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Allgemeine Zeitung, Nr. 35, 29. August 1914.

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Allgemeine Zeitung 29. August 1914.
[Spaltenumbruch]
An die evangelischen Christen des Auslandes.1)

In dem unvergleichlichen weltgeschichtlichen Zeitabschnitt, in
dem der Christenheit die Brücke zu der gesamten nichtchristlichen
Menschheit geschlagen und ein maßgebender Einfluß auf sie anver-
traut war, stehen die christlichen Völker Europas im Begriff, in
brudermörderischem Kriege sich gegenseitig zu zerfleischen.

Ein planmäßiges Lügengewebe, das den internationalen Tele-
graphenverkehr beherrscht, sucht im Auslande unser Volk und seine
Regierung mit der Schuld an dem Ausbruch dieses Krieges zu be-
lasten, und hat es gewagt, uns und unserem Kaiser das innere
Recht zur Anrufung des Beistandes Gottes zu bestreiten. Daher
ist es uns, die wir auch unter den Christen des Auslandes als
Männer bekannt sind, die an der Ausbreitung des Evangeliums
unter fremden Völkern und an der Knüpfung kultureller Bande
und freundschaftlicher Beziehungen zwischen Deutschland und an-
deren christlichen Nationen gearbeitet haben, ein Bedürfnis, vor
aller Oeffentlichkeit unser Zeugnis über diesen Krieg abzulegen.

Dreiundvierzig Jahre hat unser Volk Frieden gehalten. Wo
irgend in anderen Ländern Kriegsgefahren aufstiegen, hat es sich be-
müht, sie beseitigen oder mindern zu helfen. Sein Sinn ging auf
friedliche Arbeit. Es hat zu dem besten Kulturbesitz der modernen
Menschheit sein ehrliches Teil beigetragen. Es sann nicht darauf,
anderen Licht und Luft zu nehmen. Es wollte niemand von seinem
Platz verdrängen. In friedlichem Wettbewerb mit anderen Völkern
entwickelte es die Gaben, die Gott ihm gegeben hat. Seine fleißige
Arbeit brachte ihm reiche Frucht. Es gewann auch einen beschei-
denen Anteil an der Kolonisationsaufgabe in der primitiven Welt
und bemühte sich, seinen Beitrag zur Neugestaltung Ostasiens zu
leisten. An der Friedfertigkeit seiner Gesinnung hat es Keinem,
der die Wahrheit sehen wollte, Zweifel gelassen. Nur unter dem
Zwange der Abwehr frevelhaften Angriffs hat es jetzt das Schwert
gezogen.

Während unsere Regierung sich bemühte, die gerechte Sühne
für einen ruchlosen Königsmord zu lokalisieren und den Ausbruch
des Krieges zwischen zwei benachbarten Großmächten zu verhüten,
bedrohte eine von ihnen, während sie die Vermittlung unseres Kaisers
anrief, wortbrüchig unsere Grenze und zwang uns, unser Land
gegen Verwüstung durch asiatische Barbarei zu schützen. Da traten
zu unseren Gegnern auch die, die dem Blute, der Geschichte und dem
Glauben nach unsere Brüder sind, und denen wir uns in der ge-
meinsamen Weltaufgabe wie kaum einem anderen Volk der Erde
nahe verbunden fühlten. Einer Welt in Waffen gegenüber erkennen
wir es klar, daß wir unsere Existenz, unsere Eigenart, unsere Kul-
tur und unsere Ehre zu verteidigen haben. Keine Rücksicht hält
unsere Feinde zurück, wo ihnen nach ihrer Meinung die Aussicht
winkt, durch Teilnahme an unserer Vernichtung einen wirtschaft-
lichen Vorteil oder einen Machtzuwachs, ein Stück unseres Mutter-
landes, unseres Kolonialbesitzes oder unseres Handels an sich zu
reißen. Wir stehen diesem Toben der Völker im Vertrauen auf
den heiligen, gerechten Gott furchtlos gegenüber. Gerade weil dieser
Krieg unserem Volke freventlich aufgezwungen ist, trifft er uns als
ein einiges Volk, in dem die Unterschiede der Stämme und Stände,
der Parteien und der Konfessionen verschwunden sind. Jn heiliger
Begeisterung, Kampf und Tod nicht scheuend, sind wir alle im Auf-
blick zu Gott einmütig und freudig bereit, auch unser Letztes für
unser Land und unsere Freiheit einzusetzen.

