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Allgemeine Zeitung, Nr. 80, 20. März 1848.

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[Spaltenumbruch] nochmals zu danken: Manche Stadttheile beleuchteten als der Zug
durch sie kam. Heute früh war die Verkündigung der Constitution
gedruckt an allen Ecken und in den Zeitungen zu lesen, ebenso daß
Metternich abgedankt habe. Der Jubel ist unermeßlich, noch nie bot
Prag ein so bewegtes festliches Ansehen. Von jedem Antlitz strahlt
die reinste Seelenfreude. Ueberall steht man weißrothe Kokarden, an
den Armen der Ausschüsse der studirenden Jugend, deren Entzücken
unnennbar ist, überdieß weiße Kreuze. Vom gestrigen Tage an hat
unser großes Reich die neue ruhmvolle glänzende Bahn des Fortschrittes
angetreten, von gestern datirt ein öffentliches Leben. Das Theater
feiert die Constitution durch eine festliche Beleuchtung; Abends wird eine
glänzende Illumination erwartet. Noch muß ich erwähnen daß gestern
das gesammte Gubernium, heute die ganze studirende Jugend die Bür-
gerpetition unterschrieben hat. Karl Egon Ebert fordert alle Schrift-
steller und Buchhändler zu einer Versammlung auf, die darüber berath-
schlagen soll wie man mit Nachdruck den etwaigen Mißbräuchen der
Presse begegnen könne, damit wir uns der neuen Freiheit würdig zeigen.
Gerade jetzt erfahre ich daß unserm berühmten Slawisten P. J. Scha-
farik von Wien aus die Professur der slawischen Sprachen und Littera-
turen angetragen wurde.


Der heutige Tag, wel-
cher so schön begonnen, ist glorreich zu Ende gegangen, und wird mit
goldenen Buchstaben in den Annalen der Geschichte nicht Oesterreichs
allein, sondern der Menschheit verzeichnet werden. Die Ereignisse über-
stürzen sich mit einer ans Wunderbare gränzenden Geschwindigkeit, und
man kann es nicht mehr läugnen daß auch die Geschichte der Zeit, von den
Kräften früher schlummernder Intelligenz beflügelt, wie auf eisernem Ge-
leise betäubend schnell ihrer Entwicklung entgegeneilt. Die Eindrücke
der Resultate sind so mächtig, daß jeder in den Momenten der Ruhe sich
fragt ob es Traum sey oder Wahrheit, was er in den Stunden der Ver-
gangenheit erlebt, gesehen und gehört hat. So höre denn Europa,
hört es ihr Völker Deutschlands und ihr Nationen des Kaiserreichs, von
der Karpathen Fuß bis zum Adria und den beschneiten Gipfeln der Alpen,
von Böhmens Gebirgen bis durch Ungarns Ebenen und Siebenbürgens
Thälern, hört es und staunt und knieet nieder im Staube vor dem gro-
ßen Geiste der Weltgeschichte, dessen Hauch über Europa's civilisirte
Länder befruchtend weht. Kaiser Ferdinand, der Gute, hat heute am
15 März im Jahre des Heils 1848 allen seinen Völkern eine Constitu-
tion gegeben -- eine Constitution, basirt auf der breiten Grundlage
der Vertretung des Besitzes und der Intelligenz. Schon früh in der
Morgenstunde war die Residenz in freudigster Bewegung, harrend der
Dinge die da kommen sollten. Zahllose Haufen Bewaffneter -- Bür-
ger, neugebildete Nationalgarden, Handwerker und Studenten füllten
die Straßen. Gegen 40 bis 50,000 waren unter Waffen, und die freund-
liche Sonne schien einen frohen Tag des Glücks zu verkünden. Straßen-
anschläge -- von den Dichtern und Litteraten Wiens -- bewiesen prak-
tisch daß es keine Censur mehr gebe -- Reden, überall gehalten, zeigten
daß die Sprache des Herzens, daß das freie Wort seiner Fessel entbun-
den. Schon gegen 11 Uhr zogen die Deputationen von Ungarn --
Kossuth und Batthyanyi und andere Männer des Fortschritts an der
Spitze -- von jubelnden Juraten-Schaaren gefolgt -- im Triumph
durch die Leopoldstadt in Wien ein. Da erscheinen fast zur selben Zeit
Reiter zu Pferd und verkünden begeisternd die Proclamation der Con-
stitution. Von dem Balkon des juridisch-politischen Lesevereins wur-
de sie dem Volke und der Nationalgarde stundenlang verlesen, und der
