Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung, Nr. 22, 6. Juni 1920.

Bild:
<< vorherige Seite
6. Juni 1920 Allgemeine Zeitung


[Spaltenumbruch] Du bist der heil'gen Sonne Glut,
Des sanften Mondes Silberschein;
Du bist die Nacht mit goldnen Sternen,
Des Weltmeers uferloses Brausen,
Der Wolken leichtes Weiterwandern;
Du bist des Hochgebirges Majestät,
Das Sprüh'n des Wassersturzes steil vom Fels --
Du bist des Adlers kühner Höhenstieg,
Des Rosses Schnauben und des klugen Hundes stummer Blick.
Das schöne Mädchen bist Du, das dort lächelnd schreitet,
Du bist des Kindes schuldlos Auge ...
Des Hauses holder Abendfrieden ...
Des Dichters Sehnsucht bist Du,
Des Mannes ernstes Streben und des Weibes Liebe -- -- --
Das alles bist Du, Großer Gott,
Du -- tiefer Urgrund allen Dingen,
Du Schloß und Riegel meiner Zweifel,
Du jedes Abgrunds hochgeschwungne Brücke,
Du -- letzte [Zuflucht] meinem Denken!



Leben.
Mit heiligem Ahnen
küßt mich der Kindheit Göttin,
der Frühling führt mich
durch lichtes Traumesland.
Dann nahm mich eines Morgens die Sehnsucht
bei der Hand,

ich folgte ihr durch tausend irre Gassen,
ihr Lächeln lockte,
ihr Ruf betörte,
ihre Stimme sang.
Jch bin durch das Rauschen des Blutes gegangen.


[irrelevantes Material]
[Spaltenumbruch]
Jch horchte glutentbrannt
dem lodernden Gesang der Sinne.
Und Blitzeszucken
und Donnergrollen
sang die Begleitung
zu meines Lebens Sturmeslied.
Heut fühl ich der Stille
wundersames Lächeln,
heut hör ich der Seele
tiefften Klang,
heut brennt durch Tag und Nacht
in meinem Herzen eine Altarflamme.



Dein Lied.
Dein Lied ist jung und blühend wie der Lenz,
Der lächelnd über grüne Fluren schreitet;
Jst zart, wie eine blasse Frauenhand
Stillselig über müde Kinder gleitet.
Dein Lied ist heimlich wie die Mondennacht,
Wenn in der dunkeln Laube zwei sich kosen,
Und wie die Sommerstunde ist es schwer
Durchtränkt von Düften dunkelroter Rosen.
Dein Lied ist tief, gleich wie ein blutig Leid,
Das weint in dumpfem schmerzdurchwühlten Wimmern,
Und voll von leiser Wehmut klingt es aus,
Still wie ein Hauch von süßestem Grinnern.
Von unseren Hochschulen
Bayerische Akademie der Wissenschaften.
Mai-Sitzungen.

In der gemeinsamen Sitzung der philosophisch-philologischen
und der historischen Klasse legte Herr Muncker als Forisetzung
einer früheren Arbeit vor:

Anschauungen vom englischen Staat und Dolk
in der deutschen Literatur des letzten Jahr-
hunderts
.

