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Allgemeine Zeitung, Nr. 81, 21. März 1848.

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[Spaltenumbruch] während dieß erst am 2 d. M. geschah. Der Vorort aber hat seine
Pflichten gröblich verletzt, indem er nicht nur die geforderte Bundes-
hülfe nicht leistete, sondern mit der durch Freischärler Hülfe eingesetz-
ten Regierung unter dem lächerlichen Vorwand in Verkehr trat, das
Verhältniß Neuenburgs zum König von Preußen gehe ihn nichts an;
und doch hat die Eidgenossenschaft die Verfassung Neuenburgs als
Fürstenthum ausdrücklich garantirt. Hat der Vorort das vergessen?
Die Gesandten der östlichen Schweiz in der Bundesrevisionscommission
wollen von der Anerkennung der neuen Regierung nichts wissen bis der
König von Preußen seine Zustimmung gegeben, und sie bedauern als ehrliche
Schweizer die Revolution, weil diese ein gütliches Abkommen, für
welches jetzt man vielleicht hätte hoffen können, fast unmöglich macht. Ich
glaube kaum daß der König nachgeben werde; es ist das freilich
schlimm, und Neuenburg für die Krone Preußen von gar keinem
Werth, so daß v. Pfuel vollkommen Recht zu dem Rathe hatte es ganz auf-
zugeben; allein mir scheint der Fürst von Neuenburg kann sich selbst
so nicht aufgeben; er muß wenigstens den Getreuen Schutz gewähren,
aber wie? Fürs erste ist nur Bestätigung der eingelegten Protestation
zu erwarten, mit Vorbehalt auf künftige Abrechnung. Man hatte um
die treuen Gemeinden zu entmuthigen, ausgebreitet: die alte Regie-
rung habe selbst abgedankt; dieß ist aber so sehr falsch daß ihre Mit-
glieder noch gefangen gehalten werden um sie zur Abdankung zu
nöthigen
.


Gestern waren
die Wahlen in Genf; sie werden die wichtige Entscheidung bringen:
ob J. Fazy? ob Dufour? Es scheint, letzterer, zu dem die Bourgeoisie
der Stadt hält, habe sich durch seinen Antrag auf Amnestie für die
kriegsgerichtlich verurtheilten Renitenten gegen den Sonderbundskriegs-
zug dem katholischen Theil genähert. Dieser Antrag ist zwar im gro-
ßen Nath gefallen, aber er hat doch für den Urheber bei den Katho-
liken eine günstige Stimmung gemacht. Siegt Dufour, was wir aber
nach den neuesten Kunden sehr bezweifeln, so provocirt Fazy Tumult;
ja, es kann noch ärgeres drohen; das freilich auch möglich ist, wenn
Fazy siegt. In Genf besteht bereits ein für Frankreich und Einver-
leibung wirkendes Comite; ich erwähnte früher schon daß Fazy die-
sem Treiben nicht fremd seyn soll. Er, der ehemalige Redacteur des
National, von Guizot vertrieben, in beständiger Verbindung mit der
republicanischen Partei in Frankreich, erbittert über die Tagsatzung
und die, besonders östliche Eidgenossenschaft, wäre wohl im Stande
die Stadt Genf mit Hülfe seiner Blousenmänner der großen Nation
zuzuführen. Man ist in Bern wirklich nicht ohne Besorgniß. Denn
auch im Vernischen Juraregen sich fort und fort französische Sympathien
und ihnen gilt die Besetzung der Gränze ebenso wie den Juden aus
dem Sundgau. -- Lassen Sie mich noch auf einen Meisterstreich auf-
merksam machen. Die neue unter dem Schutz der Bajonette dem Kan-
ton Freiburg gegebene Verfassung enthält unter andern auch die An-
erkennung der Souveränetät des Volks; man wagt es aber nicht für
dieselbe die Sanction des Souveräns einzuholen; darum hat der große
Rath die Verfassung ipso facto in Kraft gesetzt, und somit ist jene
Souvernänetät auf 9 Jahre lang consiscirt! Die aufgehobene Ver-
fassung, welche wie alle übrigen Schweizer Verfassungen, durch Abstim-
mung des gesammten Volks zum Gesetz erhoben worden war, war
durchaus demokratisch; in obigem liegt also als Folge des Sonder-
bundkrieges ein entschiedener Fortschritt im antidemokratischen Sinn.
