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Allgemeine Zeitung, Nr. 46, 15. Februar 1871.

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[Spaltenumbruch] schaffen und so jede Concurrenz aus dem Felde schlagen. Es könnte dann
sogar Salz als Ballast nach Serbien bringen, und Eisen so wie Kohlen in
derselben Weise dorthin und nach jedem Punkte der Strecke zu Thal. Die
Oesterreicher mögen uns bei dieser Gelegenheit gestatten daran zu erinnern
daß das köstliche und billige steierische Eisen auf englischen Märkten nicht
Absatz sinden kann weil es durch die Fracht bis dahin zu sehr vertheuert
wird, wohingegen die Fabricate aus dem schlechtern und am Erzeugungs-
orte theureren englischen Eisen in Steiermark und Oesterreich sehr wohl
Absatz finden, weil sie die Fracht vertragen können. Die Nutzanwendung
braucht wohl nicht weiter detaillirt zu werden. Es ist engherzig dem Con-
currenten vorhandene Wege zu sperren, aber es ist irrationell und selbst-
mörderisch ihm Canäle zu öffnen die hauptsächlich ihm zu gute kommen.
Mehr ausführen als einführen, das ist Englands volkswirthschaftlicher
Glaubenssatz, und daß es Deutschland möglich war ihn zu adoptiren, ver-
dankt es in erster Reihe der dänischen Blokade von 1848, die uns auf un-
sere eigene Berg- und Hütten-Industrie anwies; in zweiter Reihe half der
Krimkrieg, welcher die Ausfuhr von Berg- und Hütten-Producten nach
Deutschland verbot -- woher damals die Wuth der Engländer wegen un-
serer Neutralität. Auch die jetzige Blokade schadet England mehr als uns
-- darum seine Friedensliebe.

Möge sich also Oesterreich genau überlegen wozu es die gewiß be-
reitwilligst gewährte Unterstützung des Deutschen Reiches in den orientali-
schen Angelegenheiten fordert, damit es ihm nicht gehe wie der Frau mit
den drei Wünschen, deren Erfüllung ihr Zeus aus Dankbarkeit verheißen
hatte.



Joseph Hillebrand.

Joseph Hillebrand, früher Oberstudienrath und Professor der
Philosophie in Gießen, ist dort am 28 Januar an der Seite zweier ihm
vorausgegangenen Frauen zur Erde bestattet worden; er war, 83 Jahre
alt, zu Soden im Taunus nach kurzer Krankheit im Arm seiner Töchter
am 25 Januar gestorben, nachdem er vor mehreren Jahren eine Staar-
operation glücklich überstanden und mit regem Geiste dem Umschwung der
deutschen Geschichte gefolgt war, für welchen auch er ein begabter und
eifriger Vorarbeiter gewesen.

Hillebrand war 1788 zu Großdüngen bei Hildesheim geboren, ein
Bauernsohn, der durch sein Talent die Augen der katholischen Geistlichkeit
auf sich zog und für deren Stand bestimmt ward. So kam er auf die la-
teinische Schule und dann in das Klerikalseminar zu Hildesheim; von da
aus sandte ihn die damalige westfälische Regierung nach Göttingen um
orientalische und altelassische Sprachen zu studieren. Er erhielt sofort eine
Lehrerstelle am Josephinum in Hildesheim, und durch den Bischof wurden
ihm glänzende Aussichten eröffnet. Aber seiner ganzen Natur nach sah
er das Leben nur im Flusse der Entwicklung, er wollte die Wahrheit im
eigenen Denken und Forschen gewinnen, es widerstrebte ihm die im Dogma
erstarrte Ueberlieferung zu verkündigen und zu rechtfertigen, und da er
schon die Priesterweihe empfangen hatte, so trat er, um die volle Freiheit
des Geistes und Herzens wieder zu gewinnen, zum Protestantismus über;
das selbständige Gewissen, die Ueberzeugung der eigenen Vernunft ward
seine Richtschnur. Hillebrand stellte sich ganz auf eigene Füße. Er war
Hauslehrer in Belgien, und begleitete seine Zöglinge auf die Universität
nach Würzburg. Eine Schrift über Erziehung verschaffte ihm den Ruf zu
einer außerordentlichen Professur nach Heidelberg, wo er nach Hegels Ab-
gang ordentlicher Professor der Philosophie wurde, bald darauf aber (1822)
in gleicher Eigenschaft und als Director des Gymnasiums nach Gießen
übersiedelte; die Stelle des Pädagogarchen legte er 1834 nieder, als er in
den hessischen Oberstudienrath eintrat. Fast 30 Jahre lang entfaltete Hille-
brand nun in Gießen eine hervorragende und einflußreiche Lehrerthätig-
keit. Er war ein Meister im freien Vortrag, für die Debatte geschaffen,
stets in eigener Geistesarbeit, stets auf dem Katheder neu producirend. So
liebte er auch den Verkehr mit der Jugend, mit Studenten und aufstreben-
den Docenten, die selbst im Werden und Ringen begriffen waren, und die
er fern von aller Selbstsucht in jeder Weise mit Wort und That zu fördern
sich angelegen sein ließ. Sein gastliches Haus stand ihnen offen, und seine
eigene Familie entwickelte sich in einer Atmosphäre freier Bildung. Der
älteste Sohn, Professor des deutschen Rechts in Zürich, ist früh einem Herz-
leiden erlegen, der jüngste lebt als kürzlich vertriebener Professor von
Douai eben in Florenz, bekannt durch Schriften über italienische Literatur
und durch seine Aufsätze im "Journal des Debats," welche den Franzosen
das Verständniß für die deutsche Geschichte seit 1866 erschließen sollten.
Zwei andere Söhne giengen als Aerzte nach Amerika. Die älteste Tochter
gründete eine Erziehungsanstalt für Mädchen in Soden.

