Allgemeine Zeitung, Nr. 74, 14. März 1848.[Spaltenumbruch]
Bedürfnisse der Provinz ohne alle weitere Anfrage eingeräumt. Die bh Wien, 10 März. Seit den großen Ereignissen hat sich auch Die Wiener-Zeitung vom 10 März und aus ihr * Von der Donau, 11 März. Wie man hört, soll eine Depu- Großbritannien. London, 9 März. Heute Nachmittags saß wieder ein Cabinetsrath auf dem aus- Die Londoner Unruhen kamen in beiden Parlamentshäusern am *) Bestätigt sich dieses Gerücht, so sind darüber wohl alsbald Erläute-
rungen von Seite der mitbetheiligten Regierungen Südwestdeutschlands zu erwarten. [Spaltenumbruch]
Bedürfniſſe der Provinz ohne alle weitere Anfrage eingeräumt. Die भ Wien, 10 März. Seit den großen Ereigniſſen hat ſich auch Die Wiener-Zeitung vom 10 März und aus ihr * Von der Donau, 11 März. Wie man hört, ſoll eine Depu- Großbritannien. London, 9 März. Heute Nachmittags ſaß wieder ein Cabinetsrath auf dem aus- Die Londoner Unruhen kamen in beiden Parlamentshäuſern am *) Beſtätigt ſich dieſes Gerücht, ſo ſind darüber wohl alsbald Erläute-
rungen von Seite der mitbetheiligten Regierungen Südweſtdeutſchlands zu erwarten. <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0006" n="1174"/><cb/> Bedürfniſſe der Provinz ohne alle weitere Anfrage eingeräumt. Die<lb/> Abſicht beſtätigt ſich: die vicekönigliche Reſidenz von Mailand nach<lb/> Verona zu verlegen, welches mehr im Mittelpunkt des lombardiſch-<lb/> venetianiſchen Königreichs gelegen und zugleich eine Feſtung iſt. Die<lb/> lautgewordenen Nachrichten von der Creirung einer eigenen italieniſchen<lb/> Hofkanzlei reduciren ſich auf einen größern den Erzherzog umgebenden<lb/> Rath, an deſſen Spitze zeitweilig der Staatsminiſter Graf Montecuc-<lb/> culi berufen worden. — Die neueſten Nachrichten aus Mailand und<lb/> Venedig äußern einen Umſchwung der allgemeinen Stimmung zu Gun-<lb/> ſten der öffentlichen Ruhe. Der Grund dieſer Aenderung ſcheint zu-<lb/> nächſt in dem Eindruck gelegen zu ſeyn welchen die Pariſer Ereigniſſe auf<lb/> den dortigen Adel, der die möglichen Folgen derſelben für ſich ſelber ermeſ-<lb/> ſen kann, ausgeübt haben. Außer den bedeutenden Summen welche<lb/> der kaiſerliche Hof für die Nothleidenden in Schlefien aus der Privatcaſſe<lb/> geſpendet, hat Se. Maj. der Kaiſer zu dieſem Zwecke eine vorläufige<lb/> Summe von 30,000 fl. C. M. auch aus dem Staatsſchatze angewieſen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>भ <hi rendition="#b">Wien,</hi> 10 März.</dateline> <p>Seit den großen Ereigniſſen hat ſich auch<lb/> hier ein politiſches Leben kundzugeben angefangen, welches in ſeinen<lb/> ſchwächſten Anfängen ſchon um ſo überraſchender war, als ſich bis dahin<lb/> wenig Spuren davon gezeigt hatten. Alle Tage wuchs dieſe Stimmung,<lb/> von den Nachrichten die uns die fremden Zeitungen brachten genährt,<lb/> und wenn auch fern von jeder Gewaltſamkeit, ſo entwickelt ſich doch nach<lb/> und nach der Geiſt des Fortſchritts, und der kräftige Wille eine Ver-<lb/> beſſerung in den beſtehenden Verhältniſſen herbeigeführt zu ſehen läßt<lb/> es an gar mannichfachen Aeußerungen nicht fehlen. Die für über-<lb/> morgen zuſammentretenden Stände haben eine merkwürdige Petition<lb/> an