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Allgemeine Zeitung, Nr. 42, 17. Oktober 1914.

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17. Oktober 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] die Festung durch Hinausschieben von Heeresteilen gegen Westen zu
decken, vermochte aber unseren heraneilenden Armeen nirgends stand
zu halten.

Die fünf bis sechs russischen Infanterie-Divisionen, die sich bei
Lancut stellten, sind auf fluchtartigem Rückzug an den Sanfluß.
Ebenso wurden eine Kosaken-Division und eine Infanterie-Brigade,
die östlich Dymow eine verstärkte Stellung inne hatten, nach kurzem
Widerstand zurückgeworfen. Unsere Truppen sind dem Gegner
überall an den Fersen.

Auch Ungarn dürfte von den noch im Komitat Marmaros und
Beßtercz-Naßod herumirrenden feindlichen Abteilungen bald gänz-
lich gesäubert sein.

Unter demselben Datum meldete der Kriegsberichterstatter der
"Reichspost": Am Dienstag unternahmen die Russen einen Angriff
auf einen Teil des äußeren Fortgürtels von Przemysl. Die
Verteidiger ließen den Feind auf 800 Schritt herankommen und
eröffneten erst dann ein starkes Geschütz-, Maschinengewehr- und
Infanteriefeuer. Die Wirkung des plötzlichen Feuers war entsetz-
lich. Gegen 10,000 Russen, die zu diesem Angriffe angesetzt waren,
blieben bis auf geringfügige Ueberreste alle tot oder verwundet am
Platze. Der russische Angriff war hier völlig in sich zusammenge-
brochen.

Unterm 12. ds. wird amtlich mitgeteilt: Unsere Offensive
erreichte unter vielfachen, für unsere Truppen durchweg siegreichen
Kämpfen den San. Der Entsatz der Festung Przemysl ist voll-
zogen. Nördlich und südlich der Festung werden Reste der feind-
lichen Einschließungsarmee angegriffen. Jaroslau und Le-
zajsk
sind in unserem Besitz. Von Sieniawa geht ein starker
Feind zurück. Oestlich von Chyrow schreitet unser Angriff gleich-
falls fort.

In Russischpolen wurden alle Versuche starker russischer
Streitkräfte, die Weichsel südlich von Iwangorod zu überschreiten,
abgeschlagen.

Unterm 13. ds. wird amtlich gemeldet: Gestern schlugen unsere
gegen Przemysl anrückenden Kräfte, unterstützt durch einen Aus-
fall der Besatzung, die Einschließung derartig zurück, daß sich der
Feind jetzt nur mehr vor der Ostfront der Festung hält. Bei seinem
Rückzug stürzten mehrere Kriegsbrücken nächst Sosnica ein. Viele
Russen ertranken im San.

Der Kampf östlich Chyrow dauert noch an. Eine Kosaken-
division wurde von unserer Kavallerie gegen Drohobycz ge-
worfen.

In den durch die ungünstige Witterung und die schlechten Weg-
verhältnisse außerordentlich erschwerten Märschen und Kämpfen der
letzten Wochen hat sich die Leistungsfähigkeit unserer braven Trup-
pen glänzend bewährt.

Ueber die Lage im Osten überhaupt übernimmt das Wolff-
sche Telegraphenbureau nachstehende ausführliche Erklärungen:

Ein militärischer Mitarbeiter des "Neuen Wiener Tagblatts"
schreibt über die jüngsten Ereignisse:

Immer neue Teilerfolge zeitigt das geschlossene Vorgehen der
verbündeten deutschen und österreichisch-ungarischen Armeen an den
beiden Ufern der Weichsel im Raume Iwangorod, das kaum 100
Kilometer südöstlich von Warschau liegt, bis Dymow am Sanfluß,
40 Kilometer westlich von Przemysl. Sieg auf Sieg über die feind-
lichen Nachhuten wird erfochten.

