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Allgemeine Zeitung, Nr. 43, 24. Oktober 1914.

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24. Oktober 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] wirken ihrer maritimen Streitkräfte für den Fall kriegerischer
Operationen Rußlands und Englands unter Teilnahme Frankreichs,
gelangte die Konferenz zu folgenden Schlüssen:

Die geplante Marinekonvention soll die Beziehungen zwischen
den russischen und den englischen Streitkräften zur See in allen
Einzelheiten regeln, deshalb ist eine Verständigung über Signale
und Spezialchiffres, Radiotelegramme und der Modus des Ver-
kehrs zwischen den russischen und englischen Marinestäben herbeizu-
führen. Die beiden Marinestäbe sollen sich außerdem regelmäßig
gegenseitig Mitteilung machen über die Flotten dritter Mächte und
über ihre eigenen Flotten; besonders über technische Daten sowie
über neu eingeführte Maschinen und Erfindungen.

Nach dem Vorbild der franco-russischen Marinekonvention soll
auch zwischen dem russischen und dem englischen Marinestab ein
regelmäßiger Meinungsaustausch zur Prüfung von Fragen, welche
die Marineministerien beider Staaten interessieren, herbeigeführt
werden.

Das russische Marine-Abkommen mit England soll gleich dem
franco-russischen Marine-Abkommen vorher vereinbarte aber ge-
trennte Aktionen der russischen und der englischen Kriegsmarine
ins Auge fassen. Im Hinblick auf die strategischen Ziele ist zu
unterscheiden einerseits zwischen den maritimen Operationen im Ge-
biete des Schwarzen Meeres und der Nordsee, andrerseits zwischen
dem voraussichtlichen Seekampfe im Mittelmeer. In beiden Ge-
bieten muß Rußland bestrebt sein, von England Kompensationen
dafür zu erhalten, daß es einen Teil der deutschen Flotte auf die
russische abzieht.

Im Gebiete des Bosporus und der Dardanellen sollen zeit-
weilige Unternehmungen in den Meerengen als strategische Opera-
tionen Rußlands im Kriegsfalle ins Auge gefaßt werden.

Die russischen Interessen in der Ostsee verlangen, daß England
einen möglichst großen Teil der deutschen Flotte in der Nordsee
festhält. Dadurch würde die erdrückende Uebermacht der deutschen
Flotte über die russische aufgehoben und vielleicht eine russische
Landung in Pommern möglich werden. Hierbei könnte die englische
Regierung einen wesentlichen Dienst leisten, wenn sie vor Beginn
der Kriegsoperationen eine so große Zahl von Handelsschiffen in
die baltischen Häfen schickte, daß der Mangel an russischen Trans-
portschiffen ausgeglichen wird.

Was die Lage im Mittelmeer anbetrifft, so ist es für Rußland
höchst wichtig, daß dort ein sicheres Uebergewicht der Streitkräfte
der Entente über die austro-italienische Flotte hergestellt wird. Denn
falls die österreichisch-italienischen Streitkräfte dieses Meer beherr-
schen, würden Angriffe der österreichischen Flotte im Schwarzen
Meere möglich sein, was für Rußland ein gefährlicher Schlag wäre.
Es muß angenommen werden, daß die austro-italienischen Streit-
kräfte den französischen überlegen sind. England müßte daher
durch Belassung der notwendigen Zahl von Schiffen im Mittel-
meere das Uebergewicht der Streitkräfte der Ententemächte minde-
stens so lange sichern, als die Entwicklung der russischen Marine
noch nicht so weit fortgeschritten ist, um die Lösung dieser Aufgabe
selbst zu übernehmen. Russische Schiffe müßten mit Zustimmung
Englands als Basis im östlichen Mttelmeer die englischen Häfen
benützen dürfen, ebenso wie die französische Marinekonvention der
russischen Flotte gestattet, sich im westlichen Mittelmeere auf die
französischen Häfen zu basieren.

IX.
.... Juli 1914.
Gelegentlich meiner heutigen Unterhaltung mit Herrn Ssasonow
wandte sich das Gespräch auch dem Besuche des Herrn Poincare
zu. Der Minister hob den friedfertigen Ton der gewechselten Trink-
sprüche hervor. Ich konnte nicht umhin, Herrn Ssasonow darauf
aufmerksam zu machen, daß nicht die bei derartigen Besuchen aus-
getauschten Toaste, sondern die daran geknüpften Pressekommentare
den Stoff zur Beunruhigung geliefert hätten. Derartige Kom-
mentare seien auch diesmal nicht ausgeblieben, wobei sogar die
Nachricht von dem angeblichen Abschlusse einer russisch-englischen
Marinekonvention verbreitet worden sei. Herr Ssasonow griff
diesen Satz auf und meinte unwillig, eine solche Marinekonvention
existiere nur "in der Idee des Berliner Tageblatts und im Mond".