Aber auf welchem Wege? Nur die Lage des Kantons zwischen Bern
und Waadt, welche auf den ersten Hülferuf der neuen freisinnigen
Regierung neuerdings ihre Bajonette geliehen haben würden, erklärt
das sonst unerhörte Wagniß. Und welches Verhalten im Vorort?
Hier gegen Freiburg, wo die althergebrachten Rechte des Volks durch
eine geschützte aufgedrungene Partei consiscirt worden -- dort gegen
Neuenburg, wo die angebliche, Volksrechte reclamirende Partei gegen
die garantirte Obrigkeit, der man Bundesschutz schuldig ist, (ich will
nur sagen moralische) Unterstützung erhielt? Was sagen die Ver-
träge von 1815?


Die gewaltsame Auflösung des Unterha-
nenverbandes zwischen Neuenburg und dem König von Preußen wird
Verwicklungen mancherlei Art zur Folge haben. Es ist darum wichtig
alle bedeutenderen Thatsachen die auf diesen Gegenstand Bezug haben
zu sammeln. Da Hr. v. Sydow seine an die vorörtlichen Commissarien
eingegebene Protestation durch deutsche Blätter veröffentlicht hat, so
theile ich Ihnen nachstehenden, von Neuenburg unterm 3 März datirten
[Spaltenumbruch] Brief eines der HH. Commissäre in Auszug mit, der als Commentar
zu dem Schreiben des Hrn. v. Sydow manche interessante Aufschlüsse
gibt. Er heißt: "Wir hatten noch nicht ausgepackt, so erhielten wir
von Sr. Excellenz Hrn. v. Sydow eine schriftliche Mittheilung der eine
halbe Stunde früher stattgefundenen Verhaftung des Staatsraths, in
welchem er von uns vor allem verlangte "daß wir die unverzügliche
Freilassung desselben veranlassen, und ihn davon daß es geschehen sey
bald möglichst unterrichten wollen." In dieser Zuschrift behauptet er
es sey dieß alles das Werk "einer bewaffneten, größtentheils aus An-
gehörigen der Nachbarkantone bestehenden Faction, welche, den Frei-
schaarengesetzen zuwider, sich eingefunden habe." Wir erwiederten ihm
hierauf, wir hätten vom hohen Vorort keine andere Vollmacht als an-
zuhören und Bericht zu erstatten. Nichtsdestoweniger erachten wir es
in unserer Pflicht nach Kräften dahin zu wirken daß die momentan ge-
störte Ruhe und Ordnung sofort hergestellt und alle Rücksichten der
Humanität gegen jedermann beobachtet werden. Wir werden uns dem-
nach auch für die Verhafteten in diesem Sinne verwenden, insoweit es
geschehen könne, ohne den Souveränetätsrechten des hohen Standes
Neuenburg zu nahe zu treten. Dieses befriedigte jedoch Hrn. v.
Sydow nicht; er verlangte noch Abends spät eine mündliche Unter-
redung, die ihm auch gewährt wurde, und in welcher er sich besonders
darauf berief wir seyen vom gefangenen Staatsrath ersucht worden
hieher zu kommen; derselbe sey rechtlich noch so lange Regierung als
der König ihn seines Eides nicht entlassen habe, und zwar dieses ver-
möge der von der Eidgenossenschaft garantirten Verfassung; endlich
seyen es vorzüglich Kantonsfremde welche den Gewaltact ausgeübt
haben. Wir konnten jedoch von unserer schriftlichen Erklärung nicht
abgehen: der Kanton Neuenburg bilde allerdings in intellectueller Be-
ziehung einen von der Schweiz unzertrennbaren Bestandtheil; als sol-
cher sey er auch als souveräner Kanton und nicht als Fürstenthum in den
Bund aufgenommen worden. Jedem Kanton stehe überdieß das freie
Constitutuirungsrecht zu, und die Eidgenossenschaft habe sich nicht darum
zu bekümmern ob es einem Kanton gefalle die Ausübung seiner Sou-
veränetätsrechte einem großen oder einem kleinen Rath, einer Corpo-
ration oder auch einem einzigen Jndividuum zu übertragen, so lange
dadurch die Existenz, Integrität und Sicherheit der Eidgenossenschaft
nicht gefährdet werde. Innerhalb diesem Kreise müsse sich daher auch
die Wirksamkeit der vorörtlichen Commissarien bewegen. Hr. v. Sydow
schien diese Stellung umsomehr zu begreifen als der Act seines Königs,
