Allgemeine Zeitung, Nr. 73, 13. März 1848.
*+* Vom adriatischen Meer, 8 März. Das Criminal- Großbritannien. London, 8 März. Die gestern erwähnten Pöbelunruhen auf Trafalgar-Square in Das Haus der Gemeinen hielt am 7 März nur eine kurze Lord Howard de Walden ist auf seinen Gesandtschaftsposten in Brüs- Frankreich. Paris, 9 März. Die Nationalwechselbank der Stadt Paris ist bereits definitiv con-
*†* Vom adriatiſchen Meer, 8 März. Das Criminal- Großbritannien. London, 8 März. Die geſtern erwähnten Pöbelunruhen auf Trafalgar-Square in Das Haus der Gemeinen hielt am 7 März nur eine kurze Lord Howard de Walden iſt auf ſeinen Geſandtſchaftspoſten in Brüſ- Frankreich. Paris, 9 März. Die Nationalwechſelbank der Stadt Paris iſt bereits definitiv con- <TEI> <text> <body> <div type="jVarious" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p> <cit> <quote><pb facs="#f0006" n="1158"/><cb/> einer Reihe von Jahren iſt von jedem Vaterlandsfreunde der Wunſch<lb/> lebhaft gefühlt und von manchem in Rede und Schrift die Nothwendig-<lb/> keit laut ausgeſprochen worden auch unſer ſchönes und mächtiges Oeſter-<lb/> reich den Weg friedlichen gediegenen Fortſchrittes betreten zu ſehen. Die<lb/> letzten Ereigniſſe im Weſten Europa’s laſſen dieſe Forderung um ſo unab-<lb/> weislicher und unaufſchiebbarer erſcheinen als ſie dem Weltfrieden ſowie<lb/> dem Staatscredit, der Sicherheit des Eigenthums, der Ordnung und des<lb/> Rechts in jedem Reiche gefährlich werden können. Was in Deutſch-<lb/> land in dieſem Augenblick zur Wahrung vor jedem Wechſelfall des<lb/> Glücks, zum Schutze und zur Stärkung nach Außen und im Innern<lb/> geſchieht, iſt niemanden unbekannt. Jeder hegt zugleich die Ueberzeu-<lb/> gung daß Oeſterreich, deſſen Herrſcherfamilie durch Jahrhunderte die<lb/> deutſche Kaiſerkrone trug, <hi rendition="#g">auch nur in feſtem Anſchließen an<lb/> deutſche Intereſſen und deutſche Politik ſein wahres Heil<lb/> gewinnen könne;</hi> wenn die öſterreichiſchen Bürger ſich vor allem<lb/> gedrungen fühlen ihre unerſchütterliche Liebe und Anhänglichkeit an das<lb/> erhabene Kaiſerhaus auszuſprechen, ſo halten ſie es auch zugleich für<lb/> ihre heilige Pflicht diejenigen Maßregeln offen und frei darzulegen<lb/> welche ihrer Meinung nach einzig und allein geeignet ſeyn können in ſo<lb/> drohenden Zeitverhältniſſen der Dynaſtie, ſowie dem Geſammtvater-<lb/> land neue Kraft und neuen Halt zu verleihen. Dieſe Maßregeln ſind:<lb/><hi rendition="#aq">a)</hi> Unverweilte Veröffentlichung des Staatshaushalts, <hi rendition="#aq">b)</hi> <hi rendition="#g">Perio-<lb/> diſche Berufung eines alle Länder der Monarchie ſowie<lb/> alle Claſſen und Intereſſen der Bevölkerung vertreten-<lb/> den ſtändiſchen Körpers</hi> mit dem Rechte der Steuerbewilligung<lb/> und Controle des Finanzhaushaltes, ſo wie der Theilnahme an der Ge-<lb/> ſetzgebung, <hi rendition="#aq">c)</hi> Herſtellung eines Rechtszuſtandes in der Preſſe durch<lb/> Einführung eines Repreſſivgeſetzes, <hi rendition="#aq">d)</hi> Durchführung des Grundſatzes<lb/> der