Allgemeine Zeitung. Nr. 334. München, 2. Dezember 1890.
Verschiedenes. # Vom Rhein, 28. Nov. In den letzten Tagen besuchte [] Halle, 28. Nov. Die Saale ist über die Ufer getreten. [𝜆.] Aus Thüringen, Ende Nov. Immer noch häufen sich [] Dresden, 30. Nov. Die Schlußabrechnung für die ** Meran, 28. Nov. Entgegen bisherigen Nachrichten ist
Verſchiedenes. # Vom Rhein, 28. Nov. In den letzten Tagen beſuchte [] Halle, 28. Nov. Die Saale iſt über die Ufer getreten. [𝜆.] Aus Thüringen, Ende Nov. Immer noch häufen ſich [] Dresden, 30. Nov. Die Schlußabrechnung für die ** Meran, 28. Nov. Entgegen bisherigen Nachrichten iſt <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p> <cit> <quote><pb facs="#f0006" n="6"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">München, Dienſtag Allgemeine Zeitung</hi> 2. December 1890. Zweites Morgenblatt Nr. 334.</fw><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><cb/> Stadium erkennen läßt; denn wenn erſt die Thiere huſten und<lb/> auswerfen, dann iſt gewöhnlich ſchon die Möglichkeit gegeben,<lb/> daß ſie erheblichen Schaden anrichten können. (Sehr richtig!)<lb/> Welche Schritte, fragt nun der Interpellant, ſind zur Förderung<lb/> und weiteren Nutzbarmachung des Koch’ſchen Heilverfahrens in<lb/> Ausſicht genommen? Die Antwort liegt ſchon in meinem bisherigen<lb/> auf das Thatſächliche gerichteten Vortrage. Wir müſſen zweier-<lb/> lei unterſcheiden: 1. das Mittel gegen Tuberculoſe und<lb/> 2. diejenigen Einrichtungen, welche für andere Inſec-<lb/> tionskrankheiten nach dem urſprünglichen von mir vorgetragenen<lb/> Koch’ſchen Plane nöthig werden. Es fragt ſich: wem gehört nun<lb/> eigentlich das Mittel, wer iſt der geiſtige Eigenthümer? Es iſt für<lb/> mich keinen Augenblick zweifelhaſt geweſen, daß der geiſtige Eigen-<lb/> thümer Profeſſor Robert Koch iſt. (Zuſtimmung auf allen Seiten<lb/> des Hauſes.) Wir haben es niemals meines Wiſſens in der<lb/> preußiſchen Unterrichtsverwaltung für möglich gehalten, daß, wenn<lb/> ein Lehrer durch ſeine eigene Forſcherthätigkeit ein Mittel erfunden,<lb/> ſei es auf dem Gebiete der Anilinfarben oder der ätheriſchen Oele<lb/> oder ſonſt auf einem Gebiete, daß wir das als ein Eigenthum<lb/> des Fiscus haben in Anſpruch nehmen können. Aus dieſem Vorder-<lb/> ſatz ergibt ſich naturgemäß eine ganze Reihe von Conſequenzen, zu-<lb/> nächſt die, daß eine amtliche, autoritative Einwirkung auf die Be-<lb/> reitung des Mittels mir nicht gebührte, ſondern mir weſentlich<lb/> dasjenige Vertrauensverhältniß, in dem ich, wie ich mit Dank an-<lb/> erkenne, alle Zeit zu Prof. Koch geſtanden habe, mehr und mehr<lb/> in Bezug auf die Rechtsfrage auszudehnen oblag. Wir haben ſehr<lb/> bald erkannt, wie trotz der kühlen Forſcherthätigkeit Kochs der An-<lb/> drang und die Verwilderung eine ſo große ſein müßte, daß ein<lb/> öffentlicher Mißſtand eintreten würde. Wir verſtändigten uns nun<lb/> dahin, daß er zunächſt das Mittel abgeben möchte an inländiſche<lb/> Kliniken und Anſtalten, in welchen Schwindfüchtige nach wiſſen-<lb/> ſchaftlichen Grundſätzen behandelt werden, dann aber auch an aus-<lb/> ländiſche gleichartige Anſtalten und nebenbei an ſolche Aerzte, in<lb/> deren Wiſſenſchaftlichkeit Koch perſönliches Vertrauen ſetzen konnte.<lb/> Der eine Grundſatz iſt nun ſehr bald durchbrochen worden. Selbſt Koch<lb/> hat Nerven, und er iſt in einer Weiſe Angriffen ausgeſetzt, welche ihn<lb/> eigentlich hätten berechtigen können, den Schutz der Polizei in Anſpruch<lb/> zu nehmen. (Heiterkeit.) Ich könnte Ihnen erzählen von dem An-<lb/> drange, von Beſtechungen ſelbſt gegen untere Beamte der Klinik.<lb/> Es iſt demüthigend, ſolche Sachen ſich erzählen laſſen zu müſſen.<lb/> Darüber hinaus hat Koch ſofort das Mittel an diejenigen An-<lb/> ſtalten abgegeben, in denen im In- und Auslande Lungenkranke<lb/> in größerer Zahl behandelt werden, um den drohenden Andrang<lb/> der Tuberkelkranken von Berlin fernzuhalten. Sehr bald haben<lb/> Görbersdorf, Königſtein, Davos, Bozen und andere Orte das<lb/> Mittel erhalten. Es drohte die ganze Riviera hierher zu kommen,<lb/> wenn das Mittel nicht hingeſchickt würde. (Große Heiterkeit.)<lb/> Das Auswärtige Amt hat mich dabei mit aller Liberalität unter-<lb/> ſtützt. Alle Anmeldungen ſind an <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Libbertz geſandt worden.<lb/> Dann habe ich es für meine Pflicht gehalten, dafür zu ſorgen,<lb/> daß hier in unſern königlichen Kliniken das Mittel wiſſenſchaftlich<lb/> in einer planmäßigen Weiſe angewendet und durch Demonſtrationen<lb/> zum wiſſenſchaftlichen Gemeingut der Welt gemacht werde. In<lb/> der königlich chirurgiſchen Klinik ſind heute bereits über<lb/> 70 Tuberkelkranke und Hr. v. Bergmann hat die Abſicht, dieſe<lb/> Zahl auf 100 zu erhöhen, um auf dem Gebiet der chirurgiſchen<lb/> Tuberculoſe zu möglichſt abſchließenden Anſchauungen zu kommen.<lb/> Man hat ſich nun — bekanntlich iſt nichts ſo edel und ſo rein,<lb/> daß es nicht verdächtigt werden könnte — nicht geſcheut, die<lb/> Frage aufzuwerfen, ob hierbei nicht ein Unterſchied zwiſchen Armen<lb/> und Reichen gemacht werde? Ich kann verſichern, daß in den<lb/> königlichen Kliniken die Armen den Vorzug haben. (Beifall.)<lb/> v. Bergmann hat alle Freibetten, die irgendwie etatsmäßig zu<lb/> haben waren, auf Tuberkelkranke concentrirt und die Preiſe gehen<lb/> bis höchſtens 5,50 M. pro Tag. So iſt es auch in allen übrigen<lb/> königlichen Kliniken. In der Gerhard’ſchen Klinik ſind alles Leute<lb/> aus dem Arbeiter- und Handwerkerſtand. (Allſeitiger Beifall.)<lb/> In der hieſigen Klinik werden, wie erwähnt, täglich De-<lb/> monſtrationen vorgenommen, heute wird in engliſcher Sprache<lb/> vorgetragen und vorgeſtern iſt in franzöſiſcher Sprache vor-<lb/> getragen worden. Wir laufen dabei wirklich beinahe Ge-<lb/> fahr, daß unſre Kräfte kaum noch ausreichen. Für die<lb/> inneren Kliniken habe ich ganz beſondere Mittel zur<lb/> Verfügung ſtellen müſſen, weil das vorhandene Material an Men-<lb/> ſchen überhaupt nicht mehr ausreichte. Die Koch’ſche Lymphe wird<lb/> erzeugt unter Zuziehung des <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Libbertz und des <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Pfuhl. Von<lb/> dieſen beſchäftigt ſich nur <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Libbertz mit der ärztlichen Praxis.