Ruf "die Constitution" erscholl so furchtbar und dröhnend durch alle
Straßen der Stadt, daß ich mich an jenes historisch-bekannte Geschrei
des griechischen Volks bei Perikles' Siegen in Olympia erinnerte, wo die
Vögel betäubt aus den Lüsten gestürzt seyn sollen. Ich habe aufgehört
die Sage als Fabel zu betrachten. (Ich muß einen Augenblick unter-
brechen, denn in den Straßen tönt der Ruf "Brand, zu den Waffen, zu
den Waffen." Es war ein Irrthum: an fünfhundert Ungarn, von Preß-
burg mit dem Dampfschiff gekommen, zogen unter Fackelschein und
Eljenruf in die Leopoldstadt ein, und man hatte geglaubt es seyen
Bauernhaufen, welche die Vorstädte anzündeten, wie man solches viel-
fach befürchtet. Dieß ist nur eine kleine Episode des an ähnlichen Sce-
nen so reichen Tages.) Alle Colonnen der Bewaffneten, wie gesagt
40 bis 50,000, bewegen sich zur Burg, wo die Hauptmasse sich auf dem
Josephplatze aufstellte. Hunderte von improvisirten Fahnen mit den
mannichfaltigsten Inschriften: als Verbrüderung der Nationen -- Con-
stitution -- Freiheit, Recht und Wahrheit -- Ordnung und Sicherheit
[Spaltenumbruch] u. s. w. ziehen ihnen voran. Einige haben Musik, andere Militär-,
wieder andere Kindertrommeln, und bei einigen steht man 10jährige
Knaben mit und ohne Tact, aber alle mit Begeisterung dieselben schla-
gen. Bei Dunkelwerden der Nacht ist wiederum die ganze Stadt --
aber glänzender als je beleuchtet. Selbst der Stephan, der uralte, ist
illuminirt. Das Bild des Kaisers, von Fackeln und Musik begleitet,
von einigen tausend bewaffneten und berittenen Nationalgardisten und
Studenten gefolgt, wird unter unbeschreiblichem Jubel durch die Stra-
ßen getragen. Endlich erscheint der Kaiser selbst auf dem Balkon am
Josephplatze; das Volk brachte ihm ein nie enden wollendes Hurrah,
und er selbst ließ dann die Nation und Constitution hoch leben. Bei
dieser Gelegenheit überreichte ihm die Bürgerdeputation eine Dank-
adresse. (Wir lassen sie folgen.) So viel und so weit für heute. Was
doch die Berliner lange Gesichter machen werden! Darauf freut sich
hier alle Welt.

Die Dankadresse lautet:

"Hoch lebe unser constitutioneller Kai-
ser! Hoch, Hoch, Hoch! Zum Himmel dringe unser Jubel, und der All-
mächtige welcher die Schicksale der Völker lenket, vernehme unsere in-
nigsten Gebete daß er lange erhalte unseren gütigen Vater, daß er segne
die Regierung, getragen von der Liebe eines treuen Volkes, welches
Blut und Leben für seinen großherzigen Kaiser, für seine Freiheit ge-
ben und allen Stürmen der Zeit trotzen wird. Majestät! Wir Oester-
reicher werden beweisen daß wir der Freiheit würdig sind, werden es be-
weisen in dem festen Verbande mit allen unseren Brüdern welches Stam-
mes und welcher Sprache sie sind; wir werden es beweisen Angesichts von
Europa, welches nun an uns einen Fels erkennen wird, zeigen gegen jeden
Feind der, Intelligenz und Selbständigkeit. Ew. Majestät! wir ge-
treuen Bürger beugen unser Knie vor unserem im neuen Glanze thro-
nenden Kaiser Ferdinand!"


Gestern, kaum eine Viertelstunde nach
dem Postschluß, erfolgte die Bekanntmachung von dem Entschlusse Sr.
Maj. des Kaisers seinem Volk eine Constitution zu geben, und somit
die Lösung eines großen politischen Drama's, das die Hauptstadt der öster-
reichischen Monarchie durch drei ganze Tage in einer unbeschreiblichen
Aufregung und einer schrecklichen Ungewißheit des Ausgangs erhalten
hatte. Das kundgemachte Gesetz sagt ausdrücklich, es sey wegen Einbe-
rufung von Abgeordneten aller Provinzialstände und der beiden Central-
Congregationnen das Nöthige bereits verfügt, die Einberufung werde
mit verstärkter Vertretung des Bürgerstandes, und unter Berücksichti-
gung der bestehenden Provinzialverfassungen in der möglich kürzesten
Frist stattfinden, Zweck derselben sey die Erlassung der von Sr. Maj.