Oeffentlichkeit in der Rechtspflege und in der geſammten Verwal-<lb/> tung, <hi rendition="#aq">e)</hi> Verleihung einer zeitgemäßen Municipal- und Gemeindever-<lb/> faſſung und auf deren Grundlage, <hi rendition="#aq">f)</hi> Vertretung der in der gegenwärti-<lb/> gen ſtändiſchen Verfaſſung gar nicht oder nur unvollkommen begriffenen<lb/> Elemente des Ackerbaues, der Induſtrie, des Handels und der Intelli-<lb/> genz. Die Stände, wenngleich in ihrer dermaligen Verfaſſung nicht<lb/> der vollſtändige Ausdruck des ganzen Landes, ſind als verfaſſungsmäßi-<lb/> ges Organ für die Bedürfniſſe des Volkes berufen die Gewährleiſtung<lb/> unſerer Bitten bei unſerm gütigen Monarchen zu vermitteln. Die<lb/> Unterzeichneten ſtellen daher die Bitte: die hochlöbl. niederöſterreichi-<lb/> ſchen Stände wollen die vorgeſchlagenen Maßregeln in der nächſten<lb/> Landtagsſitzung in Berathung nehmen, und die geeigneten Anträge zu<lb/> deren baldiger Verwirklichung an den allerhöchſten Thron gelangen<lb/> laſſen.“</quote> </cit> </p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>*†* <hi rendition="#b">Vom adriatiſchen Meer,</hi> 8 März.</dateline> <p>Das Criminal-<lb/> gericht zu Venedig hat am 5 l. Mts. entſchieden daß durchaus kein<lb/> Grund zu einer Inquiſition gegen die HH. Manin und Tomaſeo<lb/> vorhanden ſey. Leider muß dieſer Beſchluß erſt an das Appellations-<lb/> gericht, dann an die höchſte Stelle abgehen, und die beiden wackern<lb/> Männer werden ſich alſo erſt in einigen Wochen der vollen Freiheit er-<lb/> freuen können. Das Dampfboot Sidon, welches Lord Hardinge nach<lb/> Trieſt brachte, hat dieſen Hafen am Tage der Ankunft wieder verlaſſen<lb/> und Lord Hardinge ſeine Reiſe über Wien ſofort angetreten. — Die<lb/> Truppenmärſche nach Italien dauern fort. Einige Dampfboote des<lb/> Lloyd führten vorgeſtern Gränzer nach Venedig und bereits ſind deren<lb/> wieder in Trieſt angelangt um ſich dort einzuſchiffen.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Großbritannien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 8 März.</dateline><lb/> <p>Die geſtern erwähnten Pöbelunruhen auf Trafalgar-Square in<lb/> London hatten, ſcheint es, darin ihren Urſprung daß Hr. Charles Coch-<lb/> rane, ein bei der letzten Parlamentswahl durchgefallener Bewerber um<lb/> Weſtminſter — ſcherzhaft genannt der „Minſtrel“, weil er in ſeiner Ju-<lb/> gend einmal den Einfall gehabt als ſpaniſcher Trovador mit der Laute<lb/> im Arm durch das Land zu pilgern, was ihm die engliſche Ehrbarkeit<lb/> noch jetzt nicht verzeihen kann — ein Meeting für gänzliche Abſchaffung<lb/> der Einkommenſteuer unter freiem Himmel angekündigt; was denn Koh-<lb/> lenträger, Schifferjungen, brodloſe Laufburſchen, und ähnliche Leute die<lb/> bei der Einkommenſteuer perſönlich ganz unbetheiligt ſind, benützten um<lb/> in parodirender Nachahmung der Pariſer Vorgänge, ihr Müthchen an<lb/> Straßenlampen und Ladenfenſtern auszulaſſen. Der Auflauf wieder-<lb/> holte ſich in der geſtrigen Nacht, gegen 11 Uhr aber wurde der letzte<lb/> Haufen der Ruheſtörer, der ungefähr 200 Köpfe ſtark ſeyn mochte, ohne<lb/> Militärhülfe von der Polizei bloß mit nachdrücklicher Anwendung ihrer<lb/> kurzen weißen Stäbe zerſtreut, und die Ruhe ſofort nicht weiter geſtört.