Allgemeine Zeitung, Nr. 79, 19. März 1848.[Spaltenumbruch]
Kanzler. Franz Freiherr v. Pillerdorff, Hofkanzler. Joseph Freiherr v. Weingarten, Hofkllnzler. Nach Sr. k. k. apostol. Majestät höchst eigenem Befehle: Peter Edler v. Salzgeber, k. k. Hofrath. Oesterreichische Monarchie. Briefe aus Pesth und Preßburg haben wir nicht erhalten, aber die Großbritannien. London, 14 März. Im Verfolge der Unterhaussitzung am 13 März wurde die Im Beginn der Unterhaussitzung am 14 März stellte Hr. Es war ungegründet daß die Regierung die auf den 13 März Dem M. Chronicle zufolge sind der Herzog und die Herzogin Der Adelaide Observer meldet: "Die Neusüdwales-Expedi- Frankreich. Paris, 15 März. Hr. Marrast, jetzt Maire von Paris, hat die provisorische Verwal- # Paris, 14 März. Wie das Vertrauen mit Riesenschritten [Spaltenumbruch]
Kanzler. Franz Freiherr v. Pillerdorff, Hofkanzler. Joſeph Freiherr v. Weingarten, Hofkllnzler. Nach Sr. k. k. apoſtol. Majeſtät höchſt eigenem Befehle: Peter Edler v. Salzgeber, k. k. Hofrath. Oeſterreichiſche Monarchie. Briefe aus Peſth und Preßburg haben wir nicht erhalten, aber die Großbritannien. London, 14 März. Im Verfolge der Unterhausſitzung am 13 März wurde die Im Beginn der Unterhausſitzung am 14 März ſtellte Hr. Es war ungegründet daß die Regierung die auf den 13 März Dem M. Chronicle zufolge ſind der Herzog und die Herzogin Der Adelaide Obſerver meldet: „Die Neuſüdwales-Expedi- Frankreich. Paris, 15 März. Hr. Marraſt, jetzt Maire von Paris, hat die proviſoriſche Verwal- # Paris, 14 März. Wie das Vertrauen mit Rieſenſchritten <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <floatingText> <body> <div n="1"> <closer> <signed><pb facs="#f0007" n="1255"/><cb/> Kanzler. Franz Freiherr v. Pillerdorff, Hofkanzler. 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Wenn er jetzt, von dieſem<lb/> abweichend, gegen die Einkommenſteuer votire, ſo thue er es, einmal we-<lb/> gen der unbilligen Modalität und der Unpopularität dieſer Taxe, und<lb/> dann weil er überzeugt ſey daß dieſelbe in die Länge doch nicht ausrei-<lb/> chen würde die Finanzſchwierigkeiten des Landes zu heilen, ſondern<lb/> daß es dazu einer durchgreifenden Reviſion des ganzen Steuerſyſtems<lb/> bedürfe. Der Hauptredner gegen die Steuer aber war Hr. <hi rendition="#g">Cobden</hi>.<lb/> Er ſchilderte die innere Unbilligkeit der Steuer, welche ungewiſſes und<lb/> mühſam erworbenes Einkommen ganz auf die gleiche Weiſe behandle<lb/> wie ſichere und bequeme Vermögenserträgniſſe, in lebhaften Zügen, und<lb/> warnte die Regierung ſich das was in andern Ländern vorgefallen zur<lb/> Lehre dienen zu laſſen. 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Lord John bat ihn nicht mißzuverſtehen, wie man ihn neulich<lb/> mißverſtanden habe; er wünſche die Erhaltung des Friedens, mit Frankreich<lb/> wie mit jedem andern Land, und hoffe auch daß derſelbe Europen gewahrt<lb/> bleibe; aber was zu Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts<lb/> Geiſter wie Pitt, Fox und Burke nicht vermocht, nämlich die folgenſchwe-<lb/> ren Ereigniſſe der damaligen franzöſiſchen Revolution vorauszuſagen, das<lb/> vermöge <hi rendition="#g">er</hi> jetzt noch viel weniger. Wer wage zu prophezeien was jetzt die<lb/> nächſten Monate, ja ſchon die nächſten Tage bringen können? Den Weiſen<lb/> und den Klugen zieme es da nicht Sorgloſigkeit zu heucheln wo alles in Un-<lb/> gewißheit ſchwanke, mitten im Grauen der Dunkelheit nicht zu behaupten<lb/> daß man in hellem Tagslicht wandle. (Hört!) Der Miniſter ſchloß mit<lb/> einigen energiſchen Worten in Bezug auf die bedrohliche Stimmung<lb/> Irlands, und deutete an daß er, wenn die heutige Abſtimmung gegen<lb/> ihn ausfiele, alsbald vom Amte zurücktreten würde. 