Allgemeine Zeitung, Nr. 36, 5. September 1914.5. September 1914. Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch]
Der neue Papst. Der Krieg nimmt so sehr das ganze öffentliche Interesse in An- Wissenschaft und Technik Der Rassenwert der Russen. Graf Gobineau, der berühmte Rassenforscher, hat in seinem
Feuilleton Französische Geschütze vor der Feldherrnhalle. Da steht sie nun, die erste Kriegstrophäe! Im Schmuck des Eichenlaubs, im Festzugschore Geleitet ward sie vor des Königs Tore; Das Volk sich jubelnd drängt in ihre Nähe. Als ob den Feind es selbst gefangen sähe, Bestaunt, befühlt es der Geschütze Rohre; hinein die Jugend horcht mit gier'gem Ohre, Dran faßt wie zielend, lehnt sie streitbar zähe. Ein Greis nur abseits steht, in ernstem Ahnen; Des Schlachtfelds Not erfaßt, die schauerschwere, Des Sieges Todesnot den Veteranen. Der Tapfern denkt er, die für Beut und Ehre hinblutend sanken auf des Ruhmes Bahnen; Den Helden still geweiht, fließt seine Zähre. 5. September 1914. Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch]
Der neue Papſt. Der Krieg nimmt ſo ſehr das ganze öffentliche Intereſſe in An- Wiſſenſchaft und Technik Der Raſſenwert der Ruſſen. Graf Gobineau, der berühmte Raſſenforſcher, hat in ſeinem
Feuilleton Franzöſiſche Geſchütze vor der Feldherrnhalle. Da ſteht ſie nun, die erſte Kriegstrophäe! Im Schmuck des Eichenlaubs, im Feſtzugschore Geleitet ward ſie vor des Königs Tore; Das Volk ſich jubelnd drängt in ihre Nähe. Als ob den Feind es ſelbſt gefangen ſähe, Beſtaunt, befühlt es der Geſchütze Rohre; hinein die Jugend horcht mit gier’gem Ohre, Dran faßt wie zielend, lehnt ſie ſtreitbar zähe. Ein Greis nur abſeits ſteht, in ernſtem Ahnen; Des Schlachtfelds Not erfaßt, die ſchauerſchwere, Des Sieges Todesnot den Veteranen. Der Tapfern denkt er, die für Beut und Ehre hinblutend ſanken auf des Ruhmes Bahnen; Den Helden ſtill geweiht, fließt ſeine Zähre. <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0007" n="545"/> <fw place="top" type="header">5. 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Sie haben ſich in den<lb/> volkreichen Maſſen verloren, die um ſie her nur immer noch zu-<lb/> nahmen, und über die der entkräftende Einfluß des finniſchen<lb/> Blutes in Folge der tatariſchen Einfälle des Mittelalters ohne<lb/> Unterlaß und ohne Maßen immer noch mehr hereinbrach.</p><lb/> <p>Alles wäre zu Ende geweſen, ſelbſt der Inſtinkt des Zuſam-<lb/> menhaltes, wenn nicht beizeiten ein Eingreifen der Vorſehung<lb/> dieſes Reich unter den Einfluß zurückgeführt hätte, der ihm das<lb/> Daſein verliehen hatte; und dieſer hat bis heute hingereicht, um<lb/> die ſchlimmſten Wirkungen des ſlawiſchen Geiſtes wieder auszu-<lb/> gleichen. Das Hinzukommen der deutſchen Provinzen, die Thron-<lb/> beſteigung ſeitens der deutſchen Fürſten, eine Menge deutſcher, eng-<lb/> liſcher, franzöſiſcher, italieniſcher Verwalter, Feldherren, Gelehrten,<lb/> Künſtler und Handwerker, die langſam, aber ununterbrochen einge-<lb/> wandert ſind, haben die nationalen Inſtinkte fort und fort unter-<lb/> jocht gehalten und ſie wider Willen zu der Ehre gezwungen, eine<lb/> große Rolle in Europa zu ſpielen. 