<lb/> Die Polizeidiener hielten über den Trafalgarplatz eine förmliche Treib-<lb/> jagd; mehrere Kerle wurden feſtgenommen, einige mit blutigen<lb/> Köpfen ins Hoſpital geſchafft. Ein anderer Haufe von ungefähr 500<lb/><cb/> Lärmern, denen ein bartloſer Junge mit einem Brett voranzog worauf<lb/> geſchrieben ſtand: „Glorreiche Revolution“, zog am 8 März in der Mit-<lb/> tagsſtunde durch den Strand, und von da in die Fleet-Street. Es war<lb/> Geſindel der gemeinſten Sorte, und mehrere darunter betrunken. Als<lb/> ſich eine Abtheilung City-Polizei zeigte, ſtob der Krawall auseinander. —<lb/> Bei weitem ernſter waren die Unruhen in Glasgow. Dort waren es<lb/> 3000 bis 4000 brodloſe Arbeiter die unter dem Geſchrei: <cit><quote>„Laßt uns un-<lb/> ſere republicaniſchen Brüder in Frankreich nachahmen! Nieder mit der<lb/> Königin! Hoch die Republik!“,</quote></cit> großen Unfug an Eigenthum verübten,<lb/> ſo daß man den angerichteten Schaden auf 20,000 Pf. St. und darüber<lb/> ſchätzt. Sie bewaffneten ſich aus erbrochenen Waffenbuden, ſchwangen<lb/> Schwerter und Eiſenſtangen, und ſchoſſen aber und abermals ihre Ge-<lb/> wehre in die Luft ab. Auch andere Läden, namentlich Bäcker- und Gold-<lb/> ſchmiedsläden, wurden vom Pöbel erbrochen, und viel geſtohlen. Der<lb/> Gemeinderath beeidigte in der Eile 5000 Special-Conſtables, und<lb/> auf der Eiſenbahn wurden mehrere hundert Mann Linientruppen aus<lb/> Edinburg herbeigeführt, ſo daß die Beſatzung der Stadt auf 1500 Mann<lb/> gebracht ward. Um 5 Uhr verlas der Baillie auf mehreren Punkten<lb/> die Aufruhracte. Barricaden welche die Ruheſtörer in einigen Straßen<lb/> aufgeworfen, wurden mit leichter Mühe zerſtört. Eine kleine Abtheilung<lb/> Soldaten die auf dem ſogen. grünen Platze mit Steinen angefallen<lb/> wurde, gab Feuer und ſechs Menſchen ſtürzten getroffen, einer todt-<lb/> die andern ſchwer verwundet. Nach den letzten Berichten ſchien die Ordnung<lb/> am 7 Abends wieder hergeſtellt, aber alle Straßen und Plätze wimmelten<lb/> noch von Menſchen. Der Geiſt der Unruhe, welcher jetzt wie eine anſteckende<lb/> Seuche durch die Welt geht, hatte auch <hi rendition="#g">Edinburg</hi> ergriffen. Vom<lb/> 7 März Nachts 10 Uhr wird von dort gemeldet: <cit><quote>„Die Straßen der ſchot-<lb/> tiſchen Hauptſtadt ſind jetzt im Beſitz des Pöbels, welcher Laternen und<lb/> Fenſter zertrümmert. Der Lord Provoſt und die Magiſtrate ſind eben<lb/> beſchäftigt Special-Conſtables zu beeidigen.“</quote></cit> Man fürchtet zunächſt<lb/> für die nordengliſchen Fabrikſtädte, wo die Arbeiter von geheimen Char-<lb/> tiſten-Ausſendlingen aufgereizt werden. — In Newcaſtle am Tyne hat<lb/> eine öffentliche Verſammlung achtbarer Bürger ſtattgefunden um Sym-<lb/> pathie für das franzöſiſche Volk auszudrücken, und eine Petition ans<lb/> Parlament zu beſchließen daß England ſich jeder Einmiſchung in Frank-<lb/> reichs innere Angelegenheiten enthalten möge.