Allgemeine Zeitung, Nr. 77, 17. März 1848.[Spaltenumbruch]
denn auch dieser Landtag selbst ein neues Hemmniß nachdrücklichen Vor- ** Leipzig, 14 März. So eben Mittags 1 Uhr wird Nachstehen- "Amtliche Nachricht. Dresden, 13 März. Die Freude über diese Nachricht * Dresden, 12 März. Hier benutzte man gestern und heute Thea- K. Hannover. * Göttingen, 12 März Abends. Es ist mir Frankreich. Die Regierung hat versprochen der Nationalversammlung den letz- "1) Was sind eure Voll- [Spaltenumbruch]
denn auch dieſer Landtag ſelbſt ein neues Hemmniß nachdrücklichen Vor- ** Leipzig, 14 März. So eben Mittags 1 Uhr wird Nachſtehen- „Amtliche Nachricht. Dresden, 13 März. Die Freude über dieſe Nachricht * Dresden, 12 März. Hier benutzte man geſtern und heute Thea- K. Hannover. * Göttingen, 12 März Abends. Es iſt mir Frankreich. Die Regierung hat verſprochen der Nationalverſammlung den letz- „1) Was ſind eure Voll- <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div type="jComment" n="5"> <p><pb facs="#f0019"/><cb/> denn auch dieſer Landtag ſelbſt ein neues Hemmniß nachdrücklichen Vor-<lb/> ſchreitens. Seine Competenz iſt mit triftigen Gründen anzuzweifeln,<lb/> und die äußerſte Oppofition will dieſe Erklärung der Jncompetenz ins<lb/> Werk ſetzen, weil ſie von der jetzigen Zuſammenſtellung der Kammer<lb/> keine hinreichend entſchloſſene Theilnahme erwartet für das erhöhte Ver-<lb/> langen der Gegenwart. Die gemäßigtere Oppoſition dagegen ſagt: Ein<lb/> ſofortiges Auftreten des Landtages iſt vor allen Dingen wünſchenswerth.<lb/> Unter dem allgemeinen Einfluß einer ſo großen Zeit werden auch die<lb/> zeither flauen Deputirten gehoben und ſtärker erſcheinen, und das bewir-<lb/> ken was uns zunächſt noththut, Beſeitigung eines unpopulären Mini-<lb/> ſteriums und Berathung eines Preßgeſetzes. Unterdeſſen finden die<lb/> neuen Wahlen ſtatt und liefern uns die Kräfte zu weiteren Schritten.<lb/> Dieſe Anficht blieb zwar in der heutigen Verſammlung in der Minder-<lb/> zahl; da dieſer Verſammlung aber keine unmittelbare Beſtimmung zu-<lb/> ſteht, ſo werden die Dinge wohl ſo verlaufen wie ſie von jener Minderzahl<lb/> gewünſcht und gehofft werden. Wäre dieß nicht der Fall, ſo bliebe Sach-<lb/> ſen, ſicherlich zu ſeinem und zu Deutſchlands Unheil, hinter dem ſtimm-<lb/> führenden conſtitutionellen Deutſchland zurück. Der Norden gibt ohne-<lb/> dieß zu der dringenden Beſorgniß Veranlaſſung daß er dem für Deutſch-<lb/> lands Einheit und Wohl nöthigen Schwunge nicht nachzukommen weiß.<lb/> Sachſen iſt längſt ſo weit politiſch entwickelt um ihm in dieſer Bezie-<lb/> hung nicht beigezählt zu werden. Die heutige Verſammlung hat denn<lb/> zu der wichtigſten deutſchen Angelegenheit, zu der eines deutſchen Par-<lb/> laments, zwei Abgeordnete erwählt, Biedermann und Todt, welche nach<lb/> Frankfurt zu dem vorbereitenden Congreſſe von Volksabgeordneten gehen<lb/> ſollen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="5"> <dateline><hi rendition="#b">** Leipzig,</hi> 14 März.</dateline><lb/> <p>So eben Mittags 1 Uhr wird Nachſtehen-<lb/> des bekannt gemacht:</p><lb/> <floatingText> <body> <div n="1"> <p><hi rendition="#g">„Amtliche Nachricht.</hi><hi rendition="#b">Dresden,</hi> 13 März.<lb/> Se. königl. Maj. haben den Staatsrath v. Könneritz aus dem Staats-<lb/> dienſt entlaſſen. Se. königl. 