Nachdem die Ansichten aus früherer Zeit vielfach durch lite-
rarische, religiöse, rechtlich-sittliche, politische Nebenrücksichten he-
stimmt worden waren, brachten die "Briefe eines Verstorbenen"
von dem Fürsten Pückler-Muskau zuerst eine umfassende, sach-
liche Kenntnis des englischen Landes und Wesens, besonders des
sittlichen, gesellschaftlichen und geistig - künstlerischen Lebens.
Ueberaus wirkungsvoll ergänzte Heine diese Darstellung durch
seine scharfe Beleuchtung der Rechtsprechung und der politischen
Verhältnisse in England. Die Ansichten dieser beiden Beobachter
bestimmten mehr oder weniger das Urteil der nächsten Jahr-
zehnte, bei Varnhagen von Ense, Grillparzer u. a. Das junge
Deutschland schaute mit soviel Bewunderung und Verlangen nach
Frankreich, daß ihm für England wenig Liebe übrigblieb. So
sind denn auch Aeußerungen dieser Art bei Gutzkow, Laube und
ihren Anhängern verhältnismäßig selten und wenig freundlich;
nur Theodor Mundt und dann wieder Fanny Lewald betonten
mit mehr Liebe die freiheitlichen Einrichtungen des englischen
Staatslebens und was sonst noch dort in der sozialen Entwick-
lung auf die Zukunft wies. Auch bei den politischen Tendenz-
dichtern, deren manche, von Deutschland vertrieben, in London
eine neue Heimat fanden, und den Dichtern der folgenden Zeit
stellte sich die einstige schwärmerische Zuneigung zu England nicht
wieder ein. Immer häufiger erklangen nun auch aus deutschem
Dichtermunde Worte des Grolls über britische Habgier und
Scheelsucht Deutschland gegenüber, bis durch Ausbruch des Welt-
krieges naturgemäß Reden und Verse des wildesten Hasses her-
vorrief.

Herr Rehm legte vor:

Neue Beiträge zur Kenntnis der antiken
Wasseruhren
.

Eine im Jahre 1886 in Grand (Dep. Dosges) gefundene
Bronzescheibe erweist sich als Rest einer "astronomischen Uhr"
von ähnlichem Typus, wie wir sie aus Ditruvs 9. Buch und seit
1902 aus einem in Salzburg gefundenen Fragment kennen. Doch
zeigen charakteristische Unterschiede, daß die astronomische Grund-
lage ganz in den Hintergrund getreten und der kalendarische
Zweck ausschließlich festgehalten war. Auch die Konstruktion des
Werkes, die sich erschließen läßt, weicht von dem vitruvischen
Typus etwas ab. Im zweiten Teile der Abhandlung werden die

6. Juni 1920 Allgemeine Zeitung


[Spaltenumbruch] Du biſt der heil’gen Sonne Glut,
Des ſanften Mondes Silberſchein;
Du biſt die Nacht mit goldnen Sternen,
Des Weltmeers uferloſes Brauſen,
Der Wolken leichtes Weiterwandern;
Du biſt des Hochgebirges Majeſtät,
Das Sprüh’n des Waſſerſturzes ſteil vom Fels —
Du biſt des Adlers kühner Höhenſtieg,
Des Roſſes Schnauben und des klugen Hundes ſtummer Blick.
Das ſchöne Mädchen biſt Du, das dort lächelnd ſchreitet,
Du biſt des Kindes ſchuldlos Auge ...
Des Hauſes holder Abendfrieden ...
Des Dichters Sehnſucht biſt Du,
Des Mannes ernſtes Streben und des Weibes Liebe — — —
Das alles biſt Du, Großer Gott,
Du — tiefer Urgrund allen Dingen,
Du Schloß und Riegel meiner Zweifel,
Du jedes Abgrunds hochgeſchwungne Brücke,
Du — letzte [Zuflucht] meinem Denken!



Leben.
Mit heiligem Ahnen
küßt mich der Kindheit Göttin,
der Frühling führt mich
durch lichtes Traumesland.
Dann nahm mich eines Morgens die Sehnſucht
bei der Hand,

ich folgte ihr durch tauſend irre Gaſſen,
ihr Lächeln lockte,
ihr Ruf betörte,
ihre Stimme ſang.
Jch bin durch das Rauſchen des Blutes gegangen.


[irrelevantes Material]
[Spaltenumbruch]
Jch horchte glutentbrannt
dem lodernden Geſang der Sinne.
Und Blitzeszucken
und Donnergrollen
ſang die Begleitung
zu meines Lebens Sturmeslied.
Heut fühl ich der Stille
wunderſames Lächeln,
heut hör ich der Seele
tiefften Klang,
heut brennt durch Tag und Nacht
in meinem Herzen eine Altarflamme.