beschlossenen Constitution des Vaterlandes. Versprechen und An-
nahme, das erste von Seite des Monarchen, das andere von Seite der Be-
völkerung, erfolgte, wie es scheint, in einem von niemand bezweifelten
Sinne, in jenem nämlich einer Constitution in der strengen Bedeutung
des Wortes: mit beschließenden, nicht bloß berathenden allgemeinen
Ständen, da dieß das einzige Wesentliche ist wodurch sich das Gesetz vom
15 März von dem über denselben Gegenstand kundgemachten Gesetze vom
14 unterscheidet. Eine unbeschreibliche Begeisterung ergriff unmittelbar
nach der Bekanntmachung die in den Straßen der Stadt dicht gedräng-
ten Menschenmassen, welche wo möglich sich noch steigerte durch die An-
kunft einer zahlreichen ungarischen Deputation aus Preßburg die fast
zur selben Zeit eintrat, und durch die brüderlichen Zurufe und Begrü-
ßungen, mit denen sie empfangen wurde, den allgemeinen Jubel ver-
mehrte. Das Militär empfing die Nachricht der großen Veränderun-
gen, wie mir schien, mit ruhiger Befriedigung; mit Begeisterung, so-
weit sich deren Aeußerung mit militärischer Disciplin vertragen konnte,
scheint sie nur von den italienischen Grenadieren aufgenommen worden
zu seyn, welche anfänglich durch freudiges Lächeln und wechselseitige
freundliche Zuflüsterung ihre Theilnahme bezeugten, dann aber (es war
dieß in den Umgebungen und auf den Wällen des Kärthnerthors) als
die Vivatrufe, die das Volk dem geliebten Kaiser brachte, immer lauter
wurden, plötzlich aus voller Brust und in einer unverkennbaren Herzens-
ergießung in den Jubel und die begeisterten Rufe der Menge einstimm-
ten. Es waren dieß dieselben Grenadiere nach deren Decharge auf die
dichten, nur wenige Schritte entfernten Volksmassen auf dem hohen
Markt glücklicherweise auch nicht eine einzige Person die geringste Ver-
letzung erhielt. Sowie die Herolde die frohe Botschaft nach den ver-
schiedenen Theilen der Stadt brachten, rückte allmählich die bewaffnete
Volksmacht, unter unaufhörlichem Vivatrufen und dem kräftigen Eljen
der anwesenden Ungarn, gefolgt von einer unermeßlichen Volksmenge,
immer näher zusammen, und es bildete sich so in kurzer Zeit ein wahrer

[Spaltenumbruch] nochmals zu danken: Manche Stadttheile beleuchteten als der Zug
durch ſie kam. Heute früh war die Verkündigung der Conſtitution
gedruckt an allen Ecken und in den Zeitungen zu leſen, ebenſo daß
Metternich abgedankt habe. Der Jubel iſt unermeßlich, noch nie bot
Prag ein ſo bewegtes feſtliches Anſehen. Von jedem Antlitz ſtrahlt
die reinſte Seelenfreude. Ueberall ſteht man weißrothe Kokarden, an
den Armen der Ausſchüſſe der ſtudirenden Jugend, deren Entzücken
unnennbar iſt, überdieß weiße Kreuze. Vom geſtrigen Tage an hat
unſer großes Reich die neue ruhmvolle glänzende Bahn des Fortſchrittes
angetreten, von geſtern datirt ein öffentliches Leben. Das Theater
feiert die Conſtitution durch eine feſtliche Beleuchtung; Abends wird eine
glänzende Illumination erwartet. Noch muß ich erwähnen daß geſtern
das geſammte Gubernium, heute die ganze ſtudirende Jugend die Bür-
gerpetition unterſchrieben hat. Karl Egon Ebert fordert alle Schrift-
ſteller und Buchhändler zu einer Verſammlung auf, die darüber berath-
ſchlagen ſoll wie man mit Nachdruck den etwaigen Mißbräuchen der
Preſſe begegnen könne, damit wir uns der neuen Freiheit würdig zeigen.
Gerade jetzt erfahre ich daß unſerm berühmten Slawiſten P. J. Scha-
farik von Wien aus die Profeſſur der ſlawiſchen Sprachen und Littera-
turen angetragen wurde.


