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Allgemeine Zeitung, Nr. 79, 19. März 1848.

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Nr. 79.
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Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
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Der volkswirthschaftliche Beruf des deutschen
Parlaments.

(Beschluß.)

Ein anderer staats- und volkswirthschaftlicher Gegenstand, welcher
sich in hohem Grade zur Bundessache eignet, dürfte die Post seyn. Ein
Theil von Deutschland seufzt unter der Taxis'schen Post. Die bloße
Thatsache des Bestehens einer solchen ist wohl einer der gröbsten Miß-
bräuche welche die Geschichte kennt. Daß ein Privatmann die schrift-
lichen Verbindungen, den Zeitungsverkehr und einen bedeutenden Theil
des Personen- und Gepäcktransports ganzer Länder als Monopol gegen
den Staat und gegen dessen Bürger im Bann habe; daß er diesen geisti-
gen und materiellen Verkehr für seinen Privatvortheil ausbeuten dürfe;
daß er das Recht habe jede Mitbewerbung, selbst die des Staates, aus-
zuschließen; daß es von seinem guten oder schlechten Willen, von seiner
Großmuth oder seinem Geiz abhängen soll ob und wie weit er für
gut finde die Postverbindungen nach dem Beispiel vorangeschrittener
Länder, wie Englands und Frankreichs, zu vervielfältigen und zu be-
schleunigen oder dieselben zu vernachlässigen, vielleicht ganze Bezirke
hintanzusetzen; daß es seinem Gutfinden überlassen seyn soll ob er die
Postmeister und Postillone so belohnen wolle daß sie bei dem Postdienst
ihr Auskommen finden, oder ob er an ihnen so kargen wolle daß einer
um den andern seinen Dienst aufgebe um sich in demselben nicht zu
Grunde zu richten; daß es ihm gegeben seyn soll sogar den Verkehr der
mit Staats- oder Privatmitteln gebauten Eisenbahnen anzusprechen oder
zu verhindern so weit sein Postmonopol gehe; daß es von seiner Will-
kür abhängen soll ob und wie weit er zu einer Ermäßigung der bestehen-
den Posttarife sich herbeilassen wolle oder nicht, ob und wie weit er also
z. B. dem deutschen Verkehr die Wohlthaten der brittischen Postreform
zukommen lassen wolle oder nicht; daß er endlich über den Postverkehr
deutscher Länder mit auswärtigen Mächten Staatsverträge mit letztern
abschließen dürfe -- dieß alles ist so vollkommen verkehrt, und steht mit
den natürlichen und unveräußerlichen Rechten der Staaten und ihrer
Angehörigen in so schneidendem Widerspruche, daß es nicht verwundern
ist wenn das Publicum sich die Wiederherstellung dieses in mehreren
deutschen Ländern bereits abgestellt gewesenen Mißbrauchs im neun-
zehnten Jahrhundert nur durch die unglaublichsten Sagen über deren
Entstehungsgeschichte zu erklären wußte.

Wer den allgemeinen Unwillen kennt welcher auf diesem Privat-
monopol in den Ländern lastet die damit behaftet sind, kann nur die
Ansicht theilen daß sein Fortbestand zur Unmöglichkeit geworden ist. Die
Aufhebung desselben ist ebenso sehr durch die Staatsklugheit als durch das
Recht geboten. Irgendeine Entschädigung kann, meiner Ansicht nach,
dem Fürsten Taxis dafür nicht gebühren; er darf, wie es mir scheint,
froh seyn ein mit den ersten Rechtsbegriffen im grellsten Widerspruche
stehendes Privatmonopol so lange ausgebeutet und aus Deutschland so
viele Millionen gezogen zu haben, welche nach natürlichem Rechte den
Staaten gebührt hätten. Nicht als wüßte ich nicht daß der Fortbesitz
und die Wiedererlangung der Posten oder eine Entschädigung für ihren
Verlust dem Fürsten Taxis durch den Art. 17 der seitherigen Bundes-
acte zugesichert worden find. Von der Mißbräuchlichkeit und vollkomme-
nen Rechtswidrigkeit dieser Bestimmung handelt es sich ja aber eben
und davon daß es höchste Zeit ist sie aufzuheben.

