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Allgemeine Zeitung, Nr. 336, 4. Dezember 1890.

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Donnerstag, Zweites Morgenblatt, Nr. 336 der Allgemeinen Zeitung. 4. December 1890.


Deutscher Reichstag.
Telegraphischer Privatbericht der Allg. Ztg.
34. Sitzung.

Die Sitzung wird um 1 Uhr eröffnet.
Am Bundesrathstische: Staatssecretär v. Boetticher. Einge-
gangen ist der Gesetzentwurf betreffend die Prüsung der Läufe
und Verschlüsse der Handfeuerwaffen.
Ein Schreiben
des Abg. Müller (Marieuwerder), in welchem dieser die Frage
anregt, ob sein Mandat fortdauere, nachdem er zum Mitglied des
Reichsbank-Directoriums ernannt sei, wird der Geschäftsordnungs-
commission überwiesen. An Stelle des aus dem Amte geschiedenen
Schriftführers Dr. Bürklin wird auf Antrag des Abg. Dr.
v. Marquardsen der Abg. Schneider (Hamm) durch Acclama-
tion zum Schristführer gewählt. -- In erster Berathung wird die
Uebersicht über die Reichsausgaben und -Einnahmen
für das Etatsjahr 1889/90 der Nechnungscommission überwiesen.

Es folgen Wahlprüfungen. Bezüglich der Wahl des
Abg. v. Reden (im 9. hannoverischen Wahlbezirk) beantragt die
Wahlprüfungscommission die Gültigkeitserklärung, sowie über ein-
zelne Punkte des eingegangenen socialdemokratischen Wahlprotestes
die Erhebung von Ermittelungen.

Abg. Rickert: Diese Wahl, welche die Commission nur mit
7 gegen 5 Stimmen für gültig erklärt hat, gibt zu den erheblichsten
Bedenken Anlaß. In dem Wahlprotest des Arbeiterwahlcomites
für den 9. hannoverischen Wahlkreis wird über folgende Dinge
Beschwerde geführt. Der Kriegerverein zu Aerzen, Kreis Hameln,
hat bei Strafe des Ausschlusses beschlossen, für den Candidaten
v. Reden zu stimmen. Ein solcher Beschluß ist absolut gesetzwidrig.
Der Kriegerverein zu Rössing, Kreis Springe, hat über seine Mit-
glieder durch künstlich zusammengefaltete Stimmzettel Controle
geübt. Diese Punkte bedürfen der amtlichen Untersuchung. Die
Frage der Stellung der Kriegervereine zu den politischen Wahlen
wird nicht eher zur Ruhe kommen, als bis dieselben darauf ver-
zichten, sich in politische Wahlangelegenheiten einzumischen. Wir
haben dagegen kein anderes Mittel, als das der amtlichen Unter-
suchung. In Wallensen, Kreis Hameln, soll das Wahlergebniß
gefälscht worden sein, da 58 Wähler eidlich erhärten wollen,
daß sie für den socialdemokratischen Candidaten Bärer ge-
stimmt haben, während nur 22 Stimmen für denselben ge-
zählt sind. Ferner haben auch Arbeitgeber durch künstlich
gefaltete Wahlzettel die Stimmabgabe ihrer Arbeiter controlirt.
Die Hauptbeschwerde richtet sich gegen den Wahlaufruf, welcher
unter dem Titel "Ein letztes ernstes Wort an alle Bergleute und
Invaliden" von dem Oberbergrath v. Detten erlassen ist. Die
Commission hat die Ungehörigkeit dieser amtlichen Wahlbeein-
flussung erkannt, ist indeß durch künstliche Berechnung zu dem Ne-
sultat gekommen, daß selbst nach Abzug der vorhandenen Anzahl
von Bergleuten der gewählte Candidat immer noch die Majorität
behält. Eine solche amtliche Wahlbeeinflussung muß aber viel
weiter in Anrechnung gebracht werden. Vor allen Dingen müssen
wir die Thatsache amtlich feststellen lassen, und ich beantrage deß-
halb, die Abstimmung über die Gültigkeit der Wahl auszusetzen,
den Reichskanzler zu ersuchen, den Oberbergrath v. Detten amtlich
darüber vernehmen zu lassen, ob das erwähnte Flugblatt von ihm
herrührt und in welcher Weise es verbreitet ist, und ferner über
verschiedene von der Commission nicht berücksichtigte Punkte des
Protestes Erhebungen anstellen zu lassen.

Abg. Auer (Soc.) schließt sich dem Antrage Rickert an und
beschwert sich ferner über ein von dem Landrathsamt zu Hamm
erlassenes Verbok einer von einem Socialdemokraten einberufenen
Wählerversammlung, welches von dem Negierungspräsidenten von
Hannover als gesetzlich gerechtsertigt erachtet worden sei, ohne daß
jedoch Gründe angegeben wären. Der Reichstag habe wiederholt
entschieden, daß die bloße Einberufung durch einen Socialdemo-
kraten kein Anlaß zu einem Verbot sei. Redner verliest sodann
das von dem Oberbergrath v. Detten erlassene Wahlflugblatt und
meint, daß solch einer schrankenlosen amtlichen Wahlbeeinflussung
gegenüber der Reichstag es den Wählern und sich selbst schuldig
sei, nicht so sans facon darüber hinwegzugehen. Ob diese Wahl-
beeinflussung wirklich einen Einfluß auf das Wahlresultat habe,
sei gleichgültig. Bei der Stellung eines Oberbergrathes könne von
einer bloßen Abschätzung der Zahlen nicht die Rede sein. Die
Controlirung der Arbeiter durch künstlich gefaltete Stimmzettel be-
einträchtige die Wahlfreiheit so, daß letztere für Hunderte von Wäh-
lern keine Bedeutung mehr habe. Würde hier keine Untersuchung
angestellt, so würde das Vertrauen der Wähler, daß durch Wahl-
proteste noch etwas zu erreichen sei, völlig erschüttert.

Abg. Baumbach-Altenburg (Reichspartei): Der größte
Theil der Proteste bezieht sich auf den ersten Wahlgang, der ja
doch an und für sich nicht angefochten ist. Die Angriffe gegen
die Krieger- und Militärvereine, die bei Gelegenheit der Wahl-
prüfungen schon so oft erhoben worden sind, sind in keiner
Weise gerechtfertigt. Die Bestrebungen derselben gipfeln zunächst
in der Devise: "Mit Gott für Kaiser und Reich, Fürst und
Valerkand," zum zweiten in der Pflege der Cameradschaft und
gegenseitigen Unterstützung. Politische und religiöse Fragen
dürfen innerhalb der Vereine nicht zum Zweck der Erörterungen
gemacht werden. Ein Druck auf die Mitglieder bei politischen
Abstimmungen würde auch keine Garantie für die Durchführung
bieten, da ja die Wahl geheim ist. Im Sinne des obigen
Wahlspruchs zu wirken, ist jeder Vorstand solcher Vereine be-
rechtigt und verpflichtet, und ich in meiner Stellung als General-
inspector von thüringischen Kriegervereinen werde jederzeit in den
Versammlungen bestrebt sein, öffentlich und frei in jenem
Sinne zu wirken. Das halte ich für meine Pflicht als
ehemaliger Soldat. (Beifall.) Keiner der Herren Freisinnigen
wird mir in den Statuten der Kriegervereine einen Para-
graphen nennen können, welcher freisinnige Parteigenossen
ausschließt. (Abg. Rickert: "Das fehlte auch noch!")
Wir nehmen Jeden auf, der nicht nur mit dem Munde, sondern
auch mit dem Herzen an unsern Bestrebungen theilnimmt:
Nationalliberale, Conservative, Freisinnige, Ultramontane, nur
nicht die Socialdemokraten. Bei der großen Anzahl der Vereine
ist es allerdings möglich, daß hie und da abweichende Meinungen
hervortreten. In keinem Falle aber darf man ein angebliches
Princip der Vereine dafür verantwortlich machen.

Vicepräsident Graf Ballestrem ersucht den Redner, weniger
die allgemeinen Tendenzen der Kriegervereine, als die Gültigkeit
oder Ungültigkeit der vorliegenden Wahl zu behandeln, worauf
Abg. Baumbach nur noch erklärt, für die Gültigkeit der Wahl
des Abg. v. Reden stimmen zu wollen.

Abg. Mehnert (cons.): Es würde das Resultat der Wahl
dasselbe geblieben sein, auch wenn die Anzahl von Stimmen, um
die es sich hier zunächst handelt, nicht für den Abg. v. Reden ab-
gegeben worden wäre. Das vom Abg. Auer verlesene Flugblatt
wäre durchaus nichts Ungewöhuliches, wenn der Verfasser nicht zu
seinen Untergebenen darin gesprochen hätte. Von den Unterschriften
der 58 Wähler, welche in Wallensen für Bärer gestimmt haben
wollen, sind 14 von verselben Hand geschrieben, ein Umstand, der
[Spaltenumbruch] uns schon in der Commission zu denken gegeben hat. Der Abg.
Nickert hat keine Veranlassung, sich gegen die Agitation in Krieger-
vereinen zu wenden. Ich könnte ihm einen Fall nennen, wo gerade
durch eine solche Agitation ein freisinniger Abgeordneter gewählt
worden ist. Jeder gediente Soldat aber hat ebenso wie jeder andere
Bürger das Recht, sich von denen zu trennen, die ihre Pflicht
gegen König und Vaterland hintansetzen, den Fahneneid leichtsinnig
gebrochen haben.

Abg. v. Strombeck hält einige Punkte in dem Proteft noch
nicht für aufgeklärt und will deßhalb dem Antrage Rickert nicht
widersprechen. Die 14 Unterschriften von einer Hand könnten
sehr wohl autorisirt sein.