An und für sich sind es zwar örtlich begrenzte Einzelereignisse
in der 250 Kilometer breiten nordöstlichen Operationslinie, im Hin-
blick auf das ungeheuere gemeinsame Endziel, aber doch schon die
ineinandergreifenden Glieder einer unzerreißbaren Kette, die mit
ehernem Druck langsam, aber immer merklicher die russische Haupt-
macht an Hals und Brust zu würgen beginnt. Es zeigt sich nun-
mehr zur Evidenz, daß die Konzentrierung unserer Armeen nach
Westen keine taktische Niederlage war, sondern vielmehr eine über-
legte strategische Maßnahme bildete, diktiert von dem höheren Zweck,
den lückenlosen Anschluß an die deutsche Armee nördlich von Krakau
zu sichern.

Das wurde mit einer solchen Promptheit erreicht, daß nun mit
den mit vereinten Kräften sich stellenden gegnerischen Truppen eine
Spitze nach der anderen abgebrochen wird. Die Erstürmung des
russischen Brückenkopfes bei Sandomierz und die Zurückwerfung der
feindlichen Infanterie-Division bei Tarnobrzeg im Weichsel- und
Sanwinkel tragen bereits die erwarteten Früchte. Der geschlagene
Gegner konnte sich bei der energischen Verfolgung über das Hinder-
nis der beiden tiefen und breiten Flüsse nicht rasch genug zurück-
[Spaltenumbruch] ziehen und fiel samt dem Train abteilungsweise unseren noch auf
dem rechten Weichselufer vordringenden Truppen in die Hände.

Unsere weiter südlich im Raume von Sandec längs der Eisen-
bahn und Straße gegen Rzessow vorgegangene Armee warf am
7. Oktober jene Heeresteile des Gegners, die versuchten, die Festung
Przemysl von Westen einzuschließen, bei dem Dorfe Barycz, 15 Kilo-
meter südlich der Stadt Rzeßow, wodurch dieser so wichtige Bahn-
knotenpunkt wieder endgültig in Besitz genommen wurde.

Trotz des wiederholten, vergeblichen und mit furchtbaren Ver-
lusten bezahlten Anrennens gegen die Forts von Przemysl in den
ersten Tagen des Oktober rannten sich die Russen am 6. und 7. Okt.
an den Bollwerken erneut die Köpfe ein. Nicht so sehr die Tausende
von Toten und Verwundeten, die der Gegner dort liegen ließ, wer-
den ihn von der Wiederholung des vergeblichen Beginnens abhalten,
wohl aber dürfte das bedenkliche Nahen unserer siegreichen Truppen
im Westen der Festung schon in den nächsten Tagen jedem weiteren
Belagerungsversuch möglicherweise ein endgültiges Ende bereiten.

Aus Wien wird dem Wolffschen Telegraphenbureau unterm
14. ds. vom österreichisch-russischen Kriegsschauplatz gemeldet:

In der Linie Stary-Sambor-Medyka, südöstlich von Przemysl,
sind befestigte Stellungen des Feindes. Unsere Truppen greifen an.
Diese Kämpfe nehmen an Ausdehnung zu. In den Karpathen
nahmen wir Toronya nach viertägigem Kampfe und verfolgten die
Russen gegen Wyskow. Kleinere erfolgreiche Gefechte mit zurück-
gehenden feindlichen Abteilungen fanden auch im Vissotal statt.

Auf dem östlichen Kriegsschauplatz sind in den
Kämpfen bei Schirwindt die Russen geworfen und haben 3000
Gefangene, 26 Geschütze und 12 Maschinengewehre verloren. Lyck
ist wieder in unserem Besitz. Bialla ist vom Feinde geräumt.

Weiter südlich sind beim Zurückwerfen russischer Vortruppen
auf Warschau 8000 Gefangene gemacht und 25 Geschütze erbeutet
worden.

Einen kulturell-historisch merkwürdigen Aufruf hat die
deutsche und österreichische Heeresleitung in Russisch-Polen verbreitet,
nämlich einen in jiddisch deutscher Sprache, im sogenannten jiddischen
Jargon. Er lautet:

Zu die Jiden in Paulen.
Die heldische Armee vun die grauße mitteleiropäische Regierun-
gen, Deitschland und Esterreich-Ungarn, seinen arein in Paulen.
Der mechtiger Marsch von unsern Armees hat gezwungen die despo-
tische russische Regierung zu antlaufen.

Unsere Fohnen brengen eich Recht un Freiheit; gleiche Birger-
rechte, Freiheit vorn Glauben, Freiheit zu arbeiten undgestert in
alle Zweigen vun ekonomischen un kulturellen Leben in eier Geist!