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Jnzwi-<lb/> ſchen hatte Hr. Heintze, der die ſtärkſten Maßregeln liebt, eine Abthei-<lb/> lung Cuiraſſiere noch die Nacht durch Eilboten requirirt, und dieſe be-<lb/> ſetzten mit gezogenem Schwert den Marktplatz, und von Eimbeck her wa-<lb/> ren auch leichte Jäger unterwegs, deren Gepäck gegen Mittag eintraf.<lb/> Die Entrüſtung der Univerſität wie der Bürger war allgemein. Dieſe<lb/> eilten zu ihrem Bürgermeiſter. Derſelbe zögerte die nöthigen Schritte<lb/> zu thun, er wollte auf den ſpäten Nachmittag den Polizeirath (aus Pro-<lb/> feſſoren, Univerſitätsgerichts- und Magiſtratsmitgliedern beſtehend) be-<lb/><cb/> rufen. Allein es wurde ihm die Eile dringend gemacht. Endlich ent-<lb/> ſchloß er fich, von den Bürgern begleitet, zu Hrn. Heintze zu gehen.<lb/> Ohne den Polizeirath wollte dieſer das Militär nicht entlaſſen, er be-<lb/> hauptete die „Zuſtimmung“ der akademiſchen Behörde zur Berufung ge-<lb/> habt zu haben, während dieſe nur das „Mitwiſſen“ einräumen wollte.<lb/> Die Bürgerſchaft zerſtreute ſich vollkommen ruhig um die Entſcheidung<lb/> des Polizeiraths Nachmittags 3 Uhr auf dem Rathhauſe zu vernehmen.<lb/> Nur Bürger betraten das Rathhaus. Sie mußten lange warten. Endlich<lb/> verſprach Hr. Heintze das Militär zurückziehen zu wollen wenn die Bürger<lb/> für die Ruhe und Sicherheit der Stadt haften wollten. Das wurde ange-<lb/> nommen. Die Officiere, ſämmtlich äußerſt humanen Charakters, ließen<lb/> ihre Reiter auf Seitenwegen in einzelnen kleinen Abtheilungen die<lb/> Stadt verlaſſen. Jndeß mußte weiter gehandelt werden. Aſſeſſor<lb/> Dankwerts hatte ſchon früher eine Reformadreſſe in den Magiſtrat ge-<lb/> bracht. Sie war lau aufgenommen und ſollte mit mehr Nachdruck wie-<lb/> der geſtellt werden. Sie ſand kräftige Unterſtützung, und es wurde ihr<lb/> als ſpeciell ſtädtiſche Beſchwerde hinzugefügt daß Hr. Heintze das Ver-<lb/> trauen der Bürger nie beſeffen habe, und daß man auf ſofortige Enthe-<lb/> bung desſelben ſeiner Stelle als Polizeidirector dringen müſſe mit<lb/> Vorbehalt der Criminalklage. Die Adreſſe war vielen Bürgern ſchon<lb/> bekannt. Sie wurde 6 Uhr Abends berathen, dann revidirt und um<lb/> 9 Uhr zur Unterſchrift ausgelegt. Sie enthält alle Reformpunkte, be-<lb/> kam die Unterſchriften des geſammten Magiſtrats und der Bürgervor-<lb/> ſteher, ſofort viele hundert Unterſchriften; und eine Deputation aus dem<lb/> Stadtgerichtsaſſor Dankwerts, Zimmermeiſter Georg Freiſe, Kauf-<lb/> mann L. Laporte und <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Bock beſtehend, hat ſich noch die Nacht auf<lb/> den Weg nach Hannover gemacht um fie dem König einzuhändigen. Auch<lb/> Hr. Heintze iſt nach Hannover abgereist. Jn dieſem Augenblick durchziehen<lb/> Patrouillen unbewaffneter Bürger und Studenten die Straßen. Das<lb/> alte Concilienhaus, wehmüthig luſtigen Andenkens, iſt ihnen als<lb/> Hauptwache eingeräumt. Es herrſcht ſchönſte Eintracht und Ruhe.</p> </div> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"><lb/> <p>Die Regierung hat verſprochen der Nationalverſammlung den letz-<lb/> ten Entſcheid über das Werk der Revolution zu überlaſſen, man würde<lb/> ſich aber wohl täuſchen wenn man glaubte daß ſich in jener Verſamm-<lb/> lung principiell abweichende Meinungen würden geltend machen können.