichts gekommen:
Was wir erſehnt, umſonſt erſteht,
Im jungen Herzen iſt’s entglommen
Der Univerſität.
Das freie Wort, das ſie gefangen
Seit Joſeph arg verhöhnt, geſchmäht,
Vorkämpfend ſprengte ſeine Spangen
Die Univerſität.
Zugleich erwacht’s mit Lerchenliedern,
Horcht, wie es dithyrambiſch geht!
Und wie die Herzen ſich erwiedern:
Hoch die Univerſität!
Und wendet ihr euch zu den bleichen
Gefallen Freiheitsopfern, ſeht:
Bezahlt hat mit den erſten Leichen
Die Univerſität.
Doch wird dereinſt die Nachwelt blättern,
Im Buche der Geſchichte ſteht
Die lichte That, mit goldnen Lettern:
Die Univerſität.
Während des Wachſtehens geſchrieben von
Lud. Aug. Frankl.

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[1285/0005] Bundes wenden müſſen, welchem die Pflicht obli egt in einer ſo tief be- wegten Zeit für den äußern Schutz Deutſchlands und deſſen innere Wohlfahrt Sorge zu tragen. Wenn je, ſo bedarf es jetzt der ganzen Weisheit der Regierungen und der ganzen Eintracht der Nation, um die Gefahren abzuwenden mit denen das gemeinſame Vaterland be- droht iſt. Oeſterreich und Preußen haben daher ihre deutſchen Bun- desgenoſſen erſucht ſich mit ihnen ungeſäumt zu einer umfaſſenden Be- rathung alles deſſen zu vereinigen was unter den gegebenen Umſtänden das Wohl Deutſchlands erheiſcht. Dieſe Verſammlung wird am 25ſten März zu Dresden eröffnet werden. Beide Regierungen hegen die vertrauensvolle Erwartung daß es auf dieſem geordneten Wege gelin- gen werde den wohlbegründeten nationalen Bedürfniſſen zu entſprechen und diejenigen Inſtitutionen zu ſichern durch welche Deutſchland ge- kräftigt und erhoben, dem Auslande gegenüber in der ihm gebührenden Stellung unter den europäiſchen Nationen befeſtigt werde. Sie wer- den aber auch im Vereine mit ihren deutſchen Bundesgenoſſen ebenſo ernſt und nachdrücklich ſolchen Verſuchen entgegentreten die auf die Vernichtung der rechtlichen Ordnung in Deutſchland hinausgehen und im deutſchen Bunde einen Zuſtand von Zwietracht und Auflöſung er- zeugen würden der ihn wehrlos in die Hände jedes Feindes gäbe. In- dem die deutſchen Regierungen ſich zu dieſem Werke vereinigen, nehmen ſie für dasſelbe den beſſern Geiſt der Nation in Anſpruch, die Einſicht und den Willen aller welche es vermögen inmitten der Aufregun- gen und Täuſchungen der Gegenwart auch die Zukunft ins Auge zu faſ- ſen, und die Bedingungen zu erkennen unter welchen allein eine heil- ſame Entwicklung des alle deutſchen Stämme umfaſſenden Bundes mög- lich iſt.“ ♃ Wien, 16 März. In Wien iſt nur noch alles freudig aufgeregt. Auch dieſen Morgen ſuhr Se. Maj. der Kaiſer aus und be- gab ſich zur Univerſität, wo die Studenten verſammelt waren. Aus allen Häuſern flogen Kränze und roth und weiße Fähnchen auf den kai- ſerlichen Wagen nieder, der ganz davon bedeckt war. Zwei Fahnen flatterten am Kutſcherſitz. Se. Maj. war von den Anſtrengungen des Tages zu angegriffen und ließ auch heute für den beabſichtigten Fackel- zug danken. Im Carltheater wurde heute mit freiem Eintritt zum er- ſtenmal wieder geſpielt. Die Nationalhymne wurde geſungen, das Haus war überfüllt und alles ging, obgleich ohne Polizei, dennoch mit großer Ordnung zu. Die freie Preſſe fängt an ſich zu äußern. Von dem Dichter des „Habsburgliedes“ und des „Don Juan d’Auſtria,“ Dr. L. A. Frankl, erſchien ein Lied „An die Univerſität,“ *) das mit Jubel aufgenommen wurde. Man trug den Dichter, nicht bloß bildlich, auf den Armen. Das Lied trägt die Unterſchrift: „Erſtes cenſurfreies Blatt.“ Auch von Caſtelli iſt ein „Lied für die Nationalgarde“ erſchienen. Au- ßerdem erſchienen noch Gedichte und Aufrufe, von mehr oder minder Be- rufenen, doch alle wohlgemeint und wackerer Geſinnung entſtrömt. Wenn Einem dieſe Sachen vor die Augen kommen, fragt man ſich ob man noch in dem Wien lebe wo vor fünf Tagen ein Cenſor von den drei Worten: „der ermordete Wallenſtein,“ das eine — „ermordete“ — ſtrich und „der Wallenſtein“ ſtehen ließ. Für die Bürger, die am Montag den 13 März 1848 in Wien gefallen. Das ſchwarze Band, den ſchwarzen Flor Laßt in den Lüften wallen, Den Todten finget ein Klagelied Die für die Freiheit gefallen. Grabt auf der Freiung ein weites Grab, Dort mögen die Braven liegen — Und hinter den Särgen zieht Alle mit — Laßt ferner uns friedlich fiegen. Und wenn die Gruft die Todten birgt, Erheb ſich über dem Grabe — Ein Denkmal; daß an den Unglückstag Die Nachwelt ein Zeichen habe. Am Denkmal prange in leuchtender Schrift: „Dieß gilt den Bürgern, Allen — Die durch eines Einzigen unglücklich Wort Für die gute Sache gefallen.