durch welchen derselbe den Kanton Neuenburg als neutral und unver-
letzlich erklärt hatte, noch in frischer Erinnerung lag. Er bat daher end-
lich, nicht mehr als preußischer Gesandter sondern als Hr. v. Sydow,
und verließ uns sichtbar tief bewegt. Heute Morgen, ehe und bevor
wir bei der provisorischen Regierung hätten Schritte thun können, er-
hielten wir von Hrn. v. Sydow eine schriftliche Erklärung daß, da die
Gewaltacte fortdauern, er Neuenbnrg bis auf weiteres verlasse, und
er erneuerte auf das feierlichste die dem hohen Vorort im Namen des
Königs eingegebene Erklärung. Auch verließ er wirklich Vormittags
10 Uhr die Stadt. In Betrachtung daß der Staatsrath sich thatsäch-
lich schon vor dem Einzug der Truppen von Chaurdefonds der Regie-
rungsgewalt begeben hat, daß die Eidgenossenschaft den Kantonen von
jeher das freie Constituirungsrecht zugestanden, und daß endlich die
provisorische Regierung von weit aus der Mehrzahl der Gemeinden des
Kantons anerkannt worden ist, und sie die öffentliche Gewalt ohne Wi-
derstand überall ausübt, ließen wir der provisorischen Regierung schon
am ersten Abend den Wunfch eröffnen daß wir mit ihr in öffentlichem
Verkehr zu treten wünschen, worauf sie uns heute Vormittags 10 Uhr,
gerade als wir die neuen Creditive des Vororts erhielten, einen offi-
ciellen Besuch abstattete, den wir Mittags erwiederten. Was den vor-
geblichen Zuzug von Kartonsfremden betrifft, so haben wir darüber
bereits genaue Erkundigung eingezogen; allerdings sind etwa 200 bis
bis 250 Mann aus andern Kantonen den Patrioten von Chaurdefonds
zugezogen. Davon sind aber bei weitem die größte Zahl neuenburgische
Angehörige, worunter viele der in den Jahren 1832, 1840, 1841 und
1848, und selbst viele Enkel der im Jahr 1739 proscribirten Neuen-
burger sich befanden. Unter den wirklichen Kantonsfremden waren
wieder sehr viele die sich einst im Kanton Neuenburg niedergelassen,
da ihre zweite Heimath gefunden hatten und, weil sie einmal die
Schweiz hochleben ließen, ausgewiesen worden waren. Endlich mag
der Umstand daß viele und große Familien, wie die Girard, Nicolet
und andere, welche zum Theil im Kanton Bern wohnen, gleichzeitig

[Spaltenumbruch] während dieß erſt am 2 d. M. geſchah. Der Vorort aber hat ſeine
Pflichten gröblich verletzt, indem er nicht nur die geforderte Bundes-
hülfe nicht leiſtete, ſondern mit der durch Freiſchärler Hülfe eingeſetz-
ten Regierung unter dem lächerlichen Vorwand in Verkehr trat, das
Verhältniß Neuenburgs zum König von Preußen gehe ihn nichts an;
und doch hat die Eidgenoſſenſchaft die Verfaſſung Neuenburgs als
Fürſtenthum ausdrücklich garantirt. Hat der Vorort das vergeſſen?
Die Geſandten der öſtlichen Schweiz in der Bundesreviſionscommiſſion
wollen von der Anerkennung der neuen Regierung nichts wiſſen bis der
König von Preußen ſeine Zuſtimmung gegeben, und ſie bedauern als ehrliche
Schweizer die Revolution, weil dieſe ein gütliches Abkommen, für
welches jetzt man vielleicht hätte hoffen können, faſt unmöglich macht. Ich
glaube kaum daß der König nachgeben werde; es iſt das freilich
ſchlimm, und Neuenburg für die Krone Preußen von gar keinem
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zugeben; allein mir ſcheint der Fürſt von Neuenburg kann ſich ſelbſt
ſo nicht aufgeben; er muß wenigſtens den Getreuen Schutz gewähren,
aber wie? Fürs erſte iſt nur Beſtätigung der eingelegten Proteſtation
zu erwarten, mit Vorbehalt auf künftige Abrechnung. Man hatte um
die treuen Gemeinden zu entmuthigen, ausgebreitet: die alte Regie-
rung habe ſelbſt abgedankt; dieß iſt aber ſo ſehr falſch daß ihre Mit-
glieder noch gefangen gehalten werden um ſie zur Abdankung zu
nöthigen
.