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Benjamin <hi rendition="#g">Hawes</hi>, der Unter-<lb/> ſtaatsſecretär der Colonien, welcher in der letzten allgemeinen Parla-<lb/> mentswahl durchgefallen, hat endlich einen Sitz gefunden: in der nöthig<lb/> gewordenen Einzelwahl für Kinſale ward er mit kleiner Stimmenmehr-<lb/> heit gegen den conſervativen Bewerber Lord R. Clinton gewählt. Zwei<lb/> andere miniſterielle Beamte, der Präſident des indiſchen Controlamtes<lb/> Sir J. C. Hobhouſe und der Armeezahlmeiſter Macaulay, find aber<lb/> noch immer ohne Sitz. — Lord <hi rendition="#g">Brougham</hi> war in der letzten Zeit,<lb/> während ſein Freund Ludwig Philipp vom Throne ſank, auf ſeinem<lb/> Landgute bei Cannes in Südfrankreich an der Halsbräune lebensgefähr-<lb/> lich erkrankt. Den neueſten Nachrichten zufolge iſt er jetzt außer Gefahr,<lb/> und wird Ende dieſes Monats ſeine Rückreiſe nach England antreten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>Es war ungegründet daß die Regierung die auf den 13 März<lb/> angeſetzte Chartiſtenverſammlung auf dem Gemeindanger von Ken-<lb/> ſington bei London verboten. Das kann ſie verfaſſungsmäßig nicht;<lb/> bloß im Bereich von zwei engliſchen Meilen um Weſtminſter herum<lb/> können Meetings unter freiem Himmel kraft einer Parlamentsacte aus<lb/> der Zeit Georgs <hi rendition="#aq">III</hi> unterſagt werden. Obige Verſammlung ging<lb/> übrigens, hitzige Reden abgerechnet, ganz ruhig vorüber, und die<lb/> zahlreich anweſenden Specialconſtables fanden nichts zu thun. Ein-<lb/> fallender heftiger Regenſchauer zerſtreute die Verſammelten. Char-<lb/> tiſtenmeetings ſind auch in mehreren andern Städten des Landes ange-<lb/> kündigt, ſo in Sheffield, Salford, Birmingham Hull, in welcher<lb/> letztern Stadt ſie ihr Hauptquartier zu haben ſcheinen. Nach Bir-<lb/> mingham ſind von London 200 Mann Fußvolk mit einigem Geſchütz<lb/> abgegangen. — Im Londoner Hoftheater (<hi rendition="#aq">her Majesty’s Theatre</hi>) ſoll<lb/> demnächſt unter Sanction der Königin eine Vorſtellung zum Beſten<lb/> der nothleidenden Handwerker der Hauptſtadt gegeben werden, von<lb/> welcher man ſich reiche Einnahme verſpricht. Dieſer Gedanke Milde<lb/> gegen die Leidenden und Strenge gegen die Unbotmäßigen Hand in<lb/> Hand gehen zu laſſen, bemerkt das M. <hi rendition="#g">Chronicle</hi>, finde allgemei-<lb/> nen Beifall.</p> </div> </div> </div><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <div type="jArticle" n="2"><lb/> <p>Dem M. <hi rendition="#g">Chronicle</hi> zufolge ſind der Herzog und die Herzogin<lb/> v. 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Dieſem Beiſpiel folgen auch die Eiſenbahnactien.<lb/> Die Clubs und das Feiern der Arbeiter flößen die meiſte Beſorgniß ein;<lb/> jene beſtehen vorzüglich aus dieſen und wirken auch vorzugsweiſe auf ſie.<lb/> Mit ihrer Hülfe werden auch die Wahlen zur Nationalverſammlung<lb/> hier in dem Sinne durchgeſetzt werden den das Rundſchreiben des Hrn.<lb/> Ledru-Rollin an die Regierungscommiſſäre in den Provinzen hat. Ge-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1255/0007]
Kanzler. Franz Freiherr v. Pillerdorff, Hofkanzler. Joſeph Freiherr
v. Weingarten, Hofkllnzler. Nach Sr. k. k. apoſtol. Majeſtät höchſt
eigenem Befehle: Peter Edler v. Salzgeber, k. k. Hofrath.
