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Allgemeine Zeitung, Nr. 22, 6. Juni 1920.

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6. Juni 1920 Allgemeine Zeitung


[Spaltenumbruch] Du bist der heil'gen Sonne Glut,
Des sanften Mondes Silberschein;
Du bist die Nacht mit goldnen Sternen,
Des Weltmeers uferloses Brausen,
Der Wolken leichtes Weiterwandern;
Du bist des Hochgebirges Majestät,
Das Sprüh'n des Wassersturzes steil vom Fels --
Du bist des Adlers kühner Höhenstieg,
Des Rosses Schnauben und des klugen Hundes stummer Blick.
Das schöne Mädchen bist Du, das dort lächelnd schreitet,
Du bist des Kindes schuldlos Auge ...
Des Hauses holder Abendfrieden ...
Des Dichters Sehnsucht bist Du,
Des Mannes ernstes Streben und des Weibes Liebe -- -- --
Das alles bist Du, Großer Gott,
Du -- tiefer Urgrund allen Dingen,
Du Schloß und Riegel meiner Zweifel,
Du jedes Abgrunds hochgeschwungne Brücke,
Du -- letzte [Zuflucht] meinem Denken!



Leben.
Mit heiligem Ahnen
küßt mich der Kindheit Göttin,
der Frühling führt mich
durch lichtes Traumesland.
Dann nahm mich eines Morgens die Sehnsucht
bei der Hand,

ich folgte ihr durch tausend irre Gassen,
ihr Lächeln lockte,
ihr Ruf betörte,
ihre Stimme sang.
Jch bin durch das Rauschen des Blutes gegangen.


[irrelevantes Material]
[Spaltenumbruch]
Jch horchte glutentbrannt
dem lodernden Gesang der Sinne.
Und Blitzeszucken
und Donnergrollen
sang die Begleitung
zu meines Lebens Sturmeslied.
Heut fühl ich der Stille
wundersames Lächeln,
heut hör ich der Seele
tiefften Klang,
heut brennt durch Tag und Nacht
in meinem Herzen eine Altarflamme.



Dein Lied.
Dein Lied ist jung und blühend wie der Lenz,
Der lächelnd über grüne Fluren schreitet;
Jst zart, wie eine blasse Frauenhand
Stillselig über müde Kinder gleitet.
Dein Lied ist heimlich wie die Mondennacht,
Wenn in der dunkeln Laube zwei sich kosen,
Und wie die Sommerstunde ist es schwer
Durchtränkt von Düften dunkelroter Rosen.
Dein Lied ist tief, gleich wie ein blutig Leid,
Das weint in dumpfem schmerzdurchwühlten Wimmern,
Und voll von leiser Wehmut klingt es aus,
Still wie ein Hauch von süßestem Grinnern.
Von unseren Hochschulen
Bayerische Akademie der Wissenschaften.
Mai-Sitzungen.

In der gemeinsamen Sitzung der philosophisch-philologischen
und der historischen Klasse legte Herr Muncker als Forisetzung
einer früheren Arbeit vor:

Anschauungen vom englischen Staat und Dolk
in der deutschen Literatur des letzten Jahr-
hunderts
.

Nachdem die Ansichten aus früherer Zeit vielfach durch lite-
rarische, religiöse, rechtlich-sittliche, politische Nebenrücksichten he-
stimmt worden waren, brachten die "Briefe eines Verstorbenen"
von dem Fürsten Pückler-Muskau zuerst eine umfassende, sach-
liche Kenntnis des englischen Landes und Wesens, besonders des
sittlichen, gesellschaftlichen und geistig - künstlerischen Lebens.
Ueberaus wirkungsvoll ergänzte Heine diese Darstellung durch
seine scharfe Beleuchtung der Rechtsprechung und der politischen
Verhältnisse in England. Die Ansichten dieser beiden Beobachter
bestimmten mehr oder weniger das Urteil der nächsten Jahr-
zehnte, bei Varnhagen von Ense, Grillparzer u. a. Das junge
Deutschland schaute mit soviel Bewunderung und Verlangen nach
Frankreich, daß ihm für England wenig Liebe übrigblieb. So
sind denn auch Aeußerungen dieser Art bei Gutzkow, Laube und
ihren Anhängern verhältnismäßig selten und wenig freundlich;
nur Theodor Mundt und dann wieder Fanny Lewald betonten
mit mehr Liebe die freiheitlichen Einrichtungen des englischen
Staatslebens und was sonst noch dort in der sozialen Entwick-
lung auf die Zukunft wies. Auch bei den politischen Tendenz-
dichtern, deren manche, von Deutschland vertrieben, in London
eine neue Heimat fanden, und den Dichtern der folgenden Zeit
stellte sich die einstige schwärmerische Zuneigung zu England nicht
wieder ein. Immer häufiger erklangen nun auch aus deutschem
Dichtermunde Worte des Grolls über britische Habgier und
Scheelsucht Deutschland gegenüber, bis durch Ausbruch des Welt-
krieges naturgemäß Reden und Verse des wildesten Hasses her-
vorrief.