Geſtern waren
die Wahlen in Genf; ſie werden die wichtige Entſcheidung bringen:
ob J. Fazy? ob Dufour? Es ſcheint, letzterer, zu dem die Bourgeoiſie
der Stadt hält, habe ſich durch ſeinen Antrag auf Amneſtie für die
kriegsgerichtlich verurtheilten Renitenten gegen den Sonderbundskriegs-
zug dem katholiſchen Theil genähert. Dieſer Antrag iſt zwar im gro-
ßen Nath gefallen, aber er hat doch für den Urheber bei den Katho-
liken eine günſtige Stimmung gemacht. Siegt Dufour, was wir aber
nach den neueſten Kunden ſehr bezweifeln, ſo provocirt Fazy Tumult;
ja, es kann noch ärgeres drohen; das freilich auch möglich iſt, wenn
Fazy ſiegt. In Genf beſteht bereits ein für Frankreich und Einver-
leibung wirkendes Comité; ich erwähnte früher ſchon daß Fazy die-
ſem Treiben nicht fremd ſeyn ſoll. Er, der ehemalige Redacteur des
National, von Guizot vertrieben, in beſtändiger Verbindung mit der
republicaniſchen Partei in Frankreich, erbittert über die Tagſatzung
und die, beſonders öſtliche Eidgenoſſenſchaft, wäre wohl im Stande
die Stadt Genf mit Hülfe ſeiner Blouſenmänner der großen Nation
zuzuführen. Man iſt in Bern wirklich nicht ohne Beſorgniß. Denn
auch im Verniſchen Juraregen ſich fort und fort franzöſiſche Sympathien
und ihnen gilt die Beſetzung der Gränze ebenſo wie den Juden aus
dem Sundgau. — Laſſen Sie mich noch auf einen Meiſterſtreich auf-
merkſam machen. Die neue unter dem Schutz der Bajonette dem Kan-
ton Freiburg gegebene Verfaſſung enthält unter andern auch die An-
erkennung der Souveränetät des Volks; man wagt es aber nicht für
dieſelbe die Sanction des Souveräns einzuholen; darum hat der große
Rath die Verfaſſung ipso facto in Kraft geſetzt, und ſomit iſt jene
Souvernänetät auf 9 Jahre lang conſiscirt! Die aufgehobene Ver-
faſſung, welche wie alle übrigen Schweizer Verfaſſungen, durch Abſtim-
mung des geſammten Volks zum Geſetz erhoben worden war, war
durchaus demokratiſch; in obigem liegt alſo als Folge des Sonder-
bundkrieges ein entſchiedener Fortſchritt im antidemokratiſchen Sinn.
Aber auf welchem Wege? Nur die Lage des Kantons zwiſchen Bern
und Waadt, welche auf den erſten Hülferuf der neuen freiſinnigen
Regierung neuerdings ihre Bajonette geliehen haben würden, erklärt
das ſonſt unerhörte Wagniß. Und welches Verhalten im Vorort?
Hier gegen Freiburg, wo die althergebrachten Rechte des Volks durch
eine geſchützte aufgedrungene Partei conſiscirt worden — dort gegen
Neuenburg, wo die angebliche, Volksrechte reclamirende Partei gegen
die garantirte Obrigkeit, der man Bundesſchutz ſchuldig iſt, (ich will
nur ſagen moraliſche) Unterſtützung erhielt? Was ſagen die Ver-
träge von 1815?