<lb/><hi rendition="#aq">Dr.</hi> Pfuhl ſind unerhörte Anerbietungen gemacht worden, er hat<lb/> aber ſeine Kraft zunächſt der chirurgiſchen Klinik gewidmet. Ich<lb/> erwähne hiebei in Bezug auf die Finanzfrage, daß fünf Kubikcenti-<lb/> meter für 25 Mark abgegeben werden. Dieſes Fläſchchen enthält<lb/> 500 Einſpritzungen für die größte Doſis. In den meiſten Fällen<lb/> wird aber nur 1 Milligramm verabfolgt. Solcher Einſpritzungen<lb/> enthält das Fläſchchen 5000 und jede koſtet 0,5 Pfennig. (Heiter-<lb/> keit.) Sie erſehen daraus, daß bereits eine Ziffer erreicht worden<lb/> iſt, welche überhaupt mit dem Geldwerth nicht mehr auszudrücken<lb/> iſt. Gewiſſen Angriffen gegenüber hin ich verpflichtet, darauf hin-<lb/> zuweiſen, daß <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Cornet mich gebeten hat, mitzutheilen, daß er<lb/> niemals annähernd ſolche Preiſe verlangt oder erhalten hat, wie ſie<lb/> durch die Zeitungen veröffentlicht wurden. Für die erſte ärztliche<lb/> Conſultation, wo er die ſchwierigſten Organe unterſucht, bean-<lb/> ſprucht er bisher 10—30 M. und bei einer folgenden Behandlung,<lb/> d. h. außerhalb der Klinik, wobei aber die Aſſiſtenten zum Theil<lb/> mitwirken müſſen, 10—20 M. Dieſe Summen ſind an und für<lb/> ſich ſo gering, daß er ſich berechtigt glaubt, ſie eventuell auch etwas<lb/> zu erhöhen, aber, und ich kann verſichern, daß er mir das ſchon<lb/> in einem früheren Zeitpunkt geſagt hat, er hält ſich verpflichtet,<lb/> den Ueberſchuß, welcher ihm aus der Behandlung der Reichen er-<lb/> wächst, den Armen zukommen zu laſſen. Ich habe ihn in dieſer<lb/> Auſfaſſung beſtärkt. Ich halte es für die Aufgabe jedes tüch-<lb/> tigen Arztes, daß er von den Reichen etwas mehr nimmt, als noth-<lb/> wendig iſt, es aber wieder im Intereſſe der Menſchheit verwendet.<lb/> (Beifall.) <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Cornet behandelt täglich 50—60 Arme unentgelt-<lb/> lich und fordert ſelbſt nicht einmal Erſatz für die Cinſpritzung, für<lb/> die Inſtrumente, die ſehr zerbrechlich ſind u. ſ. w. (Lebhafter<lb/> Beifall.) Ich möchte dieſes ſchöne Bild nicht gern trüben laſſen<lb/> durch die ſehr unbequemen Erörterungen, wie ſie durch die Zeitungen<lb/> gehen. Der zweite Punkt, welcher der allerſchwierigſte iſt, mit dem<lb/> wir uns zu beſchäftigen haben, iſt die Anſtalt zur Erzeugung und<lb/> Verbreitung des Mittels. Die Schwierigkeit liegt heute ausſchließ-<lb/> lich darin, daß es noch keine Methode gibt, welche zur Herſtellung<lb/> des Mittels im großen geeignet iſt. Man braucht nämlich 6 Wochen<lb/> zu ſeiner Herſtellung: <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Libbertz erzeugt und <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Pfuhl prüft<lb/> dasſelbe. Es iſt gar keine Garantie gegeben durch einfache Her-<lb/> ſtellung ohne weiteres, daß das Mittel wirkſam ſei. Es wird<lb/> kein Mittel abgegeben, welches nicht in einer durch Koch<lb/> feſtgeſtellten Weiſe an Thieren erprobt worden iſt. Es wer-<lb/> den mindeſtens drei Thierverſuche gemacht, und wenn die<lb/> Reactionen nicht genau ſo eintreten, wie ſie durch die bis-<lb/> herige wiſſenſchaftliche Forſchung feſtgeſtellt ſind, ſo wird das<lb/> Mittel verworfen. Koch, der mich in Alles eingeweiht, hat mir erklärt,<lb/> daß es ihm unmöglich iſt, das Mittel aus ſeinen Händen gehen<lb/> zu laſſen, ohne daß er perſönlich eine Controle hat eintreten<lb/><cb/> laſſen. Darin liegt eine ungeheure Schwierigkeit, und die andere<lb/> liegt im Vertriebe. Ich kann Ihnen nun nach den vielen Ver-<lb/> handlungen, die ich dieſerhalb mit Koch gehabt habe, zu meiner<lb/> Freude ſagen, daß ich geſtern mit ihm auf eine Baſis getreten<lb/> bin, welche zu einer Verſtaatlichung des Mittels führt. (Allſeitiger<lb/> Beifall.) Wir werden nicht ruhen und nicht raſten, bis<lb/> der Staat das Mittel in die Hand bekommt. Selbſt wenn<lb/> es nicht gelingt, ſo raſch die Quantität zu vermehren, als durch-<lb/> aus nothwendig iſt, ſo wird, glaube ich, in der geſammten<lb/> Welt ein Beruhigung eintreten, daß der preußiſche Staat ſeine<lb/> Firma unter die Sache ſetzt. (Allſeitiger Beifall.) Gleich nach<lb/> Schluß der Sitzung werden die weiteren Verhandlungen beginnen,<lb/> und ich zweifle nicht, daß der Hr. Finanzminiſter in ſeiner Güte<lb/> mir auch zur Seite ſtehen wird, ein Proviſorium auf das andere<lb/> zu häufen, bis wir die Sache für abgeſchloſſen betrachten können.<lb/> Die Sache iſt nicht ſo einfach. In der Fabrication würde ein<lb/> Unterſchied nicht eintreten, wohl aber im Vertriebe; es müßte ein<lb/> adminiſtratives Organ geſchaffen werden, welches den Vertrieb<lb/> und die Vertheilung des Mittels beforgt. Für dieſes müſſen<lb/> naturgemäß Directiven von der Centralſtelle gegeben werden.<lb/> Das Organ ſelbſt wird ſich ja wohl im Laufe der Zeit umge-<lb/> ſtalten, aber es muß Sicherheit dem Publicum und der ganzen<lb/> Menſchheit gegeben werden, daß hier eine Behörde iſt, welche ab-<lb/> ſolut mit finanziellen und anderen naheliegenden Erwägungen nicht<lb/> in Verbindung gebracht werden kann. (Lebhaſte Zuſtimmung.)<lb/> In Zukunft würde die Sache ſich vielleicht ſo geſtalten, daß wir,<lb/> wenn wir etwas im Zuge ſind, einige Kräfte hinzunehmen, welche<lb/> gewiſſermaßen es auch lernen; dann wird die Zeit kommen, wie<lb/> ich nicht zweifle, daß Koch an der Hand ſeiner weiteren Unter-<lb/> ſuchungen neue Mittel für verwandte Gebiete in die Anſtalt<lb/> überſühren und daß, ſobald in ſeiner Experimentiranſtalt dieſes<lb/> Mittel wiſſenſchaftlich durchgeprüft iſt, es zur Fabrication herüber-<lb/> gegeben wird. Dann würden natürlich auch die Vertreter der<lb/> Culturvölker des Erdkreiſes das Mittel in die Hände bekommen<lb/> können. Der Vertrieb nach unten geſtaltet ſich nach den Koch’ſchen<lb/> Ideen auch hier im Intereſſe der Menſchheit. Er wünſcht drin-<lb/> gend, daß dieſes Mittel decentraliſirt, aber angeſchloſſen wird an<lb/> die beſtehenden großen Anſtalten, und daß in dieſen Anſtalten<lb/> eine Abtheilung errichtet wird, in der die große hygieniſche Auf-<lb/> gabe erfüllt wird, die er ſich geſtellt. An dieſe Abtheilungen ſollen<lb/> ſich möglichſt die Polikliniken anſchließen, und die Aerzte, welche<lb/> in ambulatoriſcher Praxis ihre Kranken behandeln, und es muß<lb/> unter allen Umſtänden dafür geſorgt