den Kaiſer vorbereitet, die in gehaltener Würde auf das aufmerkſam<lb/> macht was im gegenwärtigen Augenblick zu ergreifen noththut. Andere<lb/> Petitionen, bereits mit zahlreichen Unterſchriften bedeckt, circuliren<lb/> unter allen Claſſen der Bevölkerung und erfahren die freudigſte Zu-<lb/> ſtimmung. Sie werden den Ständen überreicht werden, da nur dieſen<lb/> das Petitionsrecht an den Monarchen zuſteht. Entwickelung des geiſtigen<lb/> Lebens durch freiere Inſtitutionen als die bisherigen, durch wahrhafte<lb/> ſtändiſche Vertretung und Entfeſſelung der Preſſe, ſind die beſcheidenen<lb/> Forderungen welche darin ihren Ausdruck finden. Von ſehr hohen<lb/> Perſonen ſollen bereits vorläufige mündliche Zuſicherungen erfolgt ſeyn<lb/> welche die Gemüther nicht ohne Hoffnung für die Zukunft des Kaiſer-<lb/> reichs laſſen. Die Buchhändler ſind mit ihrer Beſchwerde geradewegs<lb/> an den Thron gegangen; der Gewerbeverein hat in ſeiner letzten Ver-<lb/> ſammlung Aeußerungen gethan welche eine ſchöne Wirkung nicht ver-<lb/> fehlt haben. Die Rede des Fabricanten Hrn. v. <hi rendition="#g">Arthaber</hi> wurde mit<lb/> dem allgemeinſten Beifall begrüßt. Während dieſes ſich vorbereitet,<lb/> folgt man der Entwickelung der Weltangelegenheiten mit geſpannter<lb/> Aufmerkſamkeit. Daß es an Demonſtrationen nicht fehlt welche der<lb/> herrſchenden Stimmung den Ausdruck verleihen, mag Ihnen folgendes<lb/> beweiſen. Im erſten Concert ſpirituel (ſo werden die Faſtenconcerte<lb/> hier benannt) wurde unter vortrefflichen und ſchön ausgeführten<lb/> Stücken auch eine Ouvertüre gebracht, in die nach dem Zettel die ruſ-<lb/> ſiſche Nationalhymne, welche ſonſt wohl niemand gekannt hätte, ein-<lb/> verwebt war. Ein ruſſiſcher Capellmeiſter in Charkow hatte ſie ein-<lb/> geſandt. Dieſe Tactloſigkeit wurde mit allgemeinem Ziſchen des ſehr<lb/> gewählten Publicums erwiedert. Im übrigen fehlt es auch nicht an<lb/> ſchnell auftauchenden Gerüchten, die jedoch die nächſte Stunde ſchon<lb/> Lügen ſtraft. Man fabelt von Fenſtereinwerfen, von Selbſtmorden ꝛc.,<lb/> allein dieß alles iſt rein erfunden. Im Carltheater kommt in wenigen<lb/> Tagen Laube’s <hi rendition="#g">Gottſched</hi> und <hi rendition="#g">Gellert</hi> zur Aufführung, was früher<lb/> nicht erlaubt worden war. Freilich müſſen Conceſſionen gemacht werden<lb/> um das Stück auf die Bühne zu bringen. Doch iſt die Sache bezeichnend<lb/> für die hieſigen Zuſtände.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Wiener-Zeitung</hi> vom 10 März und aus ihr<lb/> der Oeſterreichiſche Beobachter enthält in ihrem amtlichen Theile fol-<lb/> genden Artikel: <cit><quote>„Im Angeſichte der wichtigen Begebenheiten der jüngſt<lb/> verfloſſenen Zeit finden Se. Majeſtät der Kaiſer Sich verpflichtet Sich<lb/> über Ihre Stellung zu dem was geſchehen iſt und was nach den Rath-<lb/> ſchlüſſen der Vorſehung die Zukunft bringen mag, offen auszuſpre-<lb/> chen. Se. Majeſtät erwartet daß Ihre Worte irrige Begriffe berichti-<lb/> gen und Mißdeutungen vorbeugen werden welche unnöthige Beſorg-<lb/> niſſe erregen könnten. Die Regierungsveränderung welche in Frank-<lb/> reich vor ſich gegangen iſt, betrachten Se. Majeſtät als eine