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Allgemeine Zeitung, Nr. 77, 17. März 1848.

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[Spaltenumbruch] keit sind das Vorrecht dieses Alters, und die Republik braucht diese
schönen Eigenschaften. Jhr werdet auch für die Ersetzung der Maires
und Adjuncten Sorge tragen. Jhr werdet sie provisorisch ernennen,
und mit der ordentlichen Gewalt bekleiden. Wenn die Municipal-
räthe seindselig sind, löst ihr sie auf und setzt in Vernehmen mit den
Maires eine provisorische Municipalität ein. Aber ihr ergreift diese
Maßregel nicht eher als im Fall strenger Nothwendigkeit. Jch glaube
daß die große Mehrheit der Municipalitäten beibehalten werden kann,
wenn man nur neue Chefs an die Spitze stellt. 2) Eure Verhält-
nisse zu den militärischen Chefs.
Jhr übt die Vollmachten der
vollziehenden Gewalt aus. Die bewaffnete Macht steht deßhalb unter
euren Befehlen. Jhr requirirt sie, setzt sie in Bewegung, ihr könnt
selbst, in ernsten Fällen, einen Corpschef suspendiren, indem ihr mir
unmittelbar berichtet. Allein ihr müßt in diesem Theil eurer Verrich-
tungen mit großer Schonung verfahren. Alles was von eurer Seite die
gerechte Empfindlichkeit der Corpschefs oder der Soldaten verletzen
könnte wäre ein nicht zu entschuldigender Fehler. Jch habe vernommen
daß in mehreren Departements die Commissäre nicht sogleich zwischen
sich und der Militärbehörde ein Band hergestellt haben, ich wundere mich
darüber und fordere euch auf diese so einsachen Regeln guter Politik und
Paßlichkeit nicht zu versäumen. Das Heer hat bei diesen letzten Ereig-
nissen seine lebhafte Sympathie für die republicanische Sache gezeigt,
man muß es mehr und mehr an sich knüpfen. Es ist Volk wie wir, es
ist die erste Brustwehr die sich einer Jnvasion entgegensetzen würde. Es
wird zum erstenmal in den Besitz politischer Rechte eintreten. Ehret es
also, und erwerbt euch die guten Gesinnungen derer die es befehligen.
Vergeßt ebensowenig daß eure Vollmachten die Disciplin nicht antasten
dürfen. 3) Eure Verhältnisse zur Magistratur. Die Magi-
stratur hängt nur in dem durch die Gesetze genau vorgezeichneten Kreis
von der vollziehenden Behörde ab. Jhr werdet von den Parquets
eine ergebene Mitwirkung verlangen: überall wo ihr sie nicht findet
werdet ihr mir Nachricht geben und mir die Namen derer anzei-
gen die sich durch ihre Redlichkeit und Festigkeit empfehlen. Jch
werde dem Justizminister unmittelbar davon Mittheilung machen.
Was die unentsetzbare Magistratur anlangt, so werdet ihr sie überwa-
chen, und wenn eines ihrer Mitglieder sich offen feindselig zeigte, so
könnt ihr von dem Recht der Suspenfion Gebrauch machen das eure sou-
veräne Autorität euch verleiht. 4) Die Nationalgarde. Jhr wer-
det von mir umständliche Verhaltungsregeln über die Einrichtung der
Bürgerwehr empfangen. Jch habe darin versucht alle Schwierigkeiten
vorzusehen und zu lösen denen ihr begegnen könnt. Die etwa aus unvor-
gesehenen und localen Hindernissen entspringenden wird eurer Patrio-
tismus heben. Bei Vornahme der Wahlen werdet ihr euch nach den
Regierungsdecreten richten, d. h. mit Entkräftung des Gesetzes von 1831
alle Officiere ohne Ausnahme durch die Nationalgarde ernennen lassen,
mit den obern Graden anfangend. Jhr werdet das Thun der Unter-
commissäre und der Municipalitäten sorgsam überwachen und sie zu ge-
nauer Rechenschaft über ihr Verfahren anhalten. 5) Die Wahlen.
Die Wahlen sind euer großes Werk. Sie müssen das Heil des Landes
werden. Von der Zusammensetzung der Versammlung hängen unsere
Geschicke ab. Es ist nothwendig daß sie von revolutionärem Geist be-
seelt sey wenn wir nicht dem Bürgerkrieg und der Anarchie entgegen
gehen wollen. Jn dieser Beziehung seyd auf der Hut gegen die Jntri-
guen von Menschen mit doppeltem Gesicht die, nachdem sie dem König-
thum gedient, sagen sie seyen Diener des Volks. Die betrügen euch
und ihr dürft sie nicht unterstützen. Jhr wisset wohl daß man, um sich
um die Ehre des Sitzes in der Nationalversammlung zu bewerben, rein
seyn muß von den Traditionen der Vergangenheit. Ueberall sey euer
Losungswort: Neue Männer, und soviel als möglich aus dem Volk.