Abg. Rickert: Gegen das mechanische Zusammenzählen von
Stimmen, die das Wahlresultat nicht beeinflußt haben würden,
ist früher hier immer protestirt worden. Man hat keinen Ueber-
blick über die Anzahl der Stimmen, die in Folge der Beeinflussung
überhaupt nicht abgegeben worden sind. Wenn irgendwo ein
Kriegerverein für die Wahl eines freisinnigen Candidaten in
Thätigkeit gesetzt worden ist, würde ich das entschieden mißbilligen,
der Abg. Mehnett hat aber keine genaue Angabe über einen
solchen Fall gemacht. Ein Vorsitzender eines Kriegervereines über-
schreitet aber seine Competenzen, wenn er seine Stellung dazu
benutzt, in seinem Sinne zu agitiren. Wegen ihrer sonstigen Be-
strebungen hat noch Niemand die Kriegervereine getadelt; sie haben
aber keinerlei Wahlagitation zu treiben, auch nicht gegen Social-
demokraten.

Abg. Auer: Wenn Sie (rechts) es so scharf betonen, daß
die Socialdemokraten in den Kriegervereinen nichts zu thun haben,
dann ziehen Sie wenigstens die Consequenzen Ihres Standpunktes
und weisen die Socialdemokraten auch aus den Casernen heraus.
(Sehr richtig! bei den Socialdemokraten.) Es gibt deren nicht
wenige, und diese würden Ihnen dafür sehr dankbar sein. Wir
haben aber ein Recht, dagegen zu protestiren, daß man die Social-
demokraten erst jahrelang Beiträge zahlen läßt und sie dann, weil
sie anderer politischer Meinung sind, aus den Kriegervereinen
herauswirft. Wir wollen dem Vaterlande genau dieselben Pflichten
erfüllen, und es ist ein Unrecht von dem Abg. Mehnert, zu sagen:
wir gedienten Soldaten haben ein Recht, uns zu trennen von den
Menschen, welche pflichtvergessen ihr Wort gegen König und Vater-
land gebrochen haben. Ja, wo ist dieses Wort gebrochen, Hr.
Mehnert? Wer von uns hat seine Pflichten gegen das Vaterland
nicht erfüllt? (Zuruse rechts.) Nun dann heraus damit! Bringen
Sie Beweise! Hr. Mehnert aber hat im Cartell mit denselben
Nationalliberalen zusammengesessen, die 1866 ihr sächsisches Vater-
land verrathen haben. (Unrnhe.) In unsren Neihen gibt es
solche Leute nicht, wohl aber mit wenigen Ausnahmen in den andern
Parteien, und wie man da uns gegenüber von einem Wortbruch reden
kann, das ist einfach ... nun, ich wollte sagen unanständig ...

Präsident v. Levetzow: Ich müßte diesen Ausdruck dem Ab-
geordneten verweisen.

Abg. Auer (fortfahrend): Wir haben aus unserer Stellung
als Republicaner nie ein Hehl gemacht. (Hört, hört! rechts.)
Das ist unser politisches Recht, unser theoretischer Standpunkt, aber
daß wir im Deutschen Reich irgend etwas gethan hätten, was ge-
eignet wäre, die Mehnert'sche Beschuldigung zu rechtsertigen,
bestreite ich auf das allerentschiedenste. Bei anderen Parteien mag
es ja recht profitabel sein, regierungstreu und vaterlandswüthig
zu sein, bei uns ist niemals ein Profit dabei herausgekommen.
Hr. Mehnert hat das Geheimniß ausgeplaudert, wie er eigentlich über
die Wahlfreiheit dentt. Er sagte, Hr. v. Detten wäre nur un-
vorsichtig gewesen und hätte in seiner Eigenschaft als Oberbergrath
die Beeinflussung ausgeübt, er hätte also den Oberbergrath zu
Hause lassen müssen. (Zuruf bei den Socialdemokraten.) Es wird
mir gesagt, daß er dann ein Heuchler gewesen wäre. Ich freue
mich, daß Hr. v. Detten wenigstens den Muth hatte, offen und
ehrlich hervorzutreten, und nicht die feine Unterscheidung gewählt
hat, die er nach Hrn. Mehnert hätte wählen sollen.

Abg. Mehnert: Der Abg. Auer hat meine Worte so miß-
deutet, als hätte ich gesagt, die Kriegervereine hielten die Social-
demokraten deßhalb fern, weil sie vaterlandsvergessen wären. Ich
habe nur gesagt: man kann es den Kriegervereinen für ihre Mit-
glieder nicht verargen, wenn sie diejenigen, die leichtsinnigen
Herzens den Fahneneid vergessen und ihre dem König gelobte
Treue mißachten, künftig in ihrer Mitte nicht dulden wollen. Aus
Ihrer (zu den Socialdemokraten) Mitte ist doch das Wort ge-
fallen: Krieg den Palästen! (Unruhe links), und der Abg. Auer
hat selbst gesagt: daß wir Republicaner sind, bestreiten wir nicht.
Die Treue wird dem König nicht mehr bewahrt, wenn Sie auf
Ihre Fahne die Republik schreiben. Deßhalb wollen wir nicht,
daß derartige Elemente, welche die Treue dem König gebrochen
haben, in den Kriegervereinen bleiben. (Beifall rechts.)

Der Antrag Rickert wird in allen seinen Theilen angenom-
men; dafür stimmt auch der größere Theil des Centrums. Damit
ist der Commissionsantrag beseitigt.

Die Wahl des Abg. v. Henk (im 2. Stettiner Wahlkreis)
beantragt die Commission für güllig zu erklären. Berichterstatter
ist der Abg. Dohrn. Derselbe ist nicht anwesend; der Vorsitzende
der Commission, Abg. Schmieder, hat sich bereit erklärt, das
Reserat zu übernehmen. Abg. Rickert bittet, mit Rücksicht auf
die Abwesenheit des Reserenten, den Gegenstand von der Tages-
ordnung abzusetzen, um so mehr, als der Abg. Schmieder in der
Commission zur Minorität gehört und gar nicht in der Lage ist,
die Majorität zu vertreten. (Unruhe rechts.)

Abg. Hahn (cons.): Ich möchte doch den Grundsatz nicht aufkommen
lassen, daß eine Commission in der Ernennung ihres Referenten
beschränkt sein sollte. Die Commission hat oft schon Bertreter der
Minorität ernannt und das Reserat ist unparteiisch und sachlich
geführt worden. Wenn der Vorsitzende der Commission es über-
nommen hat, die Ansichten der Commission zu vertreten, so wäre
es ein Mißtrauensvotum, wenn das Haus ihn nicht aunehmen
wollte. Ich wundere mich über das Mißtrauen des Abg. Rickert
gegen ein Mitglied seiner Fraction.

Abg. Rickert: Der Vorredner kann doch selbst nicht ernstlich
glauben (lebhafter Widerspruch rechts) -- Sie wissen ja noch gar
nicht, was ich sagen will (Heiterkeit) -- daß ich meinem Freunde Schmie-
der hier öffentlich ein Mißtranensvotum habe geben wollen. Ich will
aber ein so hervorragendes Mitglied der Commission in unsern
Reihen kämpsen sehen. Warum soll er gegen seine Ueberzeugung
die Majorität vertreten? Die Commission hat auch Hrn. Schmieder
gar nicht zum Referenten bestellt.

Abg. Windthorst ist der Meinung, daß bei einem Wider-
spruch des Hauses ein Referent, der sich selbst substituirt, nicht zu-
gelassen werden kann.

Abg. Hahn: Der Abg. Rickert scheint zu meinen, daß
bei Beurtheilung der Wahlen bier im Reichstage Partei gegen
Partei kämpft. Es liegen zahlreiche Fälle vor, wo im Falle der
Verhinderung des Referenten der Vorsitzende referirt hat. Er ist
dazu besonders befähigt, uns die Ansichten der Commission mitzu-
theilen; ein Verfahren nach dem Vorschlage des Abg. Rickert würde
unsre Geschäfte nicht fördern.

[Spaltenumbruch]

Abg. Schmieder erklärt, mit Rücksicht auf diese Präcedenz-
fälle das Referat übernommen zu haben.

Präsident v. Levetzow: Bisher ist gegen dieses Verfahren
nie Widerspruch erhoben worden.

Abg. Rickert: Ich kenne diese Praxis auch; ein solcher
Widerspruch liegt aber heute vor. Wir können verlangen, daß
der Referent eintritt, den die Commission bestellt hat. Ich wider-
spreche dem nichtgeschäftsordnungsmäßigen Verfahren. Es steht
dem Hause frei, die bisherige Praxis beizubehalten oder zu ver-
lassen; gegen die Unterstellung des Hrn. Hahn protestire ich. Es
handelt sich nicht um Partei gegen Partei, sondern um Ansicht
gegen Ansicht, um Minorität gegen Majorität.

Abg. Windthorst: Die Stellvertretung des Referenten ist,
wenn widersprochen wird, nicht zulässig, denn der Referent wird
von der Commission gewählt.

Abg. Hahn: Auch der von der Commission bestellte Be-
richterstatter Abg. Dohrn war, wie ich höre, in der Minderheit;
Abg. Schmieder besindet sich also genau in derselben Lage. (Bei-
fall rechts.)

Präsident v. Levetzow: Es gibt keine Bestimmung in der
Geschäftsordnung, welche verböte, in einer Sache zu verhandeln,
in welcher der Referent, der den schriftlichen Bericht gemacht hat,
nicht im Hause ist.

Abg. Windthorst: Mit der Erstattung des schriftlichen Ve-
richts hört die Thätigkeit des Referenten nicht auf, er behält auch
im Hause wesentlichen Einfluß auf den Gang der Verhandlung.
Wir müssen Werth darauf legen, daß der von der Commission
gewählte Berichterstatter die Sache vertritt.

Abg. Richter: In der Commission kann jedes Mitglied
gegen die Wahl eines Berichterstatters seine Bedenken geltend
machen: diese Möglichkeit ist hier entzogen. Die Verichterstattung
ist im Wege privater Cession übertragen worden; das kann nur
zulässig sein, wenn Niemand widerspricht. Die Präcedenzfälle be-
ziehen sich nur auf Wahlen, die weiter nicht bestritten waren und
wo die Berichterstattung nur eine formelle Erledigung bezweckte.

Abg. Schmieder hält es nach diesem Widerspruch nicht für
angezeigt, das Referat zu übernehmen, und zieht die angebotene
Stellvertretung zurück. Der Gegenstand wird darauf von der
Tagesordnung abgesetzt.