Dein Lied.
Dein Lied iſt jung und blühend wie der Lenz,
Der lächelnd über grüne Fluren ſchreitet;
Jſt zart, wie eine blaſſe Frauenhand
Stillſelig über müde Kinder gleitet.
Dein Lied iſt heimlich wie die Mondennacht,
Wenn in der dunkeln Laube zwei ſich koſen,
Und wie die Sommerſtunde iſt es ſchwer
Durchtränkt von Düften dunkelroter Roſen.
Dein Lied iſt tief, gleich wie ein blutig Leid,
Das weint in dumpfem ſchmerzdurchwühlten Wimmern,
Und voll von leiſer Wehmut klingt es aus,
Still wie ein Hauch von ſüßeſtem Grinnern.
Von unſeren Hochſchulen
Bayeriſche Akademie der Wiſſenſchaften.
Mai-Sitzungen.

In der gemeinſamen Sitzung der philoſophiſch-philologiſchen
und der hiſtoriſchen Klaſſe legte Herr Muncker als Foriſetzung
einer früheren Arbeit vor:

Anſchauungen vom engliſchen Staat und Dolk
in der deutſchen Literatur des letzten Jahr-
hunderts
.

Nachdem die Anſichten aus früherer Zeit vielfach durch lite-
rariſche, religiöſe, rechtlich-ſittliche, politiſche Nebenrückſichten he-
ſtimmt worden waren, brachten die „Briefe eines Verſtorbenen“
von dem Fürſten Pückler-Muskau zuerſt eine umfaſſende, ſach-
liche Kenntnis des engliſchen Landes und Weſens, beſonders des
ſittlichen, geſellſchaftlichen und geiſtig - künſtleriſchen Lebens.
Ueberaus wirkungsvoll ergänzte Heine dieſe Darſtellung durch
ſeine ſcharfe Beleuchtung der Rechtſprechung und der politiſchen
Verhältniſſe in England. Die Anſichten dieſer beiden Beobachter
beſtimmten mehr oder weniger das Urteil der nächſten Jahr-
zehnte, bei Varnhagen von Enſe, Grillparzer u. a. Das junge
Deutſchland ſchaute mit ſoviel Bewunderung und Verlangen nach
Frankreich, daß ihm für England wenig Liebe übrigblieb. So
ſind denn auch Aeußerungen dieſer Art bei Gutzkow, Laube und
ihren Anhängern verhältnismäßig ſelten und wenig freundlich;
nur Theodor Mundt und dann wieder Fanny Lewald betonten
mit mehr Liebe die freiheitlichen Einrichtungen des engliſchen
Staatslebens und was ſonſt noch dort in der ſozialen Entwick-
lung auf die Zukunft wies. Auch bei den politiſchen Tendenz-
dichtern, deren manche, von Deutſchland vertrieben, in London
eine neue Heimat fanden, und den Dichtern der folgenden Zeit
ſtellte ſich die einſtige ſchwärmeriſche Zuneigung zu England nicht
wieder ein. Immer häufiger erklangen nun auch aus deutſchem
Dichtermunde Worte des Grolls über britiſche Habgier und
Scheelſucht Deutſchland gegenüber, bis durch Ausbruch des Welt-
krieges naturgemäß Reden und Verſe des wildeſten Haſſes her-
vorrief.

Herr Rehm legte vor:

Neue Beiträge zur Kenntnis der antiken
Waſſeruhren
.