Hillebrand war in der Philosophie anfänglich Eklektiker, geistvolle
Kritik war mehr seine Sache als schulmäßiges Systematisiren; er gieng
von der Lebenserfahrung aus, und seine Anthropologie, seine Literarästhetik
[Spaltenumbruch] waren mehr durch den Reichthum einzelner treffenden Bemerkungen als
durch wissenschaftliche Begründung oder Ableitung von den höchsten Prin-
cipien beachtenswerth. Die Aesthetica literaria antiqua critica fügte
die Stellen der griechischen und römischen Schriftsteller über Rhetorik und
Poetik zusammen. Hillebrand selber hatte in der Jugend einige Romane
geschrieben, von denen der eine, "Paradies und Welt," den Idealismus des
Herzens am Ende siegreich im Kampfe mit der realistischen Prosa erwies;
wenn auch die didaktische Tendenz vorwog, so hatte er doch durch diese
eigene künstlerische Thätigkeit sich für die Kunstkritik vorgebildet, die später
seine Stärke war.

Seit den dreißiger Jahren begann der Einfluß Hegels auf Hillebrands
eigenes Denken; aber er hielt von Haus aus an der Selbständigkeit des
individuellen Lebens fest, und so gewann er eine vermittelnde und mittlere
Stellung zwischen Hegel und Herbart oder Leibniz. Die "Philosophie des
Geistes" (1835) entwickelte von der Psychologie aus die Principien des
Rechts, der Kunst, der Religion, und der "Organismus der Jdee" gab
eine Art von Philosophie der Geschichte der Philosophie -- die Darstellung
wie die Hauptgedanken und Grundbegriffe der Menschheit sich vom Alter-
thum bis in die Gegenwart mit innerer Folgerichtigkeit, im Zusammen-
hang und in wechselseitiger Ergänzung der Gegensätze entwickelt haben.
Das Buch ruht auf gründlichen Studien der Quellen, und ist zwar nicht
für den Anfänger, wohl aber für den wissenschaftlich Geschulten eine vor-
zügliche Uebersicht der hauptsächlichsten philosophischen Systeme nach ihrem
Kern und Wahrheitsgehalt. Seltsam daß Hillebrand, der mündlich so
populär zu reden verstand, schriftstellerisch damals so schwerfällig und über-
laden mit fremdländischer Terminologie schrieb, und dadurch der Verbrei-
tung seiner Jdeen im Wege stand. Er überwand das erst in dem Werke
welches ihn in weiteren Kreisen berühmt machte, in den drei Bänden über
"die deutsche Nationalliteratur seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts,"
1845 in erster, 1850 in zweiter Auflage erschienen. Diesem Buch kam zu
gute daß es ziemlich unmittelbar aus den Vorträgen hervorgieng welche
Hillebrand an Winterabenden über den Gegenstand hielt, und die viele ge-
bildete Männer in den Hörsaal zu den Studenten hereinzogen.