Der heutige Tag, wel-
cher ſo ſchön begonnen, iſt glorreich zu Ende gegangen, und wird mit
goldenen Buchſtaben in den Annalen der Geſchichte nicht Oeſterreichs
allein, ſondern der Menſchheit verzeichnet werden. Die Ereigniſſe über-
ſtürzen ſich mit einer ans Wunderbare gränzenden Geſchwindigkeit, und
man kann es nicht mehr läugnen daß auch die Geſchichte der Zeit, von den
Kräften früher ſchlummernder Intelligenz beflügelt, wie auf eiſernem Ge-
leiſe betäubend ſchnell ihrer Entwicklung entgegeneilt. Die Eindrücke
der Reſultate ſind ſo mächtig, daß jeder in den Momenten der Ruhe ſich
fragt ob es Traum ſey oder Wahrheit, was er in den Stunden der Ver-
gangenheit erlebt, geſehen und gehört hat. So höre denn Europa,
hört es ihr Völker Deutſchlands und ihr Nationen des Kaiſerreichs, von
der Karpathen Fuß bis zum Adria und den beſchneiten Gipfeln der Alpen,
von Böhmens Gebirgen bis durch Ungarns Ebenen und Siebenbürgens
Thälern, hört es und ſtaunt und knieet nieder im Staube vor dem gro-
ßen Geiſte der Weltgeſchichte, deſſen Hauch über Europa’s civiliſirte
Länder befruchtend weht. Kaiſer Ferdinand, der Gute, hat heute am
15 März im Jahre des Heils 1848 allen ſeinen Völkern eine Conſtitu-
tion gegeben — eine Conſtitution, baſirt auf der breiten Grundlage
der Vertretung des Beſitzes und der Intelligenz. Schon früh in der
Morgenſtunde war die Reſidenz in freudigſter Bewegung, harrend der
Dinge die da kommen ſollten. Zahlloſe Haufen Bewaffneter — Bür-
ger, neugebildete Nationalgarden, Handwerker und Studenten füllten
die Straßen. Gegen 40 bis 50,000 waren unter Waffen, und die freund-
liche Sonne ſchien einen frohen Tag des Glücks zu verkünden. Straßen-
anſchläge — von den Dichtern und Litteraten Wiens — bewieſen prak-
tiſch daß es keine Cenſur mehr gebe — Reden, überall gehalten, zeigten
daß die Sprache des Herzens, daß das freie Wort ſeiner Feſſel entbun-
den. Schon gegen 11 Uhr zogen die Deputationen von Ungarn —
Koſſuth und Batthyanyi und andere Männer des Fortſchritts an der
Spitze — von jubelnden Juraten-Schaaren gefolgt — im Triumph
durch die Leopoldſtadt in Wien ein. Da erſcheinen faſt zur ſelben Zeit
Reiter zu Pferd und verkünden begeiſternd die Proclamation der Con-
ſtitution. Von dem Balkon des juridiſch-politiſchen Leſevereins wur-
de ſie dem Volke und der Nationalgarde ſtundenlang verleſen, und der
Ruf „die Conſtitution“ erſcholl ſo furchtbar und dröhnend durch alle
Straßen der Stadt, daß ich mich an jenes hiſtoriſch-bekannte Geſchrei
des griechiſchen Volks bei Perikles’ Siegen in Olympia erinnerte, wo die
Vögel betäubt aus den Lüſten geſtürzt ſeyn ſollen. Ich habe aufgehört
die Sage als Fabel zu betrachten. (Ich muß einen Augenblick unter-
brechen, denn in den Straßen tönt der Ruf „Brand, zu den Waffen, zu
den Waffen.“ Es war ein Irrthum: an fünfhundert Ungarn, von Preß-
burg mit dem Dampfſchiff gekommen, zogen unter Fackelſchein und
Eljenruf in die Leopoldſtadt ein, und man hatte geglaubt es ſeyen
Bauernhaufen, welche die Vorſtädte anzündeten, wie man ſolches viel-
fach befürchtet. Dieß iſt nur eine kleine Epiſode des an ähnlichen Sce-
nen ſo reichen Tages.) Alle Colonnen der Bewaffneten, wie geſagt
40 bis 50,000, bewegen ſich zur Burg, wo die Hauptmaſſe ſich auf dem
Joſephplatze aufſtellte. Hunderte von improviſirten Fahnen mit den
mannichfaltigſten Inſchriften: als Verbrüderung der Nationen — Con-
ſtitution — Freiheit, Recht und Wahrheit — Ordnung und Sicherheit
[Spaltenumbruch] u. ſ. w. ziehen ihnen voran. Einige haben Muſik, andere Militär-,
wieder andere Kindertrommeln, und bei einigen ſteht man 10jährige
Knaben mit und ohne Tact, aber alle mit Begeiſterung dieſelben ſchla-
gen. Bei Dunkelwerden der Nacht iſt wiederum die ganze Stadt —
aber glänzender als je beleuchtet. Selbſt der Stephan, der uralte, iſt
illuminirt. Das Bild des Kaiſers, von Fackeln und Muſik begleitet,
von einigen tauſend bewaffneten und berittenen Nationalgardiſten und
Studenten gefolgt, wird unter unbeſchreiblichem Jubel durch die Stra-
ßen getragen. Endlich erſcheint der Kaiſer ſelbſt auf dem Balkon am
Joſephplatze; das Volk brachte ihm ein nie enden wollendes Hurrah,
und er ſelbſt ließ dann die Nation und Conſtitution hoch leben. Bei
dieſer Gelegenheit überreichte ihm die Bürgerdeputation eine Dank-
adreſſe. (Wir laſſen ſie folgen.) So viel und ſo weit für heute. Was
doch die Berliner lange Geſichter machen werden! Darauf freut ſich
hier alle Welt.