X.
.... Juli 1914.
Euer pp. beehre ich mich beifolgend Abschrift eines Schreibens
zu übersenden, das der Adjutant eines zurzeit hier weilenden russi-
schen Großfürsten unter dem 25. d. M. von Petersburg aus an den
Großfürsten gerichtet hat und über dessen wesentlichen Inhalt ich
bereits telegraphisch berichten durfte. Das Schreiben, von dem ich
auf vertraulichem Wege Kenntnis erhielt, erweist meines gehorsamen
Dafürhaltens, daß man schon seit dem 24. d. M. in Rußland zum
Kriege entschlossen ist.

Anlage.
12./25. Juli, Petersburg.
"In Petersburg waren große Unordnungen unter den Ar-
beitern, sie fielen sonderbar mit der Anwesenheit der Franzosen bei
uns und mit dem österreichischen Ultimatum an Serbien zusammen.
Gestern hörte ich von dem französischen Militäragenten General
de la Guiche, er habe gehört, daß Oesterreich an den Arbeiter-
unruhen nicht unschuldig sei. Jetzt kommt aber alles rasch zu
normalen Verhältnissen. Und es scheint, daß, von den Franzosen
ermutigt, unsere Regierung aufgehört hat, vor den Deutschen zu
[Spaltenumbruch] zittern. Es war längst Zeit! Es ist besser, sich einmal klar aus-
zusprechen, als sich ewig hinter den "professionellen Lügen" der
Diplomaten zu verbergen. Das Ultimatum Oesterreichs ist von
unerhörter Frechheit, wie alle hiesigen Zeitungen einmütig sagen.
Ebenso habe ich die Abendzeitungen gelesen -- gestern war Sitzung
des Ministerrats; der Kriegsminister hat sehr energisch gesprochen
und bestätigt, daß Rußland zum Kriege bereit sei, und die übrigen
Minister haben sich voll angeschlossen; es wurde in entsprechendem
Geiste ein Bericht an den Kaiser fertiggestellt, und dieser Bericht
wurde an demselben Abend bestätigt. Heute wurde im Russischen
Invaliden eine vorläufige Mitteilung der Regierung veröffentlicht,
daß "die Regierung sehr durch die eingetretenen Ereignisse und die
Absendung des österreichischen Ultimatums an Serbien besorgt sei.
Die Regierung verfolgt aufmerksam die Entwicklung der serbisch-
österreichischen Zusammenstöße, bei denen Rußland nicht gleich-
gültig bleiben kann". Diese Mitteilung ist von allen Zeitungen
mit sehr günstigen Kommentaren nachgedruckt worden. Wir alle
sind überzeugt, daß diesesmal keine Rasputins Rußland verhindern
werden, seine Pflicht zu erfüllen. Deutschland, das Oesterreich vor-
schickt, ist fest entschlossen, sich mit uns zu messen, bevor wir unsere
Flotte ausbauen, und die Balkanstaaten haben sich noch nicht vom
Kriege erholt. Auch wir müssen der Gefahr ins Gesicht sehen und
nicht unsern Kopf verstecken, wie während des Balkankrieges, als
Kokowtzow nur an die Börse dachte. Damals aber wäre der Krieg
leichter gewesen, da der Balkanbund voll bewaffnet war. Aber
bei uns trieb man die Straßendemonstrationen, die gegen das
elende Oesterreich gerichtet waren, durch die Polizei auseinander!
Jetzt aber würde man ebensolche Demonstrationen freudig be-
grüßen. Ueberhaupt wollen wir hoffen, daß das Regiment der
Feiglinge (nach Art Kokowtzows) und gewisser Schreier und
Mystiker vorüber ist. Der Krieg ist ein Gewitter. Mögen auch
Katastrophen kommen, es wäre immer besser, als in dieser uner-
träglichen Schwüle zu beharren. Aus Erfahrung weiß ich be-
stimmt, daß für mich der ruhigste Platz in der Front ist, wo man
die Gefahr in ihrer natürlichen Größe sieht, und das ist gar nicht
so furchtbar; am schlimmsten ist es in der Nachhut, in der die
Atmosphäre der Feigheit herrscht, unwahrscheinliche Gerüchte um-
laufen und Paniken entstehen. Im künftigen Kriege aber wird
das Innere Rußlands die Nachhut sein."

Dieselbe Unselbständigkeit und Unehrlichkeit der von Sir
Edward Grey geleiteten englischen Politik, die sich aus den obigen
Aktenstücken ergibt, wird an der Hand der amtlichen Veröffent-
lichungen über die Vorgeschichte des Krieges im einzelnen über-
zeugend nachgewiesen in einer Schrift "Englands Mitschuld am
Weltkriege", die in diesen Tagen im Verlage von Liebheit u. Thiesen,
Berlin, erschienen ist. Wir können sie als eine gediegene Arbeit
warm empfehlen.