Die Wahl des Abg. Schütte (im 3. braunschweig. Wahl-
kreise) wird für gültig erklärt. Es folgt die Berichterstattung über
die Wahl des Abg. Frhrn. v. Münch (im 8. württemberg. Wablkreise).

Abg. Frhr. v. Münch: So viel Illusionen der Empfang
bei meinem ersten Austreten hier im Reichstage mir zerstörte, den
unerschütterlichen Willen, für das Recht des armen Mannes und
des arbeitenden Volkes einzutreten, hat er mir nicht zerstört. Die-
ser mein Entschluß ist unerschütterlich geblieben und meine Wähler
werden es mir nicht verargen, wenn ich das Wort in eigener
Sache ergreife. Ich hoffe, daß nach dieser Bemerkung Sie keine
Verletzung des Herkommens des Hauses darin sinden werden, wenn
ich vor Ihnen meine Vertheidigung führe. Der Protest behauptet,
ich hätte, um die jüdischen Stimmen in Mühringen zu gewinnen,
der dortigen Synagoge zwei silberne Leuchter geschenkt. Die Leuch-
ter, die nicht 1060, sondern 1016 Mark kosten, habe
ich im August versprochen und im October gegeben. Im
Januar habe ich noch nicht daran gedacht, in meinem Wahl-
kreise zu candidiren. Die Schenkung erfolgte übrigens,
weil ich vorher den Hochaltar in der katholischen Kirche
des Ortes gestiftet hatte. Ebenso hinfällig ist der Punkt des
Protestes, daß ich Geldgaben an Bettler vertheilt hätte, um
Stimmen zu gewinnen. Die unglücklichste Gattung unfrer Mit-
bürger ist bekanntlich von dem Wahlrecht ausgeschlossen. Was
die Spendung von Freibier bei meiner Wahl betrisst, so ist vor
meiner Wahl kein Freibier versprochen worden, nach der Wahl
ist Freibier gegeben worden, aber nur zu dem vierten Theil des
Betrages, der von den Protesterhebern behauptet wird. Ich lege
Werth darauf, zu betonen, daß thatsächlich diese Anführung der
Protesterheber sich als falsch erwiesen hat. Die Commission ist
in ihrem Antrage aber nicht weit genug gegangen; es müßten
die Erhebungen viel weiter ausgedehut werden. Nur ein einziger
Fall ist genannt worden, in welchem von einem Beamten für
den Fall meiner Wahl Freibier versprochen worden sein soll.
Die Agitation gegen mich ist so weit gegangen, daß ein Ab-
geordneter, der die württembergische Kammer ziert, gymnastische
Exercitien zu meinem Nachtheil an mir vorzunehmen in Aussicht
stellte. Der eine Fall, in welchem Freibier versprochen worden ist,
hat auf das Resultat meiner Wahl keinen Einsluß, denn selbst nach
Abzug der an dem betreffenden Ort für mich abgegebenen
Stimmen habe ich noch die Majorität. Aus dem Treiben jenes
Oekonomen, der für meine Wahl agitirte, von dem ich aber
nicht im besten Einvernehmen geschieden bin, können Sie keine
Veranlassung nehmen, meine Wahl für ungültig zu erklären.
Ich habe nur ein einziges Wahlcomite gehabt und dessen
Mitglieder ausdrücklich gebeten, von allen Bersprechungen von
Spenden Abstand zu nehmen. Ich habe meinen Wählern ein aus-
gesprochenes Programm vorgelegt und hoffte, für meine Bestre-
bungen zu Gunsten des armen Mannes Anklang zu finden. Ich
möchte nun den Antrag stellen, den Commissionsantrag dahin aus-
zudehnen, daß die Protesterheber den Beweis der Wahrheit für
ihre Behauptungen zeugeneidlich antreten. Ich habe meine früheren
Parteigenossen gebeten, einen solchen Antrag zu unterschreiben.
Rachdem dies abgelehnt worden ist, bitte ich einen der Herren aus
dem Hause, diesen Antrag einbringen zu wollen.

Präsident v. Levetzow: Ich verstehe den Redner so, daß er
den Antrag stellt.

Abg. Frhr. v. Münch: Der Hr. zweite Vicepräsident sagte
mir, daß es nicht zulässig sei, selbst einen solchen Antrag zu unter-
schreiben.

Abg. Baumbach: Das ist ein Mißverständniß. Ich habe
Hrn. v. Münch nur gesagt, daß es nicht üblich sei, in eigener
Sache einen Antrag zu stellen.

Der Antrag v. Münch wird genügend unterstützt. Darauf
wird der Commissionsantrag angenommen, der Antrag v. Münch
dagegen abgelehnt. Schluß gegen 4 Uhr.

Nächste Sitzung Donnerstag, 2 Uhr; Tagesordnung: Vorlage,
betreffend Helgoland, Abänderung des Patentgesetzes und des
Musterschutzgesetzes.




Nach der amtlichen Feststellung
sind bis heute an hiesiger Hochschule insgesammt 1518 Studirende
immatriculirt (641 Bayern und 877 Nichtbayern). Nach den
Facultäten scheiden sich diese in: Theologen 148, Juristen und
Cameralisten 303, Mediciner und Odontologen 884, Pharma-
ceuten 56, Philosophen, Philologen, Mathematiker und Chemiker
127. Im vorigen Sommersemester betrug die Frequenz 1640,
im Wintersemester um die gleiche Zeit 1610, und zwar Theologen
137, Juristen 322, Mediciner 942, Pharmaceuten 56 und Philo-
sophen, Philologen etc. 153. Zu der diesmaligen etwas niedrigeren
Frequenzziffer muß bemerkt werden, daß von den 300 im Staats-
examen besindlichen Medicinern nur 150 immatriculirt sind.

Donnerſtag, Zweites Morgenblatt, Nr. 336 der Allgemeinen Zeitung. 4. December 1890.


Deutſcher Reichstag.
Telegraphiſcher Privatbericht der Allg. Ztg.
34. Sitzung.

Die Sitzung wird um 1 Uhr eröffnet.
Am Bundesrathstiſche: Staatsſecretär v. Boetticher. Einge-
gangen iſt der Geſetzentwurf betreffend die Prüſung der Läufe
und Verſchlüſſe der Handfeuerwaffen.
Ein Schreiben
des Abg. Müller (Marieuwerder), in welchem dieſer die Frage
anregt, ob ſein Mandat fortdauere, nachdem er zum Mitglied des
Reichsbank-Directoriums ernannt ſei, wird der Geſchäftsordnungs-
commiſſion überwieſen. An Stelle des aus dem Amte geſchiedenen
Schriftführers Dr. Bürklin wird auf Antrag des Abg. Dr.
v. Marquardſen der Abg. Schneider (Hamm) durch Acclama-
tion zum Schriſtführer gewählt. — In erſter Berathung wird die
Ueberſicht über die Reichsausgaben und -Einnahmen
für das Etatsjahr 1889/90 der Nechnungscommiſſion überwieſen.

Es folgen Wahlprüfungen. Bezüglich der Wahl des
Abg. v. Reden (im 9. hannoveriſchen Wahlbezirk) beantragt die
Wahlprüfungscommiſſion die Gültigkeitserklärung, ſowie über ein-
zelne Punkte des eingegangenen ſocialdemokratiſchen Wahlproteſtes
die Erhebung von Ermittelungen.

Abg. Rickert: Dieſe Wahl, welche die Commiſſion nur mit
7 gegen 5 Stimmen für gültig erklärt hat, gibt zu den erheblichſten
Bedenken Anlaß. In dem Wahlproteſt des Arbeiterwahlcomités
für den 9. hannoveriſchen Wahlkreis wird über folgende Dinge
Beſchwerde geführt. Der Kriegerverein zu Aerzen, Kreis Hameln,
hat bei Strafe des Ausſchluſſes beſchloſſen, für den Candidaten
v. Reden zu ſtimmen. Ein ſolcher Beſchluß iſt abſolut geſetzwidrig.
Der Kriegerverein zu Röſſing, Kreis Springe, hat über ſeine Mit-
glieder durch künſtlich zuſammengefaltete Stimmzettel Controle
geübt. Dieſe Punkte bedürfen der amtlichen Unterſuchung. Die
Frage der Stellung der Kriegervereine zu den politiſchen Wahlen
wird nicht eher zur Ruhe kommen, als bis dieſelben darauf ver-
zichten, ſich in politiſche Wahlangelegenheiten einzumiſchen. Wir
haben dagegen kein anderes Mittel, als das der amtlichen Unter-
ſuchung. In Wallenſen, Kreis Hameln, ſoll das Wahlergebniß
gefälſcht worden ſein, da 58 Wähler eidlich erhärten wollen,
daß ſie für den ſocialdemokratiſchen Candidaten Bärer ge-
ſtimmt haben, während nur 22 Stimmen für denſelben ge-
zählt ſind. Ferner haben auch Arbeitgeber durch künſtlich
gefaltete Wahlzettel die Stimmabgabe ihrer Arbeiter controlirt.
Die Hauptbeſchwerde richtet ſich gegen den Wahlaufruf, welcher
unter dem Titel „Ein letztes ernſtes Wort an alle Bergleute und
Invaliden“ von dem Oberbergrath v. Detten erlaſſen iſt. Die
Commiſſion hat die Ungehörigkeit dieſer amtlichen Wahlbeein-
fluſſung erkannt, iſt indeß durch künſtliche Berechnung zu dem Ne-
ſultat gekommen, daß ſelbſt nach Abzug der vorhandenen Anzahl
von Bergleuten der gewählte Candidat immer noch die Majorität
behält. Eine ſolche amtliche Wahlbeeinfluſſung muß aber viel
weiter in Anrechnung gebracht werden. Vor allen Dingen müſſen
wir die Thatſache amtlich feſtſtellen laſſen, und ich beantrage deß-
halb, die Abſtimmung über die Gültigkeit der Wahl auszuſetzen,
den Reichskanzler zu erſuchen, den Oberbergrath v. Detten amtlich
darüber vernehmen zu laſſen, ob das erwähnte Flugblatt von ihm
herrührt und in welcher Weiſe es verbreitet iſt, und ferner über
verſchiedene von der Commiſſion nicht berückſichtigte Punkte des
Proteſtes Erhebungen anſtellen zu laſſen.