Gervinus hatte die Bildungsgeschichte Deutschlands im vollen und
großen Strom ihrer Entwicklung gezeichnet, er hatte bei den einzelnen
dichterischen Schöpfungen nicht die ästhetische Werthschätzung in den Vor-
dergrund gestellt, sondern die Betrachtung wie sie aus Stimmungen der
Zeit hervorgegangen und welche Wirkung sie auf das Leben geübt; er
hatte die Einflüsse betont welche der Dichter von seiner Umgebung er-
fahren. Hillebrand stellt die dichterische Individualität eines jeden in den
Mittelpunkt, sucht sie scharf zu charakterisiren, und prüft die Werke an dem
Maßstabe des Ideals nach ihrer formalen Vollendung wie nach ihrem
ewigen Gehalt. So ergänzt er das Werk des Vorgängers und auch das des
Nachfolgers, Julian Schmidt, ich meine gerade die neue Bearbeitung von
dessen Buch, welches all die Auswüchse und Anstöße entfernt hat die ich
vor Jahren in diesen Blättern angriff, und das Gesammtgemälde unserer
Literatur in der Art vor uns entfaltet daß es die synchronistische Methode
befolgt, und nicht wie Hillebrand jeden Dichter oder Denker für sich in der
Totalität seines Schaffens schildert, sondern die Werke aufzählt welche,
wenn nicht von Jahr zu Jahr, doch von Lustrum zu Lustrum nebenein-
ander erschienen; in dieser Fülle des Mannichfaltigen zeigt sich die Wechsel-
wirkung desselben, die bei Hillebrand minder klar wird, während bei Schmidt
das Gesammtbild der Individualität nicht so energisch wie bei ihm hervor-
tritt. Aber beide Arten sind berechtigt, und wir freuen uns daß wir Ar-
beiten haben in welchen sie so vorzüglich ausgeführt sind. Hillebrands
Lieblingsdichter ist Goethe; um zu ihm hinzuleiten, war er in den Vor-
lesungen oft zu herb in der Kritik Schillers, an dem er auch im Buch, bei
aller Anerkennung des Menschen und Schriftstellers im Ganzen, doch im
Einzelnen zu sehr mäkelt. Die Charakteristik Goethe's, die einen halben
Band füllt, ist das Gelungenste des Werkes. Ich habe nie verstehen können
wie man das englische Buch von Lewis so bewundern mochte, da es doch in
Bezug auf ästhetische Würdigung dieser Darstellung Hillebrands nicht das
Wasser reicht, das Biographische aber durch Hermann Marggraff und
Goedecke gleichfalls übertroffen ist. Es war theils Ausländerei, theils
aber auch die Unwissenheit so vieler Tagesschriftsteller, die eine neue Ar-
beit kritisiren ohne die Vorgänger zu kennen, ohne etwas im Zusammen-
hang der Literatur auffassen zu können. Der Neuzeit gegenüber erscheint
Hillebrand streng, weil er sie an der Höhe Goethe's mißt; denn er erkennt
nicht das Aufkeimen frischer Elemente, nicht das Recht des Lebenden.

Gerade die literaturgeschichtlichen Vorlesungen hatten die öffentliche
Aufmerksamkeit auf Hillebrand gelenkt, und so wählte ihn die Stadt Gießen
1847 zu ihrem Landtagsabgeordneten. Als solcher machte er das Revo-
lutionsjahr durch; eine Zeitlang war er Kammerpräsident. Entschieden
freisinnig wollte er, nachdem die Einigung Deutschlands nicht gelungen
war, dann im Einzelstaat die Forderungen und Errungenschaften der Be-

[Spaltenumbruch] ſchaffen und ſo jede Concurrenz aus dem Felde ſchlagen. Es könnte dann
ſogar Salz als Ballaſt nach Serbien bringen, und Eiſen ſo wie Kohlen in
derſelben Weiſe dorthin und nach jedem Punkte der Strecke zu Thal. Die
Oeſterreicher mögen uns bei dieſer Gelegenheit geſtatten daran zu erinnern
daß das köſtliche und billige ſteieriſche Eiſen auf engliſchen Märkten nicht
Abſatz ſinden kann weil es durch die Fracht bis dahin zu ſehr vertheuert
wird, wohingegen die Fabricate aus dem ſchlechtern und am Erzeugungs-
orte theureren engliſchen Eiſen in Steiermark und Oeſterreich ſehr wohl
Abſatz finden, weil ſie die Fracht vertragen können. Die Nutzanwendung
braucht wohl nicht weiter detaillirt zu werden. Es iſt engherzig dem Con-
currenten vorhandene Wege zu ſperren, aber es iſt irrationell und ſelbſt-
mörderiſch ihm Canäle zu öffnen die hauptſächlich ihm zu gute kommen.
Mehr ausführen als einführen, das iſt Englands volkswirthſchaftlicher
Glaubensſatz, und daß es Deutſchland möglich war ihn zu adoptiren, ver-
dankt es in erſter Reihe der däniſchen Blokade von 1848, die uns auf un-
ſere eigene Berg- und Hütten-Induſtrie anwies; in zweiter Reihe half der
Krimkrieg, welcher die Ausfuhr von Berg- und Hütten-Producten nach
Deutſchland verbot — woher damals die Wuth der Engländer wegen un-
ſerer Neutralität. Auch die jetzige Blokade ſchadet England mehr als uns
— darum ſeine Friedensliebe.