Unsere gefallenen Helden.

Wenn der Telegraph neue Siege des deutschen Heeres meldet,
wenn er überraschende Erfolge unserer jungen Flotte verkündet,
dann ist es jedesmal, als wenn ein Strom heiliger Begeisterung
durch unser Volk ginge; dann hat jeder das Gefühl, als sei es wieder
Frühling im deutschen Lande geworden, als habe eine neue herrliche
Epoche unserer vaterländischen Geschichte begonnen. Niemand kann
sich der Gewalt dieser Strömung entziehen; auch den Gleichgültigsten
und Rohsten ergreift etwas von dem heiligen Schauer, das den Men-
schen zu erfüllen pflegt, wenn er die gewaltige Hand des Schicksals
ahnt, wenn in den großen entscheidenden Krisen der Völkergeschichte
die Macht, Tiefe und Weisheit der göttlichen Weltregierung uns
entgegentritt.

Wenn es irgend ein Ereignis gibt, welches das Leben der Völker
im Innersten aufrührt, so ist es der Krieg. Alles erscheint wie
verwandelt; die niederen Leidenschaften schweigen, der Haß der Par-
teien verstummt, ja, das menschliche Leben selbst scheint auf einmal
seinen Wert verloren zu haben. Nur ein großer, gewaltiger Ge-
danke erfüllt die Herzen, begeistert die Jugend, führt unsere Krieger
zum Heldentod auf das Schlachtfeld: das ist der Gedanke des Vater-
landes.

O, wie ist uns Deutschen gerade in dieser letzten Zeit unser
Vaterland so recht eigentlich erst lieb und wert geworden! Dies
Deutschland, das unsere Feinde vernichten wollten, wie ist es doch
mit tausend Fasern uns ans Herz gewachsen! Sogar den Sozial-
demokraten, der bisher für eine große internationale Weltrepublik
geschwärmt hatte, auch ihn ergreift auf einmal der Gedanke des
Vaterlandes, und auch er ist bereit, für dieses Ideal begeistert in
den Tod zu gehen.

Ja, die Kriege sind nicht bloß Mächte der Zerstörung; sie sind
auch wunderbare Mächte des Aufbaues. Denn gerade die Kriege
lehren die Völker ihre innersten Ideale kennen; sie bringen alle edlen
Kräfte der Menschenbrust nach oben, die ein langer Friede nur allzu-

24. Oktober 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] wirken ihrer maritimen Streitkräfte für den Fall kriegeriſcher
Operationen Rußlands und Englands unter Teilnahme Frankreichs,
gelangte die Konferenz zu folgenden Schlüſſen:

Die geplante Marinekonvention ſoll die Beziehungen zwiſchen
den ruſſiſchen und den engliſchen Streitkräften zur See in allen
Einzelheiten regeln, deshalb iſt eine Verſtändigung über Signale
und Spezialchiffres, Radiotelegramme und der Modus des Ver-
kehrs zwiſchen den ruſſiſchen und engliſchen Marineſtäben herbeizu-
führen. Die beiden Marineſtäbe ſollen ſich außerdem regelmäßig
gegenſeitig Mitteilung machen über die Flotten dritter Mächte und
über ihre eigenen Flotten; beſonders über techniſche Daten ſowie
über neu eingeführte Maſchinen und Erfindungen.

Nach dem Vorbild der franco-ruſſiſchen Marinekonvention ſoll
auch zwiſchen dem ruſſiſchen und dem engliſchen Marineſtab ein
regelmäßiger Meinungsaustauſch zur Prüfung von Fragen, welche
die Marineminiſterien beider Staaten intereſſieren, herbeigeführt
werden.

Das ruſſiſche Marine-Abkommen mit England ſoll gleich dem
franco-ruſſiſchen Marine-Abkommen vorher vereinbarte aber ge-
trennte Aktionen der ruſſiſchen und der engliſchen Kriegsmarine
ins Auge faſſen. Im Hinblick auf die ſtrategiſchen Ziele iſt zu
unterſcheiden einerſeits zwiſchen den maritimen Operationen im Ge-
biete des Schwarzen Meeres und der Nordſee, andrerſeits zwiſchen
dem vorausſichtlichen Seekampfe im Mittelmeer. In beiden Ge-
bieten muß Rußland beſtrebt ſein, von England Kompenſationen
dafür zu erhalten, daß es einen Teil der deutſchen Flotte auf die
ruſſiſche abzieht.

Im Gebiete des Bosporus und der Dardanellen ſollen zeit-
weilige Unternehmungen in den Meerengen als ſtrategiſche Opera-
tionen Rußlands im Kriegsfalle ins Auge gefaßt werden.