Abg. Auer (Soc.) ſchließt ſich dem Antrage Rickert an und
beſchwert ſich ferner über ein von dem Landrathsamt zu Hamm
erlaſſenes Verbok einer von einem Socialdemokraten einberufenen
Wählerverſammlung, welches von dem Negierungspräſidenten von
Hannover als geſetzlich gerechtſertigt erachtet worden ſei, ohne daß
jedoch Gründe angegeben wären. Der Reichstag habe wiederholt
entſchieden, daß die bloße Einberufung durch einen Socialdemo-
kraten kein Anlaß zu einem Verbot ſei. Redner verliest ſodann
das von dem Oberbergrath v. Detten erlaſſene Wahlflugblatt und
meint, daß ſolch einer ſchrankenloſen amtlichen Wahlbeeinfluſſung
gegenüber der Reichstag es den Wählern und ſich ſelbſt ſchuldig
ſei, nicht ſo sans façon darüber hinwegzugehen. Ob dieſe Wahl-
beeinfluſſung wirklich einen Einfluß auf das Wahlreſultat habe,
ſei gleichgültig. Bei der Stellung eines Oberbergrathes könne von
einer bloßen Abſchätzung der Zahlen nicht die Rede ſein. Die
Controlirung der Arbeiter durch künſtlich gefaltete Stimmzettel be-
einträchtige die Wahlfreiheit ſo, daß letztere für Hunderte von Wäh-
lern keine Bedeutung mehr habe. Würde hier keine Unterſuchung
angeſtellt, ſo würde das Vertrauen der Wähler, daß durch Wahl-
proteſte noch etwas zu erreichen ſei, völlig erſchüttert.

Abg. Baumbach-Altenburg (Reichspartei): Der größte
Theil der Proteſte bezieht ſich auf den erſten Wahlgang, der ja
doch an und für ſich nicht angefochten iſt. Die Angriffe gegen
die Krieger- und Militärvereine, die bei Gelegenheit der Wahl-
prüfungen ſchon ſo oft erhoben worden ſind, ſind in keiner
Weiſe gerechtfertigt. Die Beſtrebungen derſelben gipfeln zunächſt
in der Deviſe: „Mit Gott für Kaiſer und Reich, Fürſt und
Valerkand,“ zum zweiten in der Pflege der Cameradſchaft und
gegenſeitigen Unterſtützung. Politiſche und religiöſe Fragen
dürfen innerhalb der Vereine nicht zum Zweck der Erörterungen
gemacht werden. Ein Druck auf die Mitglieder bei politiſchen
Abſtimmungen würde auch keine Garantie für die Durchführung
bieten, da ja die Wahl geheim iſt. Im Sinne des obigen
Wahlſpruchs zu wirken, iſt jeder Vorſtand ſolcher Vereine be-
rechtigt und verpflichtet, und ich in meiner Stellung als General-
inſpector von thüringiſchen Kriegervereinen werde jederzeit in den
Verſammlungen beſtrebt ſein, öffentlich und frei in jenem
Sinne zu wirken. Das halte ich für meine Pflicht als
ehemaliger Soldat. (Beifall.) Keiner der Herren Freiſinnigen
wird mir in den Statuten der Kriegervereine einen Para-
graphen nennen können, welcher freiſinnige Parteigenoſſen
ausſchließt. (Abg. Rickert: „Das fehlte auch noch!“)
Wir nehmen Jeden auf, der nicht nur mit dem Munde, ſondern
auch mit dem Herzen an unſern Beſtrebungen theilnimmt:
Nationalliberale, Conſervative, Freiſinnige, Ultramontane, nur
nicht die Socialdemokraten. Bei der großen Anzahl der Vereine
iſt es allerdings möglich, daß hie und da abweichende Meinungen
hervortreten. In keinem Falle aber darf man ein angebliches
Princip der Vereine dafür verantwortlich machen.

Vicepräſident Graf Balleſtrem erſucht den Redner, weniger
die allgemeinen Tendenzen der Kriegervereine, als die Gültigkeit
oder Ungültigkeit der vorliegenden Wahl zu behandeln, worauf
Abg. Baumbach nur noch erklärt, für die Gültigkeit der Wahl
des Abg. v. Reden ſtimmen zu wollen.

Abg. Mehnert (conſ.): Es würde das Reſultat der Wahl
dasſelbe geblieben ſein, auch wenn die Anzahl von Stimmen, um
die es ſich hier zunächſt handelt, nicht für den Abg. v. Reden ab-
gegeben worden wäre. Das vom Abg. Auer verleſene Flugblatt
wäre durchaus nichts Ungewöhuliches, wenn der Verfaſſer nicht zu
ſeinen Untergebenen darin geſprochen hätte. Von den Unterſchriften
der 58 Wähler, welche in Wallenſen für Bärer geſtimmt haben
wollen, ſind 14 von verſelben Hand geſchrieben, ein Umſtand, der
[Spaltenumbruch] uns ſchon in der Commiſſion zu denken gegeben hat. Der Abg.
Nickert hat keine Veranlaſſung, ſich gegen die Agitation in Krieger-
vereinen zu wenden. Ich könnte ihm einen Fall nennen, wo gerade
durch eine ſolche Agitation ein freiſinniger Abgeordneter gewählt
worden iſt. Jeder gediente Soldat aber hat ebenſo wie jeder andere
Bürger das Recht, ſich von denen zu trennen, die ihre Pflicht
gegen König und Vaterland hintanſetzen, den Fahneneid leichtſinnig
gebrochen haben.

Abg. v. Strombeck hält einige Punkte in dem Proteft noch
nicht für aufgeklärt und will deßhalb dem Antrage Rickert nicht
widerſprechen. Die 14 Unterſchriften von einer Hand könnten
ſehr wohl autoriſirt ſein.

Abg. Rickert: Gegen das mechaniſche Zuſammenzählen von
Stimmen, die das Wahlreſultat nicht beeinflußt haben würden,
iſt früher hier immer proteſtirt worden. Man hat keinen Ueber-
blick über die Anzahl der Stimmen, die in Folge der Beeinfluſſung
überhaupt nicht abgegeben worden ſind. Wenn irgendwo ein
Kriegerverein für die Wahl eines freiſinnigen Candidaten in
Thätigkeit geſetzt worden iſt, würde ich das entſchieden mißbilligen,
der Abg. Mehnett hat aber keine genaue Angabe über einen
ſolchen Fall gemacht. Ein Vorſitzender eines Kriegervereines über-
ſchreitet aber ſeine Competenzen, wenn er ſeine Stellung dazu
benutzt, in ſeinem Sinne zu agitiren. Wegen ihrer ſonſtigen Be-
ſtrebungen hat noch Niemand die Kriegervereine getadelt; ſie haben
aber keinerlei Wahlagitation zu treiben, auch nicht gegen Social-
demokraten.

Abg. Auer: Wenn Sie (rechts) es ſo ſcharf betonen, daß
die Socialdemokraten in den Kriegervereinen nichts zu thun haben,
dann ziehen Sie wenigſtens die Conſequenzen Ihres Standpunktes
und weiſen die Socialdemokraten auch aus den Caſernen heraus.
(Sehr richtig! bei den Socialdemokraten.) Es gibt deren nicht
wenige, und dieſe würden Ihnen dafür ſehr dankbar ſein. Wir
haben aber ein Recht, dagegen zu proteſtiren, daß man die Social-
demokraten erſt jahrelang Beiträge zahlen läßt und ſie dann, weil
ſie anderer politiſcher Meinung ſind, aus den Kriegervereinen
herauswirft. Wir wollen dem Vaterlande genau dieſelben Pflichten
erfüllen, und es iſt ein Unrecht von dem Abg. Mehnert, zu ſagen:
wir gedienten Soldaten haben ein Recht, uns zu trennen von den
Menſchen, welche pflichtvergeſſen ihr Wort gegen König und Vater-
land gebrochen haben. Ja, wo iſt dieſes Wort gebrochen, Hr.
Mehnert? Wer von uns hat ſeine Pflichten gegen das Vaterland
nicht erfüllt? (Zuruſe rechts.) Nun dann heraus damit! Bringen
Sie Beweiſe! Hr. Mehnert aber hat im Cartell mit denſelben
Nationalliberalen zuſammengeſeſſen, die 1866 ihr ſächſiſches Vater-
land verrathen haben. (Unrnhe.) In unſren Neihen gibt es
ſolche Leute nicht, wohl aber mit wenigen Ausnahmen in den andern
Parteien, und wie man da uns gegenüber von einem Wortbruch reden
kann, das iſt einfach ... nun, ich wollte ſagen unanſtändig ...

Präſident v. Levetzow: Ich müßte dieſen Ausdruck dem Ab-
geordneten verweiſen.

Abg. Auer (fortfahrend): Wir haben aus unſerer Stellung
als Republicaner nie ein Hehl gemacht. (Hört, hört! rechts.)
Das iſt unſer politiſches Recht, unſer theoretiſcher Standpunkt, aber
daß wir im Deutſchen Reich irgend etwas gethan hätten, was ge-
eignet wäre, die Mehnert’ſche Beſchuldigung zu rechtſertigen,
beſtreite ich auf das allerentſchiedenſte. Bei anderen Parteien mag
es ja recht profitabel ſein, regierungstreu und vaterlandswüthig
zu ſein, bei uns iſt niemals ein Profit dabei herausgekommen.
Hr. Mehnert hat das Geheimniß ausgeplaudert, wie er eigentlich über
die Wahlfreiheit dentt. Er ſagte, Hr. v. Detten wäre nur un-
vorſichtig geweſen und hätte in ſeiner Eigenſchaft als Oberbergrath
die Beeinfluſſung ausgeübt, er hätte alſo den Oberbergrath zu
Hauſe laſſen müſſen. (Zuruf bei den Socialdemokraten.) Es wird
mir geſagt, daß er dann ein Heuchler geweſen wäre. Ich freue
mich, daß Hr. v. Detten wenigſtens den Muth hatte, offen und
ehrlich hervorzutreten, und nicht die feine Unterſcheidung gewählt
hat, die er nach Hrn. Mehnert hätte wählen ſollen.