werden, daß ſich in<lb/> den Centren Anſtalten befinden, welche koſtenfrei die Armen auf-<lb/> nehmen. Es iſt von mir bereits ſeit Wochen erkannt worden, daß<lb/> dieſer Art von wildem Aufthun von Privatkliniken ein Ziel geſetzt<lb/> werden muß. Wir haben bereits poſitive Andeutung dafür, daß<lb/> Gefahren für diejenigen Gebäude, in denen ſich ſolche wilden<lb/> Tuberkelkliniken befinden, eintreten. Wir haben ſehr gute derartige<lb/> Privatkliniken; ich will ſie nicht nennen, damit es nicht ſcheint,<lb/> als wolle ich für ſie Reclame machen. Es hat gar kein Bedenken,<lb/> ein beſonderes Haus für ſolche Anſtalten einzurichten, doch läßt<lb/> ſich ein R<hi rendition="#aq">é</hi>gime einführen, welches die Gefahr ausſchließt. Es ſind<lb/> Beſchwerden von den verſchiedenſten Seiten eingetroffen, welche<lb/> aufmerkſam machen auf die Gefahr, wenn die Gefäße gereinigt<lb/> werden, und wie es auf den Treppen zugeht. Da muß ich ſagen,<lb/> in einem ſolchen Hauſe möchte man nicht wohnen. Das Polizei-<lb/> Präſidium wird von mir die Ermächtigung erhalten, nach der Rich-<lb/> tung hin diejenigen Gefahren von der Einwohnerſchaft abzuwenden,<lb/> denen ſie meines Erachtens ausgeſetzt ſind. (Beifall.) Nun fragt<lb/> es ſich, wie iſt es mit einem Inſtitut der Infectionskrankheiten zu<lb/> halten iſt? Wie ſchon angedeutet, iſt eine Probe angeſtellt worden,<lb/> welche zwei Anſtalten enthält, eine Krankenanſtalt und eine wiſſen-<lb/> ſchaftliche Abtheilung. Dieſe Krankenanſtalt ſoll diejenigen ver-<lb/> ſchiedenen Infectionskrankheiten enthält, welche Profeſſor Koch<lb/> bei ſeinen Arbeiten braucht, und in ſeinem wiſſenſchaftlichen In-<lb/> ſtitute will er die Möglichkeit haben, alle von ihm vorgeſehenen<lb/> Fälle zu prüfen. Wir wollen eine ſolche Krankenanſtalt er-<lb/> richten auf dem Gebiet der Charit<hi rendition="#aq">é</hi>, zwiſchen der Stadtbahn und<lb/> der ſogenannten neuen Charit<hi rendition="#aq">é</hi>. Es ſollen hier kleine Wohn-<lb/> gebäude zur Aufnahme von Kranken, zur Abgabe von Eßwaaren<lb/> und ein kleines Auditorium für einige 50 Perſonen errichtet<lb/> werden. Daran ſchließen ſich auf beiden Seiten zwei große und<lb/> zwei kleine Baracken, auf der einen Seite für Frauen und auf der<lb/> anderen für Männer. Außerdem ſollen Wohnbaracken errichtet<lb/> werden für Wärter, Wärterinnen u. ſ. w. Dieſe Baracken werden<lb/> nun gebaut ganz nach Koch’ſchem Wunſch. Dieſer Wunſch war<lb/> früher ſo beſcheiden, daß die Techniker ihn gebeten haben, davon<lb/> abzuſehen. Die Baracken werden nach neuem Syſtem mit Gyps-<lb/> dielen hergeſtellt und mit einer Ventilation nach Koch’ſchem Syſtem.<lb/> Die wiſſenſchaftliche Abtheilung ſoll in dem mit Ihrer Zuſtimmung<lb/> angekauften Koepke’ſchen Triangelgrundſtück eingerichtet werden. Es<lb/> genügt, obgleich es nicht ſchön iſt, den Koch’ſchen Anſprüchen voll-<lb/> kommen. Mit wenigen Umänderungen wird es möglich ſein,<lb/> dieſes ganze Gebäude, welches eine Laterne darſtellt, ſo umzu-<lb/> geſtalten, daß es dasjenige Licht und diejenige Arbeitsruhe ge-<lb/> währt, die Koch vor allen Dingen verlangt. Dieſes Gebäude be-<lb/> ſteht faſt nur aus Fenſtern, und es hat den großen Vorzug, daß,<lb/> weil die Arbeitsplätze nicht groß zu ſein brauchen, die einzelnen<lb/> Mikroſkopiker einzeln arbeiten können. In der unteren Etage ſind<lb/> die verſchiedenen Wohnräume, in der Beletage die eigentlichen<lb/> Räume für den Director, den Dirigenten und die Prakticatur. In<lb/> der höheren Etage ſind die chemiſchen Arbeitsſäle und auf dem<lb/> Boden iſt ein photographiſches Atelier eingerichtet. An der Spitze<lb/> ſteht Geheimrath Koch, unter ihm zwei Abtheilungsdirigenten für<lb/> die Kranken- und für die wiſſenſchaftliche Abtheilung und 20<lb/> Prakticanten. Koch wünſcht dringend, von der lehramtlichen Ver-<lb/> pflichtung möglichſt entbunden zu ſein. Nach dem urſprünglichen<lb/> Plan ſollte die Sache 377,000 Mark koſten. Nach den neueſten<lb/> Berechnungen ſtellt ſich die Sache auf etwa ½ Million Mark.<lb/> Aber ich zweifle nicht, daß das Haus mit Dankbarkeit den Ent-<lb/> ſchluß des Finanzminiſters begrüßen wird, aus den vorhandenen<lb/> Mitteln als außerordentliche und unvermuthete Ausgabe die ganze<lb/> Sache zu behandeln. (Allſeitige Zuſtimmung.) Was den laufen-<lb/> den Etat betrifft, ſo iſt auch darüber geſtern zwiſchen dem Com-<lb/> miſſar des Finanzminiſters und dem diesſeitigen eine volle<lb/> Verſtändigung erzielt worden. Koch hat das Fundament für<lb/> geeignet gehalten; die Contracte ſind mit ſämmtlichen Firmen ab-<lb/> geſchloſſen und es iſt mehr auf die Güte des Materials, als auf<lb/> die Billigkeit des Preiſes geſehen worden, denn es darf nur ein-<lb/> wandsfreies trockenes Holz zu Baracken verwendet werden. In-<lb/> zwiſchen wird der mit dem ſpeciellen Ausbau betraute Bauinſpec-<lb/> tor Boettcher nach Paris reiſen, um das Inſtitut von Paſteur zu<lb/> beſuchen, wo er ſicherlich einige Anhaltspunkte für die Organiſa-<lb/> tion des wiſſenſchaftlichen Inſtituts findet. Die Staatsregierung<lb/> will aber auch anregend thätig ſein. Die Stadt Berlin hat mir<lb/> vor einigen Tagen angeboten, ſie wolle, bis das Staatsinſtitut<lb/> für Infectionskrankheiten hergeſtellt iſt, dem Geheimrath Koch im<lb/> Barackenlazareth 3 Baracken zur Verfügung ſtellen mit 150 Betten.<lb/> Ich habe darauf geantwortet, Koch würde das Anerbieten ſehr<lb/> gern annehmen, aber nicht in der geſtellten Form; denn wenn<lb/> das Staatsinſtitut, was ich nicht bezweifle, im April fertig wird,<lb/> dann kann er in der Zwiſchenzeit nichts Anderes mehr thun. Er<lb/><cb/> hat viele dringende Aufgaben zu löſen, ſo daß er ſich mit weiter-<lb/> gehenden Infectionskrankheiten augenblicklich dauernd nicht be-<lb/> ſchäftigen kann. Er hat aber vorgeſchlagen, die Stadt Berlin<lb/> möchte 150 Betten für arme Kranke zur Verfügung ſtellen, er ver-<lb/> pflichtet ſich, das Injectionsmittel koſtenfrei zu liefern und, wenn<lb/> die Stadt es wünſcht, die behandelnden Aerzte koſtenfrei zu ſtellen.<lb/> Auf dieſer Baſis wird denn auch in dieſem Augenblicke zwiſchen<lb/><hi rendition="#aq">Dr.</hi> Straßmann und Koch unter meiner Zuſtimmung feſtgeſtellt,<lb/> daß die Stadt Berlin dieſe 150 Betten wie bisher adminiſtrativ<lb/> unter ſich hat, daß Koch die Auswahl der Kranken hat<lb/> und den Profeſſor Ehrlich einſetzen kann, um unter<lb/> ſeiner Oberleitung die wiſſenſchaftliche Behandlung zu dirigiren.