Die ruſſiſchen Intereſſen in der Oſtſee verlangen, daß England
einen möglichſt großen Teil der deutſchen Flotte in der Nordſee
feſthält. Dadurch würde die erdrückende Uebermacht der deutſchen
Flotte über die ruſſiſche aufgehoben und vielleicht eine ruſſiſche
Landung in Pommern möglich werden. Hierbei könnte die engliſche
Regierung einen weſentlichen Dienſt leiſten, wenn ſie vor Beginn
der Kriegsoperationen eine ſo große Zahl von Handelsſchiffen in
die baltiſchen Häfen ſchickte, daß der Mangel an ruſſiſchen Trans-
portſchiffen ausgeglichen wird.

Was die Lage im Mittelmeer anbetrifft, ſo iſt es für Rußland
höchſt wichtig, daß dort ein ſicheres Uebergewicht der Streitkräfte
der Entente über die auſtro-italieniſche Flotte hergeſtellt wird. Denn
falls die öſterreichiſch-italieniſchen Streitkräfte dieſes Meer beherr-
ſchen, würden Angriffe der öſterreichiſchen Flotte im Schwarzen
Meere möglich ſein, was für Rußland ein gefährlicher Schlag wäre.
Es muß angenommen werden, daß die auſtro-italieniſchen Streit-
kräfte den franzöſiſchen überlegen ſind. England müßte daher
durch Belaſſung der notwendigen Zahl von Schiffen im Mittel-
meere das Uebergewicht der Streitkräfte der Ententemächte minde-
ſtens ſo lange ſichern, als die Entwicklung der ruſſiſchen Marine
noch nicht ſo weit fortgeſchritten iſt, um die Löſung dieſer Aufgabe
ſelbſt zu übernehmen. Ruſſiſche Schiffe müßten mit Zuſtimmung
Englands als Baſis im öſtlichen Mttelmeer die engliſchen Häfen
benützen dürfen, ebenſo wie die franzöſiſche Marinekonvention der
ruſſiſchen Flotte geſtattet, ſich im weſtlichen Mittelmeere auf die
franzöſiſchen Häfen zu baſieren.

IX.
.... Juli 1914.
Gelegentlich meiner heutigen Unterhaltung mit Herrn Sſaſonow
wandte ſich das Geſpräch auch dem Beſuche des Herrn Poincaré
zu. Der Miniſter hob den friedfertigen Ton der gewechſelten Trink-
ſprüche hervor. Ich konnte nicht umhin, Herrn Sſaſonow darauf
aufmerkſam zu machen, daß nicht die bei derartigen Beſuchen aus-
getauſchten Toaſte, ſondern die daran geknüpften Preſſekommentare
den Stoff zur Beunruhigung geliefert hätten. Derartige Kom-
mentare ſeien auch diesmal nicht ausgeblieben, wobei ſogar die
Nachricht von dem angeblichen Abſchluſſe einer ruſſiſch-engliſchen
Marinekonvention verbreitet worden ſei. Herr Sſaſonow griff
dieſen Satz auf und meinte unwillig, eine ſolche Marinekonvention
exiſtiere nur „in der Idee des Berliner Tageblatts und im Mond“.

X.
.... Juli 1914.
Euer pp. beehre ich mich beifolgend Abſchrift eines Schreibens
zu überſenden, das der Adjutant eines zurzeit hier weilenden ruſſi-
ſchen Großfürſten unter dem 25. d. M. von Petersburg aus an den
Großfürſten gerichtet hat und über deſſen weſentlichen Inhalt ich
bereits telegraphiſch berichten durfte. Das Schreiben, von dem ich
auf vertraulichem Wege Kenntnis erhielt, erweiſt meines gehorſamen
Dafürhaltens, daß man ſchon ſeit dem 24. d. M. in Rußland zum
Kriege entſchloſſen iſt.