Möge ſich alſo Oeſterreich genau überlegen wozu es die gewiß be-
reitwilligſt gewährte Unterſtützung des Deutſchen Reiches in den orientali-
ſchen Angelegenheiten fordert, damit es ihm nicht gehe wie der Frau mit
den drei Wünſchen, deren Erfüllung ihr Zeus aus Dankbarkeit verheißen
hatte.



Joſeph Hillebrand.

♂ Joſeph Hillebrand, früher Oberſtudienrath und Profeſſor der
Philoſophie in Gießen, iſt dort am 28 Januar an der Seite zweier ihm
vorausgegangenen Frauen zur Erde beſtattet worden; er war, 83 Jahre
alt, zu Soden im Taunus nach kurzer Krankheit im Arm ſeiner Töchter
am 25 Januar geſtorben, nachdem er vor mehreren Jahren eine Staar-
operation glücklich überſtanden und mit regem Geiſte dem Umſchwung der
deutſchen Geſchichte gefolgt war, für welchen auch er ein begabter und
eifriger Vorarbeiter geweſen.

Hillebrand war 1788 zu Großdüngen bei Hildesheim geboren, ein
Bauernſohn, der durch ſein Talent die Augen der katholiſchen Geiſtlichkeit
auf ſich zog und für deren Stand beſtimmt ward. So kam er auf die la-
teiniſche Schule und dann in das Klerikalſeminar zu Hildesheim; von da
aus ſandte ihn die damalige weſtfäliſche Regierung nach Göttingen um
orientaliſche und altelaſſiſche Sprachen zu ſtudieren. Er erhielt ſofort eine
Lehrerſtelle am Joſephinum in Hildesheim, und durch den Biſchof wurden
ihm glänzende Ausſichten eröffnet. Aber ſeiner ganzen Natur nach ſah
er das Leben nur im Fluſſe der Entwicklung, er wollte die Wahrheit im
eigenen Denken und Forſchen gewinnen, es widerſtrebte ihm die im Dogma
erſtarrte Ueberlieferung zu verkündigen und zu rechtfertigen, und da er
ſchon die Prieſterweihe empfangen hatte, ſo trat er, um die volle Freiheit
des Geiſtes und Herzens wieder zu gewinnen, zum Proteſtantismus über;
das ſelbſtändige Gewiſſen, die Ueberzeugung der eigenen Vernunft ward
ſeine Richtſchnur. Hillebrand ſtellte ſich ganz auf eigene Füße. Er war
Hauslehrer in Belgien, und begleitete ſeine Zöglinge auf die Univerſität
nach Würzburg. Eine Schrift über Erziehung verſchaffte ihm den Ruf zu
einer außerordentlichen Profeſſur nach Heidelberg, wo er nach Hegels Ab-
gang ordentlicher Profeſſor der Philoſophie wurde, bald darauf aber (1822)
in gleicher Eigenſchaft und als Director des Gymnaſiums nach Gießen
überſiedelte; die Stelle des Pädagogarchen legte er 1834 nieder, als er in
den heſſiſchen Oberſtudienrath eintrat. Faſt 30 Jahre lang entfaltete Hille-
brand nun in Gießen eine hervorragende und einflußreiche Lehrerthätig-
keit. Er war ein Meiſter im freien Vortrag, für die Debatte geſchaffen,
ſtets in eigener Geiſtesarbeit, ſtets auf dem Katheder neu producirend. So
liebte er auch den Verkehr mit der Jugend, mit Studenten und aufſtreben-
den Docenten, die ſelbſt im Werden und Ringen begriffen waren, und die
er fern von aller Selbſtſucht in jeder Weiſe mit Wort und That zu fördern
ſich angelegen ſein ließ. Sein gaſtliches Haus ſtand ihnen offen, und ſeine
eigene Familie entwickelte ſich in einer Atmoſphäre freier Bildung. Der
älteſte Sohn, Profeſſor des deutſchen Rechts in Zürich, iſt früh einem Herz-
leiden erlegen, der jüngſte lebt als kürzlich vertriebener Profeſſor von
Douai eben in Florenz, bekannt durch Schriften über italieniſche Literatur
und durch ſeine Aufſätze im „Journal des Débats,“ welche den Franzoſen
das Verſtändniß für die deutſche Geſchichte ſeit 1866 erſchließen ſollten.
Zwei andere Söhne giengen als Aerzte nach Amerika. Die älteſte Tochter
gründete eine Erziehungsanſtalt für Mädchen in Soden.