Namenlose Greuel sind gegen friedlich im Auslande wohnende
Deutsche, gegen Frauen und Kinder, gegen Verwundete und Aerzte
begangen. Grausamkeiten und Schamlosigkeiten, wie sie mancher
heidnische und muhammedanische Krieg nicht aufzuweisen hatte.
Sind das die Früchte, an denen jetzt die nichtchristlichen Völker er-
kennen sollen, wessen Jünger die christlichen Nationen sind? Auch
die begreifliche Erregung eines Volkes, dessen Neutralität, von



[Spaltenumbruch] gegnerischer Seite bereits verletzt, unter dem Zwang unerbittlicher
Not nicht gewahrt bleiben konnte, entschuldigt Unmenschlichkeiten
nicht und mindert nicht die Schande, daß solches auf altchristlichem
Boden hat geschehen können.

Ins Innere Mittelafrikas ist der Krieg skrupellos übertragen,
obschon dortige militärische Unternehmungen für seine Entscheidung
gänzlich belanglos sind, und obschon die Beteiligung von Einge-
borenen, die erst seit wenigen Jahrzehnten pazifiziert sind, an einem
Krieg von Weiß gegen Weiß die furchtbare Gefahr des Eingebore-
nenaufstandes heraufbeschwört. Diese primitiven Völker lernten
das Christentum als die Religion der Liebe und des Friedens ken-
nen im Gegensatz zu Stammesfehde und Häuptlingsgrausamkeit.
Jetzt werden sie mit den Waffen gegen einander geführt von den
Völkern, die ihnen dies Evangelium brachten. So werden blühende
Missionsfelder zertreten.

In den Krieg, den der Zar als den Entscheidungskampf gegen
das Germanentum und Protestantismus öffentlich proklamiert hat,
ist jetzt unter dem Vorwand eines Bündnisses auch das heidnische
Japan gerufen. Die Missionsfelder, die die Weltmissionskonferenz
in Edinburg als die wichtigsten der Gegenwart bezeichnete -- Mit-
telafrika mit seinem Wettbewerb zwischen Christentum und Islam
um die schwarze Rasse und das sein Leben neugestaltende Ostasien
-- werden jetzt Schauplätze erbitterter Kämpfe von Völkern, die
dort in besonderem Maße die Verantwortung für die Ausrichtung
des Missionsbefehls trugen.

Unsere christlichen Freunde im Ausland wissen, wie freudig wir
deutschen Christen die Glaubens- und Arbeitsgemeinschaft, die die
Edinburger Weltmissionskonferenz der protestantischen Christenheit
als heiliges Erbe hinterließ, begrüßt haben, sie wissen auch, wie wir
nach besten Kräften daran mitgearbeitet haben, daß über den christ-
lichen Nationen mit ihren konkurrierenden politischen und wirtschaft-
lichen Interessen eine in der Erkenntnis ihres gegenwärtigen
Gottesauftrages einige und freudige Christenheit erstehe. Es war
uns auch Gewissenssache, auf jede Weise politische Mißverständnisse
und Verstimmungen aus dem Wege zu räumen und freundschaftliche
Beziehungen zwischen den Nationen herbeiführen zu helfen. Wir
tragen jetzt den Spott der Leute, daß wir dem christlichen Glauben
die Kraft zugetraut haben, die Bosheit derer zu überwinden, die
den Krieg suchten, und begegnen dem Vorwurf, daß unsere Frie-
densbestrebungen unserm Volk nur die wahre Gesinnung seiner
Feinde verhüllt haben. Doch reut es uns nicht, den Frieden so
gesucht zu haben. Unser Volk könnte nicht mit so reinem Ge-
wissen in diesen Kampf ziehen, wenn nicht führende Männer seines
kirchlichen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens sich so viel-
fältig darum bemüht hätten, diesen Brudermord unmöglich zu
machen.

Nicht um unseres Volkes willen, dessen Schwert blank und
scharf ist, -- um der einzigartigen Weltaufgabe der
christlichen Völker in der Entscheidungsstunde
der Weltmission willen
wenden wir uns an die evange-
lischen Christen im neutralen und im feindlichen Auslande.