Eine im Jahre 1886 in Grand (Dép. Dosges) gefundene
Bronzeſcheibe erweiſt ſich als Reſt einer „aſtronomiſchen Uhr“
von ähnlichem Typus, wie wir ſie aus Ditruvs 9. Buch und ſeit
1902 aus einem in Salzburg gefundenen Fragment kennen. Doch
zeigen charakteriſtiſche Unterſchiede, daß die aſtronomiſche Grund-
lage ganz in den Hintergrund getreten und der kalendariſche
Zweck ausſchließlich feſtgehalten war. Auch die Konſtruktion des
Werkes, die ſich erſchließen läßt, weicht von dem vitruviſchen
Typus etwas ab. Im zweiten Teile der Abhandlung werden die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jFeuilleton" n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <l><pb facs="#f0007" n="213"/><fw place="top" type="header">6. Juni 1920 <hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung</hi></fw><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><cb/>
Du bi&#x017F;t der heil&#x2019;gen Sonne Glut,<lb/>
Des &#x017F;anften Mondes Silber&#x017F;chein;<lb/>
Du bi&#x017F;t die Nacht mit goldnen Sternen,<lb/>
Des Weltmeers uferlo&#x017F;es Brau&#x017F;en,<lb/>
Der Wolken leichtes Weiterwandern;<lb/>
Du bi&#x017F;t des Hochgebirges Maje&#x017F;tät,<lb/>
Das Sprüh&#x2019;n des Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;turzes &#x017F;teil vom Fels &#x2014;<lb/>
Du bi&#x017F;t des Adlers kühner Höhen&#x017F;tieg,<lb/>
Des Ro&#x017F;&#x017F;es Schnauben und des klugen Hundes &#x017F;tummer Blick.<lb/>
Das &#x017F;chöne Mädchen bi&#x017F;t Du, das dort lächelnd &#x017F;chreitet,<lb/>
Du bi&#x017F;t des Kindes &#x017F;chuldlos Auge ...<lb/>
Des Hau&#x017F;es holder Abendfrieden ...<lb/>
Des Dichters Sehn&#x017F;ucht bi&#x017F;t Du,<lb/>
Des Mannes ern&#x017F;tes Streben und des Weibes Liebe &#x2014; &#x2014; &#x2014;<lb/><hi rendition="#g">Das alles bi&#x017F;t Du, Großer Gott,<lb/>
Du &#x2014; tiefer Urgrund allen Dingen,<lb/>
Du Schloß und Riegel meiner Zweifel,<lb/>
Du jedes Abgrunds hochge&#x017F;chwungne Brücke,<lb/>
Du &#x2014; letzte <supplied>Zuflucht</supplied> meinem Denken!</hi></l><lb/>
          <byline><hi rendition="#g">Wolfgang Kraemer</hi>.</byline>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div xml:id="a02a" next="#a02b" type="poem" n="2">
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#b">Leben.</hi> </head><lb/>
            <l>Mit heiligem Ahnen<lb/>
küßt mich der Kindheit Göttin,<lb/>
der Frühling führt mich<lb/>
durch lichtes Traumesland.<lb/>
Dann nahm mich eines Morgens die Sehn&#x017F;ucht<lb/><hi rendition="#et">bei der Hand,</hi></l><lb/>
            <l>ich folgte ihr durch tau&#x017F;end irre Ga&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
ihr Lächeln lockte,<lb/>
ihr Ruf betörte,<lb/>
ihre Stimme &#x017F;ang.<lb/>
Jch bin durch das Rau&#x017F;chen des Blutes gegangen.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div type="jAn" n="2">
          <gap reason="insignificant"/>
        </div>
        <cb/>
        <div xml:id="a02b" prev="#a02a" type="poem" n="2">
          <lg type="poem">
            <l>Jch horchte glutentbrannt<lb/>
dem lodernden Ge&#x017F;ang der Sinne.<lb/>
Und Blitzeszucken<lb/>
und Donnergrollen<lb/>
&#x017F;ang die Begleitung<lb/>
zu meines Lebens Sturmeslied.<lb/>
Heut fühl ich der Stille<lb/>
wunder&#x017F;ames Lächeln,<lb/>
heut hör ich der Seele<lb/>
tiefften Klang,<lb/>
heut brennt durch Tag und Nacht<lb/>