Die gewaltſame Auflöſung des Unterha-
nenverbandes zwiſchen Neuenburg und dem König von Preußen wird
Verwicklungen mancherlei Art zur Folge haben. Es iſt darum wichtig
alle bedeutenderen Thatſachen die auf dieſen Gegenſtand Bezug haben
zu ſammeln. Da Hr. v. Sydow ſeine an die vorörtlichen Commiſſarien
eingegebene Proteſtation durch deutſche Blätter veröffentlicht hat, ſo
theile ich Ihnen nachſtehenden, von Neuenburg unterm 3 März datirten
[Spaltenumbruch] Brief eines der HH. Commiſſäre in Auszug mit, der als Commentar
zu dem Schreiben des Hrn. v. Sydow manche intereſſante Aufſchlüſſe
gibt. Er heißt: „Wir hatten noch nicht ausgepackt, ſo erhielten wir
von Sr. Excellenz Hrn. v. Sydow eine ſchriftliche Mittheilung der eine
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welchem er von uns vor allem verlangte „daß wir die unverzügliche
Freilaſſung desſelben veranlaſſen, und ihn davon daß es geſchehen ſey
bald möglichſt unterrichten wollen.“ In dieſer Zuſchrift behauptet er
es ſey dieß alles das Werk „einer bewaffneten, größtentheils aus An-
gehörigen der Nachbarkantone beſtehenden Faction, welche, den Frei-
ſchaarengeſetzen zuwider, ſich eingefunden habe.“ Wir erwiederten ihm
hierauf, wir hätten vom hohen Vorort keine andere Vollmacht als an-
zuhören und Bericht zu erſtatten. Nichtsdeſtoweniger erachten wir es
in unſerer Pflicht nach Kräften dahin zu wirken daß die momentan ge-
ſtörte Ruhe und Ordnung ſofort hergeſtellt und alle Rückſichten der
Humanität gegen jedermann beobachtet werden. Wir werden uns dem-
nach auch für die Verhafteten in dieſem Sinne verwenden, inſoweit es
geſchehen könne, ohne den Souveränetätsrechten des hohen Standes
Neuenburg zu nahe zu treten. Dieſes befriedigte jedoch Hrn. v.
Sydow nicht; er verlangte noch Abends ſpät eine mündliche Unter-
redung, die ihm auch gewährt wurde, und in welcher er ſich beſonders
darauf berief wir ſeyen vom gefangenen Staatsrath erſucht worden
hieher zu kommen; derſelbe ſey rechtlich noch ſo lange Regierung als
der König ihn ſeines Eides nicht entlaſſen habe, und zwar dieſes ver-
möge der von der Eidgenoſſenſchaft garantirten Verfaſſung; endlich
ſeyen es vorzüglich Kantonsfremde welche den Gewaltact ausgeübt
haben. Wir konnten jedoch von unſerer ſchriftlichen Erklärung nicht
abgehen: der Kanton Neuenburg bilde allerdings in intellectueller Be-
ziehung einen von der Schweiz unzertrennbaren Beſtandtheil; als ſol-
cher ſey er auch als ſouveräner Kanton und nicht als Fürſtenthum in den
Bund aufgenommen worden. Jedem Kanton ſtehe überdieß das freie
Conſtitutuirungsrecht zu, und die Eidgenoſſenſchaft habe ſich nicht darum
zu bekümmern ob es einem Kanton gefalle die Ausübung ſeiner Sou-
veränetätsrechte einem großen oder einem kleinen Rath, einer Corpo-
ration oder auch einem einzigen Jndividuum zu übertragen, ſo lange
dadurch die Exiſtenz, Integrität und Sicherheit der Eidgenoſſenſchaft
nicht gefährdet werde. Innerhalb dieſem Kreiſe müſſe ſich daher auch
die Wirkſamkeit der vorörtlichen Commiſſarien bewegen. Hr. v. Sydow
ſchien dieſe Stellung umſomehr zu begreifen als der Act ſeines Königs,
durch welchen derſelbe den Kanton Neuenburg als neutral und unver-
letzlich erklärt hatte, noch in friſcher Erinnerung lag. Er bat daher end-
lich, nicht mehr als preußiſcher Geſandter ſondern als Hr. v. Sydow,
und verließ uns ſichtbar tief bewegt. Heute Morgen, ehe und bevor
wir bei der proviſoriſchen Regierung hätten Schritte thun können, er-
hielten wir von Hrn. v. Sydow eine ſchriftliche Erklärung daß, da die
Gewaltacte fortdauern, er Neuenbnrg bis auf weiteres verlaſſe, und
er erneuerte auf das feierlichſte die dem hohen Vorort im Namen des
Königs eingegebene Erklärung. Auch verließ er wirklich Vormittags