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Die Slawen ſind eine der älteſten, verbrauchteſten, meiſt-<lb/> gemiſchten, entartetſten Familien, die es gibt. Sie waren noch vor<lb/><cb/> den Kelten erſchöpft. Die Normannen haben ihnen die Kohäſion<lb/> gegeben, die ſich in ſich ſelbſt nicht beſaßen. 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Sie erhalten ſo unter den gelben<lb/> Miſchlingen der verſchiedenen Grade jene ununterbrochene Kette<lb/> von Raſſenverbindungen, welche heute die nördliche Halbkugel um-<lb/> zieht und in welcher eine Stömung verwandter Anlagen und Be-<lb/> griffe ſich fortbewegt.</p><lb/> <p>Das wäre denn die geſchichtliche Rolle, die den Slawen zu-<lb/> gefallen iſt, zu der ſie es nie gebracht haben würden, wenn die Nor-<lb/> mannen ihnen nicht die Kraft verliehen hätten, ſie zu übernehmen,<lb/> und deren Hauptbrennpunkt in Rußland liegt, weil dort die be-<lb/> deutendſte Menge von Tatkraft von dieſen ſelben Normannen ein-<lb/> gepflanzt worden iſt. ...</p><lb/> <p>Dem ruſſiſchen Reiche, einem Uebergangslande zwiſchen den<lb/> gelben Raſſen, den ſemitiſierten und romaniſierten Völkern des<lb/> Südens und Deutſchland, fehlt es in der Hauptſache an Gleichartig-<lb/> keit; es hat immer nur eine zu ſchwache Zufuhr von der edlen Art<lb/> empfangen und kann ſich nur zur unvollkommenen Aneignung von<lb/> Entlehnungen aufſchwingen, die es auf allen Seiten, bei der helle-<lb/> niſtiſchen, wie bei der italiſchen, wie bei der franzöſiſchen Schattie-<lb/> rung, wie endlich bei dem deutſchen Geiſte, vorgenommen hat. 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5. September 1914. Allgemeine Zeitung
Der neue Papſt.
Der Krieg nimmt ſo ſehr das ganze öffentliche Intereſſe in An-
ſpruch, daß ſowohl der Tod des Papſtes Pius X. ſowie die Papſt-
wahl nicht entfernt jenes Aufſehen erregt, wie es ſonſt wohl der Fall
wäre. Verhältnismäßig raſch und ſtill hat ſich die Papſtwahl in
einem kurzen Konklave vollzogen. Nach mehreren Wahlgängen
wurde der Kardinal Della Chieſa zum Papſt gewählt. Er iſt
zu Pegli bei Genua am 21. November 1854 als Marquis Della Chieſa
geboren und erſt am 25. Mai dieſes Jahres vom verſtorbenen Papſt
zum Kardinal ernannt worden. Er war die rechte Hand des ver-
ſtorbenen Rampolla, der ihn in die diplomatiſche Laufbahn zog.
Der neue Papſt hat den Namen Benedikt XV. angenommen,
und man erwartet ſich in eingeweihten Kreiſen von ihm ein zwar
temperamentvolles und energiſches, aber doch kluges und verſöhn-
liches Kirchenregiment.
Wiſſenſchaft und Technik
Der Raſſenwert der Ruſſen.