</p><lb/> <p>Das <hi rendition="#g">Haus der Gemeinen</hi> hielt am 7 März nur eine kurze<lb/> Sitzung. Hr. <hi rendition="#g">Monckton Milnes</hi> beſprach die Ruheſtörnngen auf<lb/> Trafalgarplatz als etwas ſehr Bedenkliches, worüber das lachluſtige<lb/> Haus ſeine Heiterkeit äußerte. Sir G. <hi rendition="#g">Grey,</hi> der Staatsſecretär des<lb/> Innern, erklärte: „Ein Hr. Charles Cochrane hatte Einladungen zu ei-<lb/> nem Meeting erlaſſen, welches auf Trafalgar-Square zu dem Zwecke<lb/> ſtattfinden ſollte um alsbaldige und gänzliche Abſchaffung der Einkom-<lb/> menſteuer zu petitioniren. Die treffende Polizeibehörde, die von dem<lb/> Maueranſchlag Kunde erhielt, bedeutete Hrn. Cochrane ſchriftlich daß<lb/> durch die 57ſte Geſetzesacte Georgs <hi rendition="#aq">III</hi> politiſche Volksverſammlungen<lb/> unter freiem Himmel innerhalb einer engl. Meile von Weſtminſterhall<lb/> während das Parlament ſitzt verboten ſind, ausgenommen im Pfarrei-<lb/> ſprengel von St. Paul, Coventgarden. Hr. Cochrane beſcheinigte den<lb/> Empfang dieſer Zuſchrift, entſchuldigte ſich mit Unkenntniß des Geſetzes,<lb/> und widerrief ſofort ſeine Einladung. Indeſſen lief auf dem Trafal-<lb/> gar-Platz gemeines Volk zuſammen, und es kam zu einer geringfügigen<lb/> Ruheſtörung, bei welcher einige Laternen und Fenſter eingeworfen wur-<lb/> den. (Gelächter.) Die Polizei zerſtreute den Haufen auf das wirk-<lb/> ſamſte, und wie ich glaube, mit vieler Mäßigung.“ (Hört! und Lachen.)<lb/> Hr. Sharman <hi rendition="#g">Crawford</hi> ward ermächtigt eine Bill zur Sicherung der<lb/> Rechte abziehender Pächter in Irland einzubringen, obwohl die Regie-<lb/> rung ſelbſt dem Parlament eine umfaſſendere Bill über dieſen Gegen-<lb/> ſtand vorgelegt hat. — Im <hi rendition="#g">Oberhaus</hi> wurde der Conſolidated Fund<lb/> Bill und der Neuſeeland-Bill die königl. Genehmigung durch Commiſſion<lb/> ertheilt. — In der <hi rendition="#g">Unterhausſitzung</hi> am 8 März, deren Anfang<lb/> uns vorliegt, wurde Hrn. Anſtey’s Katholikenerleichterungbill in der<lb/> Committee berathen, und mehrere Clauſeln unverändert angenommen.</p><lb/> <p>Lord Howard de Walden iſt auf ſeinen Geſandtſchaftspoſten in Brüſ-<lb/> ſel zurückgereist.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 9 März.</dateline><lb/> <p>Die Nationalwechſelbank der Stadt Paris iſt bereits definitiv con-<lb/> ſtituirt, und man hofft daß ſie am 13 d. M. ihre Geſchäfte anfangen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1158/0006]
einer Reihe von Jahren iſt von jedem Vaterlandsfreunde der Wunſch
lebhaft gefühlt und von manchem in Rede und Schrift die Nothwendig-
keit laut ausgeſprochen worden auch unſer ſchönes und mächtiges Oeſter-
reich den Weg friedlichen gediegenen Fortſchrittes betreten zu ſehen. Die
letzten Ereigniſſe im Weſten Europa’s laſſen dieſe Forderung um ſo unab-
weislicher und unaufſchiebbarer erſcheinen als ſie dem Weltfrieden ſowie
dem Staatscredit, der Sicherheit des Eigenthums, der Ordnung und des