in meinem Herzen eine Altarflamme.</l><lb/>
            <byline><hi rendition="#g">Marie Holzer</hi>.</byline>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div type="poem" n="2">
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#b">Dein Lied.</hi> </head><lb/>
            <byline>Von <hi rendition="#g">Paula Kampers</hi>.</byline><lb/>
            <l>Dein Lied i&#x017F;t jung und blühend wie der Lenz,<lb/>
Der lächelnd über grüne Fluren &#x017F;chreitet;<lb/>
J&#x017F;t zart, wie eine bla&#x017F;&#x017F;e Frauenhand<lb/>
Still&#x017F;elig über müde Kinder gleitet.<lb/>
Dein Lied i&#x017F;t heimlich wie die Mondennacht,<lb/>
Wenn in der dunkeln Laube zwei &#x017F;ich ko&#x017F;en,<lb/>
Und wie die Sommer&#x017F;tunde i&#x017F;t es &#x017F;chwer<lb/>
Durchtränkt von Düften dunkelroter Ro&#x017F;en.<lb/>
Dein Lied i&#x017F;t tief, gleich wie ein blutig Leid,<lb/>
Das weint in dumpfem &#x017F;chmerzdurchwühlten Wimmern,<lb/>
Und voll von lei&#x017F;er Wehmut klingt es aus,<lb/>
Still wie ein Hauch von &#x017F;üße&#x017F;tem Grinnern.</l>
          </lg>
        </div>
      </div><lb/>
      <div type="jVarious" n="1">
        <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">Von un&#x017F;eren Hoch&#x017F;chulen</hi> </hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Bayeri&#x017F;che Akademie der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften.<lb/>
Mai-Sitzungen.</hi> </hi> </head><lb/>
          <p>In der gemein&#x017F;amen Sitzung der philo&#x017F;ophi&#x017F;ch-philologi&#x017F;chen<lb/>
und der hi&#x017F;tori&#x017F;chen Kla&#x017F;&#x017F;e legte Herr Muncker als Fori&#x017F;etzung<lb/>
einer früheren Arbeit vor:</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">An&#x017F;chauungen vom engli&#x017F;chen Staat und Dolk<lb/>
in der deut&#x017F;chen Literatur des letzten Jahr-<lb/>
hunderts</hi>.</hi> </p><lb/>
          <p>Nachdem die An&#x017F;ichten aus früherer Zeit vielfach durch lite-<lb/>
rari&#x017F;che, religiö&#x017F;e, rechtlich-&#x017F;ittliche, politi&#x017F;che Nebenrück&#x017F;ichten he-<lb/>
&#x017F;timmt worden waren, brachten die &#x201E;Briefe eines Ver&#x017F;torbenen&#x201C;<lb/>
von dem Für&#x017F;ten Pückler-Muskau zuer&#x017F;t eine umfa&#x017F;&#x017F;ende, &#x017F;ach-<lb/>
liche Kenntnis des engli&#x017F;chen Landes und We&#x017F;ens, be&#x017F;onders des<lb/>
&#x017F;ittlichen, ge&#x017F;ell&#x017F;chaftlichen und gei&#x017F;tig - kün&#x017F;tleri&#x017F;chen Lebens.<lb/>
Ueberaus wirkungsvoll ergänzte Heine die&#x017F;e Dar&#x017F;tellung durch<lb/>
&#x017F;eine &#x017F;charfe Beleuchtung der Recht&#x017F;prechung und der politi&#x017F;chen<lb/>
Verhältni&#x017F;&#x017F;e in England. Die An&#x017F;ichten die&#x017F;er beiden Beobachter<lb/>
be&#x017F;timmten mehr oder weniger das Urteil der näch&#x017F;ten Jahr-<lb/>
zehnte, bei Varnhagen von En&#x017F;e, Grillparzer u. a. Das junge<lb/>
Deut&#x017F;chland &#x017F;chaute mit &#x017F;oviel Bewunderung und Verlangen nach<lb/>
Frankreich, daß ihm für England wenig Liebe übrigblieb. So<lb/>
&#x017F;ind denn auch Aeußerungen die&#x017F;er Art bei Gutzkow, Laube und<lb/>
ihren Anhängern verhältnismäßig &#x017F;elten und wenig freundlich;<lb/>
nur Theodor Mundt und dann wieder Fanny Lewald betonten<lb/>
mit mehr Liebe die freiheitlichen Einrichtungen des engli&#x017F;chen<lb/>