Die Arbeiter, welche die lebendige Kraft der Nation find, sollen unter
sich diejenigen wählen die ihre Jntelligenz, ihre Moralität, ihre Erge-
benheit empfehlen. Vereinigt mit der Elite der Denker werden sie in
die Discussion aller aufgeregten großen Fragen die Autorität ihrer prak-
tischen Erfahrung bringen. Sie werden die Revolution fortführen und
fie in den Gränzen des Möglichen und der Vernunft halten. Ohne sie
würde sich dieselbe zu leeren Utopien verirren, oder unter der Anstren-
gung einer retrograden Faction entstellt werden. Kläret die Wähler
auf und wiederholt ihnen ohne Unterlaß daß das Reich der Männer der
Monarchie zu Ende ist. Jhr werdet wohl begreifen wie schwer eure
Aufgabe ist. Die Erziehung des Landes ist noch nicht gemacht. Es ist
an euch sie zu leiten. Ruset auf allen Punkten eures Departements die
[Spaltenumbruch] Versammlung von Wahlausschüssen hervor, prüst die Rechtstitel der
Candidaten strenge. Bleibt bei denen stehen die der republicanischen
Meinung am meisten Ausficht auf Erfolg darbieten. Keine Transac-
tion, keine Gefälligkeiten. Sey der Tag der Wahlen der Triumph der
Revolution."


Die Finanzlage und die Creditverhältnisse
verschlimmern sich täglich. Vergeblich suchen Leute die für 500,000 Fr.
Grundbesitz haben, Darlehen darauf zu erhalten: niemand will Geld
geben. Ich kenne eine Familie die sonst 50,000 Fr. jährliche Ein-
nahme hat und die jetzt sich genöthigt sah, um nur die nöthigsten
Lebensbedürfnisse zu decken, den ganzen Schmuck der Hausfrau im
Werthe von mehr als 36,000 Fr. ins Pfandhaus zu schicken, wo sie
2000 Fr. dafür erhielt. Und Tausende befinden sich in gleichem Falle.
Kein Wunder wenn solche Familien ihr zahlreiches Gesinde entlassen,
das sie nicht mehr bezahlen, ja buchstäblich nicht mehr ernähren kön-
nen. Die Manufacturbesitzer sind nicht besser daran und stellen da-
her ihre Arbeiten ein, deren Fortsetzung nur ihr Ruin wäre. Jn
den Zeitungen liest man daß die Leute überall mit Bereitwilligkeit
ihre Steuern voraus bezahlen; die Wahrheit ist daß die meisten es
nur thun aus Furcht übler Vormerkung gegen sie, wenn sie es un-
terließen. Der drohende Ton der vertrauten Regierungsorgane gegen
alle Diener oder Anhänger der vorigen Regierung, selbst gegen die
frühere dynastische Opposition um sie von der Betheiligung bei den Wah-
len abzuhalten, hat nur zum Theil seinen Zweck erreicht, kräftige Ent-
gegnung fehlt nicht. Darum vielleicht zieht der National heute etwas
gelindere Saiten auf. Selbst gegen den vielgepriesenen Volksdichter
Beranger hat sich bereits eine angreifende Anspielung verlauten lassen
in Raspail's Ami du peuple, der wieder regelmäßig erscheint. Ein
anderes Blatt, allem Anschein nach von ehemaligen Conservativen her-
ausgegeben, l'Assemblee nationale, eine ungewöhnlich energische
Sprache führend gegen die neue Richtung der Machthaber, findet Noth
nur Leute zu finden die den Verkauf desselben in den Straßen über-
nehmen wollen. Dagegen wird für 2 Sous überall das Leben Ludwig
Philipps von seiner Geburt bis zu seiner Thronentsetzung, dann "die
Ermordung des Herzogs von Bourbon-Conde," dessen Vermögen be-
kanntlich der Herzog von Aumale erbte, in der jetzt zusagenden Weise
erzählt zum Verkauf ausgeschrien. Ich sprach eben von Beranger.