Rechts in jedem Reiche gefährlich werden können. Was in Deutſch-
land in dieſem Augenblick zur Wahrung vor jedem Wechſelfall des
Glücks, zum Schutze und zur Stärkung nach Außen und im Innern
geſchieht, iſt niemanden unbekannt. Jeder hegt zugleich die Ueberzeu-
gung daß Oeſterreich, deſſen Herrſcherfamilie durch Jahrhunderte die
deutſche Kaiſerkrone trug, auch nur in feſtem Anſchließen an
deutſche Intereſſen und deutſche Politik ſein wahres Heil
gewinnen könne; wenn die öſterreichiſchen Bürger ſich vor allem
gedrungen fühlen ihre unerſchütterliche Liebe und Anhänglichkeit an das
erhabene Kaiſerhaus auszuſprechen, ſo halten ſie es auch zugleich für
ihre heilige Pflicht diejenigen Maßregeln offen und frei darzulegen
welche ihrer Meinung nach einzig und allein geeignet ſeyn können in ſo
drohenden Zeitverhältniſſen der Dynaſtie, ſowie dem Geſammtvater-
land neue Kraft und neuen Halt zu verleihen. Dieſe Maßregeln ſind:
a) Unverweilte Veröffentlichung des Staatshaushalts, b) Perio-
diſche Berufung eines alle Länder der Monarchie ſowie
alle Claſſen und Intereſſen der Bevölkerung vertreten-
den ſtändiſchen Körpers mit dem Rechte der Steuerbewilligung
und Controle des Finanzhaushaltes, ſo wie der Theilnahme an der Ge-
ſetzgebung, c) Herſtellung eines Rechtszuſtandes in der Preſſe durch
Einführung eines Repreſſivgeſetzes, d) Durchführung des Grundſatzes
der Oeffentlichkeit in der Rechtspflege und in der geſammten Verwal-
tung, e) Verleihung einer zeitgemäßen Municipal- und Gemeindever-
faſſung und auf deren Grundlage, f) Vertretung der in der gegenwärti-
gen ſtändiſchen Verfaſſung gar nicht oder nur unvollkommen begriffenen
Elemente des Ackerbaues, der Induſtrie, des Handels und der Intelli-
genz. Die Stände, wenngleich in ihrer dermaligen Verfaſſung nicht
der vollſtändige Ausdruck des ganzen Landes, ſind als verfaſſungsmäßi-
ges Organ für die Bedürfniſſe des Volkes berufen die Gewährleiſtung
unſerer Bitten bei unſerm gütigen Monarchen zu vermitteln. Die
Unterzeichneten ſtellen daher die Bitte: die hochlöbl. niederöſterreichi-
ſchen Stände wollen die vorgeſchlagenen Maßregeln in der nächſten
Landtagsſitzung in Berathung nehmen, und die geeigneten Anträge zu
deren baldiger Verwirklichung an den allerhöchſten Thron gelangen
laſſen.“
*†* Vom adriatiſchen Meer, 8 März.Das Criminal-
gericht zu Venedig hat am 5 l. Mts. entſchieden daß durchaus kein
Grund zu einer Inquiſition gegen die HH. Manin und Tomaſeo
vorhanden ſey. Leider muß dieſer Beſchluß erſt an das Appellations-
gericht, dann an die höchſte Stelle abgehen, und die beiden wackern
Männer werden ſich alſo erſt in einigen Wochen der vollen Freiheit er-
freuen können. Das Dampfboot Sidon, welches Lord Hardinge nach
Trieſt brachte, hat dieſen Hafen am Tage der Ankunft wieder verlaſſen
und Lord Hardinge ſeine Reiſe über Wien ſofort angetreten. — Die
Truppenmärſche nach Italien dauern fort. Einige Dampfboote des
Lloyd führten vorgeſtern Gränzer nach Venedig und bereits ſind deren
wieder in Trieſt angelangt um ſich dort einzuſchiffen.