10 Uhr die Stadt. In Betrachtung daß der Staatsrath ſich thatſäch-
lich ſchon vor dem Einzug der Truppen von Chaurdefonds der Regie-
rungsgewalt begeben hat, daß die Eidgenoſſenſchaft den Kantonen von
jeher das freie Conſtituirungsrecht zugeſtanden, und daß endlich die
proviſoriſche Regierung von weit aus der Mehrzahl der Gemeinden des
Kantons anerkannt worden iſt, und ſie die öffentliche Gewalt ohne Wi-
derſtand überall ausübt, ließen wir der proviſoriſchen Regierung ſchon
am erſten Abend den Wunfch eröffnen daß wir mit ihr in öffentlichem
Verkehr zu treten wünſchen, worauf ſie uns heute Vormittags 10 Uhr,
gerade als wir die neuen Creditive des Vororts erhielten, einen offi-
ciellen Beſuch abſtattete, den wir Mittags erwiederten. Was den vor-
geblichen Zuzug von Kartonsfremden betrifft, ſo haben wir darüber
bereits genaue Erkundigung eingezogen; allerdings ſind etwa 200 bis
bis 250 Mann aus andern Kantonen den Patrioten von Chaurdefonds
zugezogen. Davon ſind aber bei weitem die größte Zahl neuenburgiſche
Angehörige, worunter viele der in den Jahren 1832, 1840, 1841 und
1848, und ſelbſt viele Enkel der im Jahr 1739 proſcribirten Neuen-
burger ſich befanden. Unter den wirklichen Kantonsfremden waren
wieder ſehr viele die ſich einſt im Kanton Neuenburg niedergelaſſen,
da ihre zweite Heimath gefunden hatten und, weil ſie einmal die
Schweiz hochleben ließen, ausgewieſen worden waren. Endlich mag
der Umſtand daß viele und große Familien, wie die Girard, Nicolet
und andere, welche zum Theil im Kanton Bern wohnen, gleichzeitig

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[0012] während dieß erſt am 2 d. M. geſchah. Der Vorort aber hat ſeine Pflichten gröblich verletzt, indem er nicht nur die geforderte Bundes- hülfe nicht leiſtete, ſondern mit der durch Freiſchärler Hülfe eingeſetz- ten Regierung unter dem lächerlichen Vorwand in Verkehr trat, das Verhältniß Neuenburgs zum König von Preußen gehe ihn nichts an; und doch hat die Eidgenoſſenſchaft die Verfaſſung Neuenburgs als Fürſtenthum ausdrücklich garantirt. Hat der Vorort das vergeſſen? Die Geſandten der öſtlichen Schweiz in der Bundesreviſionscommiſſion wollen von der Anerkennung der neuen Regierung nichts wiſſen bis der König von Preußen ſeine Zuſtimmung gegeben, und ſie bedauern als ehrliche Schweizer die Revolution, weil dieſe ein gütliches Abkommen, für welches jetzt man vielleicht hätte hoffen können, faſt unmöglich macht. Ich glaube kaum daß der König nachgeben werde; es iſt das freilich ſchlimm, und Neuenburg für die Krone Preußen von gar keinem Werth, ſo daß v. Pfuel vollkommen Recht zu dem Rathe hatte es ganz auf- zugeben; allein mir ſcheint der Fürſt von Neuenburg kann ſich ſelbſt ſo nicht aufgeben; er muß wenigſtens den Getreuen Schutz gewähren, aber wie? Fürs erſte iſt nur Beſtätigung der eingelegten Proteſtation zu erwarten, mit Vorbehalt auf künftige Abrechnung. Man hatte um die treuen Gemeinden zu entmuthigen, ausgebreitet: die alte Regie- rung habe ſelbſt abgedankt; dieß iſt aber ſo ſehr falſch daß ihre Mit- glieder noch gefangen gehalten werden um ſie zur Abdankung zu nöthigen. * Von der Schweizer Gränze, 12 März. Geſtern waren die Wahlen in Genf; ſie werden die wichtige Entſcheidung bringen: ob J. Fazy? ob Dufour? Es ſcheint, letzterer, zu dem die Bourgeoiſie der Stadt hält, habe ſich durch ſeinen Antrag auf Amneſtie für die kriegsgerichtlich verurtheilten Renitenten gegen den Sonderbundskriegs- zug dem katholiſchen Theil genähert. Dieſer Antrag iſt zwar im gro- ßen Nath gefallen, aber er hat doch für den Urheber bei den Katho- liken eine günſtige Stimmung gemacht. Siegt Dufour, was wir aber nach den neueſten Kunden ſehr bezweifeln, ſo provocirt Fazy Tumult; ja, es kann noch ärgeres drohen; das freilich