Zwölfhundert Mitglieder der verschiedenen Liedertafeln von Paris ha-
ben gestern einmüthig beschlossen ihn an die Spitze der Candidaten
für die Vertretung des Seine-Departements in der Nationalversamm-
lung zu stellen. Jn den Gemeinden um Paris dieselbe Rührigkeit
der Clubs wie in der Stadt selbst. Zu Passy besteht ein Club un-
ter dem Namen societe unitaire de propagande democratique
fast durchweg aus Arbeitern zusammengesetzt. Dieser hat bereits seine
Einwirkung auf die Municipalwahlen begonnen. Alle Candidaten muß-
ten vor demselben erklären, daß sie der republicanischen Regierung
anhängen, die ausgedehnte und aufrichtige Entwicklung der democrati-
schen Grundsätze wolle. Diese Forderungen kann man allerdings von
denen welche die Republik eingeführt haben und ihre Erhaltung und
Befestigung wollen, nur natürlich finden. Auch herrscht nur eine
Ansicht darüber daß die Nationalversammlung, wie auch die Wah-
len ausfallen mögen, doch nur für die Republik sich erklären werde.
Dieß ist auch das geringste: der drohende Bankrott des Staates wie
der Privaten, der Ruin des Handels und der Jndustrie, das ist die
größte Gefahr welche alle Gemüther mit Bangigkeit erfüllt. Was
die Kriegsfrage anlangt, so ist sie ganz von der Wendung abhängig
welche die Finanz- und Creditsfrage nehmen wird.

Schweiz.

Die mit der Frage des Repräsentationssystems beauf-
tragte Section hat sich über die Hauptgrundlagen dahin verständigt:
"1) Daß in Bundesangelegenheiten eine Repräsentation der schweize-
rischen Nation nach dem Maßstab der Bevölkerung (auf 20,000 Seelen
ein Abgeordneter) eingeführt werde (Repräsentantenrath). 2) Daß ne-
ben dieser Repräsentation aber auch noch eine Vertretung der Kantone
nach gleichem Stimmrecht (Tagsatzung) beibehalten werde welche den
kleinen Kantonen gegen die so gefürchtete Uebermacht der großen Ga-
rantien gewähre. 3) Daß die Competenzen möglichst genau bestimmt,
die Befugnisse der einen und andern dieser Abtheilungen der obersten
Bundesversammlung speciell ausgeschieden werden sollen, um Conflic-
ten und zugleich auch der besorgten Verschleppung der Geschäfte ent-
gegenzuwirken." Der eidgenössische Kriegsrath hat in seiner Sitzung
vom 12 d. beschlossen die an der Gränze aufgestellten Bataillone zu
entlassen. (N. Z. Z.)



[Spaltenumbruch] keit ſind das Vorrecht dieſes Alters, und die Republik braucht dieſe
ſchönen Eigenſchaften. Jhr werdet auch für die Erſetzung der Maires
und Adjuncten Sorge tragen. Jhr werdet ſie proviſoriſch ernennen,
und mit der ordentlichen Gewalt bekleiden. Wenn die Municipal-
räthe ſeindſelig ſind, löst ihr ſie auf und ſetzt in Vernehmen mit den
Maires eine proviſoriſche Municipalität ein. Aber ihr ergreift dieſe
Maßregel nicht eher als im Fall ſtrenger Nothwendigkeit. Jch glaube
daß die große Mehrheit der Municipalitäten beibehalten werden kann,
wenn man nur neue Chefs an die Spitze ſtellt. 2) Eure Verhält-
niſſe zu den militäriſchen Chefs.
Jhr übt die Vollmachten der
vollziehenden Gewalt aus. Die bewaffnete Macht ſteht deßhalb unter
euren Befehlen. Jhr requirirt ſie, ſetzt ſie in Bewegung, ihr könnt
ſelbſt, in ernſten Fällen, einen Corpschef ſuspendiren, indem ihr mir
unmittelbar berichtet. Allein ihr müßt in dieſem Theil eurer Verrich-
tungen mit großer Schonung verfahren. Alles was von eurer Seite die
gerechte Empfindlichkeit der Corpschefs oder der Soldaten verletzen
könnte wäre ein nicht zu entſchuldigender Fehler. Jch habe vernommen
daß in mehreren Departements die Commiſſäre nicht ſogleich zwiſchen
ſich und der Militärbehörde ein Band hergeſtellt haben, ich wundere mich
darüber und fordere euch auf dieſe ſo einſachen Regeln guter Politik und
Paßlichkeit nicht zu verſäumen. Das Heer hat bei dieſen letzten Ereig-
niſſen ſeine lebhafte Sympathie für die republicaniſche Sache gezeigt,
man muß es mehr und mehr an ſich knüpfen. Es iſt Volk wie wir, es
iſt die erſte Bruſtwehr die ſich einer Jnvaſion entgegenſetzen würde. Es
wird zum erſtenmal in den Beſitz politiſcher Rechte eintreten. Ehret es
alſo, und erwerbt euch die guten Geſinnungen derer die es befehligen.