Herr Rehm legte vor:

Neue Beiträge zur Kenntnis der antiken
Wasseruhren
.

Eine im Jahre 1886 in Grand (Dep. Dosges) gefundene
Bronzescheibe erweist sich als Rest einer "astronomischen Uhr"
von ähnlichem Typus, wie wir sie aus Ditruvs 9. Buch und seit
1902 aus einem in Salzburg gefundenen Fragment kennen. Doch
zeigen charakteristische Unterschiede, daß die astronomische Grund-
lage ganz in den Hintergrund getreten und der kalendarische
Zweck ausschließlich festgehalten war. Auch die Konstruktion des
Werkes, die sich erschließen läßt, weicht von dem vitruvischen
Typus etwas ab. Im zweiten Teile der Abhandlung werden die

6. Juni 1920 Allgemeine Zeitung


[Spaltenumbruch] Du biſt der heil’gen Sonne Glut,
Des ſanften Mondes Silberſchein;
Du biſt die Nacht mit goldnen Sternen,
Des Weltmeers uferloſes Brauſen,
Der Wolken leichtes Weiterwandern;
Du biſt des Hochgebirges Majeſtät,
Das Sprüh’n des Waſſerſturzes ſteil vom Fels —
Du biſt des Adlers kühner Höhenſtieg,
Des Roſſes Schnauben und des klugen Hundes ſtummer Blick.
Das ſchöne Mädchen biſt Du, das dort lächelnd ſchreitet,
Du biſt des Kindes ſchuldlos Auge ...
Des Hauſes holder Abendfrieden ...
Des Dichters Sehnſucht biſt Du,
Des Mannes ernſtes Streben und des Weibes Liebe — — —
Das alles biſt Du, Großer Gott,
Du — tiefer Urgrund allen Dingen,
Du Schloß und Riegel meiner Zweifel,
Du jedes Abgrunds hochgeſchwungne Brücke,
Du — letzte [Zuflucht] meinem Denken!



Leben.
Mit heiligem Ahnen
küßt mich der Kindheit Göttin,
der Frühling führt mich
durch lichtes Traumesland.
Dann nahm mich eines Morgens die Sehnſucht
bei der Hand,

ich folgte ihr durch tauſend irre Gaſſen,
ihr Lächeln lockte,
ihr Ruf betörte,
ihre Stimme ſang.
Jch bin durch das Rauſchen des Blutes gegangen.


[irrelevantes Material]
[Spaltenumbruch]
Jch horchte glutentbrannt
dem lodernden Geſang der Sinne.
Und Blitzeszucken
und Donnergrollen
ſang die Begleitung
zu meines Lebens Sturmeslied.
Heut fühl ich der Stille
wunderſames Lächeln,
heut hör ich der Seele
tiefften Klang,
heut brennt durch Tag und Nacht
in meinem Herzen eine Altarflamme.



Dein Lied.
Dein Lied iſt jung und blühend wie der Lenz,
Der lächelnd über grüne Fluren ſchreitet;
Jſt zart, wie eine blaſſe Frauenhand
Stillſelig über müde Kinder gleitet.
Dein Lied iſt heimlich wie die Mondennacht,
Wenn in der dunkeln Laube zwei ſich koſen,
Und wie die Sommerſtunde iſt es ſchwer
Durchtränkt von Düften dunkelroter Roſen.
Dein Lied iſt tief, gleich wie ein blutig Leid,
Das weint in dumpfem ſchmerzdurchwühlten Wimmern,
Und voll von leiſer Wehmut klingt es aus,
Still wie ein Hauch von ſüßeſtem Grinnern.
Von unſeren Hochſchulen
Bayeriſche Akademie der Wiſſenſchaften.
Mai-Sitzungen.

In der gemeinſamen Sitzung der philoſophiſch-philologiſchen
und der hiſtoriſchen Klaſſe legte Herr Muncker als Foriſetzung
einer früheren Arbeit vor:

Anſchauungen vom engliſchen Staat und Dolk
in der deutſchen Literatur des letzten Jahr-
hunderts
.