Die Censur beruhte auch, zwar nicht auf der Bundesacte, aber auf
Bundesbeschlüssen; die Karlsbader, Frankfurter, Wiener Beschlüsse
waren formell nicht weniger gültig als der Art. 17 der Bundesacte.
Dieß alles hat aber nichtsdestoweniger theils durch einen Bundesbeschluß,
theils durch die Beschlüsse einzelner Regierungen das Ende seiner Gül-
tigkeit theils bereits gefunden, theils ist es im Begriff dasselbe zu finden.
Daß die Einrichtung der Censur, daß die Karlsbader etc. Beschlüsse im
vermeintlichen Interesse der Regierungen, der Artikel 17 der Bundes-
acte, welcher dem Fürsten Taxis die Post zuerkennt, dagegen im aus-
schließlichen Interesse eines Privatmonopolisten und nothwendig rein
zum Schaden der Staatsgesellschaft und ihrer Angehörigen festgesetzt
worden sind -- dieß macht den Art. 17 offenbar nicht heiliger, sondern
noch verwerflicher als die Bundesbeschlüsse über Censur etc. Es handelt
sich auch hier nicht von einem Privateigenthum, sondern ganz einfach
von einem Privatmonopol, das ein Unrecht an sich ist, von einem Ein-
[Spaltenumbruch] griff in die Rechte des Staats und Volkes, das man abzustellen, nicht
abzukaufen hat. Allein die Befreiung Deutschlands von dem Taxis'-
schen Postmonopol, wo dieses besteht, genügt dem Bedürfniß verbesser-
ter Posteinrichtungen für sich allein nicht. Die Tarife -- auch der neue,
von dem Dresdener Postcongreß berathene -- sind viel zu hoch um dem
Briefwechsel, dem Zeitungs-, dem Geldverkehr und der Anweisung von
Geldern bei Postämtern, dem Personen- und Gepäcktransport jene unge-
heure Ausdehnung, eben damit aber auch der geistigen Bildung, dem
Gewerbfleiß und Handel jene unermeßliche Förderung zu gewähren
welche von niederen Posttaxen abhängen. Der Postenlauf ist in Deutsch-
land noch viel zu langsam, man kann sagen scandalös langsam, ver-
glichen mit seiner Schnelligkeit in England und Frankreich, und die
Trennung der Postgebiete in Deutschland, sowie die wechselseitige Eifer-
sucht der Postverwaltungen schadet der Einrichtung des Verkehrs in den
kürzesten Richtungen, dem schnellen und zweckmäßigen Ineinandergreifen
unendlich. Welche Gräuelzustände in postlicher Hinsicht finden sich end-
lich auf einzelnen Punkten, wie z. B. in Hamburg mit seinen vielerlei
getrennten Postämtern deutscher Staaten!

Allen diesen großen Uebeln dürfte von Grund aus nur abzuhelfen
seyn durch Erklärung des Postwesens zur Bundessache. Nur wenn die
Postgesetzgebung der obersten Bundesbehörde und dem deutschen
Parlament übertragen und die Verwaltung der deutschen Posten
einem General-Postdirector des Bundes -- wie in Nordamerika --
natürlich unter der Aufficht des Bundestages und unter der Verantwort-
lichkeit gegen das Parlament übertragen wird, kann und wird diesen
zahllosen Mißständen abgeholfen werden. In Verbindung mit der
Bundesmarine hätte die Bundespost auch alle Hülfsmittel in der Hand
um den überseeischen Dampf- und Segelpaketbootlinien die größte natio-
nale Bedeutung zu geben und Deutschland als große Nation neben Eng-
land, Frankreich und Nordamerika einen würdigen Rang einnehmen,
seinem Handel eine ähnliche kräftige Förderung zu Theil werden zu las-
sen. Gott, wenn wir es erleben sollten, und jetzt hängt es nur von
Deutschland ab es zu erleben daß wir endlich einmal als ein großes,
mächtiges Volk in der Welt auftreten, daß wir wie andere Nationen die
Kraft des einheitlichen Wirkens entwickeln, wenn einmal unsere deut-
schen Kriegsschiffe, unsere Bundes-Postdampfer in die fremden Häfen
einlaufen, in welchen ein Deutscher bis jetzt wie ein verscheuchtes Huhn
herumging, sich von Eck zu Eck drückte! Lasse uns der Himmel bald
diesen Tag unserer Träume erblicken. Wer, wie der Schreiber dieser
Zeilen, drei Jahre in ausländischen Seehäfen zugebracht, und sich vor
allen seefahrenden Völkern ins Jnnerste der Seele hinein der deutschen
Hülflostgkeit geschämt hat, wird ihm dieß zehnfältig nachfühlen.