Anlage.
12./25. Juli, Petersburg.
„In Petersburg waren große Unordnungen unter den Ar-
beitern, ſie fielen ſonderbar mit der Anweſenheit der Franzoſen bei
uns und mit dem öſterreichiſchen Ultimatum an Serbien zuſammen.
Geſtern hörte ich von dem franzöſiſchen Militäragenten General
de la Guiche, er habe gehört, daß Oeſterreich an den Arbeiter-
unruhen nicht unſchuldig ſei. Jetzt kommt aber alles raſch zu
normalen Verhältniſſen. Und es ſcheint, daß, von den Franzoſen
ermutigt, unſere Regierung aufgehört hat, vor den Deutſchen zu
[Spaltenumbruch] zittern. Es war längſt Zeit! Es iſt beſſer, ſich einmal klar aus-
zuſprechen, als ſich ewig hinter den „profeſſionellen Lügen“ der
Diplomaten zu verbergen. Das Ultimatum Oeſterreichs iſt von
unerhörter Frechheit, wie alle hieſigen Zeitungen einmütig ſagen.
Ebenſo habe ich die Abendzeitungen geleſen — geſtern war Sitzung
des Miniſterrats; der Kriegsminiſter hat ſehr energiſch geſprochen
und beſtätigt, daß Rußland zum Kriege bereit ſei, und die übrigen
Miniſter haben ſich voll angeſchloſſen; es wurde in entſprechendem
Geiſte ein Bericht an den Kaiſer fertiggeſtellt, und dieſer Bericht
wurde an demſelben Abend beſtätigt. Heute wurde im Ruſſiſchen
Invaliden eine vorläufige Mitteilung der Regierung veröffentlicht,
daß „die Regierung ſehr durch die eingetretenen Ereigniſſe und die
Abſendung des öſterreichiſchen Ultimatums an Serbien beſorgt ſei.
Die Regierung verfolgt aufmerkſam die Entwicklung der ſerbiſch-
öſterreichiſchen Zuſammenſtöße, bei denen Rußland nicht gleich-
gültig bleiben kann“. Dieſe Mitteilung iſt von allen Zeitungen
mit ſehr günſtigen Kommentaren nachgedruckt worden. Wir alle
ſind überzeugt, daß dieſesmal keine Rasputins Rußland verhindern
werden, ſeine Pflicht zu erfüllen. Deutſchland, das Oeſterreich vor-
ſchickt, iſt feſt entſchloſſen, ſich mit uns zu meſſen, bevor wir unſere
Flotte ausbauen, und die Balkanſtaaten haben ſich noch nicht vom
Kriege erholt. Auch wir müſſen der Gefahr ins Geſicht ſehen und
nicht unſern Kopf verſtecken, wie während des Balkankrieges, als
Kokowtzow nur an die Börſe dachte. Damals aber wäre der Krieg
leichter geweſen, da der Balkanbund voll bewaffnet war. Aber
bei uns trieb man die Straßendemonſtrationen, die gegen das
elende Oeſterreich gerichtet waren, durch die Polizei auseinander!
Jetzt aber würde man ebenſolche Demonſtrationen freudig be-
grüßen. Ueberhaupt wollen wir hoffen, daß das Regiment der
Feiglinge (nach Art Kokowtzows) und gewiſſer Schreier und
Myſtiker vorüber iſt. Der Krieg iſt ein Gewitter. Mögen auch
Kataſtrophen kommen, es wäre immer beſſer, als in dieſer uner-
träglichen Schwüle zu beharren. Aus Erfahrung weiß ich be-
ſtimmt, daß für mich der ruhigſte Platz in der Front iſt, wo man
die Gefahr in ihrer natürlichen Größe ſieht, und das iſt gar nicht
ſo furchtbar; am ſchlimmſten iſt es in der Nachhut, in der die
Atmoſphäre der Feigheit herrſcht, unwahrſcheinliche Gerüchte um-
laufen und Paniken entſtehen. Im künftigen Kriege aber wird
das Innere Rußlands die Nachhut ſein.“

Dieſelbe Unſelbſtändigkeit und Unehrlichkeit der von Sir
Edward Grey geleiteten engliſchen Politik, die ſich aus den obigen
Aktenſtücken ergibt, wird an der Hand der amtlichen Veröffent-
lichungen über die Vorgeſchichte des Krieges im einzelnen über-
zeugend nachgewieſen in einer Schrift „Englands Mitſchuld am
Weltkriege“, die in dieſen Tagen im Verlage von Liebheit u. Thieſen,
Berlin, erſchienen iſt. Wir können ſie als eine gediegene Arbeit
warm empfehlen.



Unſere gefallenen Helden.

Wenn der Telegraph neue Siege des deutſchen Heeres meldet,
wenn er überraſchende Erfolge unſerer jungen Flotte verkündet,
dann iſt es jedesmal, als wenn ein Strom heiliger Begeiſterung
durch unſer Volk ginge; dann hat jeder das Gefühl, als ſei es wieder
Frühling im deutſchen Lande geworden, als habe eine neue herrliche
Epoche unſerer vaterländiſchen Geſchichte begonnen. Niemand kann
ſich der Gewalt dieſer Strömung entziehen; auch den Gleichgültigſten
und Rohſten ergreift etwas von dem heiligen Schauer, das den Men-
ſchen zu erfüllen pflegt, wenn er die gewaltige Hand des Schickſals
ahnt, wenn in den großen entſcheidenden Kriſen der Völkergeſchichte
die Macht, Tiefe und Weisheit der göttlichen Weltregierung uns
entgegentritt.