Abg. Mehnert: Der Abg. Auer hat meine Worte ſo miß-
deutet, als hätte ich geſagt, die Kriegervereine hielten die Social-
demokraten deßhalb fern, weil ſie vaterlandsvergeſſen wären. Ich
habe nur geſagt: man kann es den Kriegervereinen für ihre Mit-
glieder nicht verargen, wenn ſie diejenigen, die leichtſinnigen
Herzens den Fahneneid vergeſſen und ihre dem König gelobte
Treue mißachten, künftig in ihrer Mitte nicht dulden wollen. Aus
Ihrer (zu den Socialdemokraten) Mitte iſt doch das Wort ge-
fallen: Krieg den Paläſten! (Unruhe links), und der Abg. Auer
hat ſelbſt geſagt: daß wir Republicaner ſind, beſtreiten wir nicht.
Die Treue wird dem König nicht mehr bewahrt, wenn Sie auf
Ihre Fahne die Republik ſchreiben. Deßhalb wollen wir nicht,
daß derartige Elemente, welche die Treue dem König gebrochen
haben, in den Kriegervereinen bleiben. (Beifall rechts.)

Der Antrag Rickert wird in allen ſeinen Theilen angenom-
men; dafür ſtimmt auch der größere Theil des Centrums. Damit
iſt der Commiſſionsantrag beſeitigt.

Die Wahl des Abg. v. Henk (im 2. Stettiner Wahlkreis)
beantragt die Commiſſion für güllig zu erklären. Berichterſtatter
iſt der Abg. Dohrn. Derſelbe iſt nicht anweſend; der Vorſitzende
der Commiſſion, Abg. Schmieder, hat ſich bereit erklärt, das
Reſerat zu übernehmen. Abg. Rickert bittet, mit Rückſicht auf
die Abweſenheit des Reſerenten, den Gegenſtand von der Tages-
ordnung abzuſetzen, um ſo mehr, als der Abg. Schmieder in der
Commiſſion zur Minorität gehört und gar nicht in der Lage iſt,
die Majorität zu vertreten. (Unruhe rechts.)

Abg. Hahn (conſ.): Ich möchte doch den Grundſatz nicht aufkommen
laſſen, daß eine Commiſſion in der Ernennung ihres Referenten
beſchränkt ſein ſollte. Die Commiſſion hat oft ſchon Bertreter der
Minorität ernannt und das Reſerat iſt unparteiiſch und ſachlich
geführt worden. Wenn der Vorſitzende der Commiſſion es über-
nommen hat, die Anſichten der Commiſſion zu vertreten, ſo wäre
es ein Mißtrauensvotum, wenn das Haus ihn nicht aunehmen
wollte. Ich wundere mich über das Mißtrauen des Abg. Rickert
gegen ein Mitglied ſeiner Fraction.

Abg. Rickert: Der Vorredner kann doch ſelbſt nicht ernſtlich
glauben (lebhafter Widerſpruch rechts) — Sie wiſſen ja noch gar
nicht, was ich ſagen will (Heiterkeit) — daß ich meinem Freunde Schmie-
der hier öffentlich ein Mißtranensvotum habe geben wollen. Ich will
aber ein ſo hervorragendes Mitglied der Commiſſion in unſern
Reihen kämpſen ſehen. Warum ſoll er gegen ſeine Ueberzeugung
die Majorität vertreten? Die Commiſſion hat auch Hrn. Schmieder
gar nicht zum Referenten beſtellt.

Abg. Windthorſt iſt der Meinung, daß bei einem Wider-
ſpruch des Hauſes ein Referent, der ſich ſelbſt ſubſtituirt, nicht zu-
gelaſſen werden kann.

Abg. Hahn: Der Abg. Rickert ſcheint zu meinen, daß
bei Beurtheilung der Wahlen bier im Reichstage Partei gegen
Partei kämpft. Es liegen zahlreiche Fälle vor, wo im Falle der
Verhinderung des Referenten der Vorſitzende referirt hat. Er iſt
dazu beſonders befähigt, uns die Anſichten der Commiſſion mitzu-
theilen; ein Verfahren nach dem Vorſchlage des Abg. Rickert würde
unſre Geſchäfte nicht fördern.

[Spaltenumbruch]

Abg. Schmieder erklärt, mit Rückſicht auf dieſe Präcedenz-
fälle das Referat übernommen zu haben.

Präſident v. Levetzow: Bisher iſt gegen dieſes Verfahren
nie Widerſpruch erhoben worden.

Abg. Rickert: Ich kenne dieſe Praxis auch; ein ſolcher
Widerſpruch liegt aber heute vor. Wir können verlangen, daß
der Referent eintritt, den die Commiſſion beſtellt hat. Ich wider-
ſpreche dem nichtgeſchäftsordnungsmäßigen Verfahren. Es ſteht
dem Hauſe frei, die bisherige Praxis beizubehalten oder zu ver-
laſſen; gegen die Unterſtellung des Hrn. Hahn proteſtire ich. Es
handelt ſich nicht um Partei gegen Partei, ſondern um Anſicht
gegen Anſicht, um Minorität gegen Majorität.

Abg. Windthorſt: Die Stellvertretung des Referenten iſt,
wenn widerſprochen wird, nicht zuläſſig, denn der Referent wird
von der Commiſſion gewählt.

Abg. Hahn: Auch der von der Commiſſion beſtellte Be-
richterſtatter Abg. Dohrn war, wie ich höre, in der Minderheit;
Abg. Schmieder beſindet ſich alſo genau in derſelben Lage. (Bei-
fall rechts.)

Präſident v. Levetzow: Es gibt keine Beſtimmung in der
Geſchäftsordnung, welche verböte, in einer Sache zu verhandeln,
in welcher der Referent, der den ſchriftlichen Bericht gemacht hat,
nicht im Hauſe iſt.

Abg. Windthorſt: Mit der Erſtattung des ſchriftlichen Ve-
richts hört die Thätigkeit des Referenten nicht auf, er behält auch
im Hauſe weſentlichen Einfluß auf den Gang der Verhandlung.
Wir müſſen Werth darauf legen, daß der von der Commiſſion
gewählte Berichterſtatter die Sache vertritt.

Abg. Richter: In der Commiſſion kann jedes Mitglied
gegen die Wahl eines Berichterſtatters ſeine Bedenken geltend
machen: dieſe Möglichkeit iſt hier entzogen. Die Verichterſtattung
iſt im Wege privater Ceſſion übertragen worden; das kann nur
zuläſſig ſein, wenn Niemand widerſpricht. Die Präcedenzfälle be-
ziehen ſich nur auf Wahlen, die weiter nicht beſtritten waren und
wo die Berichterſtattung nur eine formelle Erledigung bezweckte.

Abg. Schmieder hält es nach dieſem Widerſpruch nicht für
angezeigt, das Referat zu übernehmen, und zieht die angebotene
Stellvertretung zurück. Der Gegenſtand wird darauf von der
Tagesordnung abgeſetzt.

Die Wahl des Abg. Schütte (im 3. braunſchweig. Wahl-
kreiſe) wird für gültig erklärt. Es folgt die Berichterſtattung über
die Wahl des Abg. Frhrn. v. Münch (im 8. württemberg. Wablkreiſe).

Abg. Frhr. v. Münch: So viel Illuſionen der Empfang
bei meinem erſten Auſtreten hier im Reichstage mir zerſtörte, den
unerſchütterlichen Willen, für das Recht des armen Mannes und
des arbeitenden Volkes einzutreten, hat er mir nicht zerſtört. Die-
ſer mein Entſchluß iſt unerſchütterlich geblieben und meine Wähler
werden es mir nicht verargen, wenn ich das Wort in eigener
Sache ergreife. Ich hoffe, daß nach dieſer Bemerkung Sie keine
Verletzung des Herkommens des Hauſes darin ſinden werden, wenn
ich vor Ihnen meine Vertheidigung führe. Der Proteſt behauptet,
ich hätte, um die jüdiſchen Stimmen in Mühringen zu gewinnen,
der dortigen Synagoge zwei ſilberne Leuchter geſchenkt. Die Leuch-
ter, die nicht 1060, ſondern 1016 Mark koſten, habe
ich im Auguſt verſprochen und im October gegeben. Im
Januar habe ich noch nicht daran gedacht, in meinem Wahl-
kreiſe zu candidiren. Die Schenkung erfolgte übrigens,
weil ich vorher den Hochaltar in der katholiſchen Kirche
des Ortes geſtiftet hatte. Ebenſo hinfällig iſt der Punkt des
Proteſtes, daß ich Geldgaben an Bettler vertheilt hätte, um
Stimmen zu gewinnen. Die unglücklichſte Gattung unfrer Mit-
bürger iſt bekanntlich von dem Wahlrecht ausgeſchloſſen. Was
die Spendung von Freibier bei meiner Wahl betriſſt, ſo iſt vor
meiner Wahl kein Freibier verſprochen worden, nach der Wahl
iſt Freibier gegeben worden, aber nur zu dem vierten Theil des
Betrages, der von den Proteſterhebern behauptet wird. Ich lege
Werth darauf, zu betonen, daß thatſächlich dieſe Anführung der
Proteſterheber ſich als falſch erwieſen hat. Die Commiſſion iſt
in ihrem Antrage aber nicht weit genug gegangen; es müßten
die Erhebungen viel weiter ausgedehut werden. Nur ein einziger
Fall iſt genannt worden, in welchem von einem Beamten für
den Fall meiner Wahl Freibier verſprochen worden ſein ſoll.
Die Agitation gegen mich iſt ſo weit gegangen, daß ein Ab-
geordneter, der die württembergiſche Kammer ziert, gymnaſtiſche
Exercitien zu meinem Nachtheil an mir vorzunehmen in Ausſicht
ſtellte. Der eine Fall, in welchem Freibier verſprochen worden iſt,
hat auf das Reſultat meiner Wahl keinen Einſluß, denn ſelbſt nach
Abzug der an dem betreffenden Ort für mich abgegebenen
Stimmen habe ich noch die Majorität. Aus dem Treiben jenes
Oekonomen, der für meine Wahl agitirte, von dem ich aber
nicht im beſten Einvernehmen geſchieden bin, können Sie keine
Veranlaſſung nehmen, meine Wahl für ungültig zu erklären.
Ich habe nur ein einziges Wahlcomité gehabt und deſſen
Mitglieder ausdrücklich gebeten, von allen Berſprechungen von
Spenden Abſtand zu nehmen. Ich habe meinen Wählern ein aus-
geſprochenes Programm vorgelegt und hoffte, für meine Beſtre-
bungen zu Gunſten des armen Mannes Anklang zu finden. Ich
möchte nun den Antrag ſtellen, den Commiſſionsantrag dahin aus-
zudehnen, daß die Proteſterheber den Beweis der Wahrheit für
ihre Behauptungen zeugeneidlich antreten. Ich habe meine früheren
Parteigenoſſen gebeten, einen ſolchen Antrag zu unterſchreiben.
Rachdem dies abgelehnt worden iſt, bitte ich einen der Herren aus
dem Hauſe, dieſen Antrag einbringen zu wollen.