<lb/> Die jetzigen Gewalthaber ſind inſofern bereits aus ihrem proviſoriſchen<lb/> Charakter herausgetreten, als ſie ſchon vorher das ganze Land republi-<lb/> caniſch umgeſtalten. So wird dann der freien Wahl, wobei ſich die ge-<lb/> mäßigten Parteien geltend machen könnten, wenig übrig bleiben. Die<lb/> Commiſſäre der proviforiſchen Regierung welche in alle Departements<lb/> abgeſchickt wurden, find mit den außerordentlichſten Vollmachten ausge-<lb/> rüſtet, die kaum geringer ſind als diejenigen welche die Commiſſäre des<lb/> Nationalconvents auszuüben hatten. Von großer Wichtigkeit iſt daher<lb/> ein neues Umlaufſchreiben des Miniſters des Jnnern, Hrn. Ledru-Rol-<lb/> lin, worin das Verhältniß dieſer Commiſſäre zur Magiſtratur, der<lb/> Nationalgarde und den Wahlen, beſonders den Wählern in ſcharfen<lb/> Umriſſen vorgezeichnet iſt. Wird man das Wahlbeſchützung oder<lb/> Wahlbeherrſchung nennen? Der Miniſter legt ſich fünf Fragen zur<lb/> Beantwortung vor, die er alſo löst:</p><lb/> <floatingText> <body> <div n="1"> <p>„1) <hi rendition="#g">Was ſind eure Voll-<lb/> machten?</hi> Sie find unbegränzt. Agent einer revolutionären Behörde,<lb/> ſeyd ihr auch revolutionär. Der Sieg des Volks hat euch das Mandat<lb/> auferlegt ſein Werk verkündigen zu laſſen, zu befeſtigen. Zur Erfül-<lb/> lung dieſer Aufgabe ſeyd ihr mit ſeiner Oberherrlichkeit bekleidet, ihr<lb/> hängt nur ab von eurem Gewiſſen, ihr müßt thun was die Umſtände<lb/> erheiſchen für die öffentliche Wohlfahrt. Dank unſern Sitten — dieſe<lb/> Aufgabe hat nichts ſchreckliches. Bis jetzt hattet ihr keinen ernſthaften<lb/> Widerſtand zu brechen, und ihr konntet in ruhiger Haltung bleiben in<lb/> eurer Kraft. Jhr dürft euch indeß keine Täuſchung machen über den<lb/> Zuſtand des Landes. Die republicaniſchen Gefühle müſſen daſelbſt leb-<lb/> haft erregt werden, und darum muß man alle politiſchen Verrichtungen<lb/> ſichern und gleichgeſinnten Männern anvertrauen. Ueberall müſſen die<lb/> Präfecten und die Unterpräfecten gewechſelt werden. Jn einigen Oert-<lb/> lichkeiten verlangt man ihre Beibehaltung. Jhr müßt den Bevölkerun-<lb/> gen begreiflich machen daß man die nicht beibehalten kann die einer Ge-<lb/> walt gedient haben deren Handeln Beſtechung war. Die Ernennung<lb/> von Untercommiſſären welche dieſe Beamten erſetzen iſt eure Sache.<lb/> Jhr berichtet an mich ſo oft ihr Anſtände habt. Wählt vorzugsweiſe<lb/> Männer die dem Hauptort angehören. Jhr braucht ſie nur dann aus<lb/> dem Bezirk ſelbſt zu wählen wenn ihr fie von allem Coteriegeiſt frei<lb/> wißt. Setzt die jungen Leute nicht bei Seite. Eifer und Großherzig-<lb/></p> </div> </body> </floatingText> </div> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [0019]
denn auch dieſer Landtag ſelbſt ein neues Hemmniß nachdrücklichen Vor-
ſchreitens. Seine Competenz iſt mit triftigen Gründen anzuzweifeln,
und die äußerſte Oppofition will dieſe Erklärung der Jncompetenz ins
Werk ſetzen, weil ſie von der jetzigen Zuſammenſtellung der Kammer
keine hinreichend entſchloſſene Theilnahme erwartet für das erhöhte Ver-
langen der Gegenwart. Die gemäßigtere Oppoſition dagegen ſagt: Ein
ſofortiges Auftreten des Landtages iſt vor allen Dingen wünſchenswerth.