innere<lb/> Angelegenheit jenes Landes. Oeſterreich iſt fern von jeder Abſicht<lb/> mittelbar oder unmittelbar auf die dortigen inneren Verhältniſſe ein-<lb/><cb/> zuwirken. Se. Majeſtät der Kaiſer erkennt es für Seine Pflicht in-<lb/> nerhalb Seiner Länder die Inſtitutionen des Staats und das Recht<lb/> zu ſchützen und die Wohlfahrt der Ihm anvertrauten Völker zu be-<lb/> fördern. Dieſe Verpflichtung wird Er auch in der gegenwärtigen<lb/> politiſchen Lage der Welt in ihrem ganzen Umfange zu erfüllen<lb/> wiſſen. Sollten jedoch wider Erwarten die beſtehenden europäiſchen<lb/> Verträge verletzt oder die Gränzen entweder der eigenen Staaten oder<lb/> die des deutſchen Bundes feindlich bedroht werden, ſo wird Se. Ma-<lb/> jeſtät der Kaiſer mit allen von der Vorſehung Ihm verliehenen Mitteln<lb/> einen ſolchen Friedensbruch zurückweiſen. Es iſt der Wille Sr. Majeſtät<lb/> in dieſem ernſten Zeitpunkt dafür kräftigſt zu ſorgen daß Oeſterreich<lb/> ſich nach innen ſtark, nach außen geſichert und geachtet fühle. Se. Majeſtät<lb/> werden aber auch ebenſo ernſtlich darüber wachen daß keine Beſtre-<lb/> bungen zum Umſturze der rechtlichen Ordnung ſtattfinden, die Sein<lb/> von Gott geſegnetes Reich in einen Zuſtand von Zerrüttung verſetzen<lb/> könnten, der es als leichte Beute den Angriffen jedes Feindes über-<lb/> liefern würde. Für dieſe allein dem Wohle Seiner Unterthanen ge-<lb/> widmeten Zwecke zählt Se. Majeſtät der Kaiſer auf das Vertrauen<lb/> und die kräftige Mitwirkung der getreuen Stände Seiner Reiche, ſo-<lb/> wie aller Claſſen Seiner Unterthanen denen die Aufrechthaltung der<lb/> geſetzlichen Ordnung am Herzen liegt, und die ſich die Fähigkeit be-<lb/> wahrt haben inmitten einer vielfach bewegten Zeit die Folgen zu<lb/> ermeſſen zu denen der entgegengeſetzte Weg unausbleiblich führen<lb/> würde.“</quote></cit></p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">* Von der Donau,</hi> 11 März.</dateline> <p>Wie man hört, ſoll eine Depu-<lb/> tation aus dem Mailänder Adel an Se. Maj. den Kaiſer abgeſendet<lb/> worden ſeyn um die Wünſche, Bitten und Verſicherungen der Bewohner<lb/> vor die Stufen des Throns zu bringen. Die Truppenſendungen nach<lb/> Italien ſcheinen aufzuhören, dagegen hört man daß binnen kurzem ein<lb/> öſterreichiſches Beobachtungscorps gegen den Rhein hin zuſammengezo-<lb/> gen werden ſoll,<note place="foot" n="*)">Beſtätigt ſich dieſes Gerücht, ſo ſind darüber wohl alsbald Erläute-<lb/> rungen von Seite der mitbetheiligten Regierungen Südweſtdeutſchlands<lb/> zu erwarten.</note> in derſelben Weiſe wie auch Holland und Belgien ihre<lb/> Truppen gerüſtet halten um auf mögliche Fälle gefaßt zu ſeyn. Einſt-<lb/> weilen wiederholen die Wiener Zeitungen in poſitivſter Weiſe die Ver-<lb/> ſicherung daß man an keine Intervention oder Aggreſſion denke, an die<lb/> auch in dieſem Augenblick kein Vernünftiger denken wird.</p> </div> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Großbritannien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 9 März.</dateline><lb/> <p>Heute Nachmittags ſaß wieder ein Cabinetsrath auf dem aus-<lb/> wärtigen Amte. — Die M. <hi rendition="#g">Poſt</hi> wiederholt beſtätigend daß Hr.