<lb/> Dieſe 150 Betten ſollen koſtenfrei den Armen der Stadt zur Ver-<lb/> fügung geſtellt werden. (Allſeitiger Beifall.) Auch auf dem Ge-<lb/> biet der Privatwohlthätigkeit iſt man nicht müßig geblieben.<lb/> Schon am 17. November hat mir Koch einen Brief gezeigt, wonach<lb/> ein hieſiger Herr im ganzen eine Million gegeben hat zur Herſtel-<lb/> lung eines Krankenhauſes für arme Phthiſiker unter Koch’ſcher Leitung.<lb/> So wie es geſtellt war, konnte das Anerbieten nicht ohne weiteres<lb/> angenommen werden, aber die ganze Sache war ſo überaus<lb/> ſchlicht, klar und einfach, daß ich Koch dringend gerathen<lb/> habe, vertrauensvoll ſeine Vorſchläge zu machen. Dieſe Vorſchläge<lb/> ſind von dem Herrn acceptirt worden. Es ſoll in der Nähe von<lb/> Berlin eine Anſtalt errichtet werden zunächſt für 50—60 Kranke,<lb/> wo ſolche koſtenfrei mit dem Koch’ſchen Mittel, welches koſten-<lb/> frei hergegeben wird, behandelt werden können. Dieſer Plan<lb/> koſtet erheblich über eine Million; ſchon die Anlage koſtet mehr<lb/> und das Grundſtück wird außerdem geſchenkt. Zunächſt wird nach<lb/> dem Vorſchlage von Koch ein Interimiſticum eintreten. Es<lb/> wird wahrſcheinlich in der Nähe des Zoologiſchen Gartens ein<lb/> Local gemiethet werden, wo zunächſt 30 Kranke auf Koſten des<lb/> Geſchenkgebers behandelt werden. Mit der Stadt Berlin wird<lb/> wegen der Errichtung eines neuen Krankenhauſes mit einem groß-<lb/> artigen Sanatorium verhandelt. An dieſe zwei ſchönen Bilder<lb/> knüpfe ich die Hoffnung und Erwartung, daß nach dem Vorgang<lb/> von Berlin noch andere Gemeinden in derſelben hochherzigen<lb/> Weiſe im Intereſſe ihrer armen Mitbürger eintreten werden.<lb/> Die Privatwohlthätigkeit kann nichts Schöneres thun, als daß ſie<lb/> von dem Ueberſchuß den übrigen leidenden Mitmenſchen mittheilt,<lb/> welche zum Theil ihre Leiden der ganzen Entwicklung unſres Cultur-<lb/> lebens verdanken. Koch verſichert, daß ein Siebentel aller Menſchen<lb/> an Tuberculoſe ſtirbt. Die Wohlthätigkeit thut hier etwas, was<lb/> ſie ſelbſt gewiſſermaßen ſchützt. Es ergeben ſich hier ganz neue<lb/> Ausblicke für die Berufsgenoſſenſchaften und diejenigen Veranſtal-<lb/> tungen, welche durch die moderne ſocialpolitiſche Geſetzgebung für<lb/> die leidenden Mitbrüder zu ſorgen haben. Aus meinem Vortrage,<lb/> der ſich bemüht hat, ſo nüchtern wie möglich dieſe turbulent gewor-<lb/> dene Frage zu behandeln, werden Sie erſehen haben, daß es keinen<lb/> Zeitpunkt gegeben hat, wo die Staatsregierung nicht wenigſtens<lb/> verſucht hat, diejenigen Bahnen innezuhalten, welche es ermöglicht<lb/> haben, das Mittel zum Segen der Menſchheit auszugeſtalten und<lb/> in der allervorſichtigſten Weiſe die Angelegenheiten zu leiten. Es<lb/> iſt mir nicht ganz gelungen, die Verhältniſſe ſind ſtärker geweſen<lb/> als der Wille; aber, und damit will ich ſchließen, ich betrachte<lb/> dieſen Augenblick als den ſchönſten, den ich in dieſem Hauſe erlebt<lb/> habe, und ich kann verſichern, daß, wenn ich aus meinem Amte<lb/> ſcheiden werde, es kaum eine größere Erinnerung für mich geben<lb/> wird, als das Glück gehabt zu haben, einem Manne, wie Koch,<lb/> die Wege zu ebnen. Seine Forſcherkraft und Wahrheitsliebe wird<lb/> nur erreicht durch ſeine Uneigennützigkeit und Liebe zur Menſch-<lb/> heit, und das Vaterland kann glücklich ſein, einen ſolchen Sohn<lb/> ſein eigen zu nenen. (Allſeitiger lebhafter Beifall im Hauſe und<lb/> auf der Gallerie.)</quote> </cit> </p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jVarious" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Verſchiedenes.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline># <hi rendition="#b">Vom Rhein,</hi> 28. Nov.</dateline><lb/> <p>In den letzten Tagen beſuchte<lb/> der Director am k. <hi rendition="#g">Muſeum für Völkerkunde,</hi> <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Albert<lb/><hi rendition="#g">Voß</hi> aus Berlin, die Muſeen zu Köln, Mainz, Wiesbaden,<lb/> Worms, Speyer, Dürkheim, Mannheim, Frankfurt a. M. An<lb/> allen dieſen Plätzen ſuchte er nach Denkmälern, auf welchen Ab-<lb/> bildungen <hi rendition="#g">germaniſcher</hi> Volksangehörigen erſcheinen, und läßt<lb/> ſolche für das Berliner Muſeum abgießen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><supplied>&#xfffc;</supplied><hi rendition="#b">Halle,</hi> 28. Nov.</dateline><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Saale</hi> iſt über die Ufer getreten.<lb/> In dem benachbarten Köſen iſt die im 11. Jahrhundert über die<lb/> Saale geführte Brücke, welche im Laufe der Zeiten ſo manchen<lb/> Sturm erlebte, durch die Gewalt der Fluthen zertrümmert worden. —<lb/> Am 7. December wird der <hi rendition="#g">Provinciallandtag</hi> in Merſeburg ſich<lb/> verſammeln. Der neue Oberpräſident, Hr. v. Pommer-Eſche, wird<lb/> in der Provinz Sachſen zum erſten Male auf dem Provincial-<lb/> landtage ſeines Amtes walten. — In Quedlinburg hat der ver-<lb/> ſtorbene Oekonomierath <hi rendition="#g">Dippe</hi> verſchiedene großartige Vermächt-<lb/> niſſe gemacht.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><supplied>&#x1D706;.</supplied><hi rendition="#b">Aus Thüringen,</hi> Ende Nov.</dateline><lb/> <p>Immer noch häufen ſich<lb/> die <hi rendition="#g">Hiobspoſten</hi> aus allen Theilen Thüringens, und die Zeitungen<lb/> ſind mit Hülferufen angefüllt ob der Noth, welche der 24. No-<lb/> vember über weite Strecken gebracht hat. In <hi rendition="#g">Rudolſtadt</hi> hat<lb/> vorgeſtern die Landtagsſitzung abgebrochen werden müſſen, weil<lb/> mehrere Abgeordnete wegen des Hochwaſſers nicht erſcheinen konnten.<lb/> Miniſter v. <hi rendition="#g">Starck</hi> kündigte an, daß die Regierung zur Linderung<lb/> der Noth Staatshülfe vorſchlagen werde. In und um <hi rendition="#g">Jena</hi> ſind<lb/> die Verluſte beſonders ſchwer. Dazu kommt noch der Verluſt von<lb/><hi rendition="#g">elf</hi> Menſchenleben. Sehr betrübend lauten auch die weiteren<lb/> Nachrichten aus Coburg, Meiningen, Schmalkalden, Suhl, Schleu-<lb/> ſingen, Eiſenach, Gotha, Erfurt und der Umgebung dieſer Städte,<lb/> aus dem Schwarza- und Truſenthal, von der Rhön, aus Fulda, Witzen-<lb/> hauſen und Eſchwege. Der nunmehr in vollem Ernſte eingezogene<lb/> Winter — 10 bis 12° R. — läßt ausgiebige Hülfe um ſo dringender<lb/> erſcheinen. — Die Regierung des Fürſtenthums Schwarzburg-<lb/> Rudolſtadt hat dem Landtag Kenntniß von dem mit Meiningen<lb/> getroffenen Abkommen über die Beſeitigung der <hi rendition="#g">Grenzſtreitig-<lb/> keiten</hi> beim Dorfe Unterwirbach gegeben. — Dem im Januar<lb/> dieſes Jahres verſtorbenen Fürſten <hi rendition="#g">Georg von Schwarzburg</hi><lb/> ſoll in Blankenburg ein Denkmal errichtet werden; der bezügliche<lb/> Aufruf iſt an erſter Stelle vom Staatsminiſter v. Starck mit-<lb/> unterzeichnet.