Präſident v. Levetzow: Ich verſtehe den Redner ſo, daß er
den Antrag ſtellt.

Abg. Frhr. v. Münch: Der Hr. zweite Vicepräſident ſagte
mir, daß es nicht zuläſſig ſei, ſelbſt einen ſolchen Antrag zu unter-
ſchreiben.

Abg. Baumbach: Das iſt ein Mißverſtändniß. Ich habe
Hrn. v. Münch nur geſagt, daß es nicht üblich ſei, in eigener
Sache einen Antrag zu ſtellen.

Der Antrag v. Münch wird genügend unterſtützt. Darauf
wird der Commiſſionsantrag angenommen, der Antrag v. Münch
dagegen abgelehnt. Schluß gegen 4 Uhr.

Nächſte Sitzung Donnerſtag, 2 Uhr; Tagesordnung: Vorlage,
betreffend Helgoland, Abänderung des Patentgeſetzes und des
Muſterſchutzgeſetzes.




Nach der amtlichen Feſtſtellung
ſind bis heute an hieſiger Hochſchule insgeſammt 1518 Studirende
immatriculirt (641 Bayern und 877 Nichtbayern). Nach den
Facultäten ſcheiden ſich dieſe in: Theologen 148, Juriſten und
Cameraliſten 303, Mediciner und Odontologen 884, Pharma-
ceuten 56, Philoſophen, Philologen, Mathematiker und Chemiker
127. Im vorigen Sommerſemeſter betrug die Frequenz 1640,
im Winterſemeſter um die gleiche Zeit 1610, und zwar Theologen
137, Juriſten 322, Mediciner 942, Pharmaceuten 56 und Philo-
ſophen, Philologen ꝛc. 153. Zu der diesmaligen etwas niedrigeren
Frequenzziffer muß bemerkt werden, daß von den 300 im Staats-
examen beſindlichen Medicinern nur 150 immatriculirt ſind.