“ Friedrich Uhl. > Wien, 17 März Morgens 11 Uhr. Der geſtrige Tag ſchloß, wie er begonnen, mit unendlichem Jubel. Die Bataillone von Bewaffne- ten, theils Nationalgarden, theils Studenten, eingetheilt in vier große Legionen, theils Handwerker, Lehrburſchen und Volk aller Art, mehren ſich von Stunde zu Stunde, und Wien, wo alle Provinzen und alle Sprachſtämme Oeſterreichs ſo zahlreich vertreten ſind, hallt wieder von einem wahrhaft babyloniſchen Sprachgewirr. Am wildeſten aber iſt der Jubel und das Geſchrei der Ungarn, von denen immer neue Haufen aus Preßburg und Peſth eintreffen. Weniger lärmend treten die hier ſo zahl- reichen Böhmen auf, und ihr Slawa-Ruf dringt nicht durch; die Italie- ner, welche anfangs ſo brauſend waren, ſcheinen ſich in der maſſenhaften Entwicklung der übrigen Nationalitäten verloren zu haben. Dagegen tritt der deutſche Charakter immer ſchärfer, immer kräftiger hervor, ohne jedoch zu irgendeiner Reibung Veranlaſſung zu bieten. Verbrüderung aller Nationen auf dem Boden der Freiheit, und befeſtigt durch das ge- meinſame Band einer allgemein geliebten Herrſcherfamilie, iſt die Lo- ſung des Tages, und wird überall auf Fahnen und in Reden gepredigt. Dabei kommt oft vorzügliches Rednertalent zum Vorſchein. So hörte ich als Antwort auf meine kurze Anrede an die in der Nacht vom 16 an- gekommenen Stände und Juraten aus Preßburg eine ganz vorzügliche Rede des Hrn. Andorft, welcher, da ich Oeſterreichs neue Stellung in der Weltgeſchichte berührt hatte, mir die Anſichten eines Ungarn über Ungarns Stellung und Hoffnung, Vergangenheit und Zukunft, mit ebenſoviel Klarheit als Ruhe und tiefer Kenntniß entwickelte. Gegen 3 Uhr verſammelten ſich zahlreiche Haufen von Bewaffneten und zogen zum Hauſe des verhaßten Bürgermeiſter Czapka; man drang mit Ge- walt in ſein Zimmer, fand ihn aber nicht. Wenige Momente nachher las man ſeine Abdankung, und der Bürger Bergmüller iſt an ſeine Stelle getreten. Wo Czapka geblieben weiß man ebenſowenig als den Aufenthalt des noch verhaßteren Sedlnetzky. Ueber Fürſt Metternich kann ich Jhnen aus guter Quelle folgendes mittheilen. In der Nacht vom 13 auf den 14 flüchtete er aus ſeinem Palaſt über die damals ganz vom Mi- litär beſetzte Baſtei in den benachbarten Palaſt des Fürſten Liechtenſtein, wo er bis in der Frühe blieb, und dann mit ſeiner Frau, verkleidet, je- doch unter ſtarker Huſarenbedeckung durch das Kärnthnerthor abreiste; er kam am 14 Abends in dem fürſtl. Liechtenſtein’ſchen Schloß Felskirch an der Leitha an; ob er noch dort, iſt mir zu Zeit noch nicht bekannt; daß aber auch dort ſein Leben nicht ſicher, ſcheint gewiß. Abends 8 Uhr. Ein ungeheurer Zug von Bewaffneten, in mehr als 200 gro- ßen Abtheilungen, der Männergeſangverein mit Fackeln an der Spitze, durchzieht von der Univerſität aus die Stadt. Die Beleuchtung iſt noch glänzender als geſtern; zahlreiche Inſchriften, künſtliche Illuminationen, Büſten und Bilder des Kaiſers Ferdinand, ſymboliſche Darſtellung der Völkerfreiheit, der Preßfreiheit ꝛc. werden von den zahlreichen Maſſen mit Jubel begrüßt. Bei allem dem die größte Ordnung und Ruhe; ja eine Gemüthlichkeit in Wort und That, wie man ſie nur in Wien finden kann. Auf dem Joſephsplatz, vor der mit der Fahne der Freiheit ge- ſchmückten Statue des großen Kaiſers Joſeph, hält der Zug an und ſingt das öſterreichiſche Nationallied; keine Trommel rührt ſich bei der Linie, kein Geſchrei wird laut, denn es heißt: der Kaiſer ſey unwohl, weil zu *) Die Univerſität. Was kommt heran mit kühnem Gange? Die Waffe blinkt, die Fahne weht, Es naht mit hellem Trommelklange Die Univerſität. Die Stunde iſt des Lichts gekommen: Was wir erſehnt, umſonſt erſteht, Im jungen Herzen iſt’s entglommen Der Univerſität. Das freie Wort, das ſie gefangen Seit Joſeph arg verhöhnt, geſchmäht, Vorkämpfend ſprengte ſeine Spangen Die Univerſität. Zugleich erwacht’s mit Lerchenliedern, Horcht, wie es dithyrambiſch geht! Und wie die Herzen ſich erwiedern: Hoch die Univerſität! Und wendet ihr euch zu den bleichen Gefallen Freiheitsopfern, ſeht: Bezahlt hat mit den erſten Leichen Die Univerſität. Doch wird dereinſt die Nachwelt blättern, Im Buche der Geſchichte ſteht Die lichte That, mit goldnen Lettern: Die Univerſität. Während des Wachſtehens geſchrieben von Lud. Aug. Frankl.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 81, 21. März 1848, S. 1285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine81_1848/5>, abgerufen am 23.11.2024.