Graf Gobineau, der berühmte Raſſenforſcher, hat in ſeinem
großen grundlegenden Werke „Verſuch über die Ungleichheit der
Menſchenraſſen“, im vierten Bande desſelben, auch ſeine Anſicht
über den Raſſenwert der Slawen und insbeſondere der Ruſſen
niedergelegt. Wenn auch dieſes ſein Werk in der wiſſenſchaftlichen
Welt vielumſtritten daſteht, iſt es doch ſo bedeutend, das die Mei-
nung des Verfaſſers gerade in dieſen ernſten Tagen gehört zu
werden verdient und mindeſtens Intereſſe erregen wird. Graf
Gobineau ſagt darin:
„Man wäge dieſen Satz wohl und prüſe ſeine Grundlagen; es
gibt in der Welt ein großes ſlawiſches Reich, das erſte und einzige,
das der Prüfung der Zeiten ſtandgehalten hat, und dieſes erſte und
einzige Denkmal ſtaatsmänniſchen Geiſtes verdankt unbeſtreitbar
ſeinen Urſprung den Dynaſtien der Waräger, oder mit anderen
Worten der Normannen. Indeſſen hat an dieſer ſtaatlichen Grün-
dung nur die Tatſache ihres Daſeins etwas Germaniſches. Nichts
iſt leichter zu begreifen. Die Normannen haben den Charakter
ihrer Untertanen nicht umgewandelt; ſie waren zu wenig zahlreich,
um ein derartiges Ergebnis zu erreichen. Sie haben ſich in den
volkreichen Maſſen verloren, die um ſie her nur immer noch zu-
nahmen, und über die der entkräftende Einfluß des finniſchen
Blutes in Folge der tatariſchen Einfälle des Mittelalters ohne
Unterlaß und ohne Maßen immer noch mehr hereinbrach.
Alles wäre zu Ende geweſen, ſelbſt der Inſtinkt des Zuſam-
menhaltes, wenn nicht beizeiten ein Eingreifen der Vorſehung
dieſes Reich unter den Einfluß zurückgeführt hätte, der ihm das
Daſein verliehen hatte; und dieſer hat bis heute hingereicht, um
die ſchlimmſten Wirkungen des ſlawiſchen Geiſtes wieder auszu-
gleichen. Das Hinzukommen der deutſchen Provinzen, die Thron-
beſteigung ſeitens der deutſchen Fürſten, eine Menge deutſcher, eng-
liſcher, franzöſiſcher, italieniſcher Verwalter, Feldherren, Gelehrten,
Künſtler und Handwerker, die langſam, aber ununterbrochen einge-
wandert ſind, haben die nationalen Inſtinkte fort und fort unter-
jocht gehalten und ſie wider Willen zu der Ehre gezwungen, eine
große Rolle in Europa zu ſpielen. Alles, was in Rußland einige
politiſche Lebenskraft zeigt in dem Sinne, wie das Abendland dieſes
Wort verſteht, Alles, was dieſes Land wenigſtens in den Formen
der germaniſchen Ziviliſation annähert, iſt ihm von außen ge-
kommen.
Es iſt möglich, daß dieſer Zuſtand ſich während einer mehr oder
minder langen Zeit erhält, aber im Grunde hat er nichts an der
organiſchen Trägheit der einheimiſchen Raſſe geändert, und ohne
Grund ſtellt man ſich die wendiſche Raſſe als gefährlich für die Frei-
heit des Abendlandes vor. Man hat ſie ſich ſehr mit Unrecht
erobernd gedacht. Einige in Täuſchung befangene Geiſter haben
es ſich beikommen laſſen, ſie darum, weil ſie ſie wenig befähigt
ſahen, ſich zu ſelbſtändigen Begriffen von ſozialer Vervollkommnung
zu erheben, für jung, jungfräulich und voller Saft und Kraft, die
nur noch nicht in Fluß geraten, zu erklären. Das ſind lauter ſchöne
Träume. Die Slawen ſind eine der älteſten, verbrauchteſten, meiſt-
gemiſchten, entartetſten Familien, die es gibt. Sie waren noch vor
den Kelten erſchöpft. Die Normannen haben ihnen die Kohäſion
gegeben, die ſich in ſich ſelbſt nicht beſaßen. Dieſe Kohäſion ver-
lor ſich, als das eingedrungene ſkandinaviſche Blut aufgeſaugt war.