Oeſterreichiſche Monarchie.
Briefe aus Peſth und Preßburg haben wir nicht erhalten, aber die
Peſther Zeitung vom 14, die Preßburger vom 15: weder jene noch dieſe
reden von Unruhen in einer der beiden Städte.
Großbritannien.
London, 14 März.
Im Verfolge der Unterhausſitzung am 13 März wurde die
zweimal vertagte Debatte über Hrn. Hume’s Amendement: die Einkom-
menſteuer auf ein Jahr zu beſchränken, lebhaft wieder aufgenommen
und zum Schluß geführt. Hr. Hume beklagte daß neulich das Haus
von der vorliegenden Frage abſchweifend eine Controverſe über den
Werth oder Unwerth der Freihandelspolitik angeſponnen habe, und bat
dießmal bei der Klinge zu bleiben. Das Mitglied für Glasgow, der han-
delskundige Hr. Mac Gregor, welcher in der öffentlichen Meinung als
eigentlicher Urheber der Peel’ſchen Freetrade-Maßregeln gilt, erklärte
gegen neuliche Anzüglichkeiten Hrn. Diſraeli’s: er ſey nicht der Lehrer,
ſondern der Schüler des ehrenw. Baronet. Wenn er jetzt, von dieſem
abweichend, gegen die Einkommenſteuer votire, ſo thue er es, einmal we-
gen der unbilligen Modalität und der Unpopularität dieſer Taxe, und
dann weil er überzeugt ſey daß dieſelbe in die Länge doch nicht ausrei-
chen würde die Finanzſchwierigkeiten des Landes zu heilen, ſondern
daß es dazu einer durchgreifenden Reviſion des ganzen Steuerſyſtems
bedürfe. Der Hauptredner gegen die Steuer aber war Hr. Cobden.
Er ſchilderte die innere Unbilligkeit der Steuer, welche ungewiſſes und
mühſam erworbenes Einkommen ganz auf die gleiche Weiſe behandle
wie ſichere und bequeme Vermögenserträgniſſe, in lebhaften Zügen, und
warnte die Regierung ſich das was in andern Ländern vorgefallen zur
Lehre dienen zu laſſen. Nicht von außen drohe für England Gefahr,
und darum könne und müſſe das Deſicit in den Finanzen durch
Minderung der Waffenmittel des Landes gedeckt werden; wohl aber drohe
Gefahr im Innern, wenn man die Geſetzgebung nicht auf jene ſtrengen
Regeln der Gerechtigkeit ſtelle welche die vorhandenen Staatseinrichtun-
gen in England, wie in jedem andern Land, allein zu ſichern vermögen.
Lord John Ruſſell, welcher ſehr leidend ausſah und mit ſchwacher
Stimme ſprach, vertheidigte den urſprünglichen Vorſchlag der Regie-
rung in langer Rede, auf welche wir des nähern zurückkommen werden.