auch möglich iſt, wenn Fazy ſiegt. In Genf beſteht bereits ein für Frankreich und Einver- leibung wirkendes Comité; ich erwähnte früher ſchon daß Fazy die- ſem Treiben nicht fremd ſeyn ſoll. Er, der ehemalige Redacteur des National, von Guizot vertrieben, in beſtändiger Verbindung mit der republicaniſchen Partei in Frankreich, erbittert über die Tagſatzung und die, beſonders öſtliche Eidgenoſſenſchaft, wäre wohl im Stande die Stadt Genf mit Hülfe ſeiner Blouſenmänner der großen Nation zuzuführen. Man iſt in Bern wirklich nicht ohne Beſorgniß. Denn auch im Verniſchen Juraregen ſich fort und fort franzöſiſche Sympathien und ihnen gilt die Beſetzung der Gränze ebenſo wie den Juden aus dem Sundgau. — Laſſen Sie mich noch auf einen Meiſterſtreich auf- merkſam machen. Die neue unter dem Schutz der Bajonette dem Kan- ton Freiburg gegebene Verfaſſung enthält unter andern auch die An- erkennung der Souveränetät des Volks; man wagt es aber nicht für dieſelbe die Sanction des Souveräns einzuholen; darum hat der große Rath die Verfaſſung ipso facto in Kraft geſetzt, und ſomit iſt jene Souvernänetät auf 9 Jahre lang conſiscirt! Die aufgehobene Ver- faſſung, welche wie alle übrigen Schweizer Verfaſſungen, durch Abſtim- mung des geſammten Volks zum Geſetz erhoben worden war, war durchaus demokratiſch; in obigem liegt alſo als Folge des Sonder- bundkrieges ein entſchiedener Fortſchritt im antidemokratiſchen Sinn. Aber auf welchem Wege? Nur die Lage des Kantons zwiſchen Bern und Waadt, welche auf den erſten Hülferuf der neuen freiſinnigen Regierung neuerdings ihre Bajonette geliehen haben würden, erklärt das ſonſt unerhörte Wagniß. Und welches Verhalten im Vorort? Hier gegen Freiburg, wo die althergebrachten Rechte des Volks durch eine geſchützte aufgedrungene Partei conſiscirt worden — dort gegen Neuenburg, wo die angebliche, Volksrechte reclamirende Partei gegen die garantirte Obrigkeit, der man Bundesſchutz ſchuldig iſt, (ich will nur ſagen moraliſche) Unterſtützung erhielt? Was ſagen die Ver- träge von 1815? △ Bern, 16 März. Die gewaltſame Auflöſung des Unterha- nenverbandes zwiſchen Neuenburg und dem König von Preußen wird Verwicklungen mancherlei Art zur Folge haben. Es iſt darum wichtig alle bedeutenderen Thatſachen die auf dieſen Gegenſtand Bezug haben zu ſammeln. Da Hr. v. Sydow ſeine an die vorörtlichen Commiſſarien eingegebene Proteſtation durch deutſche Blätter veröffentlicht hat, ſo theile ich Ihnen nachſtehenden, von Neuenburg unterm 3 März datirten Brief eines der HH. Commiſſäre in Auszug mit, der als Commentar zu dem Schreiben des Hrn. v. Sydow manche intereſſante Aufſchlüſſe gibt. Er heißt: „Wir hatten noch nicht ausgepackt, ſo erhielten wir von Sr. Excellenz Hrn. v. Sydow eine ſchriftliche Mittheilung der eine halbe Stunde früher ſtattgefundenen Verhaftung des Staatsraths, in welchem er von uns vor allem verlangte „daß wir die unverzügliche Freilaſſung desſelben veranlaſſen, und ihn davon daß es geſchehen ſey bald möglichſt unterrichten wollen.“ In dieſer Zuſchrift behauptet er es ſey dieß alles das Werk „einer bewaffneten, größtentheils aus An- gehörigen der Nachbarkantone beſtehenden Faction, welche, den Frei- ſchaarengeſetzen zuwider, ſich eingefunden habe.