Wir hofften zu Gott, daß aus der Verantwortung der Stunde
für die christlichen Völker ein Strom neuen Lebens entspringen
werde. Schon spürten wir in unserer deutschen Kirche starke Wir-
kungen dieses Segens, und die Gemeinschaft mit den Christen der
anderen Länder im Gehorsam gegen den universalen Auftrag
Jesu war uns heilige Freude.
Wenn diese Gemeinschaft jetzt heillos zerbrochen ist, --
wenn die Völker, in denen Mission und Bruderliebe eine Macht
zu werden begannen, im mörderischen Kriege durch Haß und
Verbitterung verrohen, --
wenn in den germanischen Protestantismus ein schier unheilbarer
Riß gebracht ist, --
wenn das christliche Europa ein edles Stück seiner Weltstellung
einbüßt, --
wenn die heiligen Quellen, aus denen seine Völker Leben schöpfen
und der christlichen Menschheit darreichen sollten, verunreinigt
und verschüttet werden, --

so fällt die Schuld hieran, dies erklären wir hier vor
unsern christlichen Brüdern des Auslandes mit ruhiger Gewißheit,
nicht auf unser Volk. Wohl wissen wir, daß Gott durch dies
blutige Gericht auch unser Volk zur Buße ruft, und wir freuen
uns, daß es seine heilige Stimme hört und sich zu ihm kehrt.
Darin aber wissen wir uns mit allen Christen
unseres Volkes einig, daß wir die Verantwor-

1) Herr D. Wilhelm Freiherr v. Pechmann ist von einem
kleinen Ausschusse von acht Herren, dem unter anderen Ober-
hofprediger D. E. Dryander, Exz. Harnack und der General-
Superintendent Dr. Lahusen angehört, aufgefordert worden,
die obige Kundgebung mitzuunterzeichnen und hat uns mit
Zustimmung jener Herren die Kundgebung zum Abdruck über-
lassen. In dem Begleitschreiben, mit welchem Freiherr v. Pechmann
die Kundgebung erhielt, heißt es u. a.: "Uns liegt nicht daran,
eine große Zahl von Unterschriften zu gewinnen. Es wird am
wirksamsten sein, wenn die Unterzeichner Persönlichkeiten sind,
die in besonderem Maße sich um die Kulturgemeinschaft der christ-
lichen Völker, um die Pflege freundlicher nationaler Beziehungen
und um missionarische Arbeitsgemeinschaft bemüht haben und als
solche unter den Christen des Auslandes bekannt sind."
Allgemeine Zeitung 29. Auguſt 1914.
[Spaltenumbruch]
An die evangeliſchen Chriſten des Auslandes.1)

In dem unvergleichlichen weltgeſchichtlichen Zeitabſchnitt, in
dem der Chriſtenheit die Brücke zu der geſamten nichtchriſtlichen
Menſchheit geſchlagen und ein maßgebender Einfluß auf ſie anver-
traut war, ſtehen die chriſtlichen Völker Europas im Begriff, in
brudermörderiſchem Kriege ſich gegenſeitig zu zerfleiſchen.

Ein planmäßiges Lügengewebe, das den internationalen Tele-
graphenverkehr beherrſcht, ſucht im Auslande unſer Volk und ſeine
Regierung mit der Schuld an dem Ausbruch dieſes Krieges zu be-
laſten, und hat es gewagt, uns und unſerem Kaiſer das innere
Recht zur Anrufung des Beiſtandes Gottes zu beſtreiten. Daher
iſt es uns, die wir auch unter den Chriſten des Auslandes als
Männer bekannt ſind, die an der Ausbreitung des Evangeliums
unter fremden Völkern und an der Knüpfung kultureller Bande
und freundſchaftlicher Beziehungen zwiſchen Deutſchland und an-
deren chriſtlichen Nationen gearbeitet haben, ein Bedürfnis, vor
aller Oeffentlichkeit unſer Zeugnis über dieſen Krieg abzulegen.