<lb/> Lamartine dem bisherigen franzöſiſchen Botſchafter in London die<lb/> Erneuerung ſeiner Creditive unter der republicaniſchen Regierung<lb/> angeboten, daß aber Graf Jarnac geantwortet: Gefinnung und Ge-<lb/> fühl nöthige ihn dieſen Antrag abzulehnen, und er bitte baldmöglichſt<lb/> einen Mann der republicaniſchen Partei als ſeinen Nachfolger nach Lon-<lb/> don zu ſenden.</p><lb/> <p>Die Londoner Unruhen kamen in beiden Parlamentshäuſern am<lb/> 9 März nochmals zur Sprache. Redner aller Parteien beurtheilten ſie<lb/> als einen politiſch ganz bedeutungsloſen Pöbelauflauf, und anerkannten<lb/> das lobenswerthe Benehmen der Polizeimannſchaft, deren Energie und<lb/> Mäßigung man die ſchnelle Unterdrückung des Krawalls zu verdanken<lb/> habe. Im <hi rendition="#g">Unterhaus</hi> wurden an das Miniſterium Fragen geſtellt<lb/> über die neuliche Austreibung engliſcher Arbeiter aus der Normandie,<lb/> namentlich aus Rouen, wo die unglücklichen Menſchen kaum Zeit fanden<lb/> vor dem wüthenden Volk ſich, halb angekleidet und ihren letzten Arbeitslohn<lb/> zurücklaſſend, an Bord eines Dampfboots zu flüchten das in der Seine lag.<lb/> Sir George <hi rendition="#g">Grey</hi> beklagte dieſe Vorfälle, erklärte daß der brittiſche<lb/> Conſul und andere Engländer in Havre den Vertriebenen die Ueberfahrt<lb/> nach Portsmouth ermöglicht haben, und daß man ſie in den verſchiedenen<lb/> Fabrikſtädten der Heimath unterzubringen ſuchen wolle. An Repreſſa-<lb/> lien, fügte der Miniſter bei, denke die engliſche Regierung nicht entfernt.<lb/> (Hört, Hört! Es arbeiten nämlich auch viele Franzoſen in engliſchen<lb/> Fabriken, und werden da ſehr gut behandelt.) Uebrigens habe die Re-<lb/> gierungscommiſſion in Rouen verſprochen alles zu thun was in ihrer<lb/> Macht ſtehe um die Wiederholung ſolcher Vorgänge zu verhindern, auch<lb/> habe die proviſoriſche Regierung in Paris den armen Vertriebenen<lb/> Entſchädigung zugeſagt. — In der vorabendlichen <hi rendition="#g">Unterhaus-<lb/> ſitzung,</hi> am 8 März, ging die Anſtey’ſche Katholiken-Erleichte-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1174/0006]
Bedürfniſſe der Provinz ohne alle weitere Anfrage eingeräumt. Die
Abſicht beſtätigt ſich: die vicekönigliche Reſidenz von Mailand nach
Verona zu verlegen, welches mehr im Mittelpunkt des lombardiſch-
venetianiſchen Königreichs gelegen und zugleich eine Feſtung iſt. Die
lautgewordenen Nachrichten von der Creirung einer eigenen italieniſchen
Hofkanzlei reduciren ſich auf einen größern den Erzherzog umgebenden
Rath, an deſſen Spitze zeitweilig der Staatsminiſter Graf Montecuc-
culi berufen worden. — Die neueſten Nachrichten aus Mailand und
Venedig äußern einen Umſchwung der allgemeinen Stimmung zu Gun-
ſten der öffentlichen Ruhe. Der Grund dieſer Aenderung ſcheint zu-
nächſt in dem Eindruck gelegen zu ſeyn welchen die Pariſer Ereigniſſe auf
den dortigen Adel, der die möglichen Folgen derſelben für ſich ſelber ermeſ-
ſen kann, ausgeübt haben. Außer den bedeutenden Summen welche
der kaiſerliche Hof für die Nothleidenden in Schlefien aus der Privatcaſſe
geſpendet, hat Se. Maj. der Kaiſer zu dieſem Zwecke eine vorläufige
Summe von 30,000 fl. C. M. auch aus dem Staatsſchatze angewieſen.