Großbritannien.
London, 8 März.
Die geſtern erwähnten Pöbelunruhen auf Trafalgar-Square in
London hatten, ſcheint es, darin ihren Urſprung daß Hr. Charles Coch-
rane, ein bei der letzten Parlamentswahl durchgefallener Bewerber um
Weſtminſter — ſcherzhaft genannt der „Minſtrel“, weil er in ſeiner Ju-
gend einmal den Einfall gehabt als ſpaniſcher Trovador mit der Laute
im Arm durch das Land zu pilgern, was ihm die engliſche Ehrbarkeit
noch jetzt nicht verzeihen kann — ein Meeting für gänzliche Abſchaffung
der Einkommenſteuer unter freiem Himmel angekündigt; was denn Koh-
lenträger, Schifferjungen, brodloſe Laufburſchen, und ähnliche Leute die
bei der Einkommenſteuer perſönlich ganz unbetheiligt ſind, benützten um
in parodirender Nachahmung der Pariſer Vorgänge, ihr Müthchen an
Straßenlampen und Ladenfenſtern auszulaſſen. Der Auflauf wieder-
holte ſich in der geſtrigen Nacht, gegen 11 Uhr aber wurde der letzte
Haufen der Ruheſtörer, der ungefähr 200 Köpfe ſtark ſeyn mochte, ohne
Militärhülfe von der Polizei bloß mit nachdrücklicher Anwendung ihrer
kurzen weißen Stäbe zerſtreut, und die Ruhe ſofort nicht weiter geſtört.
Die Polizeidiener hielten über den Trafalgarplatz eine förmliche Treib-
jagd; mehrere Kerle wurden feſtgenommen, einige mit blutigen
Köpfen ins Hoſpital geſchafft. Ein anderer Haufe von ungefähr 500
Lärmern, denen ein bartloſer Junge mit einem Brett voranzog worauf
geſchrieben ſtand: „Glorreiche Revolution“, zog am 8 März in der Mit-
tagsſtunde durch den Strand, und von da in die Fleet-Street. Es war
Geſindel der gemeinſten Sorte, und mehrere darunter betrunken. Als
ſich eine Abtheilung City-Polizei zeigte, ſtob der Krawall auseinander. —
Bei weitem ernſter waren die Unruhen in Glasgow. Dort waren es
3000 bis 4000 brodloſe Arbeiter die unter dem Geſchrei: „Laßt uns un-
ſere republicaniſchen Brüder in Frankreich nachahmen! Nieder mit der
Königin! Hoch die Republik!“, großen Unfug an Eigenthum verübten,
ſo daß man den angerichteten Schaden auf 20,000 Pf. St. und darüber
ſchätzt. Sie bewaffneten ſich aus erbrochenen Waffenbuden, ſchwangen
Schwerter und Eiſenſtangen, und ſchoſſen aber und abermals ihre Ge-
wehre in die Luft ab. Auch andere Läden, namentlich Bäcker- und Gold-
ſchmiedsläden, wurden vom Pöbel erbrochen, und viel geſtohlen. Der
Gemeinderath beeidigte in der Eile 5000 Special-Conſtables, und
auf der Eiſenbahn wurden mehrere hundert Mann Linientruppen aus
Edinburg herbeigeführt, ſo daß die Beſatzung der Stadt auf 1500 Mann
gebracht ward. Um 5 Uhr verlas der Baillie auf mehreren Punkten
die Aufruhracte. Barricaden welche die Ruheſtörer in einigen Straßen
aufgeworfen, wurden mit leichter Mühe zerſtört. Eine kleine Abtheilung
Soldaten die auf dem ſogen. grünen Platze mit Steinen angefallen
wurde, gab Feuer und ſechs Menſchen ſtürzten getroffen, einer todt-
die andern ſchwer verwundet. Nach den letzten Berichten ſchien die Ordnung
am 7 Abends wieder hergeſtellt, aber alle Straßen und Plätze wimmelten
noch von Menſchen. Der Geiſt der Unruhe, welcher jetzt wie eine anſteckende
Seuche durch die Welt geht, hatte auch Edinburg ergriffen. Vom
7 März Nachts 10 Uhr wird von dort gemeldet: „Die Straßen der ſchot-
tiſchen Hauptſtadt ſind jetzt im Beſitz des Pöbels, welcher Laternen und
Fenſter zertrümmert. Der Lord Provoſt und die Magiſtrate ſind eben
beſchäftigt Special-Conſtables zu beeidigen.“ Man fürchtet zunächſt
für die nordengliſchen Fabrikſtädte, wo die Arbeiter von geheimen Char-
tiſten-Ausſendlingen aufgereizt werden. — In Newcaſtle am Tyne hat
eine öffentliche Verſammlung achtbarer Bürger ſtattgefunden um Sym-
pathie für das franzöſiſche Volk auszudrücken, und eine Petition ans
Parlament zu beſchließen daß England ſich jeder Einmiſchung in Frank-
reichs innere Angelegenheiten enthalten möge.