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Hr. Mehnert hat das Geheimniß ausgeplaudert, wie er eigentlich über<lb/>
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[0005] Donnerſtag, Zweites Morgenblatt, Nr. 336 der Allgemeinen Zeitung. 4. December 1890. Deutſcher Reichstag. Telegraphiſcher Privatbericht der Allg. Ztg. 34. Sitzung. &#xfffc; Berlin, 3. Dec. Die Sitzung wird um 1 Uhr eröffnet. Am Bundesrathstiſche: Staatsſecretär v. Boetticher. Einge- gangen iſt der Geſetzentwurf betreffend die Prüſung der Läufe und Verſchlüſſe der Handfeuerwaffen. Ein Schreiben des Abg. Müller (Marieuwerder), in welchem dieſer die Frage anregt, ob ſein Mandat fortdauere, nachdem er zum Mitglied des Reichsbank-Directoriums ernannt ſei, wird der Geſchäftsordnungs- commiſſion überwieſen. An Stelle des aus dem Amte geſchiedenen Schriftführers Dr. Bürklin wird auf Antrag des Abg. Dr. v. Marquardſen der Abg. Schneider (Hamm) durch Acclama- tion zum Schriſtführer gewählt. — In erſter Berathung wird die Ueberſicht über die Reichsausgaben und -Einnahmen für das Etatsjahr 1889/90 der Nechnungscommiſſion überwieſen. Es folgen Wahlprüfungen. Bezüglich der Wahl des Abg. v. Reden (im 9. hannoveriſchen Wahlbezirk) beantragt die Wahlprüfungscommiſſion die Gültigkeitserklärung, ſowie über ein- zelne Punkte des eingegangenen ſocialdemokratiſchen Wahlproteſtes die Erhebung von Ermittelungen. Abg. Rickert: Dieſe Wahl, welche die Commiſſion nur mit 7 gegen 5 Stimmen für gültig erklärt hat, gibt zu den erheblichſten Bedenken Anlaß. In dem Wahlproteſt des Arbeiterwahlcomités für den 9. hannoveriſchen Wahlkreis wird über folgende Dinge Beſchwerde geführt. Der Kriegerverein zu Aerzen, Kreis Hameln, hat bei Strafe des Ausſchluſſes beſchloſſen, für den Candidaten v. Reden zu ſtimmen. Ein ſolcher Beſchluß iſt abſolut geſetzwidrig. Der Kriegerverein zu Röſſing, Kreis Springe, hat über ſeine Mit- glieder durch künſtlich zuſammengefaltete Stimmzettel Controle geübt. Dieſe Punkte bedürfen der amtlichen Unterſuchung. Die Frage der Stellung der Kriegervereine zu den politiſchen Wahlen wird nicht eher zur Ruhe kommen, als bis dieſelben darauf ver- zichten, ſich in politiſche Wahlangelegenheiten einzumiſchen. Wir haben dagegen kein anderes Mittel, als das der amtlichen Unter- ſuchung. In Wallenſen, Kreis Hameln, ſoll das Wahlergebniß gefälſcht worden ſein, da 58 Wähler eidlich erhärten wollen, daß ſie für den ſocialdemokratiſchen Candidaten Bärer ge- ſtimmt haben, während nur 22 Stimmen für denſelben ge- zählt ſind. Ferner haben auch Arbeitgeber durch künſtlich gefaltete Wahlzettel die Stimmabgabe ihrer Arbeiter controlirt. Die Hauptbeſchwerde richtet ſich gegen den Wahlaufruf, welcher unter dem Titel „Ein letztes ernſtes Wort an alle Bergleute und Invaliden“ von dem Oberbergrath v. Detten erlaſſen iſt. Die Commiſſion hat die Ungehörigkeit dieſer amtlichen Wahlbeein- fluſſung erkannt, iſt indeß durch künſtliche Berechnung zu dem Ne- ſultat gekommen, daß ſelbſt nach Abzug der vorhandenen Anzahl von Bergleuten der gewählte Candidat immer noch die Majorität behält. Eine ſolche amtliche Wahlbeeinfluſſung muß aber viel weiter in Anrechnung gebracht werden. Vor allen Dingen müſſen wir die Thatſache amtlich feſtſtellen laſſen, und ich beantrage deß- halb, die Abſtimmung über die Gültigkeit der Wahl auszuſetzen, den Reichskanzler zu erſuchen, den Oberbergrath v. Detten amtlich darüber vernehmen zu laſſen, ob das erwähnte Flugblatt von ihm herrührt und in welcher Weiſe es verbreitet iſt, und ferner über verſchiedene von der Commiſſion nicht berückſichtigte Punkte des Proteſtes Erhebungen anſtellen zu laſſen. Abg. Auer (Soc.) ſchließt ſich dem Antrage Rickert an und beſchwert ſich ferner über ein von dem Landrathsamt zu Hamm erlaſſenes Verbok einer von einem Socialdemokraten einberufenen Wählerverſammlung, welches von dem Negierungspräſidenten von Hannover als geſetzlich gerechtſertigt erachtet worden ſei, ohne daß jedoch Gründe angegeben wären. Der Reichstag habe wiederholt entſchieden, daß die bloße Einberufung durch einen Socialdemo- kraten kein Anlaß zu einem Verbot ſei. Redner verliest ſodann das von dem Oberbergrath v. Detten erlaſſene Wahlflugblatt und meint, daß ſolch einer ſchrankenloſen amtlichen Wahlbeeinfluſſung gegenüber der Reichstag es den Wählern und ſich ſelbſt ſchuldig ſei, nicht ſo sans façon darüber hinwegzugehen. Ob dieſe Wahl- beeinfluſſung wirklich einen Einfluß auf das Wahlreſultat habe, ſei gleichgültig. Bei der Stellung eines Oberbergrathes könne von einer bloßen Abſchätzung der Zahlen nicht die Rede ſein. Die Controlirung der Arbeiter durch künſtlich gefaltete Stimmzettel be- einträchtige die Wahlfreiheit ſo, daß letztere für Hunderte von Wäh- lern keine Bedeutung mehr habe. Würde hier keine Unterſuchung angeſtellt, ſo würde das Vertrauen der Wähler, daß durch Wahl- proteſte noch etwas zu erreichen ſei, völlig erſchüttert. Abg. Baumbach-Altenburg (Reichspartei): Der größte Theil der Proteſte bezieht ſich auf den erſten Wahlgang, der ja doch an und für ſich nicht angefochten iſt. Die Angriffe gegen die Krieger- und Militärvereine, die bei Gelegenheit der Wahl- prüfungen ſchon ſo oft erhoben worden ſind, ſind in keiner Weiſe gerechtfertigt. Die Beſtrebungen derſelben gipfeln zunächſt in der Deviſe: „Mit Gott für Kaiſer und Reich, Fürſt und Valerkand,“ zum zweiten in der Pflege der Cameradſchaft und gegenſeitigen Unterſtützung. Politiſche und religiöſe Fragen dürfen innerhalb der Vereine nicht zum Zweck der Erörterungen gemacht werden. Ein Druck auf die Mitglieder bei politiſchen Abſtimmungen würde auch keine Garantie für die Durchführung bieten, da ja die Wahl geheim iſt. Im Sinne des obigen Wahlſpruchs zu wirken, iſt jeder Vorſtand ſolcher Vereine be- rechtigt und verpflichtet, und ich in meiner Stellung als General- inſpector von thüringiſchen Kriegervereinen werde jederzeit in den Verſammlungen beſtrebt ſein, öffentlich und frei in jenem Sinne zu wirken. Das halte ich für meine Pflicht als ehemaliger Soldat. (Beifall.) Keiner der Herren Freiſinnigen wird mir in den Statuten der Kriegervereine einen Para- graphen nennen können, welcher freiſinnige Parteigenoſſen ausſchließt. (Abg. Rickert: „Das fehlte auch noch!“) Wir nehmen Jeden auf, der nicht nur mit dem Munde, ſondern auch mit dem Herzen an unſern Beſtrebungen theilnimmt: Nationalliberale, Conſervative, Freiſinnige, Ultramontane, nur nicht die Socialdemokraten. Bei der großen Anzahl der Vereine iſt es allerdings möglich, daß hie und da abweichende Meinungen hervortreten. In keinem Falle aber darf man ein angebliches Princip der Vereine dafür verantwortlich machen. Vicepräſident Graf Balleſtrem erſucht den Redner, weniger die allgemeinen Tendenzen der Kriegervereine, als die Gültigkeit oder Ungültigkeit der vorliegenden Wahl zu behandeln, worauf Abg. Baumbach nur noch erklärt, für die Gültigkeit der Wahl des Abg. v. Reden ſtimmen zu wollen. Abg. Mehnert (conſ.): Es würde das Reſultat der Wahl dasſelbe geblieben ſein, auch wenn die Anzahl von Stimmen, um die es ſich hier zunächſt handelt, nicht für den Abg. v. Reden ab- gegeben worden wäre. Das vom Abg. Auer verleſene Flugblatt wäre durchaus nichts Ungewöhuliches, wenn der Verfaſſer nicht zu ſeinen Untergebenen darin geſprochen hätte. Von den Unterſchriften der 58 Wähler, welche in Wallenſen für Bärer geſtimmt haben wollen, ſind 14 von verſelben Hand geſchrieben, ein Umſtand, der uns ſchon in der Commiſſion zu denken gegeben hat. Der Abg. Nickert hat keine Veranlaſſung, ſich gegen die Agitation in Krieger- vereinen zu wenden. Ich könnte ihm einen Fall nennen, wo gerade durch eine ſolche Agitation ein freiſinniger Abgeordneter gewählt worden iſt. Jeder gediente Soldat aber hat ebenſo wie jeder andere Bürger das Recht, ſich von denen zu trennen, die ihre Pflicht gegen König und Vaterland hintanſetzen, den Fahneneid leichtſinnig gebrochen haben. Abg. v. Strombeck hält einige Punkte in dem Proteft noch nicht für aufgeklärt und will deßhalb dem Antrage Rickert nicht widerſprechen. Die 14 Unterſchriften von einer Hand könnten ſehr wohl autoriſirt ſein. Abg. Rickert: Gegen das mechaniſche Zuſammenzählen von Stimmen, die das Wahlreſultat nicht beeinflußt haben würden, iſt früher hier immer proteſtirt worden. Man hat keinen Ueber- blick über die Anzahl der Stimmen, die in Folge der Beeinfluſſung überhaupt nicht abgegeben worden ſind. Wenn irgendwo ein Kriegerverein für die Wahl eines freiſinnigen Candidaten in Thätigkeit geſetzt worden iſt, würde ich das entſchieden mißbilligen, der Abg. Mehnett hat aber keine genaue Angabe über einen ſolchen Fall gemacht. Ein Vorſitzender eines Kriegervereines über- ſchreitet aber ſeine Competenzen, wenn er ſeine Stellung dazu benutzt, in ſeinem Sinne zu agitiren. Wegen ihrer ſonſtigen Be- ſtrebungen hat noch Niemand die Kriegervereine getadelt; ſie haben aber keinerlei Wahlagitation zu treiben, auch nicht gegen Social- demokraten. Abg. Auer: Wenn Sie (rechts) es ſo ſcharf betonen, daß die Socialdemokraten in den Kriegervereinen nichts zu thun haben, dann ziehen Sie wenigſtens die Conſequenzen Ihres Standpunktes und weiſen die Socialdemokraten auch aus den Caſernen heraus. (Sehr richtig! bei den Socialdemokraten.) Es gibt deren nicht wenige, und dieſe würden Ihnen dafür ſehr dankbar ſein. Wir haben aber ein Recht, dagegen zu proteſtiren, daß man die Social- demokraten erſt jahrelang Beiträge zahlen läßt und ſie dann, weil ſie anderer politiſcher Meinung ſind, aus den Kriegervereinen herauswirft. Wir wollen dem Vaterlande genau dieſelben Pflichten erfüllen, und es iſt ein Unrecht von dem Abg. Mehnert, zu ſagen: wir gedienten Soldaten haben ein Recht, uns zu trennen von den Menſchen, welche pflichtvergeſſen ihr Wort gegen König und Vater- land gebrochen haben. Ja, wo iſt dieſes Wort gebrochen, Hr. Mehnert? Wer von uns hat ſeine Pflichten gegen das Vaterland nicht erfüllt? (Zuruſe rechts.) Nun dann heraus damit! Bringen Sie Beweiſe! Hr. Mehnert aber hat im Cartell mit denſelben Nationalliberalen zuſammengeſeſſen, die 1866 ihr ſächſiſches Vater- land verrathen haben. (Unrnhe.) In unſren Neihen gibt es ſolche Leute nicht, wohl aber mit wenigen Ausnahmen in den andern Parteien, und wie man da uns gegenüber von einem Wortbruch reden kann, das iſt einfach ... nun, ich wollte ſagen unanſtändig ... Präſident v. Levetzow: Ich müßte dieſen Ausdruck dem Ab- geordneten verweiſen. Abg. Auer (fortfahrend): Wir haben aus unſerer Stellung als Republicaner nie ein Hehl gemacht. (Hört, hört! rechts.) Das iſt unſer politiſches Recht, unſer theoretiſcher Standpunkt, aber daß wir im Deutſchen Reich irgend etwas gethan hätten, was ge- eignet wäre, die Mehnert’ſche Beſchuldigung zu rechtſertigen, beſtreite ich auf das allerentſchiedenſte. Bei anderen Parteien mag es ja recht profitabel ſein, regierungstreu und