Die Dankadreſſe lautet:

„Hoch lebe unſer conſtitutioneller Kai-
ſer! Hoch, Hoch, Hoch! Zum Himmel dringe unſer Jubel, und der All-
mächtige welcher die Schickſale der Völker lenket, vernehme unſere in-
nigſten Gebete daß er lange erhalte unſeren gütigen Vater, daß er ſegne
die Regierung, getragen von der Liebe eines treuen Volkes, welches
Blut und Leben für ſeinen großherzigen Kaiſer, für ſeine Freiheit ge-
ben und allen Stürmen der Zeit trotzen wird. Majeſtät! Wir Oeſter-
reicher werden beweiſen daß wir der Freiheit würdig ſind, werden es be-
weiſen in dem feſten Verbande mit allen unſeren Brüdern welches Stam-
mes und welcher Sprache ſie ſind; wir werden es beweiſen Angeſichts von
Europa, welches nun an uns einen Fels erkennen wird, zeigen gegen jeden
Feind der, Intelligenz und Selbſtändigkeit. Ew. Majeſtät! wir ge-
treuen Bürger beugen unſer Knie vor unſerem im neuen Glanze thro-
nenden Kaiſer Ferdinand!“


Geſtern, kaum eine Viertelſtunde nach
dem Poſtſchluß, erfolgte die Bekanntmachung von dem Entſchluſſe Sr.
Maj. des Kaiſers ſeinem Volk eine Conſtitution zu geben, und ſomit
die Löſung eines großen politiſchen Drama’s, das die Hauptſtadt der öſter-
reichiſchen Monarchie durch drei ganze Tage in einer unbeſchreiblichen
Aufregung und einer ſchrecklichen Ungewißheit des Ausgangs erhalten
hatte. Das kundgemachte Geſetz ſagt ausdrücklich, es ſey wegen Einbe-
rufung von Abgeordneten aller Provinzialſtände und der beiden Central-
Congregationnen das Nöthige bereits verfügt, die Einberufung werde
mit verſtärkter Vertretung des Bürgerſtandes, und unter Berückſichti-
gung der beſtehenden Provinzialverfaſſungen in der möglich kürzeſten
Friſt ſtattfinden, Zweck derſelben ſey die Erlaſſung der von Sr. Maj.