भ Wien, 10 März.Seit den großen Ereigniſſen hat ſich auch
hier ein politiſches Leben kundzugeben angefangen, welches in ſeinen
ſchwächſten Anfängen ſchon um ſo überraſchender war, als ſich bis dahin
wenig Spuren davon gezeigt hatten. Alle Tage wuchs dieſe Stimmung,
von den Nachrichten die uns die fremden Zeitungen brachten genährt,
und wenn auch fern von jeder Gewaltſamkeit, ſo entwickelt ſich doch nach
und nach der Geiſt des Fortſchritts, und der kräftige Wille eine Ver-
beſſerung in den beſtehenden Verhältniſſen herbeigeführt zu ſehen läßt
es an gar mannichfachen Aeußerungen nicht fehlen. Die für über-
morgen zuſammentretenden Stände haben eine merkwürdige Petition
an den Kaiſer vorbereitet, die in gehaltener Würde auf das aufmerkſam
macht was im gegenwärtigen Augenblick zu ergreifen noththut. Andere
Petitionen, bereits mit zahlreichen Unterſchriften bedeckt, circuliren
unter allen Claſſen der Bevölkerung und erfahren die freudigſte Zu-
ſtimmung. Sie werden den Ständen überreicht werden, da nur dieſen
das Petitionsrecht an den Monarchen zuſteht. Entwickelung des geiſtigen
Lebens durch freiere Inſtitutionen als die bisherigen, durch wahrhafte
ſtändiſche Vertretung und Entfeſſelung der Preſſe, ſind die beſcheidenen
Forderungen welche darin ihren Ausdruck finden. Von ſehr hohen
Perſonen ſollen bereits vorläufige mündliche Zuſicherungen erfolgt ſeyn
welche die Gemüther nicht ohne Hoffnung für die Zukunft des Kaiſer-
reichs laſſen. Die Buchhändler ſind mit ihrer Beſchwerde geradewegs
an den Thron gegangen; der Gewerbeverein hat in ſeiner letzten Ver-
ſammlung Aeußerungen gethan welche eine ſchöne Wirkung nicht ver-
fehlt haben. Die Rede des Fabricanten Hrn. v. Arthaber wurde mit
dem allgemeinſten Beifall begrüßt. Während dieſes ſich vorbereitet,
folgt man der Entwickelung der Weltangelegenheiten mit geſpannter
Aufmerkſamkeit. Daß es an Demonſtrationen nicht fehlt welche der
herrſchenden Stimmung den Ausdruck verleihen, mag Ihnen folgendes
beweiſen. Im erſten Concert ſpirituel (ſo werden die Faſtenconcerte
hier benannt) wurde unter vortrefflichen und ſchön ausgeführten
Stücken auch eine Ouvertüre gebracht, in die nach dem Zettel die ruſ-
ſiſche Nationalhymne, welche ſonſt wohl niemand gekannt hätte, ein-
verwebt war. Ein ruſſiſcher Capellmeiſter in Charkow hatte ſie ein-
geſandt. Dieſe Tactloſigkeit wurde mit allgemeinem Ziſchen des ſehr
gewählten Publicums erwiedert. Im übrigen fehlt es auch nicht an
ſchnell auftauchenden Gerüchten, die jedoch die nächſte Stunde ſchon
Lügen ſtraft. Man fabelt von Fenſtereinwerfen, von Selbſtmorden ꝛc.,
allein dieß alles iſt rein erfunden. Im Carltheater kommt in wenigen
Tagen Laube’s Gottſched und Gellert zur Aufführung, was früher
nicht erlaubt worden war. Freilich müſſen Conceſſionen gemacht werden
um das Stück auf die Bühne zu bringen. Doch iſt die Sache bezeichnend
für die hieſigen Zuſtände.