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><supplied>&#xfffc;</supplied><hi rendition="#b">Dresden,</hi> 30. Nov.</dateline><lb/> <p>Die Schlußabrechnung für die<lb/> diesjährige <hi rendition="#g">internationale Aquarell-Ausſtellung</hi> hat<lb/> erfreulicherweiſe zu einem weit günſtigeren Ergebniß geführt, als<lb/> man zuerſt annehmen zu müſſen geglaubt. Es ſtehen nämlich den<lb/> in runder Summe 25,000 Mark betragenden Einnahmen nur rund<lb/> 26,000 Mark Geſammtkoſten gegenüber, ſo daß der Fehlbetrag ſich<lb/> bloß auf rund 1000 Mark beläuft. Die Kunſtgenoſſenſchaft iſt da-<lb/> durch in die glückliche Lage verſetzt, auf eine Inanſpruchnahme des<lb/> ihr von der Stadt und einer Anzahl von Kunſtfreunden bewilligten<lb/> Garantiefonds zu verzichten; ſie wird den geringen Fehlbetrag aus<lb/> dem Ueberſchuſſe der 1887er Aquarell-Ausſtellung decken.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>** <hi rendition="#b">Meran,</hi> 28. Nov.</dateline><lb/> <p>Entgegen bisherigen Nachrichten iſt<lb/> die <hi rendition="#g">Koch’ſche Lymphe</hi> noch nicht hier eingetroffen, dagegen hören<lb/> wir, daß der hieſige k. k. Bezirksarzt <hi rendition="#aq">Dr.</hi> v. K<hi rendition="#aq">áá</hi>n-Alb<hi rendition="#aq">é</hi>ſzt nach<lb/> ſeiner morgen zu erwartenden Rückkehr von Berlin ſofort mit den<lb/> Impfungen beginnen wird.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [6/0006]
München, Dienſtag Allgemeine Zeitung 2. December 1890. Zweites Morgenblatt Nr. 334.
Stadium erkennen läßt; denn wenn erſt die Thiere huſten und
auswerfen, dann iſt gewöhnlich ſchon die Möglichkeit gegeben,
daß ſie erheblichen Schaden anrichten können. (Sehr richtig!)
Welche Schritte, fragt nun der Interpellant, ſind zur Förderung
und weiteren Nutzbarmachung des Koch’ſchen Heilverfahrens in
Ausſicht genommen? Die Antwort liegt ſchon in meinem bisherigen
auf das Thatſächliche gerichteten Vortrage. Wir müſſen zweier-
lei unterſcheiden: 1. das Mittel gegen Tuberculoſe und
2. diejenigen Einrichtungen, welche für andere Inſec-
tionskrankheiten nach dem urſprünglichen von mir vorgetragenen
Koch’ſchen Plane nöthig werden. Es fragt ſich: wem gehört nun
eigentlich das Mittel, wer iſt der geiſtige Eigenthümer? Es iſt für
mich keinen Augenblick zweifelhaſt geweſen, daß der geiſtige Eigen-
thümer Profeſſor Robert Koch iſt. (Zuſtimmung auf allen Seiten
des Hauſes.) Wir haben es niemals meines Wiſſens in der
preußiſchen Unterrichtsverwaltung für möglich gehalten, daß, wenn
ein Lehrer durch ſeine eigene Forſcherthätigkeit ein Mittel erfunden,
ſei es auf dem Gebiete der Anilinfarben oder der ätheriſchen Oele
oder ſonſt auf einem Gebiete, daß wir das als ein Eigenthum
des Fiscus haben in Anſpruch nehmen können. Aus dieſem Vorder-
ſatz ergibt ſich naturgemäß eine ganze Reihe von Conſequenzen, zu-
nächſt die, daß eine amtliche, autoritative Einwirkung auf die Be-
reitung des Mittels mir nicht gebührte, ſondern mir weſentlich
dasjenige Vertrauensverhältniß, in dem ich, wie ich mit Dank an-
erkenne, alle Zeit zu Prof. Koch geſtanden habe, mehr und mehr
in Bezug auf die Rechtsfrage auszudehnen oblag. Wir haben ſehr
bald erkannt, wie trotz der kühlen Forſcherthätigkeit Kochs der An-
drang und die Verwilderung eine ſo große ſein müßte, daß ein
öffentlicher Mißſtand eintreten würde. Wir verſtändigten uns nun
dahin, daß er zunächſt das Mittel abgeben möchte an inländiſche
Kliniken und Anſtalten, in welchen Schwindfüchtige nach wiſſen-
ſchaftlichen Grundſätzen behandelt werden, dann aber auch an aus-
ländiſche gleichartige Anſtalten und nebenbei an ſolche Aerzte, in
deren Wiſſenſchaftlichkeit Koch perſönliches Vertrauen ſetzen konnte.
Der eine Grundſatz iſt nun ſehr bald durchbrochen worden. Selbſt Koch
hat Nerven, und er iſt in einer Weiſe Angriffen ausgeſetzt, welche ihn
eigentlich hätten berechtigen können, den Schutz der Polizei in Anſpruch
zu nehmen. (Heiterkeit.) Ich könnte Ihnen erzählen von dem An-
drange, von Beſtechungen ſelbſt gegen untere Beamte der Klinik.
Es iſt demüthigend, ſolche Sachen ſich erzählen laſſen zu müſſen.
Darüber hinaus hat Koch ſofort das Mittel an diejenigen An-
ſtalten abgegeben, in denen im In- und Auslande Lungenkranke
in größerer Zahl behandelt werden, um den drohenden Andrang
der Tuberkelkranken von Berlin fernzuhalten. Sehr bald haben
Görbersdorf, Königſtein, Davos, Bozen und andere Orte das
Mittel erhalten. Es drohte die ganze Riviera hierher zu kommen,
wenn das Mittel nicht hingeſchickt würde. (Große Heiterkeit.)
Das Auswärtige Amt hat mich dabei mit aller Liberalität unter-
ſtützt. Alle Anmeldungen ſind an Dr. Libbertz geſandt worden.
Dann habe ich es für meine Pflicht gehalten, dafür zu ſorgen,
daß hier in unſern königlichen Kliniken das Mittel wiſſenſchaftlich
in einer planmäßigen Weiſe angewendet und durch Demonſtrationen
zum wiſſenſchaftlichen Gemeingut der Welt gemacht werde. In
der königlich chirurgiſchen Klinik ſind heute bereits über
70 Tuberkelkranke und Hr. v. Bergmann hat die Abſicht, dieſe
Zahl auf 100 zu erhöhen, um auf dem Gebiet der chirurgiſchen
Tuberculoſe zu möglichſt abſchließenden Anſchauungen zu kommen.
Man hat ſich nun — bekanntlich iſt nichts ſo edel und ſo rein,
daß es nicht verdächtigt werden könnte — nicht geſcheut, die
Frage aufzuwerfen, ob hierbei nicht ein Unterſchied zwiſchen Armen
und Reichen gemacht werde? Ich kann verſichern, daß in den
königlichen Kliniken die Armen den Vorzug haben. (Beifall.)
v. Bergmann hat alle Freibetten, die irgendwie etatsmäßig zu
haben waren, auf Tuberkelkranke concentrirt und die Preiſe gehen
bis höchſtens 5,50 M. pro Tag. So iſt es auch in allen übrigen
königlichen Kliniken. In der Gerhard’ſchen Klinik ſind alles Leute
aus dem Arbeiter- und Handwerkerſtand. (Allſeitiger Beifall.)