Zu lang hot ihr sich geplogt unter dem eisernen moskowitischen
Joch. Wie Freind kummen wir zu eich, die barbarische fremde
Regierung is aus! Die gleiche Recht vor Jiden soll weren gebaut
auf feste Fundamenten.

Loßt eich nischt, wie a ßach mol friler, obnarren durch chanu-
fedige Versprechungen! Zu hot nischt auch in 1905 der Zar gesogt
die gleiche Recht von Jiden, un zu hot er nischt darauf gegeben den
hechsten Manifest?

Wie hat man eich obgezohlt dem dosigen Chaum, was man hot
auf sich genummen vor der ganzen Welt? Gedenkt das Araustrei-
ben, wos man treibt togteglich die jidische Massen vun seiere einge-
sessene Mekaumaus! Gedenkt Kischinew, Homel, Bialystok, Siedletz
un viel hunderter andere blutige Pogromes! Gedenkt dem Beilis-
Prozeß un die Arbeit vun die barbarische Regierung, zu verbreiten
dem schrecklichen Ligen von Blutgebrauch bei die Jiden!

Asau hot der Zar gehalten sein monarchisch Wort, wos er hot
gegeben, elendig in die Klemm! Er ist jetzt wieder in die Klemm!
-- Ot, dos is die Siboh vun seine Versprechungen.

Eier heiliger Chauw ist ajetzt, zusammen zu nehmen alle Kref-
ten, mitzuarbeiten bei die Befreiung. Alle Volkskreften: eier junger
Daur, eiere Kehillaus, eiere Chewraus mussen sich schtellen wie ein
Mann, mitzuhelfen zu die heilige Sach. Mir erwarten, as ihr wet
beweisen durch Fakten eier Verschtand un eier Uebergegebenheit.
Wendet sich mit dem greßten Bitochau zu die Kommandanten vun
unsere Militär in die Oerter, wos seinen nohent zu eich.

Alle Sorten Lieferungen wellen bald un gut bezahlt. Bahnt
dem Weg, zu bezwingen im ganzen dem Ssaune un zu brengen
dem Nizochaun vun Freiheit un Gerechtigkeit!

Die obere Leitung vun die verbindet deitsche un
esterreichisch-ungarische Armees.

17. Oktober 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] die Feſtung durch Hinausſchieben von Heeresteilen gegen Weſten zu
decken, vermochte aber unſeren heraneilenden Armeen nirgends ſtand
zu halten.

Die fünf bis ſechs ruſſiſchen Infanterie-Diviſionen, die ſich bei
Lancut ſtellten, ſind auf fluchtartigem Rückzug an den Sanfluß.
Ebenſo wurden eine Koſaken-Diviſion und eine Infanterie-Brigade,
die öſtlich Dymow eine verſtärkte Stellung inne hatten, nach kurzem
Widerſtand zurückgeworfen. Unſere Truppen ſind dem Gegner
überall an den Ferſen.

Auch Ungarn dürfte von den noch im Komitat Marmaros und
Beſztercz-Naſzod herumirrenden feindlichen Abteilungen bald gänz-
lich geſäubert ſein.

Unter demſelben Datum meldete der Kriegsberichterſtatter der
„Reichspoſt“: Am Dienstag unternahmen die Ruſſen einen Angriff
auf einen Teil des äußeren Fortgürtels von Przemysl. Die
Verteidiger ließen den Feind auf 800 Schritt herankommen und
eröffneten erſt dann ein ſtarkes Geſchütz-, Maſchinengewehr- und
Infanteriefeuer. Die Wirkung des plötzlichen Feuers war entſetz-
lich. Gegen 10,000 Ruſſen, die zu dieſem Angriffe angeſetzt waren,
blieben bis auf geringfügige Ueberreſte alle tot oder verwundet am
Platze. Der ruſſiſche Angriff war hier völlig in ſich zuſammenge-
brochen.