Vergeßt ebenſowenig daß eure Vollmachten die Disciplin nicht antaſten
dürfen. 3) Eure Verhältniſſe zur Magiſtratur. Die Magi-
ſtratur hängt nur in dem durch die Geſetze genau vorgezeichneten Kreis
von der vollziehenden Behörde ab. Jhr werdet von den Parquets
eine ergebene Mitwirkung verlangen: überall wo ihr ſie nicht findet
werdet ihr mir Nachricht geben und mir die Namen derer anzei-
gen die ſich durch ihre Redlichkeit und Feſtigkeit empfehlen. Jch
werde dem Juſtizminiſter unmittelbar davon Mittheilung machen.
Was die unentſetzbare Magiſtratur anlangt, ſo werdet ihr ſie überwa-
chen, und wenn eines ihrer Mitglieder ſich offen feindſelig zeigte, ſo
könnt ihr von dem Recht der Suſpenfion Gebrauch machen das eure ſou-
veräne Autorität euch verleiht. 4) Die Nationalgarde. Jhr wer-
det von mir umſtändliche Verhaltungsregeln über die Einrichtung der
Bürgerwehr empfangen. Jch habe darin verſucht alle Schwierigkeiten
vorzuſehen und zu löſen denen ihr begegnen könnt. Die etwa aus unvor-
geſehenen und localen Hinderniſſen entſpringenden wird eurer Patrio-
tismus heben. Bei Vornahme der Wahlen werdet ihr euch nach den
Regierungsdecreten richten, d. h. mit Entkräftung des Geſetzes von 1831
alle Officiere ohne Ausnahme durch die Nationalgarde ernennen laſſen,
mit den obern Graden anfangend. Jhr werdet das Thun der Unter-
commiſſäre und der Municipalitäten ſorgſam überwachen und ſie zu ge-
nauer Rechenſchaft über ihr Verfahren anhalten. 5) Die Wahlen.
Die Wahlen ſind euer großes Werk. Sie müſſen das Heil des Landes
werden. Von der Zuſammenſetzung der Verſammlung hängen unſere
Geſchicke ab. Es iſt nothwendig daß ſie von revolutionärem Geiſt be-
ſeelt ſey wenn wir nicht dem Bürgerkrieg und der Anarchie entgegen
gehen wollen. Jn dieſer Beziehung ſeyd auf der Hut gegen die Jntri-
guen von Menſchen mit doppeltem Geſicht die, nachdem ſie dem König-
thum gedient, ſagen ſie ſeyen Diener des Volks. Die betrügen euch
und ihr dürft ſie nicht unterſtützen. Jhr wiſſet wohl daß man, um ſich
um die Ehre des Sitzes in der Nationalverſammlung zu bewerben, rein
ſeyn muß von den Traditionen der Vergangenheit. Ueberall ſey euer
Loſungswort: Neue Männer, und ſoviel als möglich aus dem Volk.
Die Arbeiter, welche die lebendige Kraft der Nation find, ſollen unter
ſich diejenigen wählen die ihre Jntelligenz, ihre Moralität, ihre Erge-
benheit empfehlen. Vereinigt mit der Elite der Denker werden ſie in
die Discuſſion aller aufgeregten großen Fragen die Autorität ihrer prak-
tiſchen Erfahrung bringen. Sie werden die Revolution fortführen und
fie in den Gränzen des Möglichen und der Vernunft halten. Ohne ſie
würde ſich dieſelbe zu leeren Utopien verirren, oder unter der Anſtren-
gung einer retrograden Faction entſtellt werden. Kläret die Wähler
auf und wiederholt ihnen ohne Unterlaß daß das Reich der Männer der
Monarchie zu Ende iſt. Jhr werdet wohl begreifen wie ſchwer eure
Aufgabe iſt. Die Erziehung des Landes iſt noch nicht gemacht. Es iſt
an euch ſie zu leiten. Ruſet auf allen Punkten eures Departements die
[Spaltenumbruch] Verſammlung von Wahlausſchüſſen hervor, prüſt die Rechtstitel der
Candidaten ſtrenge. Bleibt bei denen ſtehen die der republicaniſchen
Meinung am meiſten Ausficht auf Erfolg darbieten. Keine Transac-
tion, keine Gefälligkeiten. Sey der Tag der Wahlen der Triumph der
Revolution.“


Die Finanzlage und die Creditverhältniſſe
verſchlimmern ſich täglich. Vergeblich ſuchen Leute die für 500,000 Fr.