In der hieſigen Klinik werden, wie erwähnt, täglich De-
monſtrationen vorgenommen, heute wird in engliſcher Sprache
vorgetragen und vorgeſtern iſt in franzöſiſcher Sprache vor-
getragen worden. Wir laufen dabei wirklich beinahe Ge-
fahr, daß unſre Kräfte kaum noch ausreichen. Für die
inneren Kliniken habe ich ganz beſondere Mittel zur
Verfügung ſtellen müſſen, weil das vorhandene Material an Men-
ſchen überhaupt nicht mehr ausreichte. Die Koch’ſche Lymphe wird
erzeugt unter Zuziehung des Dr. Libbertz und des Dr. Pfuhl. Von
dieſen beſchäftigt ſich nur Dr. Libbertz mit der ärztlichen Praxis.
Dr. Pfuhl ſind unerhörte Anerbietungen gemacht worden, er hat
aber ſeine Kraft zunächſt der chirurgiſchen Klinik gewidmet. Ich
erwähne hiebei in Bezug auf die Finanzfrage, daß fünf Kubikcenti-
meter für 25 Mark abgegeben werden. Dieſes Fläſchchen enthält
500 Einſpritzungen für die größte Doſis. In den meiſten Fällen
wird aber nur 1 Milligramm verabfolgt. Solcher Einſpritzungen
enthält das Fläſchchen 5000 und jede koſtet 0,5 Pfennig. (Heiter-
keit.) Sie erſehen daraus, daß bereits eine Ziffer erreicht worden
iſt, welche überhaupt mit dem Geldwerth nicht mehr auszudrücken
iſt. Gewiſſen Angriffen gegenüber hin ich verpflichtet, darauf hin-
zuweiſen, daß Dr. Cornet mich gebeten hat, mitzutheilen, daß er
niemals annähernd ſolche Preiſe verlangt oder erhalten hat, wie ſie
durch die Zeitungen veröffentlicht wurden. Für die erſte ärztliche
Conſultation, wo er die ſchwierigſten Organe unterſucht, bean-
ſprucht er bisher 10—30 M. und bei einer folgenden Behandlung,
d. h. außerhalb der Klinik, wobei aber die Aſſiſtenten zum Theil
mitwirken müſſen, 10—20 M. Dieſe Summen ſind an und für
ſich ſo gering, daß er ſich berechtigt glaubt, ſie eventuell auch etwas
zu erhöhen, aber, und ich kann verſichern, daß er mir das ſchon
in einem früheren Zeitpunkt geſagt hat, er hält ſich verpflichtet,
den Ueberſchuß, welcher ihm aus der Behandlung der Reichen er-
wächst, den Armen zukommen zu laſſen. Ich habe ihn in dieſer
Auſfaſſung beſtärkt. Ich halte es für die Aufgabe jedes tüch-
tigen Arztes, daß er von den Reichen etwas mehr nimmt, als noth-
wendig iſt, es aber wieder im Intereſſe der Menſchheit verwendet.
(Beifall.) Dr. Cornet behandelt täglich 50—60 Arme unentgelt-
lich und fordert ſelbſt nicht einmal Erſatz für die Cinſpritzung, für
die Inſtrumente, die ſehr zerbrechlich ſind u. ſ. w. (Lebhafter
Beifall.) Ich möchte dieſes ſchöne Bild nicht gern trüben laſſen
durch die ſehr unbequemen Erörterungen, wie ſie durch die Zeitungen
gehen. Der zweite Punkt, welcher der allerſchwierigſte iſt, mit dem
wir uns zu beſchäftigen haben, iſt die Anſtalt zur Erzeugung und
Verbreitung des Mittels. Die Schwierigkeit liegt heute ausſchließ-
lich darin, daß es noch keine Methode gibt, welche zur Herſtellung
des Mittels im großen geeignet iſt. Man braucht nämlich 6 Wochen
zu ſeiner Herſtellung: Dr. Libbertz erzeugt und Dr. Pfuhl prüft
dasſelbe. Es iſt gar keine Garantie gegeben durch einfache Her-
ſtellung ohne weiteres, daß das Mittel wirkſam ſei. Es wird
kein Mittel abgegeben, welches nicht in einer durch Koch
feſtgeſtellten Weiſe an Thieren erprobt worden iſt. Es wer-
den mindeſtens drei Thierverſuche gemacht, und wenn die
Reactionen nicht genau ſo eintreten, wie ſie durch die bis-
herige wiſſenſchaftliche Forſchung feſtgeſtellt ſind, ſo wird das
Mittel verworfen. Koch, der mich in Alles eingeweiht, hat mir erklärt,
daß es ihm unmöglich iſt, das Mittel aus ſeinen Händen gehen
zu laſſen, ohne daß er perſönlich eine Controle hat eintreten
laſſen. Darin liegt eine ungeheure Schwierigkeit, und die andere
liegt im Vertriebe. Ich kann Ihnen nun nach den vielen Ver-
handlungen, die ich dieſerhalb mit Koch gehabt habe, zu meiner
Freude ſagen, daß ich geſtern mit ihm auf eine Baſis getreten
bin, welche zu einer Verſtaatlichung des Mittels führt. (Allſeitiger
Beifall.) Wir werden nicht ruhen und nicht raſten, bis
der Staat das Mittel in die Hand bekommt. Selbſt wenn
es nicht gelingt, ſo raſch die Quantität zu vermehren, als durch-
aus nothwendig iſt, ſo wird, glaube ich, in der geſammten
Welt ein Beruhigung eintreten, daß der preußiſche Staat ſeine
Firma unter die Sache ſetzt. (Allſeitiger Beifall.) Gleich nach
Schluß der Sitzung werden die weiteren Verhandlungen beginnen,
und ich zweifle nicht, daß der Hr. Finanzminiſter in ſeiner Güte
mir auch zur Seite ſtehen wird, ein Proviſorium auf das andere
zu häufen, bis wir die Sache für abgeſchloſſen betrachten können.
Die Sache iſt nicht ſo einfach. In der Fabrication würde ein
Unterſchied nicht eintreten, wohl aber im Vertriebe; es müßte ein
adminiſtratives Organ geſchaffen werden, welches den Vertrieb
und die Vertheilung des Mittels beforgt. Für dieſes müſſen
naturgemäß Directiven von der Centralſtelle gegeben werden.
Das Organ ſelbſt wird ſich ja wohl im Laufe der Zeit umge-
ſtalten, aber es muß Sicherheit dem Publicum und der ganzen
Menſchheit gegeben werden, daß hier eine Behörde iſt, welche ab-
ſolut mit finanziellen und anderen naheliegenden Erwägungen nicht
in Verbindung gebracht werden kann. (Lebhaſte Zuſtimmung.)