Unterm 12. ds. wird amtlich mitgeteilt: Unſere Offenſive
erreichte unter vielfachen, für unſere Truppen durchweg ſiegreichen
Kämpfen den San. Der Entſatz der Feſtung Przemysl iſt voll-
zogen. Nördlich und ſüdlich der Feſtung werden Reſte der feind-
lichen Einſchließungsarmee angegriffen. Jaroslau und Le-
zajsk
ſind in unſerem Beſitz. Von Sieniawa geht ein ſtarker
Feind zurück. Oeſtlich von Chyrow ſchreitet unſer Angriff gleich-
falls fort.

In Ruſſiſchpolen wurden alle Verſuche ſtarker ruſſiſcher
Streitkräfte, die Weichſel ſüdlich von Iwangorod zu überſchreiten,
abgeſchlagen.

Unterm 13. ds. wird amtlich gemeldet: Geſtern ſchlugen unſere
gegen Przemysl anrückenden Kräfte, unterſtützt durch einen Aus-
fall der Beſatzung, die Einſchließung derartig zurück, daß ſich der
Feind jetzt nur mehr vor der Oſtfront der Feſtung hält. Bei ſeinem
Rückzug ſtürzten mehrere Kriegsbrücken nächſt Sosnica ein. Viele
Ruſſen ertranken im San.

Der Kampf öſtlich Chyrow dauert noch an. Eine Koſaken-
diviſion wurde von unſerer Kavallerie gegen Drohobycz ge-
worfen.

In den durch die ungünſtige Witterung und die ſchlechten Weg-
verhältniſſe außerordentlich erſchwerten Märſchen und Kämpfen der
letzten Wochen hat ſich die Leiſtungsfähigkeit unſerer braven Trup-
pen glänzend bewährt.

Ueber die Lage im Oſten überhaupt übernimmt das Wolff-
ſche Telegraphenbureau nachſtehende ausführliche Erklärungen:

Ein militäriſcher Mitarbeiter des „Neuen Wiener Tagblatts“
ſchreibt über die jüngſten Ereigniſſe:

Immer neue Teilerfolge zeitigt das geſchloſſene Vorgehen der
verbündeten deutſchen und öſterreichiſch-ungariſchen Armeen an den
beiden Ufern der Weichſel im Raume Iwangorod, das kaum 100
Kilometer ſüdöſtlich von Warſchau liegt, bis Dymow am Sanfluß,
40 Kilometer weſtlich von Przemysl. Sieg auf Sieg über die feind-
lichen Nachhuten wird erfochten.

An und für ſich ſind es zwar örtlich begrenzte Einzelereigniſſe
in der 250 Kilometer breiten nordöſtlichen Operationslinie, im Hin-
blick auf das ungeheuere gemeinſame Endziel, aber doch ſchon die
ineinandergreifenden Glieder einer unzerreißbaren Kette, die mit
ehernem Druck langſam, aber immer merklicher die ruſſiſche Haupt-
macht an Hals und Bruſt zu würgen beginnt. Es zeigt ſich nun-
mehr zur Evidenz, daß die Konzentrierung unſerer Armeen nach
Weſten keine taktiſche Niederlage war, ſondern vielmehr eine über-
legte ſtrategiſche Maßnahme bildete, diktiert von dem höheren Zweck,
den lückenloſen Anſchluß an die deutſche Armee nördlich von Krakau
zu ſichern.

Das wurde mit einer ſolchen Promptheit erreicht, daß nun mit
den mit vereinten Kräften ſich ſtellenden gegneriſchen Truppen eine
Spitze nach der anderen abgebrochen wird. Die Erſtürmung des
ruſſiſchen Brückenkopfes bei Sandomierz und die Zurückwerfung der
feindlichen Infanterie-Diviſion bei Tarnobrzeg im Weichſel- und
Sanwinkel tragen bereits die erwarteten Früchte. Der geſchlagene
Gegner konnte ſich bei der energiſchen Verfolgung über das Hinder-
nis der beiden tiefen und breiten Flüſſe nicht raſch genug zurück-
[Spaltenumbruch] ziehen und fiel ſamt dem Train abteilungsweiſe unſeren noch auf
dem rechten Weichſelufer vordringenden Truppen in die Hände.

Unſere weiter ſüdlich im Raume von Sandec längs der Eiſen-
bahn und Straße gegen Rzeſſow vorgegangene Armee warf am
7. Oktober jene Heeresteile des Gegners, die verſuchten, die Feſtung
Przemysl von Weſten einzuſchließen, bei dem Dorfe Barycz, 15 Kilo-
meter ſüdlich der Stadt Rzeſzow, wodurch dieſer ſo wichtige Bahn-
knotenpunkt wieder endgültig in Beſitz genommen wurde.