Grundbeſitz haben, Darlehen darauf zu erhalten: niemand will Geld
geben. Ich kenne eine Familie die ſonſt 50,000 Fr. jährliche Ein-
nahme hat und die jetzt ſich genöthigt ſah, um nur die nöthigſten
Lebensbedürfniſſe zu decken, den ganzen Schmuck der Hausfrau im
Werthe von mehr als 36,000 Fr. ins Pfandhaus zu ſchicken, wo ſie
2000 Fr. dafür erhielt. Und Tauſende befinden ſich in gleichem Falle.
Kein Wunder wenn ſolche Familien ihr zahlreiches Geſinde entlaſſen,
das ſie nicht mehr bezahlen, ja buchſtäblich nicht mehr ernähren kön-
nen. Die Manufacturbeſitzer ſind nicht beſſer daran und ſtellen da-
her ihre Arbeiten ein, deren Fortſetzung nur ihr Ruin wäre. Jn
den Zeitungen liest man daß die Leute überall mit Bereitwilligkeit
ihre Steuern voraus bezahlen; die Wahrheit iſt daß die meiſten es
nur thun aus Furcht übler Vormerkung gegen ſie, wenn ſie es un-
terließen. Der drohende Ton der vertrauten Regierungsorgane gegen
alle Diener oder Anhänger der vorigen Regierung, ſelbſt gegen die
frühere dynaſtiſche Oppoſition um ſie von der Betheiligung bei den Wah-
len abzuhalten, hat nur zum Theil ſeinen Zweck erreicht, kräftige Ent-
gegnung fehlt nicht. Darum vielleicht zieht der National heute etwas
gelindere Saiten auf. Selbſt gegen den vielgeprieſenen Volksdichter
Beranger hat ſich bereits eine angreifende Anſpielung verlauten laſſen
in Raſpail’s Ami du peuple, der wieder regelmäßig erſcheint. Ein
anderes Blatt, allem Anſchein nach von ehemaligen Conſervativen her-
ausgegeben, l’Assemblée nationale, eine ungewöhnlich energiſche
Sprache führend gegen die neue Richtung der Machthaber, findet Noth
nur Leute zu finden die den Verkauf desſelben in den Straßen über-
nehmen wollen. Dagegen wird für 2 Sous überall das Leben Ludwig
Philipps von ſeiner Geburt bis zu ſeiner Thronentſetzung, dann „die
Ermordung des Herzogs von Bourbon-Condé,“ deſſen Vermögen be-
kanntlich der Herzog von Aumale erbte, in der jetzt zuſagenden Weiſe
erzählt zum Verkauf ausgeſchrien. Ich ſprach eben von Beranger.
Zwölfhundert Mitglieder der verſchiedenen Liedertafeln von Paris ha-
ben geſtern einmüthig beſchloſſen ihn an die Spitze der Candidaten
für die Vertretung des Seine-Departements in der Nationalverſamm-
lung zu ſtellen. Jn den Gemeinden um Paris dieſelbe Rührigkeit
der Clubs wie in der Stadt ſelbſt. Zu Paſſy beſteht ein Club un-
ter dem Namen ſociété unitaire de propagande démocratique
faſt durchweg aus Arbeitern zuſammengeſetzt. Dieſer hat bereits ſeine
Einwirkung auf die Municipalwahlen begonnen. Alle Candidaten muß-
ten vor demſelben erklären, daß ſie der republicaniſchen Regierung
anhängen, die ausgedehnte und aufrichtige Entwicklung der democrati-
ſchen Grundſätze wolle. Dieſe Forderungen kann man allerdings von
denen welche die Republik eingeführt haben und ihre Erhaltung und
Befeſtigung wollen, nur natürlich finden. Auch herrſcht nur eine
Anſicht darüber daß die Nationalverſammlung, wie auch die Wah-
len ausfallen mögen, doch nur für die Republik ſich erklären werde.
Dieß iſt auch das geringſte: der drohende Bankrott des Staates wie
der Privaten, der Ruin des Handels und der Jnduſtrie, das iſt die
größte Gefahr welche alle Gemüther mit Bangigkeit erfüllt. Was
die Kriegsfrage anlangt, ſo iſt ſie ganz von der Wendung abhängig
welche die Finanz- und Creditsfrage nehmen wird.