Dreiundvierzig Jahre hat unſer Volk Frieden gehalten. Wo
irgend in anderen Ländern Kriegsgefahren aufſtiegen, hat es ſich be-
müht, ſie beſeitigen oder mindern zu helfen. Sein Sinn ging auf
friedliche Arbeit. Es hat zu dem beſten Kulturbeſitz der modernen
Menſchheit ſein ehrliches Teil beigetragen. Es ſann nicht darauf,
anderen Licht und Luft zu nehmen. Es wollte niemand von ſeinem
Platz verdrängen. In friedlichem Wettbewerb mit anderen Völkern
entwickelte es die Gaben, die Gott ihm gegeben hat. Seine fleißige
Arbeit brachte ihm reiche Frucht. Es gewann auch einen beſchei-
denen Anteil an der Koloniſationsaufgabe in der primitiven Welt
und bemühte ſich, ſeinen Beitrag zur Neugeſtaltung Oſtaſiens zu
leiſten. An der Friedfertigkeit ſeiner Geſinnung hat es Keinem,
der die Wahrheit ſehen wollte, Zweifel gelaſſen. Nur unter dem
Zwange der Abwehr frevelhaften Angriffs hat es jetzt das Schwert
gezogen.

Während unſere Regierung ſich bemühte, die gerechte Sühne
für einen ruchloſen Königsmord zu lokaliſieren und den Ausbruch
des Krieges zwiſchen zwei benachbarten Großmächten zu verhüten,
bedrohte eine von ihnen, während ſie die Vermittlung unſeres Kaiſers
anrief, wortbrüchig unſere Grenze und zwang uns, unſer Land
gegen Verwüſtung durch aſiatiſche Barbarei zu ſchützen. Da traten
zu unſeren Gegnern auch die, die dem Blute, der Geſchichte und dem
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meinſamen Weltaufgabe wie kaum einem anderen Volk der Erde
nahe verbunden fühlten. Einer Welt in Waffen gegenüber erkennen
wir es klar, daß wir unſere Exiſtenz, unſere Eigenart, unſere Kul-
tur und unſere Ehre zu verteidigen haben. Keine Rückſicht hält
unſere Feinde zurück, wo ihnen nach ihrer Meinung die Ausſicht
winkt, durch Teilnahme an unſerer Vernichtung einen wirtſchaft-
lichen Vorteil oder einen Machtzuwachs, ein Stück unſeres Mutter-
landes, unſeres Kolonialbeſitzes oder unſeres Handels an ſich zu
reißen. Wir ſtehen dieſem Toben der Völker im Vertrauen auf
den heiligen, gerechten Gott furchtlos gegenüber. Gerade weil dieſer
Krieg unſerem Volke freventlich aufgezwungen iſt, trifft er uns als
ein einiges Volk, in dem die Unterſchiede der Stämme und Stände,
der Parteien und der Konfeſſionen verſchwunden ſind. Jn heiliger
Begeiſterung, Kampf und Tod nicht ſcheuend, ſind wir alle im Auf-
blick zu Gott einmütig und freudig bereit, auch unſer Letztes für
unſer Land und unſere Freiheit einzuſetzen.

Namenloſe Greuel ſind gegen friedlich im Auslande wohnende
Deutſche, gegen Frauen und Kinder, gegen Verwundete und Aerzte
begangen. Grauſamkeiten und Schamloſigkeiten, wie ſie mancher
heidniſche und muhammedaniſche Krieg nicht aufzuweiſen hatte.
Sind das die Früchte, an denen jetzt die nichtchriſtlichen Völker er-
kennen ſollen, weſſen Jünger die chriſtlichen Nationen ſind? Auch
die begreifliche Erregung eines Volkes, deſſen Neutralität, von



[Spaltenumbruch] gegneriſcher Seite bereits verletzt, unter dem Zwang unerbittlicher
Not nicht gewahrt bleiben konnte, entſchuldigt Unmenſchlichkeiten
nicht und mindert nicht die Schande, daß ſolches auf altchriſtlichem
Boden hat geſchehen können.

Ins Innere Mittelafrikas iſt der Krieg ſkrupellos übertragen,
obſchon dortige militäriſche Unternehmungen für ſeine Entſcheidung
gänzlich belanglos ſind, und obſchon die Beteiligung von Einge-
borenen, die erſt ſeit wenigen Jahrzehnten pazifiziert ſind, an einem
Krieg von Weiß gegen Weiß die furchtbare Gefahr des Eingebore-
nenaufſtandes heraufbeſchwört. Dieſe primitiven Völker lernten
das Chriſtentum als die Religion der Liebe und des Friedens ken-
nen im Gegenſatz zu Stammesfehde und Häuptlingsgrauſamkeit.
Jetzt werden ſie mit den Waffen gegen einander geführt von den
Völkern, die ihnen dies Evangelium brachten. So werden blühende
Miſſionsfelder zertreten.