Trotz des wiederholten, vergeblichen und mit furchtbaren Ver-
luſten bezahlten Anrennens gegen die Forts von Przemysl in den
erſten Tagen des Oktober rannten ſich die Ruſſen am 6. und 7. Okt.
an den Bollwerken erneut die Köpfe ein. Nicht ſo ſehr die Tauſende
von Toten und Verwundeten, die der Gegner dort liegen ließ, wer-
den ihn von der Wiederholung des vergeblichen Beginnens abhalten,
wohl aber dürfte das bedenkliche Nahen unſerer ſiegreichen Truppen
im Weſten der Feſtung ſchon in den nächſten Tagen jedem weiteren
Belagerungsverſuch möglicherweiſe ein endgültiges Ende bereiten.

Aus Wien wird dem Wolffſchen Telegraphenbureau unterm
14. ds. vom öſterreichiſch-ruſſiſchen Kriegsſchauplatz gemeldet:

In der Linie Stary-Sambor-Medyka, ſüdöſtlich von Przemysl,
ſind befeſtigte Stellungen des Feindes. Unſere Truppen greifen an.
Dieſe Kämpfe nehmen an Ausdehnung zu. In den Karpathen
nahmen wir Toronya nach viertägigem Kampfe und verfolgten die
Ruſſen gegen Wyskow. Kleinere erfolgreiche Gefechte mit zurück-
gehenden feindlichen Abteilungen fanden auch im Viſſotal ſtatt.

Auf dem öſtlichen Kriegsſchauplatz ſind in den
Kämpfen bei Schirwindt die Ruſſen geworfen und haben 3000
Gefangene, 26 Geſchütze und 12 Maſchinengewehre verloren. Lyck
iſt wieder in unſerem Beſitz. Bialla iſt vom Feinde geräumt.

Weiter ſüdlich ſind beim Zurückwerfen ruſſiſcher Vortruppen
auf Warſchau 8000 Gefangene gemacht und 25 Geſchütze erbeutet
worden.

Einen kulturell-hiſtoriſch merkwürdigen Aufruf hat die
deutſche und öſterreichiſche Heeresleitung in Ruſſiſch-Polen verbreitet,
nämlich einen in jiddiſch deutſcher Sprache, im ſogenannten jiddiſchen
Jargon. Er lautet:

Zu die Jiden in Paulen.
Die heldiſche Armee vun die grauße mitteleiropäiſche Regierun-
gen, Deitſchland und Eſterreich-Ungarn, ſeinen arein in Paulen.
Der mechtiger Marſch von unſern Armees hat gezwungen die deſpo-
tiſche ruſſiſche Regierung zu antlaufen.

Unſere Fohnen brengen eich Recht un Freiheit; gleiche Birger-
rechte, Freiheit vorn Glauben, Freiheit zu arbeiten undgeſtert in
alle Zweigen vun ekonomiſchen un kulturellen Leben in eier Geiſt!

Zu lang hot ihr ſich geplogt unter dem eiſernen moskowitiſchen
Joch. Wie Freind kummen wir zu eich, die barbariſche fremde
Regierung is aus! Die gleiche Recht vor Jiden ſoll weren gebaut
auf feſte Fundamenten.

Loßt eich niſcht, wie a ßach mol friler, obnarren durch chanu-
fedige Verſprechungen! Zu hot niſcht auch in 1905 der Zar geſogt
die gleiche Recht von Jiden, un zu hot er niſcht darauf gegeben den
hechſten Manifeſt?

Wie hat man eich obgezohlt dem doſigen Chaum, was man hot
auf ſich genummen vor der ganzen Welt? Gedenkt das Araustrei-
ben, wos man treibt togteglich die jidiſche Maſſen vun ſeiere einge-
ſeſſene Mekaumaus! Gedenkt Kiſchinew, Homel, Bialyſtok, Siedletz
un viel hunderter andere blutige Pogromes! Gedenkt dem Beilis-
Prozeß un die Arbeit vun die barbariſche Regierung, zu verbreiten
dem ſchrecklichen Ligen von Blutgebrauch bei die Jiden!