In Zukunft würde die Sache ſich vielleicht ſo geſtalten, daß wir,
wenn wir etwas im Zuge ſind, einige Kräfte hinzunehmen, welche
gewiſſermaßen es auch lernen; dann wird die Zeit kommen, wie
ich nicht zweifle, daß Koch an der Hand ſeiner weiteren Unter-
ſuchungen neue Mittel für verwandte Gebiete in die Anſtalt
überſühren und daß, ſobald in ſeiner Experimentiranſtalt dieſes
Mittel wiſſenſchaftlich durchgeprüft iſt, es zur Fabrication herüber-
gegeben wird. Dann würden natürlich auch die Vertreter der
Culturvölker des Erdkreiſes das Mittel in die Hände bekommen
können. Der Vertrieb nach unten geſtaltet ſich nach den Koch’ſchen
Ideen auch hier im Intereſſe der Menſchheit. Er wünſcht drin-
gend, daß dieſes Mittel decentraliſirt, aber angeſchloſſen wird an
die beſtehenden großen Anſtalten, und daß in dieſen Anſtalten
eine Abtheilung errichtet wird, in der die große hygieniſche Auf-
gabe erfüllt wird, die er ſich geſtellt. An dieſe Abtheilungen ſollen
ſich möglichſt die Polikliniken anſchließen, und die Aerzte, welche
in ambulatoriſcher Praxis ihre Kranken behandeln, und es muß
unter allen Umſtänden dafür geſorgt werden, daß ſich in
den Centren Anſtalten befinden, welche koſtenfrei die Armen auf-
nehmen. Es iſt von mir bereits ſeit Wochen erkannt worden, daß
dieſer Art von wildem Aufthun von Privatkliniken ein Ziel geſetzt
werden muß. Wir haben bereits poſitive Andeutung dafür, daß
Gefahren für diejenigen Gebäude, in denen ſich ſolche wilden
Tuberkelkliniken befinden, eintreten. Wir haben ſehr gute derartige
Privatkliniken; ich will ſie nicht nennen, damit es nicht ſcheint,
als wolle ich für ſie Reclame machen. Es hat gar kein Bedenken,
ein beſonderes Haus für ſolche Anſtalten einzurichten, doch läßt
ſich ein Régime einführen, welches die Gefahr ausſchließt. Es ſind
Beſchwerden von den verſchiedenſten Seiten eingetroffen, welche
aufmerkſam machen auf die Gefahr, wenn die Gefäße gereinigt
werden, und wie es auf den Treppen zugeht. Da muß ich ſagen,
in einem ſolchen Hauſe möchte man nicht wohnen. Das Polizei-
Präſidium wird von mir die Ermächtigung erhalten, nach der Rich-
tung hin diejenigen Gefahren von der Einwohnerſchaft abzuwenden,
denen ſie meines Erachtens ausgeſetzt ſind. (Beifall.) Nun fragt
es ſich, wie iſt es mit einem Inſtitut der Infectionskrankheiten zu
halten iſt? Wie ſchon angedeutet, iſt eine Probe angeſtellt worden,
welche zwei Anſtalten enthält, eine Krankenanſtalt und eine wiſſen-
ſchaftliche Abtheilung. Dieſe Krankenanſtalt ſoll diejenigen ver-
ſchiedenen Infectionskrankheiten enthält, welche Profeſſor Koch
bei ſeinen Arbeiten braucht, und in ſeinem wiſſenſchaftlichen In-
ſtitute will er die Möglichkeit haben, alle von ihm vorgeſehenen
Fälle zu prüfen. Wir wollen eine ſolche Krankenanſtalt er-
richten auf dem Gebiet der Charité, zwiſchen der Stadtbahn und
der ſogenannten neuen Charité. Es ſollen hier kleine Wohn-
gebäude zur Aufnahme von Kranken, zur Abgabe von Eßwaaren
und ein kleines Auditorium für einige 50 Perſonen errichtet
werden. Daran ſchließen ſich auf beiden Seiten zwei große und
zwei kleine Baracken, auf der einen Seite für Frauen und auf der
anderen für Männer. Außerdem ſollen Wohnbaracken errichtet
werden für Wärter, Wärterinnen u. ſ. w. Dieſe Baracken werden
nun gebaut ganz nach Koch’ſchem Wunſch. Dieſer Wunſch war
früher ſo beſcheiden, daß die Techniker ihn gebeten haben, davon
abzuſehen. Die Baracken werden nach neuem Syſtem mit Gyps-
dielen hergeſtellt und mit einer Ventilation nach Koch’ſchem Syſtem.
Die wiſſenſchaftliche Abtheilung ſoll in dem mit Ihrer Zuſtimmung
angekauften Koepke’ſchen Triangelgrundſtück eingerichtet werden. Es
genügt, obgleich es nicht ſchön iſt, den Koch’ſchen Anſprüchen voll-
kommen. Mit wenigen Umänderungen wird es möglich ſein,
dieſes ganze Gebäude, welches eine Laterne darſtellt, ſo umzu-
geſtalten, daß es dasjenige Licht und diejenige Arbeitsruhe ge-
währt, die Koch vor allen Dingen verlangt. Dieſes Gebäude be-
ſteht faſt nur aus Fenſtern, und es hat den großen Vorzug, daß,
weil die Arbeitsplätze nicht groß zu ſein brauchen, die einzelnen
Mikroſkopiker einzeln arbeiten können. In der unteren Etage ſind
die verſchiedenen Wohnräume, in der Beletage die eigentlichen
Räume für den Director, den Dirigenten und die Prakticatur. In
der höheren Etage ſind die chemiſchen Arbeitsſäle und auf dem
Boden iſt ein photographiſches Atelier eingerichtet. An der Spitze
ſteht Geheimrath Koch, unter ihm zwei Abtheilungsdirigenten für
die Kranken- und für die wiſſenſchaftliche Abtheilung und 20
Prakticanten. Koch wünſcht dringend, von der lehramtlichen Ver-
pflichtung möglichſt entbunden zu ſein. Nach dem urſprünglichen
Plan ſollte die Sache 377,000 Mark koſten. Nach den neueſten
Berechnungen ſtellt ſich die Sache auf etwa ½ Million Mark.
Aber ich zweifle nicht, daß das Haus mit Dankbarkeit den Ent-
ſchluß des Finanzminiſters begrüßen wird, aus den vorhandenen
Mitteln als außerordentliche und unvermuthete Ausgabe die ganze
Sache zu behandeln. (Allſeitige Zuſtimmung.) Was den laufen-
den Etat betrifft, ſo iſt auch darüber geſtern zwiſchen dem Com-
miſſar des Finanzminiſters und dem diesſeitigen eine volle
Verſtändigung erzielt worden. Koch hat das Fundament für
geeignet gehalten; die Contracte ſind mit ſämmtlichen Firmen ab-
geſchloſſen und es iſt mehr auf die Güte des Materials, als auf
die Billigkeit des Preiſes geſehen worden, denn es darf nur ein-
wandsfreies trockenes Holz zu Baracken verwendet werden. In-
zwiſchen wird der mit dem ſpeciellen Ausbau betraute Bauinſpec-
tor Boettcher nach Paris reiſen, um das Inſtitut von Paſteur zu
beſuchen, wo er ſicherlich einige Anhaltspunkte für die Organiſa-
tion des wiſſenſchaftlichen Inſtituts findet. Die Staatsregierung
will aber auch anregend thätig ſein. Die Stadt Berlin hat mir
vor einigen Tagen angeboten, ſie wolle, bis das Staatsinſtitut
für Infectionskrankheiten hergeſtellt iſt, dem Geheimrath Koch im
Barackenlazareth 3 Baracken zur Verfügung ſtellen mit 150 Betten.
Ich habe darauf geantwortet, Koch würde das Anerbieten ſehr
gern annehmen, aber nicht in der geſtellten Form; denn wenn
das Staatsinſtitut, was ich nicht bezweifle, im April fertig wird,
dann kann er in der Zwiſchenzeit nichts Anderes mehr thun. Er
hat viele dringende Aufgaben zu löſen, ſo daß er ſich mit weiter-
gehenden Infectionskrankheiten augenblicklich dauernd nicht be-
ſchäftigen kann. Er hat aber vorgeſchlagen, die Stadt Berlin
möchte 150 Betten für arme Kranke zur Verfügung ſtellen, er ver-
pflichtet ſich, das Injectionsmittel koſtenfrei zu liefern und, wenn
die Stadt es wünſcht, die behandelnden Aerzte koſtenfrei zu ſtellen.
Auf dieſer Baſis wird denn auch in dieſem Augenblicke zwiſchen
Dr. Straßmann und Koch unter meiner Zuſtimmung feſtgeſtellt,
daß die Stadt Berlin dieſe 150 Betten wie bisher adminiſtrativ
unter ſich hat, daß Koch die Auswahl der Kranken hat
und den Profeſſor Ehrlich einſetzen kann, um unter
ſeiner Oberleitung die wiſſenſchaftliche Behandlung zu dirigiren.
Dieſe 150 Betten ſollen koſtenfrei den Armen der Stadt zur Ver-
fügung geſtellt werden. (Allſeitiger Beifall.) Auch auf dem Ge-
biet der Privatwohlthätigkeit iſt man nicht müßig geblieben.