In den Krieg, den der Zar als den Entſcheidungskampf gegen
das Germanentum und Proteſtantismus öffentlich proklamiert hat,
iſt jetzt unter dem Vorwand eines Bündniſſes auch das heidniſche
Japan gerufen. Die Miſſionsfelder, die die Weltmiſſionskonferenz
in Edinburg als die wichtigſten der Gegenwart bezeichnete — Mit-
telafrika mit ſeinem Wettbewerb zwiſchen Chriſtentum und Islam
um die ſchwarze Raſſe und das ſein Leben neugeſtaltende Oſtaſien
— werden jetzt Schauplätze erbitterter Kämpfe von Völkern, die
dort in beſonderem Maße die Verantwortung für die Ausrichtung
des Miſſionsbefehls trugen.

Unſere chriſtlichen Freunde im Ausland wiſſen, wie freudig wir
deutſchen Chriſten die Glaubens- und Arbeitsgemeinſchaft, die die
Edinburger Weltmiſſionskonferenz der proteſtantiſchen Chriſtenheit
als heiliges Erbe hinterließ, begrüßt haben, ſie wiſſen auch, wie wir
nach beſten Kräften daran mitgearbeitet haben, daß über den chriſt-
lichen Nationen mit ihren konkurrierenden politiſchen und wirtſchaft-
lichen Intereſſen eine in der Erkenntnis ihres gegenwärtigen
Gottesauftrages einige und freudige Chriſtenheit erſtehe. Es war
uns auch Gewiſſensſache, auf jede Weiſe politiſche Mißverſtändniſſe
und Verſtimmungen aus dem Wege zu räumen und freundſchaftliche
Beziehungen zwiſchen den Nationen herbeiführen zu helfen. Wir
tragen jetzt den Spott der Leute, daß wir dem chriſtlichen Glauben
die Kraft zugetraut haben, die Bosheit derer zu überwinden, die
den Krieg ſuchten, und begegnen dem Vorwurf, daß unſere Frie-
densbeſtrebungen unſerm Volk nur die wahre Geſinnung ſeiner
Feinde verhüllt haben. Doch reut es uns nicht, den Frieden ſo
geſucht zu haben. Unſer Volk könnte nicht mit ſo reinem Ge-
wiſſen in dieſen Kampf ziehen, wenn nicht führende Männer ſeines
kirchlichen, wiſſenſchaftlichen und wirtſchaftlichen Lebens ſich ſo viel-
fältig darum bemüht hätten, dieſen Brudermord unmöglich zu
machen.

Nicht um unſeres Volkes willen, deſſen Schwert blank und
ſcharf iſt, — um der einzigartigen Weltaufgabe der
chriſtlichen Völker in der Entſcheidungsſtunde
der Weltmiſſion willen
wenden wir uns an die evange-
liſchen Chriſten im neutralen und im feindlichen Auslande.

Wir hofften zu Gott, daß aus der Verantwortung der Stunde
für die chriſtlichen Völker ein Strom neuen Lebens entſpringen
werde. Schon ſpürten wir in unſerer deutſchen Kirche ſtarke Wir-
kungen dieſes Segens, und die Gemeinſchaft mit den Chriſten der
anderen Länder im Gehorſam gegen den univerſalen Auftrag
Jeſu war uns heilige Freude.
Wenn dieſe Gemeinſchaft jetzt heillos zerbrochen iſt, —
wenn die Völker, in denen Miſſion und Bruderliebe eine Macht
zu werden begannen, im mörderiſchen Kriege durch Haß und
Verbitterung verrohen, —
wenn in den germaniſchen Proteſtantismus ein ſchier unheilbarer
Riß gebracht iſt, —
wenn das chriſtliche Europa ein edles Stück ſeiner Weltſtellung
einbüßt, —
wenn die heiligen Quellen, aus denen ſeine Völker Leben ſchöpfen
und der chriſtlichen Menſchheit darreichen ſollten, verunreinigt
und verſchüttet werden, —

ſo fällt die Schuld hieran, dies erklären wir hier vor
unſern chriſtlichen Brüdern des Auslandes mit ruhiger Gewißheit,
nicht auf unſer Volk. Wohl wiſſen wir, daß Gott durch dies
blutige Gericht auch unſer Volk zur Buße ruft, und wir freuen
uns, daß es ſeine heilige Stimme hört und ſich zu ihm kehrt.
Darin aber wiſſen wir uns mit allen Chriſten
unſeres Volkes einig, daß wir die Verantwor-