Wenn es irgend ein Ereignis gibt, welches das Leben der Völker
im Innerſten aufrührt, ſo iſt es der Krieg. Alles erſcheint wie
verwandelt; die niederen Leidenſchaften ſchweigen, der Haß der Par-
teien verſtummt, ja, das menſchliche Leben ſelbſt ſcheint auf einmal
ſeinen Wert verloren zu haben. Nur ein großer, gewaltiger Ge-
danke erfüllt die Herzen, begeiſtert die Jugend, führt unſere Krieger
zum Heldentod auf das Schlachtfeld: das iſt der Gedanke des Vater-
landes.

O, wie iſt uns Deutſchen gerade in dieſer letzten Zeit unſer
Vaterland ſo recht eigentlich erſt lieb und wert geworden! Dies
Deutſchland, das unſere Feinde vernichten wollten, wie iſt es doch
mit tauſend Faſern uns ans Herz gewachſen! Sogar den Sozial-
demokraten, der bisher für eine große internationale Weltrepublik
geſchwärmt hatte, auch ihn ergreift auf einmal der Gedanke des
Vaterlandes, und auch er iſt bereit, für dieſes Ideal begeiſtert in
den Tod zu gehen.

Ja, die Kriege ſind nicht bloß Mächte der Zerſtörung; ſie ſind
auch wunderbare Mächte des Aufbaues. Denn gerade die Kriege
lehren die Völker ihre innerſten Ideale kennen; ſie bringen alle edlen
Kräfte der Menſchenbruſt nach oben, die ein langer Friede nur allzu-