Schweiz.

Die mit der Frage des Repräſentationsſyſtems beauf-
tragte Section hat ſich über die Hauptgrundlagen dahin verſtändigt:
„1) Daß in Bundesangelegenheiten eine Repräſentation der ſchweize-
riſchen Nation nach dem Maßſtab der Bevölkerung (auf 20,000 Seelen
ein Abgeordneter) eingeführt werde (Repräſentantenrath). 2) Daß ne-
ben dieſer Repräſentation aber auch noch eine Vertretung der Kantone
nach gleichem Stimmrecht (Tagſatzung) beibehalten werde welche den
kleinen Kantonen gegen die ſo gefürchtete Uebermacht der großen Ga-
rantien gewähre. 3) Daß die Competenzen möglichſt genau beſtimmt,
die Befugniſſe der einen und andern dieſer Abtheilungen der oberſten
Bundesverſammlung ſpeciell ausgeſchieden werden ſollen, um Conflic-
ten und zugleich auch der beſorgten Verſchleppung der Geſchäfte ent-
gegenzuwirken.“ Der eidgenöſſiſche Kriegsrath hat in ſeiner Sitzung
vom 12 d. beſchloſſen die an der Gränze aufgeſtellten Bataillone zu
entlaſſen. (N. Z. Z.)



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[0020] keit ſind das Vorrecht dieſes Alters, und die Republik braucht dieſe ſchönen Eigenſchaften. Jhr werdet auch für die Erſetzung der Maires und Adjuncten Sorge tragen. Jhr werdet ſie proviſoriſch ernennen, und mit der ordentlichen Gewalt bekleiden. Wenn die Municipal- räthe ſeindſelig ſind, löst ihr ſie auf und ſetzt in Vernehmen mit den Maires eine proviſoriſche Municipalität ein. Aber ihr ergreift dieſe Maßregel nicht eher als im Fall ſtrenger Nothwendigkeit. Jch glaube daß die große Mehrheit der Municipalitäten beibehalten werden kann, wenn man nur neue Chefs an die Spitze ſtellt. 2) Eure Verhält- niſſe zu den militäriſchen Chefs. Jhr übt die Vollmachten der vollziehenden Gewalt aus. Die bewaffnete Macht ſteht deßhalb unter euren Befehlen. Jhr requirirt ſie, ſetzt ſie in Bewegung, ihr könnt ſelbſt, in ernſten Fällen, einen Corpschef ſuspendiren, indem ihr mir unmittelbar berichtet. Allein ihr müßt in dieſem Theil eurer Verrich- tungen mit großer Schonung verfahren. Alles was von eurer Seite die gerechte Empfindlichkeit der Corpschefs oder der Soldaten verletzen könnte wäre ein nicht zu entſchuldigender Fehler. Jch habe vernommen daß in mehreren Departements die Commiſſäre nicht ſogleich zwiſchen ſich und der Militärbehörde ein Band hergeſtellt haben, ich wundere mich darüber und fordere euch auf dieſe ſo einſachen Regeln guter Politik und Paßlichkeit nicht zu verſäumen. Das Heer hat bei dieſen letzten Ereig- niſſen ſeine lebhafte Sympathie für die republicaniſche Sache gezeigt, man muß es mehr und mehr an ſich knüpfen. Es iſt Volk wie wir, es iſt die erſte Bruſtwehr die ſich einer Jnvaſion entgegenſetzen würde. Es wird zum erſtenmal in den Beſitz politiſcher Rechte eintreten. Ehret es alſo, und erwerbt euch die guten Geſinnungen derer die es befehligen. Vergeßt ebenſowenig daß eure Vollmachten die Disciplin nicht antaſten dürfen. 3) Eure Verhältniſſe zur Magiſtratur. Die Magi- ſtratur hängt nur in dem durch die Geſetze genau vorgezeichneten Kreis von der vollziehenden Behörde ab. Jhr werdet von den Parquets eine ergebene Mitwirkung verlangen: überall wo ihr ſie nicht findet werdet ihr mir Nachricht geben und mir die Namen derer anzei- gen die ſich durch ihre Redlichkeit und Feſtigkeit empfehlen. Jch werde dem Juſtizminiſter unmittelbar davon Mittheilung machen. Was die unentſetzbare Magiſtratur anlangt, ſo werdet ihr ſie überwa- chen, und wenn eines ihrer Mitglieder ſich offen feindſelig zeigte, ſo könnt ihr von dem Recht der Suſpenfion Gebrauch machen das eure ſou- veräne Autorität euch verleiht. 