Das Haus der Gemeinen hielt am 7 März nur eine kurze
Sitzung. Hr. Monckton Milnes beſprach die Ruheſtörnngen auf
Trafalgarplatz als etwas ſehr Bedenkliches, worüber das lachluſtige
Haus ſeine Heiterkeit äußerte. Sir G. Grey, der Staatsſecretär des
Innern, erklärte: „Ein Hr. Charles Cochrane hatte Einladungen zu ei-
nem Meeting erlaſſen, welches auf Trafalgar-Square zu dem Zwecke
ſtattfinden ſollte um alsbaldige und gänzliche Abſchaffung der Einkom-
menſteuer zu petitioniren. Die treffende Polizeibehörde, die von dem
Maueranſchlag Kunde erhielt, bedeutete Hrn. Cochrane ſchriftlich daß
durch die 57ſte Geſetzesacte Georgs III politiſche Volksverſammlungen
unter freiem Himmel innerhalb einer engl. Meile von Weſtminſterhall
während das Parlament ſitzt verboten ſind, ausgenommen im Pfarrei-
ſprengel von St. Paul, Coventgarden. Hr. Cochrane beſcheinigte den
Empfang dieſer Zuſchrift, entſchuldigte ſich mit Unkenntniß des Geſetzes,
und widerrief ſofort ſeine Einladung. Indeſſen lief auf dem Trafal-
gar-Platz gemeines Volk zuſammen, und es kam zu einer geringfügigen
Ruheſtörung, bei welcher einige Laternen und Fenſter eingeworfen wur-
den. (Gelächter.) Die Polizei zerſtreute den Haufen auf das wirk-
ſamſte, und wie ich glaube, mit vieler Mäßigung.“ (Hört! und Lachen.)
Hr. Sharman Crawford ward ermächtigt eine Bill zur Sicherung der
Rechte abziehender Pächter in Irland einzubringen, obwohl die Regie-
rung ſelbſt dem Parlament eine umfaſſendere Bill über dieſen Gegen-
ſtand vorgelegt hat. — Im Oberhaus wurde der Conſolidated Fund
Bill und der Neuſeeland-Bill die königl. Genehmigung durch Commiſſion
ertheilt. — In der Unterhausſitzung am 8 März, deren Anfang
uns vorliegt, wurde Hrn. Anſtey’s Katholikenerleichterungbill in der
Committee berathen, und mehrere Clauſeln unverändert angenommen.
Lord Howard de Walden iſt auf ſeinen Geſandtſchaftspoſten in Brüſ-
ſel zurückgereist.
Frankreich.
Paris, 9 März.
Die Nationalwechſelbank der Stadt Paris iſt bereits definitiv con-
ſtituirt, und man hofft daß ſie am 13 d. M. ihre Geſchäfte anfangen
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(2021-08-16T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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