Hillebrand war in der Philoſophie anfänglich Eklektiker, geiſtvolle
Kritik war mehr ſeine Sache als ſchulmäßiges Syſtematiſiren; er gieng
von der Lebenserfahrung aus, und ſeine Anthropologie, ſeine Literaräſthetik
[Spaltenumbruch] waren mehr durch den Reichthum einzelner treffenden Bemerkungen als
durch wiſſenſchaftliche Begründung oder Ableitung von den höchſten Prin-
cipien beachtenswerth. Die Aesthetica literaria antiqua critica fügte
die Stellen der griechiſchen und römiſchen Schriftſteller über Rhetorik und
Poetik zuſammen. Hillebrand ſelber hatte in der Jugend einige Romane
geſchrieben, von denen der eine, „Paradies und Welt,“ den Idealismus des
Herzens am Ende ſiegreich im Kampfe mit der realiſtiſchen Proſa erwies;
wenn auch die didaktiſche Tendenz vorwog, ſo hatte er doch durch dieſe
eigene künſtleriſche Thätigkeit ſich für die Kunſtkritik vorgebildet, die ſpäter
ſeine Stärke war.

Seit den dreißiger Jahren begann der Einfluß Hegels auf Hillebrands
eigenes Denken; aber er hielt von Haus aus an der Selbſtändigkeit des
individuellen Lebens feſt, und ſo gewann er eine vermittelnde und mittlere
Stellung zwiſchen Hegel und Herbart oder Leibniz. Die „Philoſophie des
Geiſtes“ (1835) entwickelte von der Pſychologie aus die Principien des
Rechts, der Kunſt, der Religion, und der „Organismus der Jdee“ gab
eine Art von Philoſophie der Geſchichte der Philoſophie — die Darſtellung
wie die Hauptgedanken und Grundbegriffe der Menſchheit ſich vom Alter-
thum bis in die Gegenwart mit innerer Folgerichtigkeit, im Zuſammen-
hang und in wechſelſeitiger Ergänzung der Gegenſätze entwickelt haben.
Das Buch ruht auf gründlichen Studien der Quellen, und iſt zwar nicht
für den Anfänger, wohl aber für den wiſſenſchaftlich Geſchulten eine vor-
zügliche Ueberſicht der hauptſächlichſten philoſophiſchen Syſteme nach ihrem
Kern und Wahrheitsgehalt. Seltſam daß Hillebrand, der mündlich ſo
populär zu reden verſtand, ſchriftſtelleriſch damals ſo ſchwerfällig und über-
laden mit fremdländiſcher Terminologie ſchrieb, und dadurch der Verbrei-
tung ſeiner Jdeen im Wege ſtand. Er überwand das erſt in dem Werke
welches ihn in weiteren Kreiſen berühmt machte, in den drei Bänden über
„die deutſche Nationalliteratur ſeit dem Anfang des 18. Jahrhunderts,“
1845 in erſter, 1850 in zweiter Auflage erſchienen. Dieſem Buch kam zu
gute daß es ziemlich unmittelbar aus den Vorträgen hervorgieng welche
Hillebrand an Winterabenden über den Gegenſtand hielt, und die viele ge-
bildete Männer in den Hörſaal zu den Studenten hereinzogen.

Gervinus hatte die Bildungsgeſchichte Deutſchlands im vollen und
großen Strom ihrer Entwicklung gezeichnet, er hatte bei den einzelnen
dichteriſchen Schöpfungen nicht die äſthetiſche Werthſchätzung in den Vor-
dergrund geſtellt, ſondern die Betrachtung wie ſie aus Stimmungen der
Zeit hervorgegangen und welche Wirkung ſie auf das Leben geübt; er
hatte die Einflüſſe betont welche der Dichter von ſeiner Umgebung er-
fahren. Hillebrand ſtellt die dichteriſche Individualität eines jeden in den
Mittelpunkt, ſucht ſie ſcharf zu charakteriſiren, und prüft die Werke an dem
Maßſtabe des Ideals nach ihrer formalen Vollendung wie nach ihrem
ewigen Gehalt. So ergänzt er das Werk des Vorgängers und auch das des
Nachfolgers, Julian Schmidt, ich meine gerade die neue Bearbeitung von
deſſen Buch, welches all die Auswüchſe und Anſtöße entfernt hat die ich
vor Jahren in dieſen Blättern angriff, und das Geſammtgemälde unſerer
Literatur in der Art vor uns entfaltet daß es die ſynchroniſtiſche Methode
befolgt, und nicht wie Hillebrand jeden Dichter oder Denker für ſich in der
Totalität ſeines Schaffens ſchildert, ſondern die Werke aufzählt welche,
wenn nicht von Jahr zu Jahr, doch von Luſtrum zu Luſtrum nebenein-
ander erſchienen; in dieſer Fülle des Mannichfaltigen zeigt ſich die Wechſel-
wirkung desſelben, die bei Hillebrand minder klar wird, während bei Schmidt
das Geſammtbild der Individualität nicht ſo energiſch wie bei ihm hervor-
tritt. Aber beide Arten ſind berechtigt, und wir freuen uns daß wir Ar-
beiten haben in welchen ſie ſo vorzüglich ausgeführt ſind. Hillebrands
Lieblingsdichter iſt Goethe; um zu ihm hinzuleiten, war er in den Vor-
leſungen oft zu herb in der Kritik Schillers, an dem er auch im Buch, bei
aller Anerkennung des Menſchen und Schriftſtellers im Ganzen, doch im
Einzelnen zu ſehr mäkelt. Die Charakteriſtik Goethe’s, die einen halben
Band füllt, iſt das Gelungenſte des Werkes. Ich habe nie verſtehen können
wie man das engliſche Buch von Lewis ſo bewundern mochte, da es doch in
Bezug auf äſthetiſche Würdigung dieſer Darſtellung Hillebrands nicht das
Waſſer reicht, das Biographiſche aber durch Hermann Marggraff und
Goedecke gleichfalls übertroffen iſt. Es war theils Ausländerei, theils
aber auch die Unwiſſenheit ſo vieler Tagesſchriftſteller, die eine neue Ar-
beit kritiſiren ohne die Vorgänger zu kennen, ohne etwas im Zuſammen-
hang der Literatur auffaſſen zu können. Der Neuzeit gegenüber erſcheint
Hillebrand ſtreng, weil er ſie an der Höhe Goethe’s mißt; denn er erkennt
nicht das Aufkeimen friſcher Elemente, nicht das Recht des Lebenden.