Nachdem die Anſichten aus früherer Zeit vielfach durch lite-
rariſche, religiöſe, rechtlich-ſittliche, politiſche Nebenrückſichten he-
ſtimmt worden waren, brachten die „Briefe eines Verſtorbenen“
von dem Fürſten Pückler-Muskau zuerſt eine umfaſſende, ſach-
liche Kenntnis des engliſchen Landes und Weſens, beſonders des
ſittlichen, geſellſchaftlichen und geiſtig - künſtleriſchen Lebens.
Ueberaus wirkungsvoll ergänzte Heine dieſe Darſtellung durch
ſeine ſcharfe Beleuchtung der Rechtſprechung und der politiſchen
Verhältniſſe in England. Die Anſichten dieſer beiden Beobachter
beſtimmten mehr oder weniger das Urteil der nächſten Jahr-
zehnte, bei Varnhagen von Enſe, Grillparzer u. a. Das junge
Deutſchland ſchaute mit ſoviel Bewunderung und Verlangen nach
Frankreich, daß ihm für England wenig Liebe übrigblieb. So
ſind denn auch Aeußerungen dieſer Art bei Gutzkow, Laube und
ihren Anhängern verhältnismäßig ſelten und wenig freundlich;
nur Theodor Mundt und dann wieder Fanny Lewald betonten
mit mehr Liebe die freiheitlichen Einrichtungen des engliſchen
Staatslebens und was ſonſt noch dort in der ſozialen Entwick-
lung auf die Zukunft wies. Auch bei den politiſchen Tendenz-
dichtern, deren manche, von Deutſchland vertrieben, in London
eine neue Heimat fanden, und den Dichtern der folgenden Zeit
ſtellte ſich die einſtige ſchwärmeriſche Zuneigung zu England nicht
wieder ein. Immer häufiger erklangen nun auch aus deutſchem
Dichtermunde Worte des Grolls über britiſche Habgier und
Scheelſucht Deutſchland gegenüber, bis durch Ausbruch des Welt-
krieges naturgemäß Reden und Verſe des wildeſten Haſſes her-
vorrief.

Herr Rehm legte vor:

Neue Beiträge zur Kenntnis der antiken
Waſſeruhren
.

Eine im Jahre 1886 in Grand (Dép. Dosges) gefundene
Bronzeſcheibe erweiſt ſich als Reſt einer „aſtronomiſchen Uhr“
von ähnlichem Typus, wie wir ſie aus Ditruvs 9. Buch und ſeit
1902 aus einem in Salzburg gefundenen Fragment kennen. Doch
zeigen charakteriſtiſche Unterſchiede, daß die aſtronomiſche Grund-
lage ganz in den Hintergrund getreten und der kalendariſche
Zweck ausſchließlich feſtgehalten war. Auch die Konſtruktion des
Werkes, die ſich erſchließen läßt, weicht von dem vitruviſchen
Typus etwas ab. Im zweiten Teile der Abhandlung werden die