vaterlandswüthig zu ſein, bei uns iſt niemals ein Profit dabei herausgekommen. Hr. Mehnert hat das Geheimniß ausgeplaudert, wie er eigentlich über die Wahlfreiheit dentt. Er ſagte, Hr. v. Detten wäre nur un- vorſichtig geweſen und hätte in ſeiner Eigenſchaft als Oberbergrath die Beeinfluſſung ausgeübt, er hätte alſo den Oberbergrath zu Hauſe laſſen müſſen. (Zuruf bei den Socialdemokraten.) Es wird mir geſagt, daß er dann ein Heuchler geweſen wäre. Ich freue mich, daß Hr. v. Detten wenigſtens den Muth hatte, offen und ehrlich hervorzutreten, und nicht die feine Unterſcheidung gewählt hat, die er nach Hrn. Mehnert hätte wählen ſollen. Abg. Mehnert: Der Abg. Auer hat meine Worte ſo miß- deutet, als hätte ich geſagt, die Kriegervereine hielten die Social- demokraten deßhalb fern, weil ſie vaterlandsvergeſſen wären. Ich habe nur geſagt: man kann es den Kriegervereinen für ihre Mit- glieder nicht verargen, wenn ſie diejenigen, die leichtſinnigen Herzens den Fahneneid vergeſſen und ihre dem König gelobte Treue mißachten, künftig in ihrer Mitte nicht dulden wollen. Aus Ihrer (zu den Socialdemokraten) Mitte iſt doch das Wort ge- fallen: Krieg den Paläſten! (Unruhe links), und der Abg. Auer hat ſelbſt geſagt: daß wir Republicaner ſind, beſtreiten wir nicht. Die Treue wird dem König nicht mehr bewahrt, wenn Sie auf Ihre Fahne die Republik ſchreiben. Deßhalb wollen wir nicht, daß derartige Elemente, welche die Treue dem König gebrochen haben, in den Kriegervereinen bleiben. (Beifall rechts.) Der Antrag Rickert wird in allen ſeinen Theilen angenom- men; dafür ſtimmt auch der größere Theil des Centrums. Damit iſt der Commiſſionsantrag beſeitigt. Die Wahl des Abg. v. Henk (im 2. Stettiner Wahlkreis) beantragt die Commiſſion für güllig zu erklären. Berichterſtatter iſt der Abg. Dohrn. Derſelbe iſt nicht anweſend; der Vorſitzende der Commiſſion, Abg. Schmieder, hat ſich bereit erklärt, das Reſerat zu übernehmen. Abg. Rickert bittet, mit Rückſicht auf die Abweſenheit des Reſerenten, den Gegenſtand von der Tages- ordnung abzuſetzen, um ſo mehr, als der Abg. Schmieder in der Commiſſion zur Minorität gehört und gar nicht in der Lage iſt, die Majorität zu vertreten. (Unruhe rechts.) Abg. Hahn (conſ.): Ich möchte doch den Grundſatz nicht aufkommen laſſen, daß eine Commiſſion in der Ernennung ihres Referenten beſchränkt ſein ſollte. Die Commiſſion hat oft ſchon Bertreter der Minorität ernannt und das Reſerat iſt unparteiiſch und ſachlich geführt worden. Wenn der Vorſitzende der Commiſſion es über- nommen hat, die Anſichten der Commiſſion zu vertreten, ſo wäre es ein Mißtrauensvotum, wenn das Haus ihn nicht aunehmen wollte. Ich wundere mich über das Mißtrauen des Abg. Rickert gegen ein Mitglied ſeiner Fraction. Abg. Rickert: Der Vorredner kann doch ſelbſt nicht ernſtlich glauben (lebhafter Widerſpruch rechts) — Sie wiſſen ja noch gar nicht, was ich ſagen will (Heiterkeit) — daß ich meinem Freunde Schmie- der hier öffentlich ein Mißtranensvotum habe geben wollen. Ich will aber ein ſo hervorragendes Mitglied der Commiſſion in unſern Reihen kämpſen ſehen. Warum ſoll er gegen ſeine Ueberzeugung die Majorität vertreten? Die Commiſſion hat auch Hrn. Schmieder gar nicht zum Referenten beſtellt. Abg. Windthorſt iſt der Meinung, daß bei einem Wider- ſpruch des Hauſes ein Referent, der ſich ſelbſt ſubſtituirt, nicht zu- gelaſſen werden kann. Abg. Hahn: Der Abg. Rickert ſcheint zu meinen, daß bei Beurtheilung der Wahlen bier im Reichstage Partei gegen Partei kämpft. Es liegen zahlreiche Fälle vor, wo im Falle der Verhinderung des Referenten der Vorſitzende referirt hat. Er iſt dazu beſonders befähigt, uns die Anſichten der Commiſſion mitzu- theilen; ein Verfahren nach dem Vorſchlage des Abg. Rickert würde unſre Geſchäfte nicht fördern. Abg. Schmieder erklärt, mit Rückſicht auf dieſe Präcedenz- fälle das Referat übernommen zu haben. Präſident v. Levetzow: Bisher iſt gegen dieſes Verfahren nie Widerſpruch erhoben worden. Abg. Rickert: Ich kenne dieſe Praxis auch; ein ſolcher Widerſpruch liegt aber heute vor. Wir können verlangen, daß der Referent eintritt, den die Commiſſion beſtellt hat. Ich wider- ſpreche dem nichtgeſchäftsordnungsmäßigen Verfahren. Es ſteht dem Hauſe frei, die bisherige Praxis beizubehalten oder zu ver- laſſen; gegen die Unterſtellung des Hrn. Hahn proteſtire ich. Es handelt ſich nicht um Partei gegen Partei, ſondern um Anſicht gegen Anſicht, um Minorität gegen Majorität. Abg. Windthorſt: Die Stellvertretung des Referenten iſt, wenn widerſprochen wird, nicht zuläſſig, denn der Referent wird von der Commiſſion gewählt. Abg. Hahn: Auch der von der Commiſſion beſtellte Be- richterſtatter Abg. Dohrn war, wie ich höre, in der Minderheit; Abg. Schmieder beſindet ſich alſo genau in derſelben Lage. (Bei- fall rechts.) Präſident v. Levetzow: Es gibt keine Beſtimmung in der Geſchäftsordnung, welche verböte, in einer Sache zu verhandeln, in welcher der Referent, der den ſchriftlichen Bericht gemacht hat, nicht im Hauſe iſt. Abg. Windthorſt: Mit der Erſtattung des ſchriftlichen Ve- richts hört die Thätigkeit des Referenten nicht auf, er behält auch im Hauſe weſentlichen Einfluß auf den Gang der Verhandlung. Wir müſſen Werth darauf legen, daß der von der Commiſſion gewählte Berichterſtatter die Sache vertritt. Abg. Richter: In der Commiſſion kann jedes Mitglied gegen die Wahl eines Berichterſtatters ſeine Bedenken geltend machen: dieſe Möglichkeit iſt hier entzogen. Die Verichterſtattung iſt im Wege privater Ceſſion übertragen worden; das kann nur zuläſſig ſein, wenn Niemand widerſpricht. Die Präcedenzfälle be- ziehen ſich nur auf Wahlen, die weiter nicht beſtritten waren und wo die Berichterſtattung nur eine formelle Erledigung bezweckte. Abg. Schmieder hält es nach dieſem Widerſpruch nicht für angezeigt, das Referat zu übernehmen, und zieht die angebotene Stellvertretung zurück. Der Gegenſtand wird darauf von der Tagesordnung abgeſetzt. Die Wahl des Abg. Schütte (im 3. braunſchweig. Wahl- kreiſe) wird für gültig erklärt. Es folgt die Berichterſtattung über die Wahl des Abg. Frhrn. v. Münch (im 8. württemberg. Wablkreiſe). Abg. Frhr. v. Münch: So viel Illuſionen der Empfang bei meinem erſten Auſtreten hier im Reichstage mir zerſtörte, den unerſchütterlichen Willen, für das Recht des armen Mannes und des arbeitenden Volkes einzutreten, hat er mir nicht zerſtört. Die- ſer mein Entſchluß iſt unerſchütterlich geblieben und meine Wähler werden es mir nicht verargen, wenn ich das Wort in eigener Sache ergreife. Ich hoffe, daß nach dieſer Bemerkung Sie keine Verletzung des Herkommens des Hauſes darin ſinden werden, wenn ich vor Ihnen meine Vertheidigung führe. Der Proteſt behauptet, ich hätte, um die jüdiſchen Stimmen in Mühringen zu gewinnen, der dortigen Synagoge zwei ſilberne Leuchter geſchenkt. Die Leuch- ter, die nicht 1060, ſondern 1016 Mark koſten, habe ich im Auguſt verſprochen und im October gegeben. Im Januar habe ich noch nicht daran gedacht, in meinem Wahl- kreiſe zu candidiren. Die Schenkung erfolgte übrigens, weil ich vorher den Hochaltar in der katholiſchen Kirche des Ortes geſtiftet hatte. Ebenſo hinfällig iſt der Punkt des Proteſtes, daß ich Geldgaben an Bettler vertheilt hätte, um Stimmen zu gewinnen. Die unglücklichſte Gattung unfrer Mit- bürger iſt bekanntlich von dem Wahlrecht ausgeſchloſſen. Was die Spendung von Freibier bei meiner Wahl betriſſt, ſo iſt vor meiner Wahl kein Freibier verſprochen worden, nach der Wahl iſt Freibier gegeben worden, aber nur zu dem vierten Theil des Betrages, der von den Proteſterhebern behauptet wird. Ich lege Werth darauf, zu betonen, daß thatſächlich dieſe Anführung der Proteſterheber ſich als falſch erwieſen hat. Die Commiſſion iſt in ihrem Antrage aber nicht weit genug gegangen; es müßten die Erhebungen viel weiter ausgedehut werden. Nur ein einziger Fall iſt genannt worden, in welchem von einem Beamten für den Fall meiner Wahl Freibier verſprochen worden ſein ſoll. Die Agitation gegen mich iſt ſo weit gegangen, daß ein Ab- geordneter, der die württembergiſche Kammer ziert, gymnaſtiſche Exercitien zu meinem Nachtheil an mir vorzunehmen in Ausſicht ſtellte. Der eine Fall, in welchem Freibier verſprochen worden iſt, hat auf das Reſultat meiner Wahl keinen Einſluß, denn ſelbſt nach Abzug der an dem betreffenden Ort für mich abgegebenen Stimmen habe ich noch die Majorität. Aus dem Treiben jenes Oekonomen, der für meine Wahl agitirte, von dem ich aber nicht im beſten Einvernehmen geſchieden bin, können Sie keine Veranlaſſung nehmen, meine Wahl für ungültig zu erklären. Ich habe nur ein einziges Wahlcomité gehabt und deſſen Mitglieder ausdrücklich gebeten, von allen Berſprechungen von Spenden Abſtand zu nehmen. Ich habe meinen Wählern ein aus- geſprochenes Programm vorgelegt und hoffte, für meine Beſtre- bungen zu Gunſten des armen Mannes Anklang zu finden. Ich möchte nun den Antrag ſtellen, den Commiſſionsantrag dahin aus- zudehnen, daß die Proteſterheber den Beweis der Wahrheit für ihre Behauptungen zeugeneidlich antreten. Ich habe meine früheren Parteigenoſſen gebeten, einen ſolchen Antrag zu unterſchreiben. Rachdem dies abgelehnt worden iſt, bitte ich einen der Herren aus dem Hauſe, dieſen Antrag einbringen zu wollen. Präſident v. Levetzow: Ich verſtehe den Redner ſo, daß er den Antrag ſtellt. Abg. Frhr. v. Münch: Der Hr. zweite Vicepräſident ſagte mir, daß es nicht zuläſſig ſei, ſelbſt einen ſolchen Antrag zu unter- ſchreiben. Abg. Baumbach: Das iſt ein Mißverſtändniß. Ich habe Hrn. v. Münch nur geſagt, daß es nicht üblich ſei, in eigener Sache einen Antrag zu ſtellen. Der Antrag v. Münch wird genügend unterſtützt. Darauf wird der Commiſſionsantrag angenommen, der Antrag v. Münch dagegen abgelehnt. Schluß gegen 4 Uhr. Nächſte Sitzung Donnerſtag, 2 Uhr; Tagesordnung: Vorlage, betreffend Helgoland, Abänderung des Patentgeſetzes und des Muſterſchutzgeſetzes. □ Würzburg, 2. Dec. Nach der amtlichen Feſtſtellung ſind bis heute an hieſiger Hochſchule insgeſammt 1518 Studirende immatriculirt (641 Bayern und 877 Nichtbayern). Nach den Facultäten ſcheiden ſich dieſe in: Theologen 148, Juriſten und Cameraliſten 303, Mediciner und Odontologen 884, Pharma- ceuten 56, Philoſophen, Philologen, Mathematiker und Chemiker 127. Im vorigen Sommerſemeſter betrug die Frequenz 1640, im Winterſemeſter um die gleiche Zeit 1610, und zwar Theologen 137, Juriſten 322, Mediciner 942, Pharmaceuten 56 und Philo- ſophen, Philologen ꝛc. 153. Zu der diesmaligen etwas niedrigeren Frequenzziffer muß bemerkt werden, daß von den 300 im Staats- examen beſindlichen Medicinern nur 150 immatriculirt ſind.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-03-29T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 336, 4. Dezember 1890, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine336_1890/5>, abgerufen am 06.06.2024.