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[627/0011] 24. Oktober 1914. Allgemeine Zeitung wirken ihrer maritimen Streitkräfte für den Fall kriegeriſcher Operationen Rußlands und Englands unter Teilnahme Frankreichs, gelangte die Konferenz zu folgenden Schlüſſen: Die geplante Marinekonvention ſoll die Beziehungen zwiſchen den ruſſiſchen und den engliſchen Streitkräften zur See in allen Einzelheiten regeln, deshalb iſt eine Verſtändigung über Signale und Spezialchiffres, Radiotelegramme und der Modus des Ver- kehrs zwiſchen den ruſſiſchen und engliſchen Marineſtäben herbeizu- führen. Die beiden Marineſtäbe ſollen ſich außerdem regelmäßig gegenſeitig Mitteilung machen über die Flotten dritter Mächte und über ihre eigenen Flotten; beſonders über techniſche Daten ſowie über neu eingeführte Maſchinen und Erfindungen. Nach dem Vorbild der franco-ruſſiſchen Marinekonvention ſoll auch zwiſchen dem ruſſiſchen und dem engliſchen Marineſtab ein regelmäßiger Meinungsaustauſch zur Prüfung von Fragen, welche die Marineminiſterien beider Staaten intereſſieren, herbeigeführt werden. Das ruſſiſche Marine-Abkommen mit England ſoll gleich dem franco-ruſſiſchen Marine-Abkommen vorher vereinbarte aber ge- trennte Aktionen der ruſſiſchen und der engliſchen Kriegsmarine ins Auge faſſen. Im Hinblick auf die ſtrategiſchen Ziele iſt zu unterſcheiden einerſeits zwiſchen den maritimen Operationen im Ge- biete des Schwarzen Meeres und der Nordſee, andrerſeits zwiſchen dem vorausſichtlichen Seekampfe im Mittelmeer. In beiden Ge- bieten muß Rußland beſtrebt ſein, von England Kompenſationen dafür zu erhalten, daß es einen Teil der deutſchen Flotte auf die ruſſiſche abzieht. Im Gebiete des Bosporus und der Dardanellen ſollen zeit- weilige Unternehmungen in den Meerengen als ſtrategiſche Opera- tionen Rußlands im Kriegsfalle ins Auge gefaßt werden. Die ruſſiſchen Intereſſen in der Oſtſee verlangen, daß England einen möglichſt großen Teil der deutſchen Flotte in der Nordſee feſthält. Dadurch würde die erdrückende Uebermacht der deutſchen Flotte über die ruſſiſche aufgehoben und vielleicht eine ruſſiſche Landung in Pommern möglich werden. Hierbei könnte die engliſche Regierung einen weſentlichen Dienſt leiſten, wenn ſie vor Beginn der Kriegsoperationen eine ſo große Zahl von Handelsſchiffen in die baltiſchen Häfen ſchickte, daß der Mangel an ruſſiſchen Trans- portſchiffen ausgeglichen wird. Was die Lage im Mittelmeer anbetrifft, ſo iſt es für Rußland höchſt wichtig, daß dort ein ſicheres Uebergewicht der Streitkräfte der Entente über die auſtro-italieniſche Flotte hergeſtellt wird. Denn falls die öſterreichiſch-italieniſchen Streitkräfte dieſes Meer beherr- ſchen, würden Angriffe der öſterreichiſchen Flotte im Schwarzen Meere möglich ſein, was für Rußland ein gefährlicher Schlag wäre. Es muß angenommen werden, daß die auſtro-italieniſchen Streit- kräfte den franzöſiſchen überlegen ſind. England müßte daher durch Belaſſung der notwendigen Zahl von Schiffen im Mittel- meere das Uebergewicht der Streitkräfte der Ententemächte minde- ſtens ſo lange ſichern, als die Entwicklung der ruſſiſchen Marine noch nicht ſo weit fortgeſchritten iſt, um die Löſung dieſer Aufgabe ſelbſt zu übernehmen. Ruſſiſche Schiffe müßten mit Zuſtimmung Englands als Baſis im öſtlichen Mttelmeer die engliſchen Häfen benützen dürfen, ebenſo wie die franzöſiſche Marinekonvention der ruſſiſchen Flotte geſtattet, ſich im weſtlichen Mittelmeere auf die franzöſiſchen Häfen zu baſieren. IX. .... Juli 1914. Gelegentlich meiner heutigen Unterhaltung mit Herrn Sſaſonow wandte ſich das Geſpräch auch dem Beſuche des Herrn Poincaré zu. Der Miniſter hob den friedfertigen Ton der gewechſelten Trink- ſprüche hervor. Ich konnte nicht umhin, Herrn Sſaſonow darauf aufmerkſam zu machen, daß nicht die bei derartigen Beſuchen aus- getauſchten Toaſte, ſondern die daran geknüpften Preſſekommentare den Stoff zur Beunruhigung geliefert hätten. Derartige Kom- mentare ſeien auch diesmal nicht ausgeblieben, wobei ſogar die Nachricht von dem angeblichen Abſchluſſe einer ruſſiſch-engliſchen Marinekonvention verbreitet worden ſei. Herr Sſaſonow griff dieſen Satz auf und meinte unwillig, eine ſolche Marinekonvention exiſtiere nur „in der Idee des Berliner Tageblatts und im Mond“. X. .... Juli 1914. Euer pp. beehre ich mich beifolgend Abſchrift eines Schreibens zu überſenden, das der Adjutant eines zurzeit hier weilenden ruſſi- ſchen Großfürſten unter dem 25. d. M. von Petersburg aus an den Großfürſten gerichtet hat und über deſſen weſentlichen Inhalt ich bereits telegraphiſch berichten durfte. Das Schreiben, von dem ich auf vertraulichem Wege Kenntnis erhielt, erweiſt meines gehorſamen Dafürhaltens, daß man ſchon ſeit dem 24. d. M. in Rußland zum Kriege entſchloſſen iſt. Anlage. 