beſchloſſenen Conſtitution des Vaterlandes. Verſprechen und An-
nahme, das erſte von Seite des Monarchen, das andere von Seite der Be-
völkerung, erfolgte, wie es ſcheint, in einem von niemand bezweifelten
Sinne, in jenem nämlich einer Conſtitution in der ſtrengen Bedeutung
des Wortes: mit beſchließenden, nicht bloß berathenden allgemeinen
Ständen, da dieß das einzige Weſentliche iſt wodurch ſich das Geſetz vom
15 März von dem über denſelben Gegenſtand kundgemachten Geſetze vom
14 unterſcheidet. Eine unbeſchreibliche Begeiſterung ergriff unmittelbar
nach der Bekanntmachung die in den Straßen der Stadt dicht gedräng-
ten Menſchenmaſſen, welche wo möglich ſich noch ſteigerte durch die An-
kunft einer zahlreichen ungariſchen Deputation aus Preßburg die faſt
zur ſelben Zeit eintrat, und durch die brüderlichen Zurufe und Begrü-
ßungen, mit denen ſie empfangen wurde, den allgemeinen Jubel ver-
mehrte. Das Militär empfing die Nachricht der großen Veränderun-
gen, wie mir ſchien, mit ruhiger Befriedigung; mit Begeiſterung, ſo-
weit ſich deren Aeußerung mit militäriſcher Disciplin vertragen konnte,
ſcheint ſie nur von den italieniſchen Grenadieren aufgenommen worden
zu ſeyn, welche anfänglich durch freudiges Lächeln und wechſelſeitige
freundliche Zuflüſterung ihre Theilnahme bezeugten, dann aber (es war
dieß in den Umgebungen und auf den Wällen des Kärthnerthors) als
die Vivatrufe, die das Volk dem geliebten Kaiſer brachte, immer lauter
wurden, plötzlich aus voller Bruſt und in einer unverkennbaren Herzens-
ergießung in den Jubel und die begeiſterten Rufe der Menge einſtimm-
ten. Es waren dieß dieſelben Grenadiere nach deren Decharge auf die
dichten, nur wenige Schritte entfernten Volksmaſſen auf dem hohen
Markt glücklicherweiſe auch nicht eine einzige Perſon die geringſte Ver-
letzung erhielt. Sowie die Herolde die frohe Botſchaft nach den ver-
ſchiedenen Theilen der Stadt brachten, rückte allmählich die bewaffnete
Volksmacht, unter unaufhörlichem Vivatrufen und dem kräftigen Eljen
der anweſenden Ungarn, gefolgt von einer unermeßlichen Volksmenge,
immer näher zuſammen, und es bildete ſich ſo in kurzer Zeit ein wahrer

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[1269/0005] nochmals zu danken: Manche Stadttheile beleuchteten als der Zug durch ſie kam. Heute früh war die Verkündigung der Conſtitution gedruckt an allen Ecken und in den Zeitungen zu leſen, ebenſo daß Metternich abgedankt habe. Der Jubel iſt unermeßlich, noch nie bot Prag ein ſo bewegtes feſtliches Anſehen. Von jedem Antlitz ſtrahlt die reinſte Seelenfreude. Ueberall ſteht man weißrothe Kokarden, an den Armen der Ausſchüſſe der ſtudirenden Jugend, deren Entzücken unnennbar iſt, überdieß weiße Kreuze. Vom geſtrigen Tage an hat unſer großes Reich die neue ruhmvolle glänzende Bahn des Fortſchrittes angetreten, von geſtern datirt ein öffentliches Leben. Das Theater feiert die Conſtitution durch eine feſtliche Beleuchtung; Abends wird eine glänzende Illumination erwartet. Noch muß ich erwähnen daß geſtern das geſammte Gubernium, heute die ganze ſtudirende Jugend die Bür- gerpetition unterſchrieben hat. Karl Egon Ebert fordert alle Schrift- ſteller und Buchhändler zu einer Verſammlung auf, die darüber berath- ſchlagen ſoll wie man mit Nachdruck den etwaigen Mißbräuchen der Preſſe begegnen könne, damit wir uns der neuen Freiheit würdig zeigen. Gerade jetzt erfahre ich daß unſerm berühmten Slawiſten P. J. Scha- farik von Wien aus die Profeſſur der ſlawiſchen Sprachen und Littera- turen angetragen wurde. ✡ Wien, 15 März. Abends 11 Uhr. Der heutige Tag, wel- cher ſo ſchön begonnen, iſt glorreich zu Ende gegangen, und wird mit goldenen Buchſtaben in den Annalen der Geſchichte nicht Oeſterreichs allein, ſondern der Menſchheit verzeichnet werden. Die Ereigniſſe über- ſtürzen ſich mit einer ans Wunderbare gränzenden Geſchwindigkeit, und man kann es nicht mehr läugnen daß auch die Geſchichte der Zeit, von den Kräften früher ſchlummernder Intelligenz beflügelt, wie auf eiſernem Ge- leiſe