Schon am 17. November hat mir Koch einen Brief gezeigt, wonach
ein hieſiger Herr im ganzen eine Million gegeben hat zur Herſtel-
lung eines Krankenhauſes für arme Phthiſiker unter Koch’ſcher Leitung.
So wie es geſtellt war, konnte das Anerbieten nicht ohne weiteres
angenommen werden, aber die ganze Sache war ſo überaus
ſchlicht, klar und einfach, daß ich Koch dringend gerathen
habe, vertrauensvoll ſeine Vorſchläge zu machen. Dieſe Vorſchläge
ſind von dem Herrn acceptirt worden. Es ſoll in der Nähe von
Berlin eine Anſtalt errichtet werden zunächſt für 50—60 Kranke,
wo ſolche koſtenfrei mit dem Koch’ſchen Mittel, welches koſten-
frei hergegeben wird, behandelt werden können. Dieſer Plan
koſtet erheblich über eine Million; ſchon die Anlage koſtet mehr
und das Grundſtück wird außerdem geſchenkt. Zunächſt wird nach
dem Vorſchlage von Koch ein Interimiſticum eintreten. Es
wird wahrſcheinlich in der Nähe des Zoologiſchen Gartens ein
Local gemiethet werden, wo zunächſt 30 Kranke auf Koſten des
Geſchenkgebers behandelt werden. Mit der Stadt Berlin wird
wegen der Errichtung eines neuen Krankenhauſes mit einem groß-
artigen Sanatorium verhandelt. An dieſe zwei ſchönen Bilder
knüpfe ich die Hoffnung und Erwartung, daß nach dem Vorgang
von Berlin noch andere Gemeinden in derſelben hochherzigen
Weiſe im Intereſſe ihrer armen Mitbürger eintreten werden.
Die Privatwohlthätigkeit kann nichts Schöneres thun, als daß ſie
von dem Ueberſchuß den übrigen leidenden Mitmenſchen mittheilt,
welche zum Theil ihre Leiden der ganzen Entwicklung unſres Cultur-
lebens verdanken. Koch verſichert, daß ein Siebentel aller Menſchen
an Tuberculoſe ſtirbt. Die Wohlthätigkeit thut hier etwas, was
ſie ſelbſt gewiſſermaßen ſchützt. Es ergeben ſich hier ganz neue
Ausblicke für die Berufsgenoſſenſchaften und diejenigen Veranſtal-
tungen, welche durch die moderne ſocialpolitiſche Geſetzgebung für
die leidenden Mitbrüder zu ſorgen haben. Aus meinem Vortrage,
der ſich bemüht hat, ſo nüchtern wie möglich dieſe turbulent gewor-
dene Frage zu behandeln, werden Sie erſehen haben, daß es keinen
Zeitpunkt gegeben hat, wo die Staatsregierung nicht wenigſtens
verſucht hat, diejenigen Bahnen innezuhalten, welche es ermöglicht
haben, das Mittel zum Segen der Menſchheit auszugeſtalten und
in der allervorſichtigſten Weiſe die Angelegenheiten zu leiten. Es
iſt mir nicht ganz gelungen, die Verhältniſſe ſind ſtärker geweſen
als der Wille; aber, und damit will ich ſchließen, ich betrachte
dieſen Augenblick als den ſchönſten, den ich in dieſem Hauſe erlebt
habe, und ich kann verſichern, daß, wenn ich aus meinem Amte
ſcheiden werde, es kaum eine größere Erinnerung für mich geben
wird, als das Glück gehabt zu haben, einem Manne, wie Koch,
die Wege zu ebnen. Seine Forſcherkraft und Wahrheitsliebe wird
nur erreicht durch ſeine Uneigennützigkeit und Liebe zur Menſch-
heit, und das Vaterland kann glücklich ſein, einen ſolchen Sohn
ſein eigen zu nenen. (Allſeitiger lebhafter Beifall im Hauſe und
auf der Gallerie.)
Verſchiedenes.
# Vom Rhein, 28. Nov.
In den letzten Tagen beſuchte
der Director am k. Muſeum für Völkerkunde, Dr. Albert
Voß aus Berlin, die Muſeen zu Köln, Mainz, Wiesbaden,
Worms, Speyer, Dürkheim, Mannheim, Frankfurt a. M. An
allen dieſen Plätzen ſuchte er nach Denkmälern, auf welchen Ab-
bildungen germaniſcher Volksangehörigen erſcheinen, und läßt
ſolche für das Berliner Muſeum abgießen.
 Halle, 28. Nov.
Die Saale iſt über die Ufer getreten.
In dem benachbarten Köſen iſt die im 11. Jahrhundert über die
Saale geführte Brücke, welche im Laufe der Zeiten ſo manchen
Sturm erlebte, durch die Gewalt der Fluthen zertrümmert worden. —
Am 7. December wird der Provinciallandtag in Merſeburg ſich
verſammeln. Der neue Oberpräſident, Hr. v. Pommer-Eſche, wird
in der Provinz Sachſen zum erſten Male auf dem Provincial-
landtage ſeines Amtes walten. — In Quedlinburg hat der ver-
ſtorbene Oekonomierath Dippe verſchiedene großartige Vermächt-
niſſe gemacht.
𝜆. Aus Thüringen, Ende Nov.
Immer noch häufen ſich
die Hiobspoſten aus allen Theilen Thüringens, und die Zeitungen
ſind mit Hülferufen angefüllt ob der Noth, welche der 24. No-
vember über weite Strecken gebracht hat. In Rudolſtadt hat
vorgeſtern die Landtagsſitzung abgebrochen werden müſſen, weil
mehrere Abgeordnete wegen des Hochwaſſers nicht erſcheinen konnten.
Miniſter v. Starck kündigte an, daß die Regierung zur Linderung
der Noth Staatshülfe vorſchlagen werde. In und um Jena ſind
die Verluſte beſonders ſchwer. Dazu kommt noch der Verluſt von
elf Menſchenleben. Sehr betrübend lauten auch die weiteren
Nachrichten aus Coburg, Meiningen, Schmalkalden, Suhl, Schleu-
ſingen, Eiſenach, Gotha, Erfurt und der Umgebung dieſer Städte,
aus dem Schwarza- und Truſenthal, von der Rhön, aus Fulda, Witzen-
hauſen und Eſchwege. Der nunmehr in vollem Ernſte eingezogene
Winter — 10 bis 12° R. — läßt ausgiebige Hülfe um ſo dringender
erſcheinen. — Die Regierung des Fürſtenthums Schwarzburg-
Rudolſtadt hat dem Landtag Kenntniß von dem mit Meiningen
getroffenen Abkommen über die Beſeitigung der Grenzſtreitig-
keiten beim Dorfe Unterwirbach gegeben. — Dem im Januar
dieſes Jahres verſtorbenen Fürſten Georg von Schwarzburg
ſoll in Blankenburg ein Denkmal errichtet werden; der bezügliche
Aufruf iſt an erſter Stelle vom Staatsminiſter v. Starck mit-
unterzeichnet.
 Dresden, 30. Nov.
Die Schlußabrechnung für die
diesjährige internationale Aquarell-Ausſtellung hat
erfreulicherweiſe zu einem weit günſtigeren Ergebniß geführt, als
man zuerſt annehmen zu müſſen geglaubt. Es ſtehen nämlich den
in runder Summe 25,000 Mark betragenden Einnahmen nur rund
26,000 Mark Geſammtkoſten gegenüber, ſo daß der Fehlbetrag ſich
bloß auf rund 1000 Mark beläuft. Die Kunſtgenoſſenſchaft iſt da-
durch in die glückliche Lage verſetzt, auf eine Inanſpruchnahme des
ihr von der Stadt und einer Anzahl von Kunſtfreunden bewilligten
Garantiefonds zu verzichten; ſie wird den geringen Fehlbetrag aus
dem Ueberſchuſſe der 1887er Aquarell-Ausſtellung decken.
** Meran, 28. Nov.
Entgegen bisherigen Nachrichten iſt
die Koch’ſche Lymphe noch nicht hier eingetroffen, dagegen hören
wir, daß der hieſige k. k. Bezirksarzt Dr. v. Káán-Albéſzt nach
ſeiner morgen zu erwartenden Rückkehr von Berlin ſofort mit den
Impfungen beginnen wird.
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(2021-09-13T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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