Gerade die literaturgeſchichtlichen Vorleſungen hatten die öffentliche
Aufmerkſamkeit auf Hillebrand gelenkt, und ſo wählte ihn die Stadt Gießen
1847 zu ihrem Landtagsabgeordneten. Als ſolcher machte er das Revo-
lutionsjahr durch; eine Zeitlang war er Kammerpräſident. Entſchieden
freiſinnig wollte er, nachdem die Einigung Deutſchlands nicht gelungen
war, dann im Einzelſtaat die Forderungen und Errungenſchaften der Be-

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[771/0011] ſchaffen und ſo jede Concurrenz aus dem Felde ſchlagen. Es könnte dann ſogar Salz als Ballaſt nach Serbien bringen, und Eiſen ſo wie Kohlen in derſelben Weiſe dorthin und nach jedem Punkte der Strecke zu Thal. Die Oeſterreicher mögen uns bei dieſer Gelegenheit geſtatten daran zu erinnern daß das köſtliche und billige ſteieriſche Eiſen auf engliſchen Märkten nicht Abſatz ſinden kann weil es durch die Fracht bis dahin zu ſehr vertheuert wird, wohingegen die Fabricate aus dem ſchlechtern und am Erzeugungs- orte theureren engliſchen Eiſen in Steiermark und Oeſterreich ſehr wohl Abſatz finden, weil ſie die Fracht vertragen können. Die Nutzanwendung braucht wohl nicht weiter detaillirt zu werden. Es iſt engherzig dem Con- currenten vorhandene Wege zu ſperren, aber es iſt irrationell und ſelbſt- mörderiſch ihm Canäle zu öffnen die hauptſächlich ihm zu gute kommen. Mehr ausführen als einführen, das iſt Englands volkswirthſchaftlicher Glaubensſatz, und daß es Deutſchland möglich war ihn zu adoptiren, ver- dankt es in erſter Reihe der däniſchen Blokade von 1848, die uns auf un- ſere eigene Berg- und Hütten-Induſtrie anwies; in zweiter Reihe half der Krimkrieg, welcher die Ausfuhr von Berg- und Hütten-Producten nach Deutſchland verbot — woher damals die Wuth der Engländer wegen un- ſerer Neutralität. Auch die jetzige Blokade ſchadet England mehr als uns — darum ſeine Friedensliebe. Möge ſich alſo Oeſterreich genau überlegen wozu es die gewiß be- reitwilligſt gewährte Unterſtützung des Deutſchen Reiches in den orientali- ſchen Angelegenheiten fordert, damit es ihm nicht gehe wie der Frau mit den drei Wünſchen, deren Erfüllung ihr Zeus aus Dankbarkeit verheißen hatte. Joſeph Hillebrand. ♂ Joſeph Hillebrand, früher Oberſtudienrath und Profeſſor der Philoſophie in Gießen, iſt dort am 28 Januar an der Seite zweier ihm vorausgegangenen Frauen zur Erde beſtattet worden; er war, 83 Jahre alt, zu Soden im Taunus nach kurzer Krankheit im Arm ſeiner Töchter am 25 Januar geſtorben, nachdem er vor mehreren Jahren eine Staar- operation glücklich überſtanden und mit regem Geiſte dem Umſchwung der deutſchen Geſchichte gefolgt war, für welchen auch er ein begabter und eifriger Vorarbeiter geweſen. Hillebrand war 1788 zu Großdüngen bei Hildesheim geboren, ein Bauernſohn, der durch ſein Talent die Augen der katholiſchen Geiſtlichkeit auf ſich zog und für deren Stand beſtimmt ward. So kam er auf die la- teiniſche Schule und dann in das Klerikalſeminar zu Hildesheim; von da aus ſandte ihn die damalige weſtfäliſche Regierung nach Göttingen um orientaliſche und altelaſſiſche Sprachen zu ſtudieren. Er erhielt ſofort eine Lehrerſtelle am Joſephinum in Hildesheim, und durch den Biſchof wurden ihm glänzende Ausſichten eröffnet. Aber ſeiner ganzen Natur nach ſah er das Leben nur im Fluſſe der Entwicklung, er wollte die Wahrheit im eigenen Denken und Forſchen gewinnen, es widerſtrebte ihm die im Dogma erſtarrte