Unter dem allgemeinen Einfluß einer ſo großen Zeit werden auch die
zeither flauen Deputirten gehoben und ſtärker erſcheinen, und das bewir-
ken was uns zunächſt noththut, Beſeitigung eines unpopulären Mini-
ſteriums und Berathung eines Preßgeſetzes. Unterdeſſen finden die
neuen Wahlen ſtatt und liefern uns die Kräfte zu weiteren Schritten.
Dieſe Anficht blieb zwar in der heutigen Verſammlung in der Minder-
zahl; da dieſer Verſammlung aber keine unmittelbare Beſtimmung zu-
ſteht, ſo werden die Dinge wohl ſo verlaufen wie ſie von jener Minderzahl
gewünſcht und gehofft werden. Wäre dieß nicht der Fall, ſo bliebe Sach-
ſen, ſicherlich zu ſeinem und zu Deutſchlands Unheil, hinter dem ſtimm-
führenden conſtitutionellen Deutſchland zurück. Der Norden gibt ohne-
dieß zu der dringenden Beſorgniß Veranlaſſung daß er dem für Deutſch-
lands Einheit und Wohl nöthigen Schwunge nicht nachzukommen weiß.
Sachſen iſt längſt ſo weit politiſch entwickelt um ihm in dieſer Bezie-
hung nicht beigezählt zu werden. Die heutige Verſammlung hat denn
zu der wichtigſten deutſchen Angelegenheit, zu der eines deutſchen Par-
laments, zwei Abgeordnete erwählt, Biedermann und Todt, welche nach
Frankfurt zu dem vorbereitenden Congreſſe von Volksabgeordneten gehen
ſollen.
** Leipzig, 14 März.
So eben Mittags 1 Uhr wird Nachſtehen-
des bekannt gemacht:
„Amtliche Nachricht. Dresden, 13 März.
Se. königl. Maj. haben den Staatsrath v. Könneritz aus dem Staats-
dienſt entlaſſen. Se. königl. Maj. haben auch die Entlaſſung der Staats-
miniſter v. Zeſchau, v. Wietersheim, v. Carlowitz und v. Oppell beſchloſ-
ſen, zugleich jedoch angeordnet daß ſie die ihnen übertragenen Departe-
ments ſolange fortführen ſollen bis die ihnen des baldigſten zu gebenden
Nachfolger eingetreten ſeyn werden.“
Die Freude über dieſe Nachricht
iſt auf allen Geſichtern zu leſen.
* Dresden, 12 März.
Hier benutzte man geſtern und heute Thea-
ter und Muſterung der Communalgarde ſowie die Preſſe um loyale Geſin-
nungen und donnernde Vivats für den König auszuſprechen. Wir wür-
den uns eines ſolchen Benehmens gewiß freuen, wenn die Dresdener
nur auch ebenſo entſchieden und warm für die Sache der freiheitlichen
Entwicklung aufträten; leider aber iſt davon daß das geſchehe, nicht
eben viel zu ſpüren, und doch heißt es wenn je ſo jetzt: das eine thun
und das andere nicht laſſen. Rettung für Deutſchland liegt nur darin
daß man gleichmäßig feſt für das monarchiſche Princip und für die Re-
form auftritt.
K. Hannover.
* Göttingen, 12 März Abends.