Aſau hot der Zar gehalten ſein monarchiſch Wort, wos er hot
gegeben, elendig in die Klemm! Er iſt jetzt wieder in die Klemm!
— Ot, dos is die Siboh vun ſeine Verſprechungen.

Eier heiliger Chauw iſt ajetzt, zuſammen zu nehmen alle Kref-
ten, mitzuarbeiten bei die Befreiung. Alle Volkskreften: eier junger
Daur, eiere Kehillaus, eiere Chewraus muſſen ſich ſchtellen wie ein
Mann, mitzuhelfen zu die heilige Sach. Mir erwarten, as ihr wet
beweiſen durch Fakten eier Verſchtand un eier Uebergegebenheit.
Wendet ſich mit dem greßten Bitochau zu die Kommandanten vun
unſere Militär in die Oerter, wos ſeinen nohent zu eich.

Alle Sorten Lieferungen wellen bald un gut bezahlt. Bahnt
dem Weg, zu bezwingen im ganzen dem Sſaune un zu brengen
dem Nizochaun vun Freiheit un Gerechtigkeit!

Die obere Leitung vun die verbindet deitſche un
eſterreichiſch-ungariſche Armees.

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[609/0005] 17. Oktober 1914. Allgemeine Zeitung die Feſtung durch Hinausſchieben von Heeresteilen gegen Weſten zu decken, vermochte aber unſeren heraneilenden Armeen nirgends ſtand zu halten. Die fünf bis ſechs ruſſiſchen Infanterie-Diviſionen, die ſich bei Lancut ſtellten, ſind auf fluchtartigem Rückzug an den Sanfluß. Ebenſo wurden eine Koſaken-Diviſion und eine Infanterie-Brigade, die öſtlich Dymow eine verſtärkte Stellung inne hatten, nach kurzem Widerſtand zurückgeworfen. Unſere Truppen ſind dem Gegner überall an den Ferſen. Auch Ungarn dürfte von den noch im Komitat Marmaros und Beſztercz-Naſzod herumirrenden feindlichen Abteilungen bald gänz- lich geſäubert ſein. Unter demſelben Datum meldete der Kriegsberichterſtatter der „Reichspoſt“: Am Dienstag unternahmen die Ruſſen einen Angriff auf einen Teil des äußeren Fortgürtels von Przemysl. Die Verteidiger ließen den Feind auf 800 Schritt herankommen und eröffneten erſt dann ein ſtarkes Geſchütz-, Maſchinengewehr- und Infanteriefeuer. Die Wirkung des plötzlichen Feuers war entſetz- lich. Gegen 10,000 Ruſſen, die zu dieſem Angriffe angeſetzt waren, blieben bis auf geringfügige Ueberreſte alle tot oder verwundet am Platze. Der ruſſiſche Angriff war hier völlig in ſich zuſammenge- brochen. Unterm 12. ds. wird amtlich mitgeteilt: Unſere Offenſive erreichte unter vielfachen, für unſere Truppen durchweg ſiegreichen Kämpfen den San. Der Entſatz der Feſtung Przemysl iſt voll- zogen. Nördlich und ſüdlich der Feſtung werden Reſte der feind- lichen Einſchließungsarmee angegriffen. Jaroslau und Le- zajsk ſind in unſerem Beſitz. Von Sieniawa geht ein ſtarker Feind zurück. Oeſtlich von Chyrow ſchreitet unſer Angriff gleich- falls fort. In Ruſſiſchpolen wurden alle Verſuche ſtarker ruſſiſcher Streitkräfte, die Weichſel ſüdlich von Iwangorod zu überſchreiten, abgeſchlagen. Unterm 13. ds. wird amtlich gemeldet: Geſtern ſchlugen unſere gegen Przemysl anrückenden Kräfte, unterſtützt durch einen Aus- fall der Beſatzung, die Einſchließung derartig zurück, daß ſich der Feind jetzt nur mehr vor der Oſtfront der Feſtung hält. Bei ſeinem Rückzug ſtürzten mehrere Kriegsbrücken nächſt Sosnica ein. Viele Ruſſen ertranken im San. Der Kampf öſtlich Chyrow dauert noch an. Eine Koſaken- diviſion wurde von unſerer Kavallerie gegen Drohobycz ge- worfen. In den durch die