4) Die Nationalgarde. Jhr wer- det von mir umſtändliche Verhaltungsregeln über die Einrichtung der Bürgerwehr empfangen. Jch habe darin verſucht alle Schwierigkeiten vorzuſehen und zu löſen denen ihr begegnen könnt. Die etwa aus unvor- geſehenen und localen Hinderniſſen entſpringenden wird eurer Patrio- tismus heben. Bei Vornahme der Wahlen werdet ihr euch nach den Regierungsdecreten richten, d. h. mit Entkräftung des Geſetzes von 1831 alle Officiere ohne Ausnahme durch die Nationalgarde ernennen laſſen, mit den obern Graden anfangend. Jhr werdet das Thun der Unter- commiſſäre und der Municipalitäten ſorgſam überwachen und ſie zu ge- nauer Rechenſchaft über ihr Verfahren anhalten. 5) Die Wahlen. Die Wahlen ſind euer großes Werk. Sie müſſen das Heil des Landes werden. Von der Zuſammenſetzung der Verſammlung hängen unſere Geſchicke ab. Es iſt nothwendig daß ſie von revolutionärem Geiſt be- ſeelt ſey wenn wir nicht dem Bürgerkrieg und der Anarchie entgegen gehen wollen. Jn dieſer Beziehung ſeyd auf der Hut gegen die Jntri- guen von Menſchen mit doppeltem Geſicht die, nachdem ſie dem König- thum gedient, ſagen ſie ſeyen Diener des Volks. Die betrügen euch und ihr dürft ſie nicht unterſtützen. Jhr wiſſet wohl daß man, um ſich um die Ehre des Sitzes in der Nationalverſammlung zu bewerben, rein ſeyn muß von den Traditionen der Vergangenheit. Ueberall ſey euer Loſungswort: Neue Männer, und ſoviel als möglich aus dem Volk. Die Arbeiter, welche die lebendige Kraft der Nation find, ſollen unter ſich diejenigen wählen die ihre Jntelligenz, ihre Moralität, ihre Erge- benheit empfehlen. Vereinigt mit der Elite der Denker werden ſie in die Discuſſion aller aufgeregten großen Fragen die Autorität ihrer prak- tiſchen Erfahrung bringen. Sie werden die Revolution fortführen und fie in den Gränzen des Möglichen und der Vernunft halten. Ohne ſie würde ſich dieſelbe zu leeren Utopien verirren, oder unter der Anſtren- gung einer retrograden Faction entſtellt werden. Kläret die Wähler auf und wiederholt ihnen ohne Unterlaß daß das Reich der Männer der Monarchie zu Ende iſt. Jhr werdet wohl begreifen wie ſchwer eure Aufgabe iſt. Die Erziehung des Landes iſt noch nicht gemacht. Es iſt an euch ſie zu leiten. Ruſet auf allen Punkten eures Departements die Verſammlung von Wahlausſchüſſen hervor, prüſt die Rechtstitel der Candidaten ſtrenge. Bleibt bei denen ſtehen die der republicaniſchen Meinung am meiſten Ausficht auf Erfolg darbieten. Keine Transac- tion, keine Gefälligkeiten. Sey der Tag der Wahlen der Triumph der Revolution.“ III Paris, 13 März. Die Finanzlage und die Creditverhältniſſe verſchlimmern ſich täglich. Vergeblich ſuchen Leute die für 500,000 Fr. Grundbeſitz haben, Darlehen darauf zu erhalten: niemand will Geld geben. Ich kenne eine Familie die ſonſt 50,000 Fr. jährliche Ein- nahme hat und die jetzt ſich genöthigt ſah, um nur die nöthigſten Lebensbedürfniſſe zu decken, den ganzen Schmuck der Hausfrau im Werthe von mehr als 36,000 Fr. ins Pfandhaus zu ſchicken, wo ſie 2000 Fr. dafür erhielt. Und Tauſende befinden ſich in gleichem Falle. Kein Wunder wenn ſolche Familien ihr zahlreiches Geſinde entlaſſen, das ſie nicht mehr bezahlen, ja buchſtäblich nicht mehr ernähren kön- nen. Die Manufacturbeſitzer ſind nicht beſſer daran und ſtellen da- her ihre Arbeiten ein, deren Fortſetzung nur ihr Ruin wäre. Jn den Zeitungen liest man daß die Leute überall mit Bereitwilligkeit ihre Steuern voraus bezahlen; die Wahrheit iſt daß die meiſten es nur thun aus Furcht übler Vormerkung gegen ſie, wenn ſie es un- terließen. Der