Es iſt mir
lieb die hieſigen Vorgänge, die ich dieſen Nachmittag Ihnen nur erſt
flüchtig andeuten konnte, als energiſche Reformbewegung, nicht als Re-
volution bezeichnen zu dürfen. Ich will jetzt bei völliger Muße etwas
ausführlicher darauf zurückkommen. Wie ſchon geſagt hatte die Gen-
darmerie auf Befehl des Polizeidirectors Heintze einen groben Angriff
mit den Waffen auf wehrloſe Studenten gemacht. Es war einer derſel-
ben tief in die Schulter verwundet, andere waren erträglicher davon ge-
kommen, aber hatten elend auf der Erde gelegen, und in der blinden
Wirth der rohen Menſchen hatte ſogar einer ihrer Helfer, ein Pedell, ei-
nen Hieb über den Kopf bekommen. Die Studenten erſchienen zu der
vom Prorector dazu angeſetzten Stunde in Maſſe, aber durchaus ruhig
in dem Univerſitätshauſe. Sie erklärten, wenn ihnen hier kein Recht
werde, die Stadt in Maſſe zu verlaſſen. „Meine Herren, es muß Jhnen
Genugthuung werden, antwortete ihnen ein Senatsmitglied, ſonſt
gehen Sie nicht allein.“ Dieß kräftige Wort beruhigte vollkom-
men, und es konnten keine beſſern Deputirten deßhalb nach Hannover
abgehen als die HH. Briegleb, Fuchs, Ritter und Zachariä. Jnzwi-
ſchen hatte Hr. Heintze, der die ſtärkſten Maßregeln liebt, eine Abthei-
lung Cuiraſſiere noch die Nacht durch Eilboten requirirt, und dieſe be-
ſetzten mit gezogenem Schwert den Marktplatz, und von Eimbeck her wa-
ren auch leichte Jäger unterwegs, deren Gepäck gegen Mittag eintraf.
Die Entrüſtung der Univerſität wie der Bürger war allgemein. Dieſe
eilten zu ihrem Bürgermeiſter. Derſelbe zögerte die nöthigen Schritte
zu thun, er wollte auf den ſpäten Nachmittag den Polizeirath (aus Pro-
feſſoren, Univerſitätsgerichts- und Magiſtratsmitgliedern beſtehend) be-
rufen. Allein es wurde ihm die Eile dringend gemacht. Endlich ent-
ſchloß er fich, von den Bürgern begleitet, zu Hrn. Heintze zu gehen.
Ohne den Polizeirath wollte dieſer das Militär nicht entlaſſen, er be-
hauptete die „Zuſtimmung“ der akademiſchen Behörde zur Berufung ge-
habt zu haben, während dieſe nur das „Mitwiſſen“ einräumen wollte.
Die Bürgerſchaft zerſtreute ſich vollkommen ruhig um die Entſcheidung
des Polizeiraths Nachmittags 3 Uhr auf dem Rathhauſe zu vernehmen.
Nur Bürger betraten das Rathhaus. Sie mußten lange warten. Endlich
verſprach Hr. Heintze das Militär zurückziehen zu wollen wenn die Bürger
für die Ruhe und Sicherheit der Stadt haften wollten. Das wurde ange-
nommen. Die Officiere, ſämmtlich äußerſt humanen Charakters, ließen
ihre Reiter auf Seitenwegen in einzelnen kleinen Abtheilungen die
Stadt verlaſſen. Jndeß mußte weiter gehandelt werden. Aſſeſſor
Dankwerts hatte ſchon früher eine Reformadreſſe in den Magiſtrat ge-
bracht. Sie war lau aufgenommen und ſollte mit mehr Nachdruck wie-
der geſtellt werden. Sie ſand kräftige Unterſtützung, und es wurde ihr
als ſpeciell ſtädtiſche Beſchwerde hinzugefügt daß Hr. Heintze das Ver-
trauen der Bürger nie beſeffen habe, und daß man auf ſofortige Enthe-
bung desſelben ſeiner Stelle als Polizeidirector dringen müſſe mit
Vorbehalt der Criminalklage. Die Adreſſe war vielen Bürgern ſchon
bekannt. Sie wurde 6 Uhr Abends berathen, dann revidirt und um
9 Uhr zur Unterſchrift ausgelegt. Sie enthält alle Reformpunkte, be-
kam die Unterſchriften des geſammten Magiſtrats und der Bürgervor-
ſteher, ſofort viele hundert Unterſchriften; und eine Deputation aus dem
Stadtgerichtsaſſor Dankwerts, Zimmermeiſter Georg Freiſe, Kauf-
mann L. Laporte und Dr. Bock beſtehend, hat ſich noch die Nacht auf
den Weg nach Hannover gemacht um fie dem König einzuhändigen. Auch
Hr. Heintze iſt nach Hannover abgereist. Jn dieſem Augenblick durchziehen
Patrouillen unbewaffneter Bürger und Studenten die Straßen. Das
alte Concilienhaus, wehmüthig luſtigen Andenkens, iſt ihnen als
Hauptwache eingeräumt. Es herrſcht ſchönſte Eintracht und Ruhe.