Alle andern Auskunftsmittel zur Deckung des Deſicits und der laufen-
den Staatsbedürfniſſe, die man in Vorſchlag gebracht, ſcheinen ihm un-
zulänglich oder unthunlich, vollends aber der Rath bei der jetzigen Welt-
lage die Land- und Seemacht Britanniens zu vermindern beinahe thö-
richt. Lord John bat ihn nicht mißzuverſtehen, wie man ihn neulich
mißverſtanden habe; er wünſche die Erhaltung des Friedens, mit Frankreich
wie mit jedem andern Land, und hoffe auch daß derſelbe Europen gewahrt
bleibe; aber was zu Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts
Geiſter wie Pitt, Fox und Burke nicht vermocht, nämlich die folgenſchwe-
ren Ereigniſſe der damaligen franzöſiſchen Revolution vorauszuſagen, das
vermöge er jetzt noch viel weniger. Wer wage zu prophezeien was jetzt die
nächſten Monate, ja ſchon die nächſten Tage bringen können? Den Weiſen
und den Klugen zieme es da nicht Sorgloſigkeit zu heucheln wo alles in Un-
gewißheit ſchwanke, mitten im Grauen der Dunkelheit nicht zu behaupten
daß man in hellem Tagslicht wandle. (Hört!) Der Miniſter ſchloß mit
einigen energiſchen Worten in Bezug auf die bedrohliche Stimmung
Irlands, und deutete an daß er, wenn die heutige Abſtimmung gegen
ihn ausfiele, alsbald vom Amte zurücktreten würde. Mehrere Redner,
ſowohl radicale wie Hr. Wakley, als hochtoryſtiſche und protectioniſti-
ſche wie Oberſt Sibthorp, folgten mit heftigen Aeußerungen gegen
die Taxe; endlich aber wurde das Hume’ſche Amendement mit 363 ge-
gen 138, alſo mit einem Mehr von 225 Stimmen, verworfen, und es
hat bei dem urſprünglichen Regierungsantrag ſein Verbleiben. — Die
Oberhausſitzung war unbedeutend.
Im Beginn der Unterhausſitzung am 14 März ſtellte Hr.
Hindley wirklich die Tags zuvor angekündigte Frage an den Staats-
ſecretär des Auswärtigen: ob ein Schutz- und Trutzbündniß zwiſchen
England und Preußen geſchloſſen ſey. Lord Palmerſton: „Kein Ver-
trag irgendeiner Art (no treaty whatever) iſt in letzter Zeit zwiſchen
England und Preußen geſchloſſen worden. Das einzige Bezügliche was
vorgekommen, und was auch zu dem erwähnten Gerüchte Anlaß gegeben
haben mag, iſt: Preußen hat der brittiſchen Regierung erklärt daß es
ſich in Frankreichs innere Angelegenheiten in der jetzigen Kriſts in keine
Weiſe einmengen, ſondern in Bezug darauf dieſelbe Bahn verfolgen
wolle welche England einzuſchlagen für geeignet erachten möge.“ (Hört!
und lauter Beifall). Das Haus ging dann an eine Verhandlung über
Abſchaffung der Todesſtrafe. — Hr. Benjamin Hawes, der Unter-
ſtaatsſecretär der Colonien, welcher in der letzten allgemeinen Parla-
mentswahl durchgefallen, hat endlich einen Sitz gefunden: in der nöthig
gewordenen Einzelwahl für Kinſale ward er mit kleiner Stimmenmehr-
heit gegen den conſervativen Bewerber Lord R. Clinton gewählt. Zwei
andere miniſterielle Beamte, der Präſident des indiſchen Controlamtes
Sir J. C. Hobhouſe und der Armeezahlmeiſter Macaulay, find aber
noch immer ohne Sitz. — Lord Brougham war in der letzten Zeit,
während ſein Freund Ludwig Philipp vom Throne ſank, auf ſeinem
Landgute bei Cannes in Südfrankreich an der Halsbräune lebensgefähr-
lich erkrankt. Den neueſten Nachrichten zufolge iſt er jetzt außer Gefahr,
und wird Ende dieſes Monats ſeine Rückreiſe nach England antreten.