12./25. Juli, Petersburg. „In Petersburg waren große Unordnungen unter den Ar- beitern, ſie fielen ſonderbar mit der Anweſenheit der Franzoſen bei uns und mit dem öſterreichiſchen Ultimatum an Serbien zuſammen. Geſtern hörte ich von dem franzöſiſchen Militäragenten General de la Guiche, er habe gehört, daß Oeſterreich an den Arbeiter- unruhen nicht unſchuldig ſei. Jetzt kommt aber alles raſch zu normalen Verhältniſſen. Und es ſcheint, daß, von den Franzoſen ermutigt, unſere Regierung aufgehört hat, vor den Deutſchen zu zittern. Es war längſt Zeit! Es iſt beſſer, ſich einmal klar aus- zuſprechen, als ſich ewig hinter den „profeſſionellen Lügen“ der Diplomaten zu verbergen. Das Ultimatum Oeſterreichs iſt von unerhörter Frechheit, wie alle hieſigen Zeitungen einmütig ſagen. Ebenſo habe ich die Abendzeitungen geleſen — geſtern war Sitzung des Miniſterrats; der Kriegsminiſter hat ſehr energiſch geſprochen und beſtätigt, daß Rußland zum Kriege bereit ſei, und die übrigen Miniſter haben ſich voll angeſchloſſen; es wurde in entſprechendem Geiſte ein Bericht an den Kaiſer fertiggeſtellt, und dieſer Bericht wurde an demſelben Abend beſtätigt. Heute wurde im Ruſſiſchen Invaliden eine vorläufige Mitteilung der Regierung veröffentlicht, daß „die Regierung ſehr durch die eingetretenen Ereigniſſe und die Abſendung des öſterreichiſchen Ultimatums an Serbien beſorgt ſei. Die Regierung verfolgt aufmerkſam die Entwicklung der ſerbiſch- öſterreichiſchen Zuſammenſtöße, bei denen Rußland nicht gleich- gültig bleiben kann“. Dieſe Mitteilung iſt von allen Zeitungen mit ſehr günſtigen Kommentaren nachgedruckt worden. Wir alle ſind überzeugt, daß dieſesmal keine Rasputins Rußland verhindern werden, ſeine Pflicht zu erfüllen. Deutſchland, das Oeſterreich vor- ſchickt, iſt feſt entſchloſſen, ſich mit uns zu meſſen, bevor wir unſere Flotte ausbauen, und die Balkanſtaaten haben ſich noch nicht vom Kriege erholt. Auch wir müſſen der Gefahr ins Geſicht ſehen und nicht unſern Kopf verſtecken, wie während des Balkankrieges, als Kokowtzow nur an die Börſe dachte. Damals aber wäre der Krieg leichter geweſen, da der Balkanbund voll bewaffnet war. Aber bei uns trieb man die Straßendemonſtrationen, die gegen das elende Oeſterreich gerichtet waren, durch die Polizei auseinander! Jetzt aber würde man ebenſolche Demonſtrationen freudig be- grüßen. Ueberhaupt wollen wir hoffen, daß das Regiment der Feiglinge (nach Art Kokowtzows) und gewiſſer Schreier und Myſtiker vorüber iſt. Der Krieg iſt ein Gewitter. Mögen auch Kataſtrophen kommen, es wäre immer beſſer, als in dieſer uner- träglichen Schwüle zu beharren. Aus Erfahrung weiß ich be- ſtimmt, daß für mich der ruhigſte Platz in der Front iſt, wo man die Gefahr in ihrer natürlichen Größe ſieht, und das iſt gar nicht ſo furchtbar; am ſchlimmſten iſt es in der Nachhut, in der die Atmoſphäre der Feigheit herrſcht, unwahrſcheinliche Gerüchte um- laufen und Paniken entſtehen. Im künftigen Kriege aber wird das Innere Rußlands die Nachhut ſein.“ Dieſelbe Unſelbſtändigkeit und Unehrlichkeit der von Sir Edward Grey geleiteten engliſchen Politik, die ſich aus den obigen Aktenſtücken ergibt, wird an der Hand der amtlichen Veröffent- lichungen über die Vorgeſchichte des Krieges im einzelnen über- zeugend nachgewieſen in einer Schrift „Englands Mitſchuld am Weltkriege“, die in dieſen Tagen im Verlage von Liebheit u. Thieſen, Berlin, erſchienen iſt. Wir können ſie als eine gediegene Arbeit warm empfehlen. Unſere gefallenen Helden. Wenn der Telegraph neue Siege des deutſchen Heeres meldet, wenn er überraſchende Erfolge unſerer jungen Flotte verkündet, dann iſt es jedesmal, als wenn ein Strom heiliger Begeiſterung durch unſer Volk ginge; dann hat jeder das Gefühl, als ſei es wieder Frühling im deutſchen Lande geworden, als habe eine neue herrliche Epoche unſerer vaterländiſchen Geſchichte begonnen. Niemand kann ſich der Gewalt dieſer Strömung entziehen; auch den Gleichgültigſten und Rohſten ergreift etwas von dem heiligen Schauer, das den Men- ſchen zu erfüllen pflegt, wenn er die gewaltige Hand des Schickſals ahnt, wenn in den großen entſcheidenden Kriſen der Völkergeſchichte die Macht, Tiefe und Weisheit der göttlichen Weltregierung uns entgegentritt. Wenn es irgend ein Ereignis gibt, welches das Leben der Völker im Innerſten aufrührt, ſo iſt es der Krieg. Alles erſcheint wie verwandelt; die niederen Leidenſchaften ſchweigen, der Haß der Par- teien verſtummt, ja, das menſchliche Leben ſelbſt ſcheint auf einmal ſeinen Wert verloren zu haben. Nur ein großer, gewaltiger Ge- danke erfüllt die Herzen, begeiſtert die Jugend, führt unſere Krieger zum Heldentod auf das Schlachtfeld: das iſt der Gedanke des Vater- landes. O, wie iſt uns Deutſchen gerade in dieſer letzten Zeit unſer Vaterland ſo recht eigentlich erſt lieb und wert geworden! Dies Deutſchland, das unſere Feinde vernichten wollten, wie iſt es doch mit tauſend Faſern uns ans Herz gewachſen! Sogar den Sozial- demokraten, der bisher für eine große internationale Weltrepublik geſchwärmt hatte, auch ihn ergreift auf einmal der Gedanke des Vaterlandes, und auch er iſt bereit, für dieſes Ideal begeiſtert in den Tod zu gehen. Ja, die Kriege ſind nicht bloß Mächte der Zerſtörung; ſie ſind auch wunderbare Mächte des Aufbaues. Denn gerade die Kriege lehren die Völker ihre innerſten Ideale kennen; ſie bringen alle edlen Kräfte der Menſchenbruſt nach oben, die ein langer Friede nur allzu-

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-04-27T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 43, 24. Oktober 1914, S. 627. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine43_1914/11>, abgerufen am 17.06.2024.