Staatslebens und was &#x017F;on&#x017F;t noch dort in der &#x017F;ozialen Entwick-<lb/>
lung auf die Zukunft wies. Auch bei den politi&#x017F;chen Tendenz-<lb/>
dichtern, deren manche, von Deut&#x017F;chland vertrieben, in London<lb/>
eine neue Heimat fanden, und den Dichtern der folgenden Zeit<lb/>
&#x017F;tellte &#x017F;ich die ein&#x017F;tige &#x017F;chwärmeri&#x017F;che Zuneigung zu England nicht<lb/>
wieder ein. Immer häufiger erklangen nun auch aus deut&#x017F;chem<lb/>
Dichtermunde Worte des Grolls über briti&#x017F;che Habgier und<lb/>
Scheel&#x017F;ucht Deut&#x017F;chland gegenüber, bis durch Ausbruch des Welt-<lb/>
krieges naturgemäß Reden und Ver&#x017F;e des wilde&#x017F;ten Ha&#x017F;&#x017F;es her-<lb/>
vorrief.</p><lb/>
          <p>Herr Rehm legte vor:</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Neue Beiträge zur Kenntnis der antiken<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;eruhren</hi>.</hi> </p><lb/>
          <p>Eine im Jahre 1886 in Grand (D<hi rendition="#aq">é</hi>p. Dosges) gefundene<lb/>
Bronze&#x017F;cheibe erwei&#x017F;t &#x017F;ich als Re&#x017F;t einer &#x201E;a&#x017F;tronomi&#x017F;chen Uhr&#x201C;<lb/>
von ähnlichem Typus, wie wir &#x017F;ie aus Ditruvs 9. Buch und &#x017F;eit<lb/>
1902 aus einem in Salzburg gefundenen Fragment kennen. Doch<lb/>
zeigen charakteri&#x017F;ti&#x017F;che Unter&#x017F;chiede, daß die a&#x017F;tronomi&#x017F;che Grund-<lb/>
lage ganz in den Hintergrund getreten und der kalendari&#x017F;che<lb/>
Zweck aus&#x017F;chließlich fe&#x017F;tgehalten war. Auch die Kon&#x017F;truktion des<lb/>
Werkes, die &#x017F;ich er&#x017F;chließen läßt, weicht von dem vitruvi&#x017F;chen<lb/>
Typus etwas ab. Im zweiten Teile der Abhandlung werden die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0007] 6. Juni 1920 Allgemeine Zeitung Du biſt der heil’gen Sonne Glut, Des ſanften Mondes Silberſchein; Du biſt die Nacht mit goldnen Sternen, Des Weltmeers uferloſes Brauſen, Der Wolken leichtes Weiterwandern; Du biſt des Hochgebirges Majeſtät, Das Sprüh’n des Waſſerſturzes ſteil vom Fels — Du biſt des Adlers kühner Höhenſtieg, Des Roſſes Schnauben und des klugen Hundes ſtummer Blick. Das ſchöne Mädchen biſt Du, das dort lächelnd ſchreitet, Du biſt des Kindes ſchuldlos Auge ... Des Hauſes holder Abendfrieden ... Des Dichters Sehnſucht biſt Du, Des Mannes ernſtes Streben und des Weibes Liebe — — — Das alles biſt Du, Großer Gott, Du — tiefer Urgrund allen Dingen, Du Schloß und Riegel meiner Zweifel, Du jedes Abgrunds hochgeſchwungne Brücke, Du — letzte Zuflucht meinem Denken! Wolfgang Kraemer. Leben. Mit heiligem Ahnen küßt mich der Kindheit Göttin, der Frühling führt mich durch lichtes Traumesland. Dann nahm mich eines Morgens die Sehnſucht bei der Hand, ich folgte ihr durch tauſend irre Gaſſen, ihr Lächeln lockte, ihr Ruf betörte, ihre Stimme ſang. Jch bin durch das Rauſchen des Blutes gegangen. _ Jch horchte glutentbrannt dem lodernden Geſang der Sinne. Und Blitzeszucken und Donnergrollen ſang die Begleitung zu meines Lebens Sturmeslied. Heut fühl ich der Stille wunderſames Lächeln, heut hör ich der Seele tiefften Klang, heut brennt durch Tag und Nacht in meinem Herzen eine Altarflamme. Marie Holzer. Dein Lied. Von Paula Kampers. Dein Lied iſt jung und blühend wie der Lenz, Der lächelnd über grüne Fluren ſchreitet; Jſt