Frankreich.
Die Regierung hat verſprochen der Nationalverſammlung den letz-
ten Entſcheid über das Werk der Revolution zu überlaſſen, man würde
ſich aber wohl täuſchen wenn man glaubte daß ſich in jener Verſamm-
lung principiell abweichende Meinungen würden geltend machen können.
Die jetzigen Gewalthaber ſind inſofern bereits aus ihrem proviſoriſchen
Charakter herausgetreten, als ſie ſchon vorher das ganze Land republi-
caniſch umgeſtalten. So wird dann der freien Wahl, wobei ſich die ge-
mäßigten Parteien geltend machen könnten, wenig übrig bleiben. Die
Commiſſäre der proviforiſchen Regierung welche in alle Departements
abgeſchickt wurden, find mit den außerordentlichſten Vollmachten ausge-
rüſtet, die kaum geringer ſind als diejenigen welche die Commiſſäre des
Nationalconvents auszuüben hatten. Von großer Wichtigkeit iſt daher
ein neues Umlaufſchreiben des Miniſters des Jnnern, Hrn. Ledru-Rol-
lin, worin das Verhältniß dieſer Commiſſäre zur Magiſtratur, der
Nationalgarde und den Wahlen, beſonders den Wählern in ſcharfen
Umriſſen vorgezeichnet iſt. Wird man das Wahlbeſchützung oder
Wahlbeherrſchung nennen? Der Miniſter legt ſich fünf Fragen zur
Beantwortung vor, die er alſo löst:
„1) Was ſind eure Voll-
machten? Sie find unbegränzt. Agent einer revolutionären Behörde,
ſeyd ihr auch revolutionär. Der Sieg des Volks hat euch das Mandat
auferlegt ſein Werk verkündigen zu laſſen, zu befeſtigen. Zur Erfül-
lung dieſer Aufgabe ſeyd ihr mit ſeiner Oberherrlichkeit bekleidet, ihr
hängt nur ab von eurem Gewiſſen, ihr müßt thun was die Umſtände
erheiſchen für die öffentliche Wohlfahrt. Dank unſern Sitten — dieſe
Aufgabe hat nichts ſchreckliches. Bis jetzt hattet ihr keinen ernſthaften
Widerſtand zu brechen, und ihr konntet in ruhiger Haltung bleiben in
eurer Kraft. Jhr dürft euch indeß keine Täuſchung machen über den
Zuſtand des Landes. Die republicaniſchen Gefühle müſſen daſelbſt leb-
haft erregt werden, und darum muß man alle politiſchen Verrichtungen
ſichern und gleichgeſinnten Männern anvertrauen. Ueberall müſſen die
Präfecten und die Unterpräfecten gewechſelt werden. Jn einigen Oert-
lichkeiten verlangt man ihre Beibehaltung. Jhr müßt den Bevölkerun-
gen begreiflich machen daß man die nicht beibehalten kann die einer Ge-
walt gedient haben deren Handeln Beſtechung war. Die Ernennung
von Untercommiſſären welche dieſe Beamten erſetzen iſt eure Sache.
Jhr berichtet an mich ſo oft ihr Anſtände habt. Wählt vorzugsweiſe
Männer die dem Hauptort angehören. Jhr braucht ſie nur dann aus
dem Bezirk ſelbſt zu wählen wenn ihr fie von allem Coteriegeiſt frei
wißt. Setzt die jungen Leute nicht bei Seite. Eifer und Großherzig-
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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