ungünſtige Witterung und die ſchlechten Weg- verhältniſſe außerordentlich erſchwerten Märſchen und Kämpfen der letzten Wochen hat ſich die Leiſtungsfähigkeit unſerer braven Trup- pen glänzend bewährt. Ueber die Lage im Oſten überhaupt übernimmt das Wolff- ſche Telegraphenbureau nachſtehende ausführliche Erklärungen: Ein militäriſcher Mitarbeiter des „Neuen Wiener Tagblatts“ ſchreibt über die jüngſten Ereigniſſe: Immer neue Teilerfolge zeitigt das geſchloſſene Vorgehen der verbündeten deutſchen und öſterreichiſch-ungariſchen Armeen an den beiden Ufern der Weichſel im Raume Iwangorod, das kaum 100 Kilometer ſüdöſtlich von Warſchau liegt, bis Dymow am Sanfluß, 40 Kilometer weſtlich von Przemysl. Sieg auf Sieg über die feind- lichen Nachhuten wird erfochten. An und für ſich ſind es zwar örtlich begrenzte Einzelereigniſſe in der 250 Kilometer breiten nordöſtlichen Operationslinie, im Hin- blick auf das ungeheuere gemeinſame Endziel, aber doch ſchon die ineinandergreifenden Glieder einer unzerreißbaren Kette, die mit ehernem Druck langſam, aber immer merklicher die ruſſiſche Haupt- macht an Hals und Bruſt zu würgen beginnt. Es zeigt ſich nun- mehr zur Evidenz, daß die Konzentrierung unſerer Armeen nach Weſten keine taktiſche Niederlage war, ſondern vielmehr eine über- legte ſtrategiſche Maßnahme bildete, diktiert von dem höheren Zweck, den lückenloſen Anſchluß an die deutſche Armee nördlich von Krakau zu ſichern. Das wurde mit einer ſolchen Promptheit erreicht, daß nun mit den mit vereinten Kräften ſich ſtellenden gegneriſchen Truppen eine Spitze nach der anderen abgebrochen wird. Die Erſtürmung des ruſſiſchen Brückenkopfes bei Sandomierz und die Zurückwerfung der feindlichen Infanterie-Diviſion bei Tarnobrzeg im Weichſel- und Sanwinkel tragen bereits die erwarteten Früchte. Der geſchlagene Gegner konnte ſich bei der energiſchen Verfolgung über das Hinder- nis der beiden tiefen und breiten Flüſſe nicht raſch genug zurück- ziehen und fiel ſamt dem Train abteilungsweiſe unſeren noch auf dem rechten Weichſelufer vordringenden Truppen in die Hände. Unſere weiter ſüdlich im Raume von Sandec längs der Eiſen- bahn und Straße gegen Rzeſſow vorgegangene Armee warf am 7. Oktober jene Heeresteile des Gegners, die verſuchten, die Feſtung Przemysl von Weſten einzuſchließen, bei dem Dorfe Barycz, 15 Kilo- meter ſüdlich der Stadt Rzeſzow, wodurch dieſer ſo wichtige Bahn- knotenpunkt wieder endgültig in Beſitz genommen wurde. Trotz des wiederholten, vergeblichen und mit furchtbaren Ver- luſten bezahlten Anrennens gegen die Forts von Przemysl in den erſten Tagen des Oktober rannten ſich die Ruſſen am 6. und 7. Okt. an den Bollwerken erneut die Köpfe ein. Nicht ſo ſehr die Tauſende von Toten und Verwundeten, die der Gegner dort liegen ließ, wer- den ihn von der Wiederholung des vergeblichen Beginnens abhalten, wohl aber dürfte das bedenkliche Nahen unſerer ſiegreichen Truppen im Weſten der Feſtung ſchon in den nächſten Tagen jedem weiteren Belagerungsverſuch möglicherweiſe ein endgültiges Ende bereiten. Aus Wien wird dem Wolffſchen Telegraphenbureau unterm 14. ds. vom öſterreichiſch-ruſſiſchen Kriegsſchauplatz gemeldet: In der Linie Stary-Sambor-Medyka, ſüdöſtlich von Przemysl, ſind befeſtigte Stellungen des Feindes. Unſere