1) Herr D. Wilhelm Freiherr v. Pechmann iſt von einem
kleinen Ausſchuſſe von acht Herren, dem unter anderen Ober-
hofprediger D. E. Dryander, Exz. Harnack und der General-
Superintendent Dr. Lahuſen angehört, aufgefordert worden,
die obige Kundgebung mitzuunterzeichnen und hat uns mit
Zuſtimmung jener Herren die Kundgebung zum Abdruck über-
laſſen. In dem Begleitſchreiben, mit welchem Freiherr v. Pechmann
die Kundgebung erhielt, heißt es u. a.: „Uns liegt nicht daran,
eine große Zahl von Unterſchriften zu gewinnen. Es wird am
wirkſamſten ſein, wenn die Unterzeichner Perſönlichkeiten ſind,
die in beſonderem Maße ſich um die Kulturgemeinſchaft der chriſt-
lichen Völker, um die Pflege freundlicher nationaler Beziehungen
und um miſſionariſche Arbeitsgemeinſchaft bemüht haben und als
ſolche unter den Chriſten des Auslandes bekannt ſind.“
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[532/0006] Allgemeine Zeitung 29. Auguſt 1914. An die evangeliſchen Chriſten des Auslandes. 1) In dem unvergleichlichen weltgeſchichtlichen Zeitabſchnitt, in dem der Chriſtenheit die Brücke zu der geſamten nichtchriſtlichen Menſchheit geſchlagen und ein maßgebender Einfluß auf ſie anver- traut war, ſtehen die chriſtlichen Völker Europas im Begriff, in brudermörderiſchem Kriege ſich gegenſeitig zu zerfleiſchen. Ein planmäßiges Lügengewebe, das den internationalen Tele- graphenverkehr beherrſcht, ſucht im Auslande unſer Volk und ſeine Regierung mit der Schuld an dem Ausbruch dieſes Krieges zu be- laſten, und hat es gewagt, uns und unſerem Kaiſer das innere Recht zur Anrufung des Beiſtandes Gottes zu beſtreiten. Daher iſt es uns, die wir auch unter den Chriſten des Auslandes als Männer bekannt ſind, die an der Ausbreitung des Evangeliums unter fremden Völkern und an der Knüpfung kultureller Bande und freundſchaftlicher Beziehungen zwiſchen Deutſchland und an- deren chriſtlichen Nationen gearbeitet haben, ein Bedürfnis, vor aller Oeffentlichkeit unſer Zeugnis über dieſen Krieg abzulegen. Dreiundvierzig Jahre hat unſer Volk Frieden gehalten. Wo irgend in anderen Ländern Kriegsgefahren aufſtiegen, hat es ſich be- müht, ſie beſeitigen oder mindern zu helfen. Sein Sinn ging auf friedliche Arbeit. Es hat zu dem beſten Kulturbeſitz der modernen Menſchheit ſein ehrliches Teil beigetragen. Es ſann nicht darauf, anderen Licht und Luft zu nehmen. Es wollte niemand von ſeinem Platz verdrängen. In friedlichem Wettbewerb mit anderen Völkern entwickelte es die Gaben, die Gott ihm gegeben hat. Seine fleißige Arbeit brachte ihm reiche Frucht. Es gewann auch einen beſchei- denen Anteil an der Koloniſationsaufgabe in der primitiven Welt und bemühte ſich, ſeinen Beitrag zur Neugeſtaltung Oſtaſiens zu leiſten. An der Friedfertigkeit ſeiner Geſinnung hat es Keinem, der die Wahrheit ſehen wollte, Zweifel gelaſſen. Nur unter dem Zwange der Abwehr frevelhaften Angriffs hat es jetzt das Schwert gezogen. Während unſere Regierung ſich bemühte, die gerechte Sühne für einen ruchloſen Königsmord zu lokaliſieren und den Ausbruch des Krieges zwiſchen zwei benachbarten Großmächten zu verhüten, bedrohte eine von ihnen, während ſie die Vermittlung unſeres Kaiſers anrief, wortbrüchig unſere Grenze und zwang uns, unſer Land gegen Verwüſtung durch aſiatiſche Barbarei zu ſchützen. Da traten zu unſeren Gegnern auch die, die dem Blute, der Geſchichte und dem Glauben nach unſere Brüder ſind, und denen wir