Ueberlieferung zu verkündigen und zu rechtfertigen, und da er ſchon die Prieſterweihe empfangen hatte, ſo trat er, um die volle Freiheit des Geiſtes und Herzens wieder zu gewinnen, zum Proteſtantismus über; das ſelbſtändige Gewiſſen, die Ueberzeugung der eigenen Vernunft ward ſeine Richtſchnur. Hillebrand ſtellte ſich ganz auf eigene Füße. Er war Hauslehrer in Belgien, und begleitete ſeine Zöglinge auf die Univerſität nach Würzburg. Eine Schrift über Erziehung verſchaffte ihm den Ruf zu einer außerordentlichen Profeſſur nach Heidelberg, wo er nach Hegels Ab- gang ordentlicher Profeſſor der Philoſophie wurde, bald darauf aber (1822) in gleicher Eigenſchaft und als Director des Gymnaſiums nach Gießen überſiedelte; die Stelle des Pädagogarchen legte er 1834 nieder, als er in den heſſiſchen Oberſtudienrath eintrat. Faſt 30 Jahre lang entfaltete Hille- brand nun in Gießen eine hervorragende und einflußreiche Lehrerthätig- keit. Er war ein Meiſter im freien Vortrag, für die Debatte geſchaffen, ſtets in eigener Geiſtesarbeit, ſtets auf dem Katheder neu producirend. So liebte er auch den Verkehr mit der Jugend, mit Studenten und aufſtreben- den Docenten, die ſelbſt im Werden und Ringen begriffen waren, und die er fern von aller Selbſtſucht in jeder Weiſe mit Wort und That zu fördern ſich angelegen ſein ließ. Sein gaſtliches Haus ſtand ihnen offen, und ſeine eigene Familie entwickelte ſich in einer Atmoſphäre freier Bildung. Der älteſte Sohn, Profeſſor des deutſchen Rechts in Zürich, iſt früh einem Herz- leiden erlegen, der jüngſte lebt als kürzlich vertriebener Profeſſor von Douai eben in Florenz, bekannt durch Schriften über italieniſche Literatur und durch ſeine Aufſätze im „Journal des Débats,“ welche den Franzoſen das Verſtändniß für die deutſche Geſchichte ſeit 1866 erſchließen ſollten. Zwei andere Söhne giengen als Aerzte nach Amerika. Die älteſte Tochter gründete eine Erziehungsanſtalt für Mädchen in Soden. Hillebrand war in der Philoſophie anfänglich Eklektiker, geiſtvolle Kritik war mehr ſeine Sache als ſchulmäßiges Syſtematiſiren; er gieng von der Lebenserfahrung aus, und ſeine Anthropologie, ſeine Literaräſthetik waren mehr durch den Reichthum einzelner treffenden Bemerkungen als durch wiſſenſchaftliche Begründung oder Ableitung von den höchſten Prin- cipien beachtenswerth. Die Aesthetica literaria antiqua critica fügte die Stellen der griechiſchen und römiſchen Schriftſteller über Rhetorik und Poetik zuſammen. Hillebrand ſelber hatte in der Jugend einige Romane geſchrieben, von denen der eine, „Paradies und Welt,“ den Idealismus des Herzens am Ende ſiegreich im Kampfe mit der realiſtiſchen Proſa erwies; wenn auch die didaktiſche Tendenz vorwog, ſo hatte er doch durch dieſe eigene künſtleriſche Thätigkeit ſich für die Kunſtkritik vorgebildet, die ſpäter ſeine Stärke war. Seit den dreißiger Jahren begann der Einfluß Hegels auf Hillebrands eigenes Denken; aber er hielt von Haus aus an der Selbſtändigkeit des individuellen Lebens feſt, und ſo gewann er eine vermittelnde und mittlere Stellung zwiſchen Hegel und Herbart oder Leibniz. Die „Philoſophie des Geiſtes“ (1835) entwickelte von der Pſychologie aus die Principien des Rechts, der Kunſt, der Religion, und der „Organismus der Jdee“ gab eine Art von Philoſophie der Geſchichte der Philoſophie — die Darſtellung wie die Hauptgedanken und Grundbegriffe der Menſchheit ſich vom Alter- thum bis in die