Truppen greifen an. Dieſe Kämpfe nehmen an Ausdehnung zu. In den Karpathen nahmen wir Toronya nach viertägigem Kampfe und verfolgten die Ruſſen gegen Wyskow. Kleinere erfolgreiche Gefechte mit zurück- gehenden feindlichen Abteilungen fanden auch im Viſſotal ſtatt. Auf dem öſtlichen Kriegsſchauplatz ſind in den Kämpfen bei Schirwindt die Ruſſen geworfen und haben 3000 Gefangene, 26 Geſchütze und 12 Maſchinengewehre verloren. Lyck iſt wieder in unſerem Beſitz. Bialla iſt vom Feinde geräumt. Weiter ſüdlich ſind beim Zurückwerfen ruſſiſcher Vortruppen auf Warſchau 8000 Gefangene gemacht und 25 Geſchütze erbeutet worden. Einen kulturell-hiſtoriſch merkwürdigen Aufruf hat die deutſche und öſterreichiſche Heeresleitung in Ruſſiſch-Polen verbreitet, nämlich einen in jiddiſch deutſcher Sprache, im ſogenannten jiddiſchen Jargon. Er lautet: Zu die Jiden in Paulen. Die heldiſche Armee vun die grauße mitteleiropäiſche Regierun- gen, Deitſchland und Eſterreich-Ungarn, ſeinen arein in Paulen. Der mechtiger Marſch von unſern Armees hat gezwungen die deſpo- tiſche ruſſiſche Regierung zu antlaufen. Unſere Fohnen brengen eich Recht un Freiheit; gleiche Birger- rechte, Freiheit vorn Glauben, Freiheit zu arbeiten undgeſtert in alle Zweigen vun ekonomiſchen un kulturellen Leben in eier Geiſt! Zu lang hot ihr ſich geplogt unter dem eiſernen moskowitiſchen Joch. Wie Freind kummen wir zu eich, die barbariſche fremde Regierung is aus! Die gleiche Recht vor Jiden ſoll weren gebaut auf feſte Fundamenten. Loßt eich niſcht, wie a ßach mol friler, obnarren durch chanu- fedige Verſprechungen! Zu hot niſcht auch in 1905 der Zar geſogt die gleiche Recht von Jiden, un zu hot er niſcht darauf gegeben den hechſten Manifeſt? Wie hat man eich obgezohlt dem doſigen Chaum, was man hot auf ſich genummen vor der ganzen Welt? Gedenkt das Araustrei- ben, wos man treibt togteglich die jidiſche Maſſen vun ſeiere einge- ſeſſene Mekaumaus! Gedenkt Kiſchinew, Homel, Bialyſtok, Siedletz un viel hunderter andere blutige Pogromes! Gedenkt dem Beilis- Prozeß un die Arbeit vun die barbariſche Regierung, zu verbreiten dem ſchrecklichen Ligen von Blutgebrauch bei die Jiden! Aſau hot der Zar gehalten ſein monarchiſch Wort, wos er hot gegeben, elendig in die Klemm! Er iſt jetzt wieder in die Klemm! — Ot, dos is die Siboh vun ſeine Verſprechungen. Eier heiliger Chauw iſt ajetzt, zuſammen zu nehmen alle Kref- ten, mitzuarbeiten bei die Befreiung. Alle Volkskreften: eier junger Daur, eiere Kehillaus, eiere Chewraus muſſen ſich ſchtellen wie ein Mann, mitzuhelfen zu die heilige Sach. Mir erwarten, as ihr wet beweiſen durch Fakten eier Verſchtand un eier Uebergegebenheit. Wendet ſich mit dem greßten Bitochau zu die Kommandanten vun unſere Militär in die Oerter, wos ſeinen nohent zu eich. Alle Sorten Lieferungen wellen bald un gut bezahlt. Bahnt dem Weg, zu bezwingen im ganzen dem Sſaune un zu brengen dem Nizochaun vun Freiheit un Gerechtigkeit! Die obere Leitung vun die verbindet deitſche un eſterreichiſch-ungariſche Armees.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-04-27T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 42, 17. Oktober 1914, S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine42_1914/5>, abgerufen am 22.11.2024.