betäubend ſchnell ihrer Entwicklung entgegeneilt. Die Eindrücke der Reſultate ſind ſo mächtig, daß jeder in den Momenten der Ruhe ſich fragt ob es Traum ſey oder Wahrheit, was er in den Stunden der Ver- gangenheit erlebt, geſehen und gehört hat. So höre denn Europa, hört es ihr Völker Deutſchlands und ihr Nationen des Kaiſerreichs, von der Karpathen Fuß bis zum Adria und den beſchneiten Gipfeln der Alpen, von Böhmens Gebirgen bis durch Ungarns Ebenen und Siebenbürgens Thälern, hört es und ſtaunt und knieet nieder im Staube vor dem gro- ßen Geiſte der Weltgeſchichte, deſſen Hauch über Europa’s civiliſirte Länder befruchtend weht. Kaiſer Ferdinand, der Gute, hat heute am 15 März im Jahre des Heils 1848 allen ſeinen Völkern eine Conſtitu- tion gegeben — eine Conſtitution, baſirt auf der breiten Grundlage der Vertretung des Beſitzes und der Intelligenz. Schon früh in der Morgenſtunde war die Reſidenz in freudigſter Bewegung, harrend der Dinge die da kommen ſollten. Zahlloſe Haufen Bewaffneter — Bür- ger, neugebildete Nationalgarden, Handwerker und Studenten füllten die Straßen. Gegen 40 bis 50,000 waren unter Waffen, und die freund- liche Sonne ſchien einen frohen Tag des Glücks zu verkünden. Straßen- anſchläge — von den Dichtern und Litteraten Wiens — bewieſen prak- tiſch daß es keine Cenſur mehr gebe — Reden, überall gehalten, zeigten daß die Sprache des Herzens, daß das freie Wort ſeiner Feſſel entbun- den. Schon gegen 11 Uhr zogen die Deputationen von Ungarn — Koſſuth und Batthyanyi und andere Männer des Fortſchritts an der Spitze — von jubelnden Juraten-Schaaren gefolgt — im Triumph durch die Leopoldſtadt in Wien ein. Da erſcheinen faſt zur ſelben Zeit Reiter zu Pferd und verkünden begeiſternd die Proclamation der Con- ſtitution. Von dem Balkon des juridiſch-politiſchen Leſevereins wur- de ſie dem Volke und der Nationalgarde ſtundenlang verleſen, und der Ruf „die Conſtitution“ erſcholl ſo furchtbar und dröhnend durch alle Straßen der Stadt, daß ich mich an jenes hiſtoriſch-bekannte Geſchrei des griechiſchen Volks bei Perikles’ Siegen in Olympia erinnerte, wo die Vögel betäubt aus den Lüſten geſtürzt ſeyn ſollen. Ich habe aufgehört die Sage als Fabel zu betrachten. (Ich muß einen Augenblick unter- brechen, denn in den Straßen tönt der Ruf „Brand, zu den Waffen, zu den Waffen.“ Es war ein Irrthum: an fünfhundert Ungarn, von Preß- burg mit dem Dampfſchiff gekommen, zogen unter Fackelſchein und Eljenruf in die Leopoldſtadt ein, und man hatte geglaubt es ſeyen Bauernhaufen, welche die Vorſtädte anzündeten, wie man ſolches viel- fach befürchtet. Dieß iſt nur eine kleine Epiſode des an ähnlichen Sce- nen ſo reichen Tages.) Alle Colonnen der Bewaffneten, wie geſagt 40 bis 50,000, bewegen ſich zur Burg, wo die Hauptmaſſe ſich auf dem Joſephplatze aufſtellte. Hunderte von improviſirten Fahnen mit den mannichfaltigſten Inſchriften: als Verbrüderung der Nationen — Con- ſtitution — Freiheit, Recht und Wahrheit — Ordnung und Sicherheit u. ſ. w. ziehen ihnen voran. Einige haben Muſik, andere Militär-, wieder andere Kindertrommeln, und bei einigen ſteht man 10jährige Knaben mit und ohne Tact, aber alle mit Begeiſterung dieſelben ſchla- gen. Bei Dunkelwerden der Nacht iſt wiederum die ganze Stadt — aber glänzender als je beleuchtet. Selbſt der Stephan, der uralte, iſt illuminirt. Das Bild des Kaiſers, von Fackeln und Muſik begleitet, von einigen tauſend bewaffneten und berittenen Nationalgardiſten und Studenten gefolgt, wird unter unbeſchreiblichem Jubel durch die Stra- ßen getragen. Endlich erſcheint der Kaiſer ſelbſt auf dem Balkon am Joſephplatze; das Volk brachte ihm ein nie enden wollendes Hurrah, und er ſelbſt ließ dann die Nation und Conſtitution hoch leben. Bei dieſer Gelegenheit überreichte ihm die Bürgerdeputation eine Dank- adreſſe. (Wir laſſen ſie folgen.) So viel und ſo weit für heute. Was doch die Berliner lange Geſichter machen werden! Darauf freut ſich hier alle Welt. Die Dankadreſſe lautet: „Hoch lebe unſer conſtitutioneller