Es war ungegründet daß die Regierung die auf den 13 März
angeſetzte Chartiſtenverſammlung auf dem Gemeindanger von Ken-
ſington bei London verboten. Das kann ſie verfaſſungsmäßig nicht;
bloß im Bereich von zwei engliſchen Meilen um Weſtminſter herum
können Meetings unter freiem Himmel kraft einer Parlamentsacte aus
der Zeit Georgs III unterſagt werden. Obige Verſammlung ging
übrigens, hitzige Reden abgerechnet, ganz ruhig vorüber, und die
zahlreich anweſenden Specialconſtables fanden nichts zu thun. Ein-
fallender heftiger Regenſchauer zerſtreute die Verſammelten. Char-
tiſtenmeetings ſind auch in mehreren andern Städten des Landes ange-
kündigt, ſo in Sheffield, Salford, Birmingham Hull, in welcher
letztern Stadt ſie ihr Hauptquartier zu haben ſcheinen. Nach Bir-
mingham ſind von London 200 Mann Fußvolk mit einigem Geſchütz
abgegangen. — Im Londoner Hoftheater (her Majesty’s Theatre) ſoll
demnächſt unter Sanction der Königin eine Vorſtellung zum Beſten
der nothleidenden Handwerker der Hauptſtadt gegeben werden, von
welcher man ſich reiche Einnahme verſpricht. Dieſer Gedanke Milde
gegen die Leidenden und Strenge gegen die Unbotmäßigen Hand in
Hand gehen zu laſſen, bemerkt das M. Chronicle, finde allgemei-
nen Beifall.
Dem M. Chronicle zufolge ſind der Herzog und die Herzogin
v. Montpenſier ſchon am 9 März über Oſtende nach Deutſchland abge-
reist, wahrſcheinlich um ihre am Rhein befindliche Schwägerin, die
Herzogin von Orleans zu beſuchen, oder nach England abzuholen.
Der Adelaide Obſerver meldet: „Die Neuſüdwales-Expedi-
tion unter Hrn. Burnett hat den Boyne bis zum 24º 53' 50″ der
Breite abwärts erforſcht, wo die Fluth ſtark einzuwirken begann, und
die Erforſchungen nicht weiter mit Nutzen fortgeſetzt werden konnten.
Jndeſſen war man der Küſte nahe genug gekommen um die Gewißheit
erlangt zu haben daß der Boyne in die Hervey’s Bay ausmündet, wahr-
ſcheinlich an der Stelle wo Flinders früher zwei ſeichte Ausläſſe be-
merkte, die er nicht näher unterſuchte. Hr. Burnett zweifelt nicht daß
der Boyne in weiter Ausdehnung für Segel- und Dampfſchiffe brauch-
bar wird gefunden werden. Zunächſt wünſcht er nur daß ihn die Re-
gierung beauftragen möge ſeine Forſchungen von der Seeſeite her zu
vervollſtändigen.“
Frankreich.
Paris, 15 März.
Hr. Marraſt, jetzt Maire von Paris, hat die proviſoriſche Verwal-
tung und die Liquidation der alten Civilliſte und der Privatdomäne
abgegeben, und der ehemalige Deputirte von Paris, Hr. Vavin, iſt mit
dieſem Dienſt beauftragt. Es wird bemerkt daß ſeine Verrichtungen
unentgeltlich ſeyen. — Das Nationalanlehen macht nur langſame Fort-
ſchritte, doch haben am Montag drei ſtarke Einzahlungen ſtattgefunden:
Gabriel Odier und Comp. 1,117,800, Mathieu und Comp. 1,570,000
und Billaud 300,000 Fr.
# Paris, 14 März.
Wie das Vertrauen mit Rieſenſchritten
verſchwindet, zeigt mehr als alles andere das enorme und ſtets fortwäh-
rende Sinken der Bankactien. Die Rente zeigt gleichfalls fordauernde
Neigung zum Fallen. Dieſem Beiſpiel folgen auch die Eiſenbahnactien.
Die Clubs und das Feiern der Arbeiter flößen die meiſte Beſorgniß ein;
jene beſtehen vorzüglich aus dieſen und wirken auch vorzugsweiſe auf ſie.
Mit ihrer Hülfe werden auch die Wahlen zur Nationalverſammlung
hier in dem Sinne durchgeſetzt werden den das Rundſchreiben des Hrn.
Ledru-Rollin an die Regierungscommiſſäre in den Provinzen hat. Ge-
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(2022-04-08T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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