drohende Ton der vertrauten Regierungsorgane gegen alle Diener oder Anhänger der vorigen Regierung, ſelbſt gegen die frühere dynaſtiſche Oppoſition um ſie von der Betheiligung bei den Wah- len abzuhalten, hat nur zum Theil ſeinen Zweck erreicht, kräftige Ent- gegnung fehlt nicht. Darum vielleicht zieht der National heute etwas gelindere Saiten auf. Selbſt gegen den vielgeprieſenen Volksdichter Beranger hat ſich bereits eine angreifende Anſpielung verlauten laſſen in Raſpail’s Ami du peuple, der wieder regelmäßig erſcheint. Ein anderes Blatt, allem Anſchein nach von ehemaligen Conſervativen her- ausgegeben, l’Assemblée nationale, eine ungewöhnlich energiſche Sprache führend gegen die neue Richtung der Machthaber, findet Noth nur Leute zu finden die den Verkauf desſelben in den Straßen über- nehmen wollen. Dagegen wird für 2 Sous überall das Leben Ludwig Philipps von ſeiner Geburt bis zu ſeiner Thronentſetzung, dann „die Ermordung des Herzogs von Bourbon-Condé,“ deſſen Vermögen be- kanntlich der Herzog von Aumale erbte, in der jetzt zuſagenden Weiſe erzählt zum Verkauf ausgeſchrien. Ich ſprach eben von Beranger. Zwölfhundert Mitglieder der verſchiedenen Liedertafeln von Paris ha- ben geſtern einmüthig beſchloſſen ihn an die Spitze der Candidaten für die Vertretung des Seine-Departements in der Nationalverſamm- lung zu ſtellen. Jn den Gemeinden um Paris dieſelbe Rührigkeit der Clubs wie in der Stadt ſelbſt. Zu Paſſy beſteht ein Club un- ter dem Namen ſociété unitaire de propagande démocratique faſt durchweg aus Arbeitern zuſammengeſetzt. Dieſer hat bereits ſeine Einwirkung auf die Municipalwahlen begonnen. Alle Candidaten muß- ten vor demſelben erklären, daß ſie der republicaniſchen Regierung anhängen, die ausgedehnte und aufrichtige Entwicklung der democrati- ſchen Grundſätze wolle. Dieſe Forderungen kann man allerdings von denen welche die Republik eingeführt haben und ihre Erhaltung und Befeſtigung wollen, nur natürlich finden. Auch herrſcht nur eine Anſicht darüber daß die Nationalverſammlung, wie auch die Wah- len ausfallen mögen, doch nur für die Republik ſich erklären werde. Dieß iſt auch das geringſte: der drohende Bankrott des Staates wie der Privaten, der Ruin des Handels und der Jnduſtrie, das iſt die größte Gefahr welche alle Gemüther mit Bangigkeit erfüllt. Was die Kriegsfrage anlangt, ſo iſt ſie ganz von der Wendung abhängig welche die Finanz- und Creditsfrage nehmen wird. Schweiz. Bern. Die mit der Frage des Repräſentationsſyſtems beauf- tragte Section hat ſich über die Hauptgrundlagen dahin verſtändigt: „1) Daß in Bundesangelegenheiten eine Repräſentation der ſchweize- riſchen Nation nach dem Maßſtab der Bevölkerung (auf 20,000 Seelen ein Abgeordneter) eingeführt werde (Repräſentantenrath). 2) Daß ne- ben dieſer Repräſentation aber auch noch eine Vertretung der Kantone nach gleichem Stimmrecht (Tagſatzung) beibehalten werde welche den kleinen Kantonen gegen die ſo gefürchtete Uebermacht der großen Ga- rantien gewähre. 3) Daß die Competenzen möglichſt genau beſtimmt, die Befugniſſe der einen und andern dieſer Abtheilungen der oberſten Bundesverſammlung ſpeciell ausgeſchieden werden ſollen, um Conflic- ten und zugleich auch der beſorgten Verſchleppung der Geſchäfte ent- gegenzuwirken.“ Der eidgenöſſiſche Kriegsrath hat in ſeiner Sitzung vom 12 d. beſchloſſen die an der Gränze aufgeſtellten Bataillone zu entlaſſen. (N. Z. Z.)

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 77, 17. März 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine77_1848/20>, abgerufen am 22.12.2024.