Ebenso dürfte das Münzwesen zur Bundessache zu erklären seyn.
Umsonst bestimmen die Zollvereinsverträge daß man sich über ein glei-
ches Münzsystem vereinigen wolle. Man kam bekanntlich nicht über den
Dualismus des preußischen und des süddeutschen Münzsystems hinaus,
und würde voraussichtlich nie darüber hinauskommen, noch sich mit
Oesterreich etc. zu einem gemeinsamen Münzsystem einigen, so lange die
Frage in den alleinigen Händen der Regierungen bleibt, d. h. in letzter
Jnstanz der Münzbeamten, deren einstimmige Vereinigung über diese
Frage ein Wunder wäre. Ein deutsches Parlament dagegen entscheidet
mit Stimmenmehrheit über die Frage, und beschließt vom größeren
nationalen Standpunkt ein einheitliches Münzsystem nicht nach dem ge-
gebenen Münzsystem dieses oder jenes Bundesstaates, sondern nach den
Rücksichten des Welthandels, welche es räthlich und vortheilhaft machen
einem der verbreiteteren Münzsysteme der Welt sich anzuschließen, z. B.
dem nordamerikanischen, welches den über die ganze Welt verbreiteten
spanischen Piaster (= 1 Dollar) als Einheit seiner Silbermünze zu
Grunde legte, dem österreichischen, dessen Münzen auch außer der Mon-
archie am Mittelmeer, in der Levante und bis ins Innere von Afrika
verbreitet sind, oder dem französischen.

Die Münz gesetzgebung in ihrem vollsten Umfang, und nament-
lich auch was die Verfügungen über Verbot oder gesetzlichen Zahlungs-
werth fremder Münzen betrifft, dürfte also jedenfalls dem Bunde beizu-
legen seyn, sowie auch die Befugniß zu Ergreifung aller Maaßregeln
für Handhabung derselben mittelst der erforderlichen Controle und der
kräftigsten Einschreitung gegen Schändlichkeiten, wie die coburgische
Falschmünzerei deren eine war. Weitere Fragen dagegen wären: ob die

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Nr. 79.
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Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
[Spaltenumbruch] 19 März 1848.


[Spaltenumbruch]
Der volkswirthſchaftliche Beruf des deutſchen
Parlaments.

(Beſchluß.)

Ein anderer ſtaats- und volkswirthſchaftlicher Gegenſtand, welcher
ſich in hohem Grade zur Bundesſache eignet, dürfte die Poſt ſeyn. Ein
Theil von Deutſchland ſeufzt unter der Taxis’ſchen Poſt. Die bloße
Thatſache des Beſtehens einer ſolchen iſt wohl einer der gröbſten Miß-
bräuche welche die Geſchichte kennt. Daß ein Privatmann die ſchrift-
lichen Verbindungen, den Zeitungsverkehr und einen bedeutenden Theil
des Perſonen- und Gepäcktransports ganzer Länder als Monopol gegen
den Staat und gegen deſſen Bürger im Bann habe; daß er dieſen geiſti-
gen und materiellen Verkehr für ſeinen Privatvortheil ausbeuten dürfe;
daß er das Recht habe jede Mitbewerbung, ſelbſt die des Staates, aus-
zuſchließen; daß es von ſeinem guten oder ſchlechten Willen, von ſeiner
Großmuth oder ſeinem Geiz abhängen ſoll ob und wie weit er für
gut finde die Poſtverbindungen nach dem Beiſpiel vorangeſchrittener
Länder, wie Englands und Frankreichs, zu vervielfältigen und zu be-
ſchleunigen oder dieſelben zu vernachläſſigen, vielleicht ganze Bezirke
hintanzuſetzen; daß es ſeinem Gutfinden überlaſſen ſeyn ſoll ob er die
Poſtmeiſter und Poſtillone ſo belohnen wolle daß ſie bei dem Poſtdienſt
ihr Auskommen finden, oder ob er an ihnen ſo kargen wolle daß einer
um den andern ſeinen Dienſt aufgebe um ſich in demſelben nicht zu
Grunde zu richten; daß es ihm gegeben ſeyn ſoll ſogar den Verkehr der
mit Staats- oder Privatmitteln gebauten Eiſenbahnen anzuſprechen oder
zu verhindern ſo weit ſein Poſtmonopol gehe; daß es von ſeiner Will-
kür abhängen ſoll ob und wie weit er zu einer Ermäßigung der beſtehen-
den Poſttarife ſich herbeilaſſen wolle oder nicht, ob und wie weit er alſo
z. B. dem deutſchen Verkehr die Wohlthaten der brittiſchen Poſtreform
zukommen laſſen wolle oder nicht; daß er endlich über den Poſtverkehr
deutſcher Länder mit auswärtigen Mächten Staatsverträge mit letztern
abſchließen dürfe — dieß alles iſt ſo vollkommen verkehrt, und ſteht mit
den natürlichen und unveräußerlichen Rechten der Staaten und ihrer
Angehörigen in ſo ſchneidendem Widerſpruche, daß es nicht verwundern
iſt wenn das Publicum ſich die Wiederherſtellung dieſes in mehreren
deutſchen Ländern bereits abgeſtellt geweſenen Mißbrauchs im neun-
zehnten Jahrhundert nur durch die unglaublichſten Sagen über deren
Entſtehungsgeſchichte zu erklären wußte.