zart, wie eine blaſſe Frauenhand Stillſelig über müde Kinder gleitet. Dein Lied iſt heimlich wie die Mondennacht, Wenn in der dunkeln Laube zwei ſich koſen, Und wie die Sommerſtunde iſt es ſchwer Durchtränkt von Düften dunkelroter Roſen. Dein Lied iſt tief, gleich wie ein blutig Leid, Das weint in dumpfem ſchmerzdurchwühlten Wimmern, Und voll von leiſer Wehmut klingt es aus, Still wie ein Hauch von ſüßeſtem Grinnern. Von unſeren Hochſchulen Bayeriſche Akademie der Wiſſenſchaften. Mai-Sitzungen. In der gemeinſamen Sitzung der philoſophiſch-philologiſchen und der hiſtoriſchen Klaſſe legte Herr Muncker als Foriſetzung einer früheren Arbeit vor: Anſchauungen vom engliſchen Staat und Dolk in der deutſchen Literatur des letzten Jahr- hunderts. Nachdem die Anſichten aus früherer Zeit vielfach durch lite- rariſche, religiöſe, rechtlich-ſittliche, politiſche Nebenrückſichten he- ſtimmt worden waren, brachten die „Briefe eines Verſtorbenen“ von dem Fürſten Pückler-Muskau zuerſt eine umfaſſende, ſach- liche Kenntnis des engliſchen Landes und Weſens, beſonders des ſittlichen, geſellſchaftlichen und geiſtig - künſtleriſchen Lebens. Ueberaus wirkungsvoll ergänzte Heine dieſe Darſtellung durch ſeine ſcharfe Beleuchtung der Rechtſprechung und der politiſchen Verhältniſſe in England. Die Anſichten dieſer beiden Beobachter beſtimmten mehr oder weniger das Urteil der nächſten Jahr- zehnte, bei Varnhagen von Enſe, Grillparzer u. a. Das junge Deutſchland ſchaute mit ſoviel Bewunderung und Verlangen nach Frankreich, daß ihm für England wenig Liebe übrigblieb. So ſind denn auch Aeußerungen dieſer Art bei Gutzkow, Laube und ihren Anhängern verhältnismäßig ſelten und wenig freundlich; nur Theodor Mundt und dann wieder Fanny Lewald betonten mit mehr Liebe die freiheitlichen Einrichtungen des engliſchen Staatslebens und was ſonſt noch dort in der ſozialen Entwick- lung auf die Zukunft wies. Auch bei den politiſchen Tendenz- dichtern, deren manche, von Deutſchland vertrieben, in London eine neue Heimat fanden, und den Dichtern der folgenden Zeit ſtellte ſich die einſtige ſchwärmeriſche Zuneigung zu England nicht wieder ein. Immer häufiger erklangen nun auch aus deutſchem Dichtermunde Worte des Grolls über britiſche Habgier und Scheelſucht Deutſchland gegenüber, bis durch Ausbruch des Welt- krieges naturgemäß Reden und Verſe des wildeſten Haſſes her- vorrief. Herr Rehm legte vor: Neue Beiträge zur Kenntnis der antiken Waſſeruhren. Eine im Jahre 1886 in Grand (Dép. Dosges) gefundene Bronzeſcheibe erweiſt ſich als Reſt einer „aſtronomiſchen Uhr“ von ähnlichem Typus, wie wir ſie aus Ditruvs 9. Buch und ſeit 1902 aus einem in Salzburg gefundenen Fragment kennen. Doch zeigen charakteriſtiſche Unterſchiede, daß die aſtronomiſche Grund- lage ganz in den Hintergrund getreten und der kalendariſche Zweck ausſchließlich feſtgehalten war. Auch die Konſtruktion des Werkes, die ſich erſchließen läßt, weicht von dem vitruviſchen Typus etwas ab. Im zweiten Teile der Abhandlung werden die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-04-24T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine22_1920
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine22_1920/7
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 22, 6. Juni 1920, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine22_1920/7>, abgerufen am 10.06.2024.