Die Wiener-Zeitung vom 10 März und aus ihr
der Oeſterreichiſche Beobachter enthält in ihrem amtlichen Theile fol-
genden Artikel: „Im Angeſichte der wichtigen Begebenheiten der jüngſt
verfloſſenen Zeit finden Se. Majeſtät der Kaiſer Sich verpflichtet Sich
über Ihre Stellung zu dem was geſchehen iſt und was nach den Rath-
ſchlüſſen der Vorſehung die Zukunft bringen mag, offen auszuſpre-
chen. Se. Majeſtät erwartet daß Ihre Worte irrige Begriffe berichti-
gen und Mißdeutungen vorbeugen werden welche unnöthige Beſorg-
niſſe erregen könnten. Die Regierungsveränderung welche in Frank-
reich vor ſich gegangen iſt, betrachten Se. Majeſtät als eine innere
Angelegenheit jenes Landes. Oeſterreich iſt fern von jeder Abſicht
mittelbar oder unmittelbar auf die dortigen inneren Verhältniſſe ein-
zuwirken. Se. Majeſtät der Kaiſer erkennt es für Seine Pflicht in-
nerhalb Seiner Länder die Inſtitutionen des Staats und das Recht
zu ſchützen und die Wohlfahrt der Ihm anvertrauten Völker zu be-
fördern. Dieſe Verpflichtung wird Er auch in der gegenwärtigen
politiſchen Lage der Welt in ihrem ganzen Umfange zu erfüllen
wiſſen. Sollten jedoch wider Erwarten die beſtehenden europäiſchen
Verträge verletzt oder die Gränzen entweder der eigenen Staaten oder
die des deutſchen Bundes feindlich bedroht werden, ſo wird Se. Ma-
jeſtät der Kaiſer mit allen von der Vorſehung Ihm verliehenen Mitteln
einen ſolchen Friedensbruch zurückweiſen. Es iſt der Wille Sr. Majeſtät
in dieſem ernſten Zeitpunkt dafür kräftigſt zu ſorgen daß Oeſterreich
ſich nach innen ſtark, nach außen geſichert und geachtet fühle. Se. Majeſtät
werden aber auch ebenſo ernſtlich darüber wachen daß keine Beſtre-
bungen zum Umſturze der rechtlichen Ordnung ſtattfinden, die Sein
von Gott geſegnetes Reich in einen Zuſtand von Zerrüttung verſetzen
könnten, der es als leichte Beute den Angriffen jedes Feindes über-
liefern würde. Für dieſe allein dem Wohle Seiner Unterthanen ge-
widmeten Zwecke zählt Se. Majeſtät der Kaiſer auf das Vertrauen
und die kräftige Mitwirkung der getreuen Stände Seiner Reiche, ſo-
wie aller Claſſen Seiner Unterthanen denen die Aufrechthaltung der
geſetzlichen Ordnung am Herzen liegt, und die ſich die Fähigkeit be-
wahrt haben inmitten einer vielfach bewegten Zeit die Folgen zu
ermeſſen zu denen der entgegengeſetzte Weg unausbleiblich führen
würde.“
* Von der Donau, 11 März.Wie man hört, ſoll eine Depu-
tation aus dem Mailänder Adel an Se. Maj. den Kaiſer abgeſendet
worden ſeyn um die Wünſche, Bitten und Verſicherungen der Bewohner
vor die Stufen des Throns zu bringen. Die Truppenſendungen nach
Italien ſcheinen aufzuhören, dagegen hört man daß binnen kurzem ein
öſterreichiſches Beobachtungscorps gegen den Rhein hin zuſammengezo-
gen werden ſoll, *) in derſelben Weiſe wie auch Holland und Belgien ihre
Truppen gerüſtet halten um auf mögliche Fälle gefaßt zu ſeyn. Einſt-
weilen wiederholen die Wiener Zeitungen in poſitivſter Weiſe die Ver-
ſicherung daß man an keine Intervention oder Aggreſſion denke, an die
auch in dieſem Augenblick kein Vernünftiger denken wird.