Kai- ſer! Hoch, Hoch, Hoch! Zum Himmel dringe unſer Jubel, und der All- mächtige welcher die Schickſale der Völker lenket, vernehme unſere in- nigſten Gebete daß er lange erhalte unſeren gütigen Vater, daß er ſegne die Regierung, getragen von der Liebe eines treuen Volkes, welches Blut und Leben für ſeinen großherzigen Kaiſer, für ſeine Freiheit ge- ben und allen Stürmen der Zeit trotzen wird. Majeſtät! Wir Oeſter- reicher werden beweiſen daß wir der Freiheit würdig ſind, werden es be- weiſen in dem feſten Verbande mit allen unſeren Brüdern welches Stam- mes und welcher Sprache ſie ſind; wir werden es beweiſen Angeſichts von Europa, welches nun an uns einen Fels erkennen wird, zeigen gegen jeden Feind der, Intelligenz und Selbſtändigkeit. Ew. Majeſtät! wir ge- treuen Bürger beugen unſer Knie vor unſerem im neuen Glanze thro- nenden Kaiſer Ferdinand!“ *† Wien, 16 März. Geſtern, kaum eine Viertelſtunde nach dem Poſtſchluß, erfolgte die Bekanntmachung von dem Entſchluſſe Sr. Maj. des Kaiſers ſeinem Volk eine Conſtitution zu geben, und ſomit die Löſung eines großen politiſchen Drama’s, das die Hauptſtadt der öſter- reichiſchen Monarchie durch drei ganze Tage in einer unbeſchreiblichen Aufregung und einer ſchrecklichen Ungewißheit des Ausgangs erhalten hatte. Das kundgemachte Geſetz ſagt ausdrücklich, es ſey wegen Einbe- rufung von Abgeordneten aller Provinzialſtände und der beiden Central- Congregationnen das Nöthige bereits verfügt, die Einberufung werde mit verſtärkter Vertretung des Bürgerſtandes, und unter Berückſichti- gung der beſtehenden Provinzialverfaſſungen in der möglich kürzeſten Friſt ſtattfinden, Zweck derſelben ſey die Erlaſſung der von Sr. Maj. beſchloſſenen Conſtitution des Vaterlandes. Verſprechen und An- nahme, das erſte von Seite des Monarchen, das andere von Seite der Be- völkerung, erfolgte, wie es ſcheint, in einem von niemand bezweifelten Sinne, in jenem nämlich einer Conſtitution in der ſtrengen Bedeutung des Wortes: mit beſchließenden, nicht bloß berathenden allgemeinen Ständen, da dieß das einzige Weſentliche iſt wodurch ſich das Geſetz vom 15 März von dem über denſelben Gegenſtand kundgemachten Geſetze vom 14 unterſcheidet. Eine unbeſchreibliche Begeiſterung ergriff unmittelbar nach der Bekanntmachung die in den Straßen der Stadt dicht gedräng- ten Menſchenmaſſen, welche wo möglich ſich noch ſteigerte durch die An- kunft einer zahlreichen ungariſchen Deputation aus Preßburg die faſt zur ſelben Zeit eintrat, und durch die brüderlichen Zurufe und Begrü- ßungen, mit denen ſie empfangen wurde, den allgemeinen Jubel ver- mehrte. Das Militär empfing die Nachricht der großen Veränderun- gen, wie mir ſchien, mit ruhiger Befriedigung; mit Begeiſterung, ſo- weit ſich deren Aeußerung mit militäriſcher Disciplin vertragen konnte, ſcheint ſie nur von den italieniſchen Grenadieren aufgenommen worden zu ſeyn, welche anfänglich durch freudiges Lächeln und wechſelſeitige freundliche Zuflüſterung ihre Theilnahme bezeugten, dann aber (es war dieß in den Umgebungen und auf den Wällen des Kärthnerthors) als die Vivatrufe, die das Volk dem geliebten Kaiſer brachte, immer lauter wurden, plötzlich aus voller Bruſt und in einer unverkennbaren Herzens- ergießung in den Jubel und die begeiſterten Rufe der Menge einſtimm- ten. Es waren dieß dieſelben Grenadiere nach deren Decharge auf die dichten, nur wenige Schritte entfernten Volksmaſſen auf dem hohen Markt glücklicherweiſe auch nicht eine einzige Perſon die geringſte Ver- letzung erhielt. Sowie die Herolde die frohe Botſchaft nach den ver- ſchiedenen Theilen der Stadt brachten, rückte allmählich die bewaffnete Volksmacht, unter unaufhörlichem Vivatrufen und dem kräftigen Eljen der anweſenden Ungarn, gefolgt von einer unermeßlichen Volksmenge, immer näher zuſammen, und es bildete ſich ſo in kurzer Zeit ein wahrer

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 80, 20. März 1848, S. 1269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine80_1848/5>, abgerufen am 21.11.2024.