uns in der ge- meinſamen Weltaufgabe wie kaum einem anderen Volk der Erde nahe verbunden fühlten. Einer Welt in Waffen gegenüber erkennen wir es klar, daß wir unſere Exiſtenz, unſere Eigenart, unſere Kul- tur und unſere Ehre zu verteidigen haben. Keine Rückſicht hält unſere Feinde zurück, wo ihnen nach ihrer Meinung die Ausſicht winkt, durch Teilnahme an unſerer Vernichtung einen wirtſchaft- lichen Vorteil oder einen Machtzuwachs, ein Stück unſeres Mutter- landes, unſeres Kolonialbeſitzes oder unſeres Handels an ſich zu reißen. Wir ſtehen dieſem Toben der Völker im Vertrauen auf den heiligen, gerechten Gott furchtlos gegenüber. Gerade weil dieſer Krieg unſerem Volke freventlich aufgezwungen iſt, trifft er uns als ein einiges Volk, in dem die Unterſchiede der Stämme und Stände, der Parteien und der Konfeſſionen verſchwunden ſind. Jn heiliger Begeiſterung, Kampf und Tod nicht ſcheuend, ſind wir alle im Auf- blick zu Gott einmütig und freudig bereit, auch unſer Letztes für unſer Land und unſere Freiheit einzuſetzen. Namenloſe Greuel ſind gegen friedlich im Auslande wohnende Deutſche, gegen Frauen und Kinder, gegen Verwundete und Aerzte begangen. Grauſamkeiten und Schamloſigkeiten, wie ſie mancher heidniſche und muhammedaniſche Krieg nicht aufzuweiſen hatte. Sind das die Früchte, an denen jetzt die nichtchriſtlichen Völker er- kennen ſollen, weſſen Jünger die chriſtlichen Nationen ſind? Auch die begreifliche Erregung eines Volkes, deſſen Neutralität, von gegneriſcher Seite bereits verletzt, unter dem Zwang unerbittlicher Not nicht gewahrt bleiben konnte, entſchuldigt Unmenſchlichkeiten nicht und mindert nicht die Schande, daß ſolches auf altchriſtlichem Boden hat geſchehen können. Ins Innere Mittelafrikas iſt der Krieg ſkrupellos übertragen, obſchon dortige militäriſche Unternehmungen für ſeine Entſcheidung gänzlich belanglos ſind, und obſchon die Beteiligung von Einge- borenen, die erſt ſeit wenigen Jahrzehnten pazifiziert ſind, an einem Krieg von Weiß gegen Weiß die furchtbare Gefahr des Eingebore- nenaufſtandes heraufbeſchwört. Dieſe primitiven Völker lernten das Chriſtentum als die Religion der Liebe und des Friedens ken- nen im Gegenſatz zu Stammesfehde und Häuptlingsgrauſamkeit. Jetzt werden ſie mit den Waffen gegen einander geführt von den Völkern, die ihnen dies Evangelium brachten. So werden blühende Miſſionsfelder zertreten. In den Krieg, den der Zar als den Entſcheidungskampf gegen das Germanentum und Proteſtantismus öffentlich proklamiert hat, iſt jetzt unter dem Vorwand eines Bündniſſes auch das heidniſche Japan gerufen. Die Miſſionsfelder, die die Weltmiſſionskonferenz in Edinburg als die wichtigſten der Gegenwart bezeichnete — Mit- telafrika mit ſeinem Wettbewerb zwiſchen Chriſtentum und Islam um die ſchwarze Raſſe und das ſein Leben neugeſtaltende Oſtaſien — werden jetzt Schauplätze erbitterter Kämpfe von Völkern, die dort in beſonderem Maße die Verantwortung für die Ausrichtung des Miſſionsbefehls trugen. Unſere chriſtlichen Freunde im Ausland wiſſen, wie freudig wir deutſchen Chriſten die Glaubens- und Arbeitsgemeinſchaft, die die Edinburger Weltmiſſionskonferenz der proteſtantiſchen Chriſtenheit als heiliges Erbe hinterließ, begrüßt haben, ſie wiſſen auch, wie wir nach beſten Kräften daran mitgearbeitet haben, daß über den chriſt- lichen Nationen mit ihren konkurrierenden politiſchen und wirtſchaft- lichen Intereſſen eine in