Großbritannien.
London, 9 März.
Heute Nachmittags ſaß wieder ein Cabinetsrath auf dem aus-
wärtigen Amte. — Die M. Poſt wiederholt beſtätigend daß Hr.
Lamartine dem bisherigen franzöſiſchen Botſchafter in London die
Erneuerung ſeiner Creditive unter der republicaniſchen Regierung
angeboten, daß aber Graf Jarnac geantwortet: Gefinnung und Ge-
fühl nöthige ihn dieſen Antrag abzulehnen, und er bitte baldmöglichſt
einen Mann der republicaniſchen Partei als ſeinen Nachfolger nach Lon-
don zu ſenden.
Die Londoner Unruhen kamen in beiden Parlamentshäuſern am
9 März nochmals zur Sprache. Redner aller Parteien beurtheilten ſie
als einen politiſch ganz bedeutungsloſen Pöbelauflauf, und anerkannten
das lobenswerthe Benehmen der Polizeimannſchaft, deren Energie und
Mäßigung man die ſchnelle Unterdrückung des Krawalls zu verdanken
habe. Im Unterhaus wurden an das Miniſterium Fragen geſtellt
über die neuliche Austreibung engliſcher Arbeiter aus der Normandie,
namentlich aus Rouen, wo die unglücklichen Menſchen kaum Zeit fanden
vor dem wüthenden Volk ſich, halb angekleidet und ihren letzten Arbeitslohn
zurücklaſſend, an Bord eines Dampfboots zu flüchten das in der Seine lag.
Sir George Grey beklagte dieſe Vorfälle, erklärte daß der brittiſche
Conſul und andere Engländer in Havre den Vertriebenen die Ueberfahrt
nach Portsmouth ermöglicht haben, und daß man ſie in den verſchiedenen
Fabrikſtädten der Heimath unterzubringen ſuchen wolle. An Repreſſa-
lien, fügte der Miniſter bei, denke die engliſche Regierung nicht entfernt.
(Hört, Hört! Es arbeiten nämlich auch viele Franzoſen in engliſchen
Fabriken, und werden da ſehr gut behandelt.) Uebrigens habe die Re-
gierungscommiſſion in Rouen verſprochen alles zu thun was in ihrer
Macht ſtehe um die Wiederholung ſolcher Vorgänge zu verhindern, auch
habe die proviſoriſche Regierung in Paris den armen Vertriebenen
Entſchädigung zugeſagt. — In der vorabendlichen Unterhaus-
ſitzung, am 8 März, ging die Anſtey’ſche Katholiken-Erleichte-
*) Beſtätigt ſich dieſes Gerücht, ſo ſind darüber wohl alsbald Erläute-
rungen von Seite der mitbetheiligten Regierungen Südweſtdeutſchlands
zu erwarten.
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Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-03-29T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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