“ Wir erwiederten ihm hierauf, wir hätten vom hohen Vorort keine andere Vollmacht als an- zuhören und Bericht zu erſtatten. Nichtsdeſtoweniger erachten wir es in unſerer Pflicht nach Kräften dahin zu wirken daß die momentan ge- ſtörte Ruhe und Ordnung ſofort hergeſtellt und alle Rückſichten der Humanität gegen jedermann beobachtet werden. Wir werden uns dem- nach auch für die Verhafteten in dieſem Sinne verwenden, inſoweit es geſchehen könne, ohne den Souveränetätsrechten des hohen Standes Neuenburg zu nahe zu treten. Dieſes befriedigte jedoch Hrn. v. Sydow nicht; er verlangte noch Abends ſpät eine mündliche Unter- redung, die ihm auch gewährt wurde, und in welcher er ſich beſonders darauf berief wir ſeyen vom gefangenen Staatsrath erſucht worden hieher zu kommen; derſelbe ſey rechtlich noch ſo lange Regierung als der König ihn ſeines Eides nicht entlaſſen habe, und zwar dieſes ver- möge der von der Eidgenoſſenſchaft garantirten Verfaſſung; endlich ſeyen es vorzüglich Kantonsfremde welche den Gewaltact ausgeübt haben. Wir konnten jedoch von unſerer ſchriftlichen Erklärung nicht abgehen: der Kanton Neuenburg bilde allerdings in intellectueller Be- ziehung einen von der Schweiz unzertrennbaren Beſtandtheil; als ſol- cher ſey er auch als ſouveräner Kanton und nicht als Fürſtenthum in den Bund aufgenommen worden. Jedem Kanton ſtehe überdieß das freie Conſtitutuirungsrecht zu, und die Eidgenoſſenſchaft habe ſich nicht darum zu bekümmern ob es einem Kanton gefalle die Ausübung ſeiner Sou- veränetätsrechte einem großen oder einem kleinen Rath, einer Corpo- ration oder auch einem einzigen Jndividuum zu übertragen, ſo lange dadurch die Exiſtenz, Integrität und Sicherheit der Eidgenoſſenſchaft nicht gefährdet werde. Innerhalb dieſem Kreiſe müſſe ſich daher auch die Wirkſamkeit der vorörtlichen Commiſſarien bewegen. Hr. v. Sydow ſchien dieſe Stellung umſomehr zu begreifen als der Act ſeines Königs, durch welchen derſelbe den Kanton Neuenburg als neutral und unver- letzlich erklärt hatte, noch in friſcher Erinnerung lag. Er bat daher end- lich, nicht mehr als preußiſcher Geſandter ſondern als Hr. v. Sydow, und verließ uns ſichtbar tief bewegt. Heute Morgen, ehe und bevor wir bei der proviſoriſchen Regierung hätten Schritte thun können, er- hielten wir von Hrn. v. Sydow eine ſchriftliche Erklärung daß, da die Gewaltacte fortdauern, er Neuenbnrg bis auf weiteres verlaſſe, und er erneuerte auf das feierlichſte die dem hohen Vorort im Namen des Königs eingegebene Erklärung. Auch verließ er wirklich Vormittags 10 Uhr die Stadt. In Betrachtung daß der Staatsrath ſich thatſäch- lich ſchon vor dem Einzug der Truppen von Chaurdefonds der Regie- rungsgewalt begeben hat, daß die Eidgenoſſenſchaft den Kantonen von jeher das freie Conſtituirungsrecht zugeſtanden, und daß endlich die proviſoriſche Regierung von weit aus der Mehrzahl der Gemeinden des Kantons anerkannt worden iſt, und ſie die öffentliche Gewalt ohne Wi- derſtand überall ausübt, ließen wir der proviſoriſchen Regierung ſchon am erſten Abend den Wunfch eröffnen daß wir mit ihr in öffentlichem Verkehr zu treten wünſchen, worauf ſie uns heute Vormittags 10 Uhr, gerade als wir die neuen Creditive des Vororts erhielten, einen offi- ciellen Beſuch abſtattete, den wir Mittags erwiederten. Was den vor- geblichen Zuzug von Kartonsfremden betrifft, ſo haben wir darüber bereits genaue Erkundigung eingezogen; allerdings ſind etwa 200 bis bis 250 Mann aus andern Kantonen den Patrioten von Chaurdefonds zugezogen. Davon ſind aber bei weitem die größte Zahl neuenburgiſche Angehörige, worunter viele der in den Jahren 1832, 1840, 1841 und 1848, und ſelbſt viele Enkel der im Jahr 1739 proſcribirten Neuen- burger ſich befanden. Unter den wirklichen Kantonsfremden waren wieder ſehr viele die ſich einſt im Kanton Neuenburg niedergelaſſen, da ihre zweite Heimath gefunden hatten und, weil ſie einmal die Schweiz hochleben ließen, ausgewieſen worden waren. Endlich mag der Umſtand daß viele und große Familien, wie die Girard, Nicolet und andere, welche zum Theil im Kanton Bern wohnen, gleichzeitig

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 81, 21. März 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine81_1848/12>, abgerufen am 06.06.2024.