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[213/0007] 6. Juni 1920 Allgemeine Zeitung Du biſt der heil’gen Sonne Glut, Des ſanften Mondes Silberſchein; Du biſt die Nacht mit goldnen Sternen, Des Weltmeers uferloſes Brauſen, Der Wolken leichtes Weiterwandern; Du biſt des Hochgebirges Majeſtät, Das Sprüh’n des Waſſerſturzes ſteil vom Fels — Du biſt des Adlers kühner Höhenſtieg, Des Roſſes Schnauben und des klugen Hundes ſtummer Blick. Das ſchöne Mädchen biſt Du, das dort lächelnd ſchreitet, Du biſt des Kindes ſchuldlos Auge ... Des Hauſes holder Abendfrieden ... Des Dichters Sehnſucht biſt Du, Des Mannes ernſtes Streben und des Weibes Liebe — — — Das alles biſt Du, Großer Gott, Du — tiefer Urgrund allen Dingen, Du Schloß und Riegel meiner Zweifel, Du jedes Abgrunds hochgeſchwungne Brücke, Du — letzte Zuflucht meinem Denken! Wolfgang Kraemer. Leben. Mit heiligem Ahnen küßt mich der Kindheit Göttin, der Frühling führt mich durch lichtes Traumesland. Dann nahm mich eines Morgens die Sehnſucht bei der Hand, ich folgte ihr durch tauſend irre Gaſſen, ihr Lächeln lockte, ihr Ruf betörte, ihre Stimme ſang. Jch bin durch das Rauſchen des Blutes gegangen. _ Jch horchte glutentbrannt dem lodernden Geſang der Sinne. Und Blitzeszucken und Donnergrollen ſang die Begleitung zu meines Lebens Sturmeslied. Heut fühl ich der Stille wunderſames Lächeln, heut hör ich der Seele tiefften Klang, heut brennt durch Tag und Nacht in meinem Herzen eine Altarflamme. Marie Holzer. Dein Lied. Von Paula Kampers. Dein Lied iſt jung und blühend wie der Lenz, Der lächelnd über grüne Fluren ſchreitet; Jſt zart, wie eine blaſſe Frauenhand Stillſelig über müde Kinder gleitet. Dein Lied iſt heimlich wie die Mondennacht, Wenn in der dunkeln Laube zwei ſich koſen, Und wie die Sommerſtunde iſt es ſchwer Durchtränkt von Düften dunkelroter Roſen. Dein Lied iſt tief, gleich wie ein blutig Leid, Das weint in dumpfem ſchmerzdurchwühlten Wimmern, Und voll von leiſer Wehmut klingt es aus, Still wie ein Hauch von ſüßeſtem Grinnern. Von unſeren Hochſchulen Bayeriſche Akademie der Wiſſenſchaften. Mai-Sitzungen. In der gemeinſamen Sitzung der philoſophiſch-philologiſchen und der hiſtoriſchen Klaſſe legte Herr Muncker als Foriſetzung einer früheren Arbeit vor: Anſchauungen vom engliſchen Staat und Dolk in der deutſchen Literatur des letzten Jahr- hunderts. Nachdem die Anſichten aus früherer Zeit vielfach durch lite- rariſche, religiöſe, rechtlich-ſittliche, politiſche Nebenrückſichten he- ſtimmt worden waren, brachten die „Briefe eines Verſtorbenen“ von dem Fürſten Pückler-Muskau zuerſt eine umfaſſende, ſach- liche Kenntnis des engliſchen Landes und Weſens, beſonders des ſittlichen, geſellſchaftlichen und geiſtig - künſtleriſchen Lebens. Ueberaus wirkungsvoll ergänzte Heine dieſe Darſtellung durch ſeine ſcharfe Beleuchtung der Rechtſprechung und der politiſchen Verhältniſſe in England. Die Anſichten dieſer beiden Beobachter beſtimmten mehr oder weniger das Urteil der nächſten Jahr- zehnte, bei Varnhagen von Enſe, Grillparzer u. a. Das junge Deutſchland ſchaute mit ſoviel Bewunderung und Verlangen nach Frankreich, daß ihm für England wenig Liebe übrigblieb. So ſind denn auch Aeußerungen dieſer Art bei Gutzkow, Laube und ihren Anhängern verhältnismäßig ſelten und wenig freundlich; nur Theodor Mundt und dann wieder Fanny Lewald betonten mit mehr Liebe die freiheitlichen Einrichtungen des engliſchen Staatslebens und was ſonſt noch dort in der ſozialen Entwick- lung auf die Zukunft wies. Auch bei den politiſchen Tendenz- dichtern, deren manche, von Deutſchland vertrieben, in London eine neue Heimat fanden, und den Dichtern der folgenden Zeit ſtellte ſich die einſtige ſchwärmeriſche Zuneigung zu England nicht wieder ein. Immer häufiger erklangen nun auch aus deutſchem Dichtermunde Worte des Grolls über britiſche Habgier und Scheelſucht Deutſchland gegenüber, bis durch Ausbruch des Welt- krieges naturgemäß Reden und Verſe des wildeſten Haſſes her- vorrief. Herr Rehm legte vor: Neue Beiträge zur Kenntnis der antiken Waſſeruhren. Eine im Jahre 1886 in Grand (Dép. Dosges) gefundene Bronzeſcheibe erweiſt ſich als Reſt einer „aſtronomiſchen Uhr“ von ähnlichem Typus, wie wir ſie aus Ditruvs 9. Buch und ſeit 1902 aus einem in Salzburg gefundenen Fragment kennen. Doch zeigen charakteriſtiſche Unterſchiede, daß die aſtronomiſche Grund- lage ganz in den Hintergrund getreten und der kalendariſche Zweck ausſchließlich feſtgehalten war. Auch die Konſtruktion des Werkes, die ſich erſchließen läßt, weicht von dem vitruviſchen Typus etwas ab. Im zweiten Teile der Abhandlung werden die

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 22, 6. Juni 1920, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine22_1920/7>, abgerufen am 24.11.2024.