Einſlüſſe Auswärtiger haben ſie wiederhergeſtellt und erhalten ſie;
aber dieſe Fremden ſelbſt haben im Grunde nur mäßigen Wert;
es ſteht ihnen eine reiche Erfahrung, ſowie Uebung und Fertig-
keit in allem, was die Ziviliſation Herkömmliches mit ſich bringt,
zur Verfügung; aber es fehlt ihnen an Ideen wie an Initiative,
und ſo können ſie auch ihren Zöglingen nicht geben, was ſie ſelbſt
nicht beſitzen.
Dem Abendlande gegenüber können die Slawen nur eine ganz
untergeordnete ſoziale Stellung einnehmen, und da ſie inſofern zu
der Rolle von Nachtretern und Schülern der modernen Ziviliſation
verurteilt ſind, ſo würden ſie in der zukünftigen wie in der vergan-
genen Geſchichte eine faſt nichtsſagende Rolle ſpielen, wenn die
geographiſche Lage ihrer Gebiete ihnen nicht eine Aufgabe ſicherte,
die in der Tat zu den allerbedeutendſten gehört. An die Grenzen
Europas und Aſiens verſetzt, bilden ſie einen natürlichen Ueber-
gang zwiſchen ihren Verwandten im Weſten und ihren öſtlichen
Verwandten mongoliſcher Raſſe. Sie verknüpfen dieſe beiden
Maſſen, die einander nicht zu kennen wähnen. Sie bilden unzäh-
lige Völkermengen, von Böhmen und der Umgegend von St. Peters-
burg bis an die Grenzen Chinas. Sie erhalten ſo unter den gelben
Miſchlingen der verſchiedenen Grade jene ununterbrochene Kette
von Raſſenverbindungen, welche heute die nördliche Halbkugel um-
zieht und in welcher eine Stömung verwandter Anlagen und Be-
griffe ſich fortbewegt.
Das wäre denn die geſchichtliche Rolle, die den Slawen zu-
gefallen iſt, zu der ſie es nie gebracht haben würden, wenn die Nor-
mannen ihnen nicht die Kraft verliehen hätten, ſie zu übernehmen,
und deren Hauptbrennpunkt in Rußland liegt, weil dort die be-
deutendſte Menge von Tatkraft von dieſen ſelben Normannen ein-
gepflanzt worden iſt. ...
Dem ruſſiſchen Reiche, einem Uebergangslande zwiſchen den
gelben Raſſen, den ſemitiſierten und romaniſierten Völkern des
Südens und Deutſchland, fehlt es in der Hauptſache an Gleichartig-
keit; es hat immer nur eine zu ſchwache Zufuhr von der edlen Art
empfangen und kann ſich nur zur unvollkommenen Aneignung von
Entlehnungen aufſchwingen, die es auf allen Seiten, bei der helle-
niſtiſchen, wie bei der italiſchen, wie bei der franzöſiſchen Schattie-
rung, wie endlich bei dem deutſchen Geiſte, vorgenommen hat. Und
ſelbſt dieſe Aneignung iſt bei den Maſſen des Volkes nicht über die
Oberfläche hinausgedrungen.“
Feuilleton
Franzöſiſche Geſchütze vor der Feldherrnhalle.
Von
J. Georg Obeltshauſer, Irſchenhauſen.
Da ſteht ſie nun, die erſte Kriegstrophäe!
Im Schmuck des Eichenlaubs, im Feſtzugschore
Geleitet ward ſie vor des Königs Tore;
Das Volk ſich jubelnd drängt in ihre Nähe.
Als ob den Feind es ſelbſt gefangen ſähe,
Beſtaunt, befühlt es der Geſchütze Rohre;
hinein die Jugend horcht mit gier’gem Ohre,
Dran faßt wie zielend, lehnt ſie ſtreitbar zähe.
Ein Greis nur abſeits ſteht, in ernſtem Ahnen;
Des Schlachtfelds Not erfaßt, die ſchauerſchwere,
Des Sieges Todesnot den Veteranen.
Der Tapfern denkt er, die für Beut und Ehre
hinblutend ſanken auf des Ruhmes Bahnen;
Den Helden ſtill geweiht, fließt ſeine Zähre.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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