der Erkenntnis ihres gegenwärtigen Gottesauftrages einige und freudige Chriſtenheit erſtehe. Es war uns auch Gewiſſensſache, auf jede Weiſe politiſche Mißverſtändniſſe und Verſtimmungen aus dem Wege zu räumen und freundſchaftliche Beziehungen zwiſchen den Nationen herbeiführen zu helfen. Wir tragen jetzt den Spott der Leute, daß wir dem chriſtlichen Glauben die Kraft zugetraut haben, die Bosheit derer zu überwinden, die den Krieg ſuchten, und begegnen dem Vorwurf, daß unſere Frie- densbeſtrebungen unſerm Volk nur die wahre Geſinnung ſeiner Feinde verhüllt haben. Doch reut es uns nicht, den Frieden ſo geſucht zu haben. Unſer Volk könnte nicht mit ſo reinem Ge- wiſſen in dieſen Kampf ziehen, wenn nicht führende Männer ſeines kirchlichen, wiſſenſchaftlichen und wirtſchaftlichen Lebens ſich ſo viel- fältig darum bemüht hätten, dieſen Brudermord unmöglich zu machen. Nicht um unſeres Volkes willen, deſſen Schwert blank und ſcharf iſt, — um der einzigartigen Weltaufgabe der chriſtlichen Völker in der Entſcheidungsſtunde der Weltmiſſion willen wenden wir uns an die evange- liſchen Chriſten im neutralen und im feindlichen Auslande. Wir hofften zu Gott, daß aus der Verantwortung der Stunde für die chriſtlichen Völker ein Strom neuen Lebens entſpringen werde. Schon ſpürten wir in unſerer deutſchen Kirche ſtarke Wir- kungen dieſes Segens, und die Gemeinſchaft mit den Chriſten der anderen Länder im Gehorſam gegen den univerſalen Auftrag Jeſu war uns heilige Freude. Wenn dieſe Gemeinſchaft jetzt heillos zerbrochen iſt, — wenn die Völker, in denen Miſſion und Bruderliebe eine Macht zu werden begannen, im mörderiſchen Kriege durch Haß und Verbitterung verrohen, — wenn in den germaniſchen Proteſtantismus ein ſchier unheilbarer Riß gebracht iſt, — wenn das chriſtliche Europa ein edles Stück ſeiner Weltſtellung einbüßt, — wenn die heiligen Quellen, aus denen ſeine Völker Leben ſchöpfen und der chriſtlichen Menſchheit darreichen ſollten, verunreinigt und verſchüttet werden, — ſo fällt die Schuld hieran, dies erklären wir hier vor unſern chriſtlichen Brüdern des Auslandes mit ruhiger Gewißheit, nicht auf unſer Volk. Wohl wiſſen wir, daß Gott durch dies blutige Gericht auch unſer Volk zur Buße ruft, und wir freuen uns, daß es ſeine heilige Stimme hört und ſich zu ihm kehrt. Darin aber wiſſen wir uns mit allen Chriſten unſeres Volkes einig, daß wir die Verantwor- 1) Herr D. Wilhelm Freiherr v. Pechmann iſt von einem kleinen Ausſchuſſe von acht Herren, dem unter anderen Ober- hofprediger D. E. Dryander, Exz. Harnack und der General- Superintendent Dr. Lahuſen angehört, aufgefordert worden, die obige Kundgebung mitzuunterzeichnen und hat uns mit Zuſtimmung jener Herren die Kundgebung zum Abdruck über- laſſen. In dem Begleitſchreiben, mit welchem Freiherr v. Pechmann die Kundgebung erhielt, heißt es u. a.: „Uns liegt nicht daran, eine große Zahl von Unterſchriften zu gewinnen. Es wird am wirkſamſten ſein, wenn die Unterzeichner Perſönlichkeiten ſind, die in beſonderem Maße ſich um die Kulturgemeinſchaft der chriſt- lichen Völker, um die Pflege freundlicher nationaler Beziehungen und um miſſionariſche Arbeitsgemeinſchaft bemüht haben und als ſolche unter den Chriſten des Auslandes bekannt ſind.“

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 35, 29. August 1914, S. 532. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine35_1914/6>, abgerufen am 11.06.2024.