Gegenwart mit innerer Folgerichtigkeit, im Zuſammen- hang und in wechſelſeitiger Ergänzung der Gegenſätze entwickelt haben. Das Buch ruht auf gründlichen Studien der Quellen, und iſt zwar nicht für den Anfänger, wohl aber für den wiſſenſchaftlich Geſchulten eine vor- zügliche Ueberſicht der hauptſächlichſten philoſophiſchen Syſteme nach ihrem Kern und Wahrheitsgehalt. Seltſam daß Hillebrand, der mündlich ſo populär zu reden verſtand, ſchriftſtelleriſch damals ſo ſchwerfällig und über- laden mit fremdländiſcher Terminologie ſchrieb, und dadurch der Verbrei- tung ſeiner Jdeen im Wege ſtand. 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Hillebrand ſtellt die dichteriſche Individualität eines jeden in den Mittelpunkt, ſucht ſie ſcharf zu charakteriſiren, und prüft die Werke an dem Maßſtabe des Ideals nach ihrer formalen Vollendung wie nach ihrem ewigen Gehalt. So ergänzt er das Werk des Vorgängers und auch das des Nachfolgers, Julian Schmidt, ich meine gerade die neue Bearbeitung von deſſen Buch, welches all die Auswüchſe und Anſtöße entfernt hat die ich vor Jahren in dieſen Blättern angriff, und das Geſammtgemälde unſerer Literatur in der Art vor uns entfaltet daß es die ſynchroniſtiſche Methode befolgt, und nicht wie Hillebrand jeden Dichter oder Denker für ſich in der Totalität ſeines Schaffens ſchildert, ſondern die Werke aufzählt welche, wenn nicht von Jahr zu Jahr, doch von Luſtrum zu Luſtrum nebenein- ander erſchienen; in dieſer Fülle des Mannichfaltigen zeigt ſich die Wechſel- wirkung desſelben, die bei Hillebrand minder klar wird, während bei Schmidt das Geſammtbild der Individualität nicht ſo energiſch wie bei ihm hervor- tritt. Aber beide Arten ſind berechtigt, und wir freuen uns daß wir Ar- beiten haben in welchen ſie ſo vorzüglich ausgeführt ſind. Hillebrands Lieblingsdichter iſt Goethe; um zu ihm hinzuleiten, war er in den Vor- leſungen oft zu herb in der Kritik Schillers, an dem er auch im Buch, bei aller Anerkennung des Menſchen und Schriftſtellers im Ganzen, doch im Einzelnen zu ſehr mäkelt. Die Charakteriſtik Goethe’s, die einen halben Band füllt, iſt das Gelungenſte des Werkes. Ich habe nie verſtehen können wie man das engliſche Buch von Lewis ſo bewundern mochte, da es doch in Bezug auf äſthetiſche Würdigung dieſer Darſtellung Hillebrands nicht das Waſſer reicht, das Biographiſche aber durch Hermann Marggraff und Goedecke gleichfalls übertroffen iſt. Es war theils Ausländerei, theils aber auch die Unwiſſenheit ſo vieler Tagesſchriftſteller, die eine neue Ar- beit kritiſiren ohne die Vorgänger zu kennen, ohne etwas im Zuſammen- hang der Literatur auffaſſen zu können. Der Neuzeit gegenüber erſcheint Hillebrand ſtreng, weil er ſie an der Höhe Goethe’s mißt; denn er erkennt nicht das Aufkeimen friſcher Elemente, nicht das Recht des Lebenden. Gerade die literaturgeſchichtlichen Vorleſungen hatten die öffentliche Aufmerkſamkeit auf Hillebrand gelenkt, und ſo wählte ihn die Stadt Gießen 1847 zu ihrem Landtagsabgeordneten. Als ſolcher machte er das Revo- lutionsjahr durch; eine Zeitlang war er Kammerpräſident. Entſchieden freiſinnig wollte er, nachdem die Einigung Deutſchlands nicht gelungen war, dann im Einzelſtaat die Forderungen und Errungenſchaften der Be-

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 46, 15. Februar 1871, S. 771. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine46_1871/11>, abgerufen am 13.06.2024.