Wer den allgemeinen Unwillen kennt welcher auf dieſem Privat-
monopol in den Ländern laſtet die damit behaftet ſind, kann nur die
Anſicht theilen daß ſein Fortbeſtand zur Unmöglichkeit geworden iſt. Die
Aufhebung desſelben iſt ebenſo ſehr durch die Staatsklugheit als durch das
Recht geboten. Irgendeine Entſchädigung kann, meiner Anſicht nach,
dem Fürſten Taxis dafür nicht gebühren; er darf, wie es mir ſcheint,
froh ſeyn ein mit den erſten Rechtsbegriffen im grellſten Widerſpruche
ſtehendes Privatmonopol ſo lange ausgebeutet und aus Deutſchland ſo
viele Millionen gezogen zu haben, welche nach natürlichem Rechte den
Staaten gebührt hätten. Nicht als wüßte ich nicht daß der Fortbeſitz
und die Wiedererlangung der Poſten oder eine Entſchädigung für ihren
Verluſt dem Fürſten Taxis durch den Art. 17 der ſeitherigen Bundes-
acte zugeſichert worden find. Von der Mißbräuchlichkeit und vollkomme-
nen Rechtswidrigkeit dieſer Beſtimmung handelt es ſich ja aber eben
und davon daß es höchſte Zeit iſt ſie aufzuheben.

Die Cenſur beruhte auch, zwar nicht auf der Bundesacte, aber auf
Bundesbeſchlüſſen; die Karlsbader, Frankfurter, Wiener Beſchlüſſe
waren formell nicht weniger gültig als der Art. 17 der Bundesacte.
Dieß alles hat aber nichtsdeſtoweniger theils durch einen Bundesbeſchluß,
theils durch die Beſchlüſſe einzelner Regierungen das Ende ſeiner Gül-
tigkeit theils bereits gefunden, theils iſt es im Begriff dasſelbe zu finden.
Daß die Einrichtung der Cenſur, daß die Karlsbader ꝛc. Beſchlüſſe im
vermeintlichen Intereſſe der Regierungen, der Artikel 17 der Bundes-
acte, welcher dem Fürſten Taxis die Poſt zuerkennt, dagegen im aus-
ſchließlichen Intereſſe eines Privatmonopoliſten und nothwendig rein
zum Schaden der Staatsgeſellſchaft und ihrer Angehörigen feſtgeſetzt
worden ſind — dieß macht den Art. 17 offenbar nicht heiliger, ſondern
noch verwerflicher als die Bundesbeſchlüſſe über Cenſur ꝛc. Es handelt
ſich auch hier nicht von einem Privateigenthum, ſondern ganz einfach
von einem Privatmonopol, das ein Unrecht an ſich iſt, von einem Ein-
[Spaltenumbruch] griff in die Rechte des Staats und Volkes, das man abzuſtellen, nicht
abzukaufen hat. Allein die Befreiung Deutſchlands von dem Taxis’-
ſchen Poſtmonopol, wo dieſes beſteht, genügt dem Bedürfniß verbeſſer-
ter Poſteinrichtungen für ſich allein nicht. Die Tarife — auch der neue,
von dem Dresdener Poſtcongreß berathene — ſind viel zu hoch um dem
Briefwechſel, dem Zeitungs-, dem Geldverkehr und der Anweiſung von
Geldern bei Poſtämtern, dem Perſonen- und Gepäcktransport jene unge-
heure Ausdehnung, eben damit aber auch der geiſtigen Bildung, dem
Gewerbfleiß und Handel jene unermeßliche Förderung zu gewähren
welche von niederen Poſttaxen abhängen. Der Poſtenlauf iſt in Deutſch-
land noch viel zu langſam, man kann ſagen ſcandalös langſam, ver-
glichen mit ſeiner Schnelligkeit in England und Frankreich, und die
Trennung der Poſtgebiete in Deutſchland, ſowie die wechſelſeitige Eifer-
ſucht der Poſtverwaltungen ſchadet der Einrichtung des Verkehrs in den
kürzeſten Richtungen, dem ſchnellen und zweckmäßigen Ineinandergreifen
unendlich. Welche Gräuelzuſtände in poſtlicher Hinſicht finden ſich end-
lich auf einzelnen Punkten, wie z. B. in Hamburg mit ſeinen vielerlei
getrennten Poſtämtern deutſcher Staaten!

Allen dieſen großen Uebeln dürfte von Grund aus nur abzuhelfen
ſeyn durch Erklärung des Poſtweſens zur Bundesſache. Nur wenn die
Poſtgeſetzgebung der oberſten Bundesbehörde und dem deutſchen
Parlament übertragen und die Verwaltung der deutſchen Poſten
einem General-Poſtdirector des Bundes — wie in Nordamerika —
natürlich unter der Aufficht des Bundestages und unter der Verantwort-
lichkeit gegen das Parlament übertragen wird, kann und wird dieſen
zahlloſen Mißſtänden abgeholfen werden. In Verbindung mit der
Bundesmarine hätte die Bundespoſt auch alle Hülfsmittel in der Hand
um den überſeeiſchen Dampf- und Segelpaketbootlinien die größte natio-
nale Bedeutung zu geben und Deutſchland als große Nation neben Eng-
land, Frankreich und Nordamerika einen würdigen Rang einnehmen,
ſeinem Handel eine ähnliche kräftige Förderung zu Theil werden zu laſ-
ſen. Gott, wenn wir es erleben ſollten, und jetzt hängt es nur von
Deutſchland ab es zu erleben daß wir endlich einmal als ein großes,
mächtiges Volk in der Welt auftreten, daß wir wie andere Nationen die
Kraft des einheitlichen Wirkens entwickeln, wenn einmal unſere deut-
ſchen Kriegsſchiffe, unſere Bundes-Poſtdampfer in die fremden Häfen
einlaufen, in welchen ein Deutſcher bis jetzt wie ein verſcheuchtes Huhn
herumging, ſich von Eck zu Eck drückte! Laſſe uns der Himmel bald
dieſen Tag unſerer Träume erblicken. Wer, wie der Schreiber dieſer
Zeilen, drei Jahre in ausländiſchen Seehäfen zugebracht, und ſich vor
allen ſeefahrenden Völkern ins Jnnerſte der Seele hinein der deutſchen
Hülfloſtgkeit geſchämt hat, wird ihm dieß zehnfältig nachfühlen.

Ebenſo dürfte das Münzweſen zur Bundesſache zu erklären ſeyn.
Umſonſt beſtimmen die Zollvereinsverträge daß man ſich über ein glei-
ches Münzſyſtem vereinigen wolle. Man kam bekanntlich nicht über den
Dualismus des preußiſchen und des ſüddeutſchen Münzſyſtems hinaus,
und würde vorausſichtlich nie darüber hinauskommen, noch ſich mit
Oeſterreich ꝛc. zu einem gemeinſamen Münzſyſtem einigen, ſo lange die
Frage in den alleinigen Händen der Regierungen bleibt, d. h. in letzter
Jnſtanz der Münzbeamten, deren einſtimmige Vereinigung über dieſe
Frage ein Wunder wäre. Ein deutſches Parlament dagegen entſcheidet
mit Stimmenmehrheit über die Frage, und beſchließt vom größeren
nationalen Standpunkt ein einheitliches Münzſyſtem nicht nach dem ge-
gebenen Münzſyſtem dieſes oder jenes Bundesſtaates, ſondern nach den
Rückſichten des Welthandels, welche es räthlich und vortheilhaft machen
einem der verbreiteteren Münzſyſteme der Welt ſich anzuſchließen, z. B.
dem nordamerikaniſchen, welches den über die ganze Welt verbreiteten
ſpaniſchen Piaſter (= 1 Dollar) als Einheit ſeiner Silbermünze zu
Grunde legte, dem öſterreichiſchen, deſſen Münzen auch außer der Mon-
archie am Mittelmeer, in der Levante und bis ins Innere von Afrika
verbreitet ſind, oder dem franzöſiſchen.

Die Münz geſetzgebung in ihrem vollſten Umfang, und nament-
lich auch was die Verfügungen über Verbot oder geſetzlichen Zahlungs-
werth fremder Münzen betrifft, dürfte alſo jedenfalls dem Bunde beizu-
legen ſeyn, ſowie auch die Befugniß zu Ergreifung aller Maaßregeln
für Handhabung derſelben mittelſt der erforderlichen Controle und der
kräftigſten Einſchreitung gegen Schändlichkeiten, wie die coburgiſche
Falſchmünzerei deren eine war. Weitere Fragen dagegen wären: ob die

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[0009] Nr. 79. Beilage zur Allgemeinen Zeitung. 19 März 1848. Der volkswirthſchaftliche Beruf des deutſchen Parlaments. (Beſchluß.) Ein anderer ſtaats- und volkswirthſchaftlicher Gegenſtand, welcher ſich in hohem Grade zur Bundesſache eignet, dürfte die Poſt ſeyn. Ein Theil von Deutſchland ſeufzt unter der Taxis’ſchen Poſt. Die bloße Thatſache des Beſtehens einer ſolchen iſt wohl einer der gröbſten Miß- bräuche welche die Geſchichte kennt. Daß ein Privatmann die ſchrift- lichen Verbindungen, den Zeitungsverkehr und einen bedeutenden Theil des Perſonen- und Gepäcktransports ganzer Länder als Monopol gegen den Staat und gegen deſſen Bürger im Bann habe; daß er dieſen geiſti- gen und materiellen Verkehr für ſeinen Privatvortheil ausbeuten dürfe; daß er das Recht habe jede Mitbewerbung, ſelbſt die des Staates, aus- zuſchließen; daß es von ſeinem guten oder ſchlechten Willen, von ſeiner Großmuth oder ſeinem Geiz abhängen ſoll ob und wie weit er für gut finde die Poſtverbindungen nach dem Beiſpiel vorangeſchrittener Länder, wie Englands und Frankreichs, zu vervielfältigen und zu be- ſchleunigen oder dieſelben zu vernachläſſigen, vielleicht ganze Bezirke hintanzuſetzen; daß es ſeinem Gutfinden überlaſſen ſeyn ſoll ob er die Poſtmeiſter und Poſtillone ſo belohnen wolle daß ſie bei dem Poſtdienſt ihr Auskommen finden, oder ob er an ihnen ſo kargen wolle daß einer um den andern ſeinen Dienſt aufgebe um ſich in demſelben nicht zu Grunde zu richten; daß es ihm gegeben ſeyn ſoll ſogar den Verkehr der mit Staats- oder Privatmitteln gebauten Eiſenbahnen anzuſprechen oder zu verhindern ſo weit ſein Poſtmonopol gehe; daß es von ſeiner Will- kür abhängen ſoll ob und wie weit er zu einer Ermäßigung der beſtehen- den Poſttarife ſich herbeilaſſen wolle oder nicht, ob und wie weit er alſo z. B. dem deutſchen Verkehr die Wohlthaten der brittiſchen Poſtreform zukommen laſſen wolle oder nicht; daß er endlich über den Poſtverkehr deutſcher Länder mit auswärtigen Mächten Staatsverträge mit letztern abſchließen dürfe — dieß alles iſt ſo vollkommen verkehrt, und ſteht mit den natürlichen und unveräußerlichen Rechten der Staaten und ihrer Angehörigen in ſo ſchneidendem Widerſpruche, daß es nicht verwundern iſt wenn das Publicum ſich die Wiederherſtellung dieſes in mehreren deutſchen Ländern bereits abgeſtellt geweſenen Mißbrauchs im neun- zehnten Jahrhundert nur durch die unglaublichſten Sagen über deren Entſtehungsgeſchichte zu erklären wußte. Wer den allgemeinen Unwillen kennt welcher auf dieſem Privat- monopol in den Ländern laſtet die damit behaftet ſind, kann nur die Anſicht theilen daß ſein Fortbeſtand zur Unmöglichkeit geworden iſt. Die Aufhebung desſelben iſt ebenſo ſehr durch die Staatsklugheit als durch das Recht geboten. Irgendeine Entſchädigung kann, meiner Anſicht nach, dem Fürſten Taxis dafür nicht gebühren; er darf, wie es mir ſcheint, froh ſeyn ein mit den erſten Rechtsbegriffen im grellſten Widerſpruche ſtehendes Privatmonopol ſo lange ausgebeutet und aus Deutſchland ſo viele Millionen gezogen zu haben, welche nach natürlichem Rechte den Staaten gebührt hätten. Nicht als wüßte ich nicht daß der Fortbeſitz und die Wiedererlangung der Poſten oder eine Entſchädigung für ihren Verluſt dem Fürſten Taxis durch den Art. 17 der ſeitherigen Bundes- acte zugeſichert worden find. Von der Mißbräuchlichkeit und vollkomme- nen Rechtswidrigkeit dieſer Beſtimmung handelt es ſich ja aber eben und davon daß es höchſte Zeit iſt ſie aufzuheben. Die Cenſur beruhte auch, zwar nicht auf der Bundesacte, aber auf Bundesbeſchlüſſen; die Karlsbader, Frankfurter, Wiener Beſchlüſſe waren formell nicht weniger gültig als der Art. 17 der Bundesacte. Dieß alles hat aber nichtsdeſtoweniger theils durch einen Bundesbeſchluß, theils durch die Beſchlüſſe einzelner Regierungen das Ende ſeiner Gül- tigkeit theils bereits gefunden, theils iſt es im Begriff dasſelbe zu finden. Daß die Einrichtung der Cenſur, daß die Karlsbader ꝛc. Beſchlüſſe im vermeintlichen Intereſſe der Regierungen, der Artikel 17 der Bundes- acte, welcher dem Fürſten Taxis die Poſt zuerkennt, dagegen im aus- ſchließlichen Intereſſe eines Privatmonopoliſten und nothwendig rein zum Schaden der Staatsgeſellſchaft und ihrer Angehörigen feſtgeſetzt worden ſind — dieß macht den Art. 17 offenbar nicht heiliger, ſondern noch verwerflicher als die Bundesbeſchlüſſe über Cenſur ꝛc. Es handelt ſich auch hier nicht von einem Privateigenthum, ſondern ganz einfach von einem Privatmonopol, das ein Unrecht an ſich iſt, von einem Ein- griff in die Rechte des Staats und Volkes, das man abzuſtellen, nicht abzukaufen hat. Allein die Befreiung Deutſchlands von dem Taxis’- ſchen Poſtmonopol, wo dieſes beſteht, genügt dem Bedürfniß verbeſſer- ter Poſteinrichtungen für ſich allein nicht. Die Tarife — auch der neue, von dem Dresdener Poſtcongreß berathene — ſind viel zu hoch um dem Briefwechſel, dem Zeitungs-, dem Geldverkehr und der Anweiſung von Geldern bei Poſtämtern, dem Perſonen- und Gepäcktransport jene unge- heure Ausdehnung, eben damit aber auch der geiſtigen Bildung, dem Gewerbfleiß und Handel jene unermeßliche Förderung zu gewähren welche von niederen Poſttaxen abhängen. Der Poſtenlauf iſt in Deutſch- land noch viel zu langſam, man kann ſagen ſcandalös langſam, ver- glichen mit ſeiner Schnelligkeit in England und Frankreich, und die Trennung der Poſtgebiete in Deutſchland, ſowie die wechſelſeitige Eifer- ſucht der Poſtverwaltungen ſchadet der Einrichtung des Verkehrs in den kürzeſten Richtungen, dem ſchnellen und zweckmäßigen Ineinandergreifen unendlich. Welche Gräuelzuſtände in poſtlicher Hinſicht finden ſich end- lich auf einzelnen Punkten, wie z. B. in Hamburg mit ſeinen vielerlei getrennten Poſtämtern deutſcher Staaten! Allen dieſen großen Uebeln dürfte von Grund aus nur abzuhelfen ſeyn durch Erklärung des Poſtweſens zur Bundesſache. Nur wenn die Poſtgeſetzgebung der oberſten Bundesbehörde und dem deutſchen Parlament übertragen und die Verwaltung der deutſchen Poſten einem General-Poſtdirector des Bundes — wie in Nordamerika — natürlich unter der Aufficht des Bundestages und unter der Verantwort- lichkeit gegen das Parlament übertragen wird, kann und wird dieſen zahlloſen Mißſtänden abgeholfen werden. In Verbindung mit der Bundesmarine hätte die Bundespoſt auch alle Hülfsmittel in der Hand um den überſeeiſchen Dampf- und Segelpaketbootlinien die größte natio- nale Bedeutung zu geben und Deutſchland als große Nation neben Eng- land, Frankreich und Nordamerika einen würdigen Rang einnehmen, ſeinem Handel eine ähnliche kräftige Förderung zu Theil werden zu laſ- ſen. Gott, wenn wir es erleben ſollten, und jetzt hängt es nur von Deutſchland ab es zu erleben daß wir endlich einmal als ein großes, mächtiges Volk in der Welt auftreten, daß wir wie andere Nationen die Kraft des einheitlichen Wirkens entwickeln, wenn einmal unſere deut- ſchen Kriegsſchiffe, unſere Bundes-Poſtdampfer in die fremden Häfen einlaufen, in welchen ein Deutſcher bis jetzt wie ein verſcheuchtes Huhn herumging, ſich von Eck zu Eck drückte! Laſſe uns der Himmel bald dieſen Tag unſerer Träume erblicken. Wer, wie der Schreiber dieſer Zeilen, drei Jahre in ausländiſchen Seehäfen zugebracht, und ſich vor allen ſeefahrenden Völkern ins Jnnerſte der Seele hinein der deutſchen Hülfloſtgkeit geſchämt hat, wird ihm dieß zehnfältig nachfühlen. Ebenſo dürfte das Münzweſen zur Bundesſache zu erklären ſeyn. Umſonſt beſtimmen die Zollvereinsverträge daß man ſich über ein glei- ches Münzſyſtem vereinigen wolle. Man kam bekanntlich nicht über den Dualismus des preußiſchen und des ſüddeutſchen Münzſyſtems hinaus, und würde vorausſichtlich nie darüber hinauskommen, noch ſich mit Oeſterreich ꝛc. zu einem gemeinſamen Münzſyſtem einigen, ſo lange die Frage in den alleinigen Händen der Regierungen bleibt, d. h. in letzter Jnſtanz der Münzbeamten, deren einſtimmige Vereinigung über dieſe Frage ein Wunder wäre. Ein deutſches Parlament dagegen entſcheidet mit Stimmenmehrheit über die Frage, und beſchließt vom größeren nationalen Standpunkt ein einheitliches Münzſyſtem nicht nach dem ge- gebenen Münzſyſtem dieſes oder jenes Bundesſtaates, ſondern nach den Rückſichten des Welthandels, welche es räthlich und vortheilhaft machen einem der verbreiteteren Münzſyſteme der Welt ſich anzuſchließen, z. B. dem nordamerikaniſchen, welches den über die ganze Welt verbreiteten ſpaniſchen Piaſter (= 1 Dollar) als Einheit ſeiner Silbermünze zu Grunde legte, dem öſterreichiſchen, deſſen Münzen auch außer der Mon- archie am Mittelmeer, in der Levante und bis ins Innere von Afrika verbreitet ſind, oder dem franzöſiſchen. Die Münz geſetzgebung in ihrem vollſten Umfang, und nament- lich auch was die Verfügungen über Verbot oder geſetzlichen Zahlungs- werth fremder Münzen betrifft, dürfte alſo jedenfalls dem Bunde beizu- legen ſeyn, ſowie auch die Befugniß zu Ergreifung aller Maaßregeln für Handhabung derſelben mittelſt der erforderlichen Controle und der kräftigſten Einſchreitung gegen Schändlichkeiten, wie die coburgiſche Falſchmünzerei deren eine war. Weitere Fragen dagegen